Wie alles andere in unserer Gesellschaft, ist die öffentliche Forschung und höhere Bildung den Profitinteressen der Konzerne untergeordnet. Wie sich dadurch die soziale Situation für Studis und Unipersonal gleichermaßen verschärft, analysiert Lukas Frank.
Studiert man technisch-naturwissenschaftlich, ist man mit immensem Arbeitsdruck und schlechter Infrastruktur wie zu wenigen Laborplätzen konfrontiert. Geht man an die Uni, um die Gesellschaft zu verstehen und zu verändern, lernt man, dass man nichts von beidem kann. Unter Forschenden herrschen Konkurrenz und Publikationszwang.
Universität – eine Stütze des Kapitalismus
Diese Zustände sind nicht nur Ergebnis einer „schlechten“ Bildungspolitik, sondern resultieren aus der Rolle, die die Universität im Kapitalismus spielt.
Einerseits ist sie das ideologische Bollwerk der Bürgerlichen. Sie existiert, um den restlichen Staatsapparat in der Organisierung der kapitalistischen Gesellschaft zu unterstützen. Sie ist daher ideologisch von der Alternativlosigkeit des Kapitalismus durchzogen. Das äußert sich etwa im Postmodernismus, der prinzipiell Fortschritt und objektive Erkenntnisfähigkeit ablehnt.
Wo es an Unis Kritik am Kapitalismus gibt, ist diese von der Arbeiterklasse isoliert. Daher läuft sie darauf hinaus, dem Staat Reformvorschläge zu machen – etwa, wie man mit begrenztem Budget effizient die schlimmsten Übel des Kapitalismus zu begrenzen kann. So soll die Arbeiterklasse davon abgehalten werden, zu kämpfen. Der Marxismus ist daher auch der wichtigste ideologische Gegner an Unis, ob er nun offen bekämpft oder als „überholt“ erklärt wird.
Andererseits ist die Universität wissenschaftlich-technische Zuarbeiterin für die Industrie. Zwar werden in Österreich 70% der Forschungsausgaben von Unternehmen getätigt, doch die Grundlagenforschung findet großteils öffentlich finanziert in den Unis statt. Darauf baut die Entwicklung profitabler Produkte von Konzernen auf, die nicht für Grundlagenforschung zahlen wollen. Denn allgemeine Naturerkenntnisse lassen sich schwer gegenüber der Konkurrenz patentieren und nicht immer sofort zu Produkten weiterentwickeln. Weiters braucht man gut ausgebildete Fachkräfte, an deren Ausbildungskosten man möglichst wenig beteiligt sein will. Hier sieht man, wie Trennung von Theorie und Praxis dem Kapitalismus inhärent ist und wieso das Kapital ein Interesse hat, die Unis so gründlich wie möglich zu durchdringen – in Österreich arbeiten 50% der Großunternehmen direkt mit Universitäten zusammen.
Unzufriedenes Kapital
In den letzten Jahren wurden Universitäten ganz im Sinne der Kapitalisten hergerichtet. Das 1990er Paper „towards the learning society“ der EU-Industrielobby, welches die Blaupause für die Bologna-Reform war, zeigt, was sich das Kapital wünscht:
Es analysiert, dass die Ausbeutung ungelernter Arbeitskräfte in der modernen Industrie immer schwieriger wird, je mehr der „menschliche Faktor in der Produktion zunimmt“. Gleichzeitig will man das Bildungssystem nicht massiv ausbauen und es „stellt sich für alle weiterführenden Bildungssysteme die Frage, wie der zu erwartende Zustrom unter Beibehaltung des Niveaus der Abschlüsse zu bewältigen ist.“ Man ist mit der praxisfernen Ausbildung unzufrieden, denn „Eigenschaften wie die Neigung zum Experimentieren werden vernachlässigt“, weshalb Unis nur „Verwalter von Technologien ausbilden.“
Ihre sogenannten „Lösungsvorschläge” sind: „Stärkere Einbindung von Unternehmen“ und die „Einstufung jedes einzelnen nach seinem Wissen und seiner Kompetenz“, wobei „weitreichend wissenschaftliche Qualifikationen“ dem „akademischem Stab“ vorbehalten sein sollen. Statt umfangreiches Wissen zu vermitteln, sollen Bildungseinrichtungen „Teilkompetenzen auf der Grundlage eines zuverlässigen Systems […] akkreditieren“.
Verständlich ausgedrückt bedeutet das: Aussieben, wer unzureichende Vorbildung hat und halbgare Bildung für die Masse, bestenfalls nur bis zum Bachelor (der mit Bologna eingeführt wurde), damit diese schnellstmöglich mit Arbeiten beginnt. In Ländern wie Deutschland müssen Universitäten in staatlichen Wettbewerben konkurrieren, um mit massiver Zusatzförderung die zukünftigen Eliteunis zu werden. Währenddessen wird der direkte Einfluss von Unternehmern auf die inhaltliche Ausrichtung stärker. Eva Dichand (Heute-Zeitung) sitzt beispielsweise im Unirat der MedUni Wien.
Kampf gegen Verschlechterung und Kapitalismus
Diese Verhältnisse werden mit der allgemeinen Krise des Kapitalismus schlimmer und harte Kämpfe dagegen unausweichlich. Letzten Herbst streikten 50.000 Bedienstete der University of California. Bei den sektorübergreifenden Streiks im Februar in Großbritannien waren Studenten und Universitätspersonal stark beteiligt.
Ansätze existieren auch in Österreich. Um die „Initiative Unterbau Uni Wien“ versammelten sich 350 Unibedienstete, zuletzt gab es eine kämpferische Demo mit 1500 Teilnehmern. Auch in der Studentenschaft und der restlichen Arbeiterklasse kocht die Stimmung.
Mit weitgehenden Forderungen (gegen den ständigen Arbeitsdruck, das teure Leben, die Konzernprofite und die Regierung der Reichen) und dem Fokus, auch die Studentenschaft zu mobilisieren, kann sich eine breite Unibewegung entwickeln, die dann die restliche Arbeiterklasse mitreißt.
Der Kampf um die notwendigen Verbesserungen, auch an den Unis, wird die Arbeiterklasse insgesamt einen Schritt näher zur Machtergreifung und zum Sturz dieses irrationalen Systems bringen. Das ist notwendig: Denn im Kapitalismus wird es niemals erfüllende Forschung und Lehre geben.
(Funke Nr. 213/24.4.2023)