Die BauarbeiterInnen des Kantons Zürich haben, nachdem sie bereits am 1.November gestreikt haben, am ersten und zweiten April erneut für ihren Landesmantelvertrag (LMV) gestreikt. Nachdem in sechs Kantonen bereits Überganslösungen in Form von Regionalverträgen gefunden wurden, forderten die Zürcher BauarbeiterInnen nun endlich auch einen Vertrag. Ihren Protest trugen sie, unter anderem, vor die Zentrale des nationalen Baumeisterverbandes. Ein kurzer Bericht der Ereignisse von unseren Schweizer GenossInnen.
1.April
Der Streik begann frühmorgens auf ausgewählten Baustellen in Zürich und Umgebung. Etwa 500 BauarbeiterInnen hatten vor, ihre Arbeit für einen Tag nieder zu legen.
Nachdem sich die ArbeiterInnen an verschieden Treffpunkten versammelt hatten, brachen wir mit verschiedenen Bussen auf, um drei Betonwerke zu blockieren. Betroffen war der Hauptsitz der Kibag AG in Zürich-Wollishofen, ein weiteres Kibag-Werk in Zürich Tiefenbrunnen und ein Betonwerk der Firma Toggenburger in Zürich-Oerlikon.
Wir beteiligten uns an der Blockade am Hauptsitz der Kibag AG und machten das Betonwerk für ca. zwei Stunden dicht. Um zu verhindern, dass Beton ausgeliefert werden konnte, versperrten wir mit einem Transparent, auf dem „Genug betoniert: Schon sechs Monate ohne LMV – Wir streiken für unseren Vertrag“ stand, die Einfahrt. Auf die Frage eines Unia-Funktionärs, ob man einen Lastwagen durchlassen solle, antworteten die Arbeiter mit einem minutenlangen Pfeifkonzert.
Gegen 12:30 Uhr bauten wir die Blockade ab und fuhren zum Streikessen in der Maag-Event Halle in Zürich. Dort herrschte kämpferische aber ausgelassene Stimmung. Das italienische ArbeiterInnenlied „Bella Ciao“ und albanische Kampflieder wurden gesungen und die momentane Situation in teilweisen kämpferischen, Reden angeprangert. „Falls der SBV nicht einlenke werden wir unsere Aktionen ausdehnen“ wurde gedroht.
Nach dem Essen fuhren wir an den Versammlungspunkt für die Streikdemo, welche, trotz der weniger als einen Kilometer langen Route, schon vor dem Gebäude des kantonalen Baumeisterverbandes endete. Auf halben Weg dorthin wurden die ArbeiterInnen mit 70 Pickeln „bewaffnet“, um sie den Baumeistern vor die Füsse zu werfen. Immer wieder wurde von jungen portugiesischen und italienischen ArbeiterInnen der Schlachtruf dieser BauarbeiterInnenbewegung skandiert. „Sciopero“, „Sciopero“, „Sciopero“….
Nach dieser kämpferischen Demo, bei der wir den Baumeistern eingeheizt hatten machten wir uns auf den Rückweg zum Maag-Areal, wo das Streikgeld (120 CHF, nur für UNIA-MitgliederInnen) ausbezahlt wurde und die BauarbeiterInnen kehrten zu den bestreikten Baustellen zurück um mit ihren Autos nach Hause zu fahren.
2. April
Am Morgen früh begannen wir mit der Räumung einer Grossbaustelle der Firma Marti in Feraltdorf. Von rund 50 ArbeiterInnen dieser Baustelle, legten 30 die Arbeit nieder und begaben sich auf weitere Baustellen im Zürcher Oberland um andere BauarbeiterInnen zu mobilisieren. Auch meine Gruppe zog weiter, um kleinere Baustellen in der Umgebung zu räumen. Auf der ersten, von der Firma Weilemann betrieben, hielten wir mit den anwesenden BauarbeiterInnen eine kurze Versammlung ab und sie entschlossen sich, kollektiv die Arbeit niederzulegen.
Auch die zwei anwesenden Lehrlinge schlossen sich den Ausgelernten an. Danach fuhren wir zur nächsten Baustelle. Die dortigen fünf Implenia Arbeiter schlossen sich nach kurzer Diskussion ebenfalls dem Streik an.
Eine weitere Baustelle, die anvisiert wurde, wird von der Firma Nussbaumer betrieben. Wir fuhren mit dem Bus neben die Baustelle und alle ArbeiterInnen stiegen mit Pfeifen, Streikwesten und Fahnen bewaffnet aus um ihre KollegInnen aufzufordern, sich dem Streik anzuschliessen. Nach kurzer Ansprache auf Italienisch und Deutsch zogen sich die Arbeiter um und schlossen sich uns an.
Fünf Minuten später, legten die ArbeiterInnen zweier Baustellen der Strassenbaufirma Tius nach kurzer Diskussion die Arbeit nieder und gesellten sich zu uns in den mittlerweile gut gefüllten Car. Unter lautem Johlen wurde per Lautsprecher mittgeteilt, dass wir auf zwei weiteren Baustellen in der Nähe von Zürich ArbeiterInnen mobilisieren wollten. Die BauarbeiterInnen schlossen sich uns auf beiden Baustellen sofort an, obwohl auf der ersteren soeben eine Ladung Beton eingetroffen war.
Der Bus war gefüllt. Wir hatten auf unserer Tour an die 70 BauabeiterInnen von 7 Baustellen mobilisiert und nahmen nun Kurs auf den Hauptbahnhof Zürich.
Am Bahnhof angekommen trafen wir auf mehr als 500 weitere BauarbeiterInnen, welche die Arbeit niedergelegt hatten und auf 150 ArbeiterInnen aus dem seit Wochen bestreikten SBB-Cargo Industriewerk in Bellinzona. Es war ein grossartiger Akt der Solidarisierung. Während die Cargo-ArbeiterInnen ihren Slogan „Giù le mani dall’Officina” (Hände weg von den Werkstätten) skandierten, riefen die BauarbeiterInnen wieder „Sciopero“, „Sciopero“, „Sciopero“. Unter der grossen Anzeigetafel hängten wir ein riesiges Transparent mit der Aufschrift „Streik – Sciopero“ auf. Die Stimmung im Bahnhof war grossartig und ich hatte das Gefühl es lag ein Hauch von Revolution in der Luft.
In der grossen Querhalle assen wir dann gemeinsam z’Mittag während die ganze Zeit irgendwelche Presseleute um uns herumschwirrten. Nach dem Essen gäbe es noch verschiedene Reden von denen ich leider nicht mehr viel mitbekam da Genosse Flo und ich einen provisorische Infostand inmitten das Bahnhofs eingerichtet hatten und uns daran machten Flugis zu verteilen. Innert kürzester Zeit hatten wir alle unsre über 500 Flugis verteilt, und ca. 8 Streikbroschüren verkauft. Zudem haben wir die Tessiner KollegInnen unterstütz indem wir 200 Flugblätter von ihnen verteilt haben.
Nach dem Mittagessen formierte sich ein Demonstrationszug Richtung Zentrale des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV). Leider ohne die Cargo-ArbeiterInnen die wieder ins Tessin zurückfuhren. Die Stimmung in der Demo war wie schon am Vortag extrem kämpferisch. Die Arbeiter marschierten.
Vor der Zentrale des SBV wurde die Wut über die arroganten Baumeister sichtbar. Es flogen einige Fahnen Richtung Gebäude und die BauarbeiterInnen riefen „Usächo“, „Sciopero“, „La Guerra e continuar“. Roman Burger, Geschäftsleiter der Unia Kanton Zürich, versuchte, gleich mit dem unterschriftsbereiten Vertrag, in das Gebäude zu gelangen. Dieser Versuch scheiterte naturgemäss. Symbolisch wurde ein überdimensionaler Bleistift auf das Vordach der SBV-Zentrale geworfen auf dem stand: „Zur Unterschrift bereit“.
Nach etwa einer viertel Stunde setzte sich der Demozug wieder langsam in Bewegung Richtung Bahnhof zurück. Vom Bahnhof ging es dann wieder zum Maag-Areal wo das Streikgeld bezogen wurde.
An diesen Beiden Streiktagen nahmen 1.100 BauarbeiterInnen auf 150 Baustellen teil. Diese neuerliche Streikwell muss als Erfolg gewertet werden. Wir müssen aber sehen, dieser Arbeitskampf dauert bald schon ein Jahr lang. Er wird von Tag zu Tag härter. Die Situation auf den Baustellen beginnt sich schleichend zu verschlechtern. Viele ArbeiterInnen sind noch nicht von Dumping oder ähnlichem direkt betroffen. Es sind aber schon Dutzende Fälle bekannt bei denen die Bestimmungen des LMV 06 unterlaufen wurden und dies wird nur der Anfang sein. Wir müssen die Bewegung ausdehnen, bei der nächsten Streikwelle müssen die regionalen Verträge ausgesetzt werden und national mobilisiert werden. Wenn nötig spannen wir die anderen Gewerkschaften unseres Verbandes für diesen Kampf ein. Von Comedia über SEV bis hin zum VPOD. Diesen Kampf können wir nur gemeinsam Gewinnen. Wir müssen sämtlich uns zur Verfügung stehende Kräfte mobilisieren. In diesem Sinne:
Ohne LMV gibt keinen Frieden auf dem Bau!
Hände weg von der SBB-Cargo!
Die marxistische Strömung „der Funke“ fordert deshalb gemeinsam mit der JUSO-Winterthur, der Unia-Jugend SH/ZH und der Alternativen Liste:
* Keine neuen Kompromisse mehr – Die Umsetzung des Mediationsergebnisses und zwar plötzlich!
* Keine regionalen Lösungen – Für einen landesweiten Mantelvertrag
* Einen aktiven Streik des gesamten Gewerbes bis die Baumeister nachgeben
* Mobilisierungs- und Streikkomitees der Baubeschäftigten, die den Streik mit Unterstützung der Unia auf allen Baustellen, in den Gemeinden und Regionen führen
* Wenn die Unternehmer hart bleiben, weiten wir unseren Streik aus, wir blockieren Strassen und Grenzübergänge, wir versuchen den Streik auf andere Branchen auszuweiten
* Gegen die Spaltungsversuche der Gewerkschaftsbewegung durch die Bürgerlichen: Für einen gemeinsamen landesweiten Streik aller kämpfenden Belegschaften: BauarbeiterInnen, SBB-Cargo, Lonza, Radio Suisse Romande (RSR) als Auftakt zu einer nationalen Streikbewegung gegen Sozialdumping, Arbeitsplatzverlust und unfähige, überbezahlte Manager.
* Solidarisiert euch – lasst die kämpfenden KollegInnen nicht alleine!
Jonas Gerber, Unia-Vorstand Sektion Winterthur