Wir veröffentlichen hier Teil 2 unserer Reihe zu den Lehren der iranischen Revolution 1979. Teil 1 findet ihr im Funke Nr. 208 und auf unserer Homepage. Von Gernot Trausmuth und Rana Issazadeh.
Hier geht es zu Teil 1 der Artikelreihe
Die Revolution im Iran 1979 war eine „islamische Revolution“, da sind sich das Mullah-Regime und die Vertreter des westlichen Imperialisten heute einig. Doch die Wirklichkeit sieht ganz anders aus: Die Arbeiterklasse mit ihrer oft kommunistischen Führung und Methoden des Klassenkampfes spielte beim Sturz des Schahs die zentrale Rolle.
Gegen Ende 1978 waren, wie schon beschrieben, Arbeiter in der Ölindustrie in den Streik getreten. Auf sie folgten Lehrer, Ärzte, Angestellte von Kliniken, Beamte, Arbeiter des Telekommunikationswesens und Mitarbeiter des Fernsehens, Arbeiter im Transportwesen und auf den Flughäfen. Besonders zu erwähnen ist auch der Streik der Bankangestellten, die ebenfalls eine Schlüsselrolle spielten, indem sie enthüllten, dass der Schah und seine Clique allein in den vorangegangenen drei Monaten 1 Milliarde US-Dollar außer Landes gebracht hatten. Daraufhin wurden von der aufgebrachten Masse 400 Banken in Brand gesetzt.
Die Ölarbeiter hatten insgesamt 33 Tage lang gestreikt und damit das Schah-Regime schwer erschüttert. Ein weiterer Faktor, der entscheidend zum Sieg der Revolution beigetragen hatte, war die Weigerung von Teilen des Militärs, das Regime weiter zu verteidigen: Bei einer der Demonstrationen solidarisierte sich ein hohes Mitglied des iranischen Militärs mit der Massenbewegung mit den Worten: „Wir hegen keine Absicht, Euch zu töten. Hier ist meine Waffe, tötet mich, wenn ihr wollt.“ Diesem Beispiel folgten weitere Angehörige des Militärs.
Der Schah wird gestürzt
Der Schah hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die komplette Kontrolle über das Land verloren. In einem letzten verzweifelten Versuch, die Macht zurückzugewinnen, ernannte er im Dezember 1978 Shahpur Bakhtiar von der oppositionellen „Nationalen Front“ zum Premierminister. Doch auch diese Regierungsumbildung konnte den Sieg der Revolution nicht verhindern: Die Massen waren voller Selbstvertrauen, skandierten „Nieder mit dem amerikanischen Imperialismus“; selbst die von den USA aufgebaute starke iranische Armee konnte die Massen nicht mehr aufhalten. Die USA reagierten ungläubig und schockiert auf die Ereignisse im Iran. Am 16. Januar 1979 verließ der Schah den Iran. Nicht einmal ein Monat später siegte der bewaffnete Massenaufstand. Kasernen und Amtsgebäude wurden gestürmt, die Monarchie war Geschichte.
Es gibt keinen Zweifel, dass es die revolutionäre Massenbewegung war, die Arbeiterbewegung mit den Mitteln des Streiks und der Demonstrationen, die letztendlich den Sturz des Schahs herbeigeführt hatte. Mehr als ein Drittel der Streikführer waren bekennende Marxisten. Im Zuge der Revolution hatten sich in den Betrieben „Shoras“ (Arbeiterräte) gebildet, die teilweise eine sehr weitgehende Form der Arbeiterkontrolle durchsetzten. Die Shoras dienten unter anderem dazu, in einer Situation, wo viele Eigentümer und Spitzenmanager das Land verlassen hatten, den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten.
Die Rolle der Mullahs
Ayatollah Khomeini, der Anführer der islamistischen Bewegung, war von den westlichen Medien über Monate hinweg hofiert und aufgebaut worden. Er kehrte erst am 1. Februar 1979 aus dem französischen Exil in den Iran zurück, nachdem die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien bei der Konferenz von Guadeloupe Anfang Jänner beschlossen, den Schah fallen zu lassen und eine Rückkehr von Khomeini in den Iran zu unterstützen. Auch nach der Ankunft Khomeinis wurden die Arbeitskämpfe weitergeführt. Am 4. Februar 1979 forderte Khomeini die Arbeiter auf, die Streiks zu beenden. Dem widersetzten sich die Arbeiter; die Streiks wurden fortgeführt.
Die Frage ist aber, wie Ayatollah Khomeini und die islamistische Bewegung dennoch die Macht ergreifen und eine theokratische Diktatur errichten konnten. Der Schah hatte ein Machtvakuum hinterlassen. Zentral war daher die Unterstützung des Westens: Dessen Strategen setzten damals auf Khomeini und die Mullahs, weil man darin das beste Mittel zur Eindämmung der kommunistischen Linken im Iran sah. Die USA verfolgten die Idee, mithilfe der reaktionären Islamisten in Zentralasien (Afghanistan, Pakistan) an der Grenze zur Sowjetunion einen „grünen Gürtel“ zu errichten.
Nach seiner Rückkehr hatte Khomeini begonnen, die Macht im Staatsapparat an sich zu reißen. Die Mullahs waren teilweise erfolgreich mit ihrer Agitation gegenüber bestimmten Schichten der Gesellschaft, die für islamistisches und reaktionäres Gedankengut empfänglich waren: Teile der Basaris (Händler), Teile der Landbevölkerung, Menschen, die gerade vom Land in die Stadt gekommen waren und noch keine Arbeit in den Fabriken gefunden hatten bzw. im Zuge der Kürzungen im Jahr 1976 wieder arbeitslos geworden waren. Menschen also, denen die Erfahrungen von Arbeitskämpfen fehlten und damit kein entwickeltes politisches Bewusstsein hatten. Die soziale Demagogie der Mullahs fiel hier auf fruchtbaren Boden. Aus den Reihen dieser sozialen Schichten rekrutierte Khomeini die Kräfte, die nach dem Sieg der Revolution einen neuen „islamischen“ Repressionsapparat bildeten. Die Perspektive, ein „Revolutionswächter“ zu werden, war für sie mit sozialem Aufstieg verbunden.
Die Arbeiterbewegung wird in den Untergang geführt
Die Mullahs konnten sich somit auf eine vor allem kleinbürgerliche Massenbasis stützen. Doch es war die Arbeiterbewegung, die in der Revolution den Takt vorgab und selbst eine breite Massenbasis hatte. Hunderttausende waren in linken Parteien organisiert, Millionen blickten auf sie als Bezugspunkt. Mit einer revolutionären Antwort auf die soziale Frage (teure Mieten, Arbeitslosigkeit) hätte sie den Islamisten ihre Basis streitig machen können; eine sozialistische Revolution wäre unter diesen Umständen greifbar gewesen. Doch der allergrößte Teil der Linken verfolgte eine völlig selbstmörderische Strategie der Unterstützung Khomeinis, die genau das Gegenteil bewirkte: Sie kettete die Arbeiterbewegung an die Mullahs, schürte systematisch Illusionen in deren „progressive Rolle“ und stärkte damit ihre zu Beginn objektiv wackelige Basis in der Gesellschaft.
Die traditionell führende Kraft in der Linken im Iran, die kommunistische, moskauhörige Tudeh-Partei verfolgte so seit Jahrzehnten eine stalinistische Etappen-Theorie. Demzufolge müssten zuerst bürgerlich-demokratische Verhältnisse geschaffen und eine eigenständige, vom Imperialismus unabhängige nationale Entwicklung des Irans ermöglicht werden, um dann später ein friedliches Hinüberwachsen in den Sozialismus zu ermöglichen. Zuerst hatte sich die Tudeh-Partei sogar gegen die Revolution gestellt, weil Moskau ein freundschaftliches Verhältnis zum Schah-Regime pflegte – so sprach sie noch im Herbst 1978 von der „Schaffung künstlichen Aufruhrs“.
Am Höhepunkt der Revolution unterstützte die Tudeh-Partei dann völlig unkritisch Khomeini, anstatt die Arbeiterbewegung für ein Programm der sozialen Revolution gewinnen zu wollen. Ja, nicht einmal grundlegende demokratische Forderungen, wie die nach einer Verfassungsgebenden Versammlung, vertrat sie konsequent. Als Khomeini kurz nach der Machtübernahme mit einem Scheinreferendum die Errichtung einer „Islamischen Republik“ absegnen ließ, wurde dies von der Tudeh-Partei befürwortet. Auch unterstützte sie die „Islamischen Revolutionsgerichte“, die zuerst gegen Schah-Anhänger, dann aber auch gegen die Linke eingesetzt wurden, sowie die Bildung eines neuen Militärkommandos unter Einbindung des Klerus. Kein Versuch wurde unternommen, die in der Revolution entstandenen Arbeiterräte (Shoras) landesweit zu vernetzen und so die potentielle Basis einer Arbeiterregierung aufzubauen.
Diese fatale Rolle, die die Tudeh-Partei und andere linke Kräfte in der Iranischen Revolution spielten, trug dazu bei, dass die Arbeiterbewegung trotz ihrer zahlenmäßigen Stärke und ihrer Militanz politisch ins Hintertreffen geriet und den Mullahs der Weg zur Errichtung der islamistischen Diktatur offenstand. Khomeini und die Mullahs konnten letztendlich durch die Unterstützung des Westens, insbesondere der französischen und der britischen Regierung, die Macht übernehmen. Ihre ersten Maßnahmen richteten sich gegen Homosexuelle, Frauen und die nationalen Minderheiten, gegen die das neue Regime blutige Militärkampagnen startete. In einem weiteren Schritt beseitigten sie alle demokratischen Errungenschaften der Revolution und massakrierte eine ganze Generation von RevolutionärInnen, wobei der „demokratische Westen“ wiederrum seinen dreckigen Beitrag leistete: So versorgte beispielsweise ein KGB-Überläufer den britischen Geheimdienst MI6 1982 mit Informationen zu linken Aktivisten im Iran, welche dieser mit Hilfe der CIA prompt an das Mullah-Regime weitergab. Die Konterrevolution hatte gesiegt.
Das war aber keinesfalls ein geradliniger oder einfacher Prozess. Um die Konterrevolution abzusichern, wurden alle Formen der Arbeiterkontrolle und Selbstorganisation systematisch unterdrückt. Die Universitäten wurden für einige Jahre gleich ganz geschlossen, um zu verhindern, dass marxistische Ideen sich dort verbreiten würden. Das Regime nutzte auch insbesondere den Krieg mit dem Irak aus, den Khomeini einmal als „Geschenk des Himmels“ bezeichnete und der bis 1988 eine Million Tote fordern sollte, um eine Stimmung der nationalen Einheit gegen einen äußeren Feind zu schaffen und die repressiven Staatsorgane aufzubauen und auf Linie zu bringen. Das sind genau die Gegner, denen sich die wiedererstarkte revolutionäre Bewegung im Iran jetzt gegenübersieht.
Daher sind die Lehren aus der Revolution für den heutigen Kampf der Iranerinnen und Iraner, aber auch darüber hinaus sehr wichtig: Um eine Revolution siegreich zu Ende zu führen, brauchen wir ein revolutionäres Programm und eine Partei mit einer klaren Perspektive der Machteroberung durch die Arbeiterklasse: Es braucht die Perspektive einer sozialistischen Revolution im Iran, im gesamten Nahen und Mittleren Osten und weltweit.
(Funke Nr. 209/6.12.2022)