Seit über vier Monaten streiken die DrehbuchautorInnen und die Traumfabrik Hollywood steht still. Mittlerweile haben sich die Schauspielerinnen und Schauspieler dem Streik angeschlossen und kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen in der Filmbranche. Von Valentina Eminova.
Heutzutage verdienen AutorInnen mit einem regelmäßigen Engagement in der Traumfabrik aufgrund der Inflation real 23% weniger im Durchschnitt als im Vorjahr. Die großen CEOs der Filmbranche kennen solche Probleme nicht, sie verdienten letztes Jahr zusammen über 773 Mio.$. SchauspielerInnen außerhalb der „Königsklasse“ verspüren ebenfalls den materiellen Druck immer mehr. Schlagzeilen machte etwa ein Bericht, dass SchauspielerInnen der beliebten Netflix-Serie „Orange is the new black“ nie fair entlohnt worden sind, obwohl die Serie überaus erfolgreich ist. Die meisten DarstellerInnen der Serie haben einen Zweitjob, da sie anders nicht über die Runden kommen würden.
Die Gewerkschaft der Schauspielerinnen und Schauspieler SAG-AFTRA (Screen and Actors Guild- American Federation of Television and Radio Artists), die etwa 160.000 Mitglieder hat, gab am 11. Juli bekannt, in den Streik gegen den Film- und TV-Unternehmerverband AMPTP (Alliance of Motion Picture and Television, der unter anderem Amazon, Apple, Disney, Netflix, Paramount, Warner Bros. und Motion Pictures vertritt) zu treten. Mit dieser Aktion schlossen sie sich dem zu dem Zeitpunkt bereits seit 90 Tagen andauernden Streik der WGA (Writers Guild of America) an. AutorInnen und SchauspielerInnen bekunden so ihr gemeinsames Interesse an fairen Löhnen und Vertragsabschlüssen. Das ist der zweite gemeinsame Streik in der Filmbranche seit dem Ausstand im Jahr 1960.
Anlass für den Streik war dieses Mal das Auslaufen der Schauspieler-Verträge für TV-, Theater- und Streaming-KünstlerInnen ohne Zustimmung der Beschäftigten. Nach vier Wochen harten Verhandlungen erklärte sich AMPTP nicht dazu bereit, faire Abschlüsse zu verhandeln. Daraufhin forderte SAG-AFTRA eine Streikfreigabe für alle Beteiligten, darunter RadiokünstlerInnen, TV-SchauspielerInnen und PerformerInnen. Beide Gewerkschaften fordern für ihre Mitglieder sichere Verträge, höhere Tarifgehälter, ein stabiles Gehalt, Erhöhung von Zahlungen für Streaming und außerdem ein Ende der Vorstellungsgespräche über selbst aufgenommene Videos.
Ein weiterer wichtiger Streitpunkt ist die Verwendung von Künstlicher Intelligenz. Durch die Nutzung der neuen Technologien versprechen sich Filmproduzenten große Einsparungen, etwa durch die künstliche Generierung von Statisten. Außerdem wird es in Zukunft möglich sein, einen Darsteller oder eine Darstellerin nur einmal zu scannen und anschließend beliebig oft in weiteren Filmen auftreten zu lassen. Durch Geldnot oder Unwissen haben einige SchauspielerInnen Verträge mit Netflix unterzeichnet, bei denen sie ihre Rechte an der weiteren digitalen Nutzung von ihnen abgegeben haben, ohne explizit darauf hingewiesen geworden zu sein. In Hollywood brodelt es also gewaltig unter dem walk of fame.
Dieser historische Streik hat die Folge, dass ganz Hollywood stillzustehen scheint. Fran Drescher, bekannt aus der beliebten Comedy-Sitcom „Die Nanny“, ist Präsidentin von SAG-AFTRA und verteidigt in einem Presse-Interview die Rolle der Gewerkschaftsmitglieder als „Maschinen, welche die Traumfabrik am Laufen erhalten.“ Einige Stars wie Matt Damon, Emily Blunt & Co. haben die „Oppenheimer“-Premiere aus Solidaritätsbekenntnis zu den streikenden Kolleginnen und Kollegen verlassen. Matt Damon bedauerte, dass die Mehrheit seiner KollegInnen keine Krankenversicherung hat und im Gegensatz zu ihm für ihre Rechte streiken müssen, anstatt die Premiere rund um den neuen „Oppenheimer“ besuchen zu können. Es fehlten auch einige Autoren auf der diesjährigen Comic-Convention, um ihre Projekte zu bewerben.
Durch den Streik konnten Produktionen wie „Deadpool“ nicht weitergedreht werden, da die Setwriter fehlen. Der Streaming-Mogul HBO plant die Produktion von „House of the Dragon“ und „Industry“ nach England zu verlegen, um durch den Arbeitskampf der KünstlerInnen in Hollywood nicht gezwungen zu werden, die Projekte vorzeitig beenden zu müssen. Die UK-Actor-Union hat aber schon angekündigt, ihren amerikanischen KollegInnen solidarisch beizustehen. Auf der anderen Seite des Atlantiks herrschen aber noch drakonischere rechtliche Verhältnisse. Die englischen Gewerkschaftsbestimmungen verbieten ausdrücklich einen gemeinsamen Streik mit Beschäftigten in anderen Ländern. Sollten die Performer gegen diese Regel verstoßen, darf das Unternehmen frei gegen die Künstlerinnen und Künstler vorgehen. So sehen die demokratischen Rechte in der Praxis für die Arbeitenden aus!
Die Lage in allen Branchen verschärft sich. So stellen die aktuellen Ereignisse einen Vorboten der Arbeiterbewegung dar, von dem sich immer mehr junge Arbeiterinnen und Arbeiter inspirieren lassen werden. Die KollegInnen aus Hollywood stellen mit ihrer Aktion ein Vorbild für zukünftige Arbeitskämpfe auf internationaler Ebene dar. Es ist wichtig zu erkennen, dass ein Sieg der WGA und der SAG-AFRTA einen Sieg für die gesamte Arbeiterklasse bedeutet. Auf Seiten der Filmkonzerne wird natürlich alles getan, um den Streik zu beenden, inklusive Drohungen gegen Gewerkschaftsführer. Unser Fazit ist: den kollektiven und branchenübergreifenden Kampf der Arbeiterinnen und Arbeiter aller Länder zu organisieren für den Sturz des Kapitalismus und die Errichtung des Sozialismus.
(Funke Nr. 216/30.8.2023)