Zu Beginn des neuen Jahres kommentiert Alan Woods (marxist.com) den Zustand des von Krisen geschüttelten Weltkapitalismus und zeichnet eine revolutionäre Perspektive.
Lenin meinte einst: Kapitalismus bedeutet Schrecken ohne Ende. Ein kurzer Blick auf den Zustand unseres Planeten zu Beginn dieses neuen Jahres genügt, um die Richtigkeit dieser Aussage erkennen zu können. Die wirtschaftliche Krise, Kriege, Terror, politische Erschütterungen, Hunger, Krankheiten und Armut, dies alles sind keine voneinander getrennten und nicht in Beziehung zueinander stehende Phänomene. Sie sind lediglich äußerliche Erscheinungsformen einer globalen Krise des Kapitalismus.
Das Jahr 2007 endete mit der Ermordung von Benazir Bhutto, was in ganz Pakistan Massendemos, Ausschreitungen und Streiks auslöste. In Kenia, das in Sachen wirtschaftlicher Performance und demokratischer Entwicklung als eines von Afrikas Erfolgsstories galt, löste Wahlbetrug eine ungeahnte Welle der Gewalt aus. In den Kriegen im Irak und in Afghanistan ist kein Ende des Mordens absehbar.
Dies sind keine isolierten Fakten sondern lediglich Symptome einer generellen Krise des Kapitalismus, welche, wie Marx bereits erklärte, in dem Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und der Existenz des Nationalstaates verwurzelt ist.
Das kapitalistische System spielt schon lange keine fortschrittliche Rolle. Es ist unfähig die Produktivkräfte weiter zu entwickeln wie es in der Vergangenheit der Fall war (was natürlich nicht bedeutet, dass es überhaupt keine Entwicklung gibt). Die gegenwärtige Krise des Weltkapitalismus ist Ausdruck des Widerspruchs zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und den engen Grenzen des Privateigentums und des Nationalstaates.
Der Kapitalismus vollfüllte seine historische Funktion, der Entwicklung des Nationalstaates und der Schaffung des Weltmarktes in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg. Die gesamte Geschichte der Welt seither ist eine Widerspiegelung der Rebellion der Produktivkräfte gegen die engen Grenzen, die ihnen durch das Privateigentum und den Nationalstaat gesetzt werden.
In der Vergangenheit, wie Marx und Engels schon im Kommunistischen Manifest darlegten, spielte der Kapitalismus selbst eine revolutionäre Rolle bei der Entwicklung der Produktivkräfte. Von der Zeit der Industriellen Revolution an wurde die kapitalistische Welt auf dr Grundlage enormer Wachstumsraten der Wirtschaft einem unvorstellbaren Wandel unterzogen. Das Feuerwerk an ökonomischer Expansion in der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg, der letzten wirklichen Aufstiegsphase des Kapitalismus, brachte eine weitere Transformation des Globus und die absolute Dominanz des Weltmarktes.
Die Entwicklung der US-Ökonomie im letzten Konjunkturzyklus schien jedoch den unumstößlichen Beweis für die Vitalität des Kapitalismus zu liefern. Die atemberaubende technologische Innovation, der Boom an den Börsen, die explodierenden Profite, die wachsende Zahl an Millionären und Milliardären. Das war doch wohl die letztgültige Antwort an all jene, welche die Marktwirtschaft, Amerikas Geschenk an die Welt des 21. Jahrhunderts, noch immer in Frage stellten.
Die Ausbeutung des Weltmarktes (“Globalisierung”) versorgte das moribunde kapitalistische System mit einem temporären Zustrom an Energie, indem Millionen Menschen in Russland, Osteuropa und China in seinen Orbit hineingezogen wurden, neue Märkte sowie Quellen von Rohstoffen und billigen Arbeitskräften erschlossen werden konnten. Das hat aber die zentralen Widersprüche des Kapitalismus nicht beseitigt sondern diese nur auf einer noch höheren Stufe als in der Vergangenheit reproduziert. Dies bereitet die Bedingungen für eine weltweite Krise von noch nie gesehener Dimension in der Zukunft vor.
Jetzt sehen wir die Kehrseite der Medaille. Die US-Ökonomie verlangsamt sich, die Weltwirtschaft steht vor dem Abgrund einer Rezession. Ökonomische Malaise bemächtigt sich des gesamten Globus. Obwohl es über schier unbegrenzte Ressourcen verfügt leidet die Welt unter schrecklichem menschlichem Leid, Hunger, Unterernährung, Analaphabetismus und Krankheiten. Die Kluft zwischen Reich und Arm wird immer größer. Das produziert eine explosive Mischung, welche die Stabilität unterminiert und immer wieder soziale und politische Erschütterungen auslöst.
Die Instabilität an den internationalen Börsen ist ein Indikator für die Nervosität der Bürgerlichen. Ein einziges Ereignis – wie die Ermordung von Benazir Bhutto – reichte aus, um einen scharfen Fall der Aktienindizes nicht nur in Asien sondern weltweit auszulösen und den Erdölpreis in die Höhe zu treiben. In Zeiten globaler Instabilität erleben wir einmal mehr eine klassische Kapitalflucht in Werte, die als sichere Häfen gelten. Auf den internationalen Finanzmärkten legten Gold und Staatsanleihen enorm zu während die US-Aktienkurse gewaltige Verluste verzeichneten.
Die Perspektiven für die Weltwirtschaft im Jahr 2008 sind alles andere als gut. Doch wie Lenin vor langem schon erklärt hat, gibt es keine “Endkrise des Kapitalismus”. Der Marxismus versteht die Geschichte als einen Kampf lebendiger Kräfte, nicht als ein abstraktes Schema mit einem vorgegebenen Ausgang. Wenn die ArbeiterInnenklasse den Kapitalismus nicht zu stürzen vermag, wird er immer und immer wieder einen Ausweg finden. Doch die ArbeiterInnenklasse ist mit enormen Hindernissen konfrontiert, allen voran den reformistischen Führungen der Massenorganisationen in jedem Land.
Gibt es historische Parallelen?
Es ist möglich und lehrreich, sich genereller historischer Vergleiche zu bedienen, sofern man die Grenzen solcher Analogien erkennt. Gibt es Parallelen zwischen dem Niedergang und dem Fall des Römischen Reiches und der heutigen Situation? Können Ähnlichkeiten mit der globalen Krise des altersschwachen Kapitalismus festgestellt werden? Ja, es gibt viele Parallelen, genauso wie Parallelen mit der Zerfallsperiode des Feudalismus existieren. In allen drei Fällen sehen wir dieselben Symptome: Wirtschaftskrisen, Kriege und Konflikte im Landesinneren, moralischer Zerfall und eine Krise der Ideen, die sich in einer Glaubenskrise der alten Religion und Moral widerspiegeln, begleitet von einem Aufschwung mysthischer und irrationaler Tendenzen, eine generelle Stimmung des Pessimusmus und das Fehlen von Vertrauen in die Zukunft, der Zerfall von Kunst und Kultur.
Auch eine Reihe nicht-marxistischer KommentatorInnen hat diese unbequeme Parallele festgestellt. Julian Fenner von der University of Manchester etwa schreibt:
„Der moderne industrialisierte Westen scheint einige jener Eigenschaften zu teilen, die während des `Goldenen Zeitalters´ im Römischen Reich vorgeherrscht haben. Der wachsende Pessimusmus existierte damals wie heute, genauso wie die Besessenheit von Gewalt (Blutsport in Rom, Hollywoodfilme und Videospiele heute), Sex und Luxus. Eine weitere interessante Parallele ist die Ausbreitung orientaler Religionen im alten Rom – ein Versuch, das geistige Vakuum zu füllen – und die Ausbreitung von New-Age Kulten heute. Die steigende Beliebtheit mysthischer Religionen ist auch ein Zeichen des steigenden Einflusses der unteren Klassen auf die oberen und bedeutet darum eine Art `Barbarisierung´ der Kultur.“ (Julian Fenner, In welchem Ausmaß waren wirtschaftliche Faktoren für den Zerfall des Römischen Reiches im dritten Jahrhundert ausschlaggebend?).
Diese Eigenschaften würde man in einer Gesellschaft zu finden glauben, die ihre fortschrittliche Rolle überlebt hat und unfähig dazu ist, die Produktivkräfte so zu entwickeln wie sie das in der Vergangenheit noch tat. In all diesen Fällen gibt es das generelle Gefühl, dass das „Ende der Welt naht“. Im alten Rom fand dieser Glaube seine Widerspiegelung in der christlichen Religion, die lehrte dass die Welt vom einen zum anderen Tag in Flammen aufgehen würde. In der Zeit des zerfallenden Feudalismus marschierten die Geißler-Sekten durch Dörfer und Städte und verkündeten das Ende der Welt. In beiden Fällen war das, was nahte nicht das Ende der Welt sondern das Ableben eines bestimmten sozio-ökonomischen Systems (Sklaverei, Feudalismus).
In seinem gefeierten Buch „The Waning Of The Middle Ages“ schreibt Johan Huizinga:
„Ein allgemeines Gefühl einer bevorstehenden Katastrophe hängt über allem. Überall droht ständige Gefahr (…) Das Gefühl einer allgemeinen Unsicherheit, die von den ständigen Kriegen, der Bedrohung durch gefährliche Klassen, der fehlenden staatlichen Gerechtigkeit, verursacht wurde, wurde durch die Besessenheit von der Vorstellung eines nahen Endes der Welt und der Angst vor der Hölle und vor Teufeln noch weiter verschärft. Überall loderten die Flammen des Hasses und die Ungerechtigkeit herrschte.”
Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied. Die beispiellose Entwicklung von Wissenschaft und Technik, die der Menschheit einerseits die Basis für den Aufbau einer neuen Zivilisation bieten, hat gleichzeitig auch ein beispielloses Zerstörungspotential geschaffen. Die Gier der KapitalistInnen nach Profiten bedroht nicht nur die Zukunft einer Kultur und Zivilisation sondern die Zukunft der gesamten Menschheit. Die Umweltzerstörung, die Vergiftung der Luft die wir Atmen, der Nahrung die wir essen, des Wassers das wir trinken stellt eine schreckliche Bedrohung für zukünftige Generationen dar.
Revolutionäre Schlussfolgerungen
Der Kapitalismus ist kein ewiges, gottgegebenes sozio-ökonomisches System, wie die meisten Menschen glauben. Tatsächlich stellt er ein recht neues Phänomen mit einer turbulenten Vergangenheit, einer wackligen Gegenwart und überhaupt keiner Zukunft dar. Seine Sturm und Drang-Phase ist längst vorbei und auch seine zuversichtliche und optimistische Zeit der Reife liegt bereits in der Vergangenheit. Er befindet sich nun in der Phase des Niedergangs und Zerfalls, die eine Zeit lang andauern kann – wie auch der Zerfall des Römischen Imperiums eine lange Zeit dauerte. Und die daraus entstehenden negativen Folgen werden schwer auf die Schultern der Menschheit lasten.
Die angenehmen Illusionen der Vergangenheit, wonach die freie Marktwirtschaft jener Schlüssel sei, der alle Türen auf dem Weg zu Fortschritt und allgemeinem Glück öffnen würde, ist in sich zusammengebrochen. In einer undeutlichen Art und Weise erkennen auch die IdeologInnen des BürgerInnentums, dass das System, das sie verteidigen, an seine Grenzen gestoßen ist. Natürlich können sie das nicht einfach so akzeptieren. Ein Mensch, der am Rande eines Abgrundes steht, ist zu rationalen Gedanken nicht fähig. Die Verbreitung irrationaler Tendenzen, von Mysthizismus und religiösem Fundamentalismus reflektieren genau das.
In dieser Phase des Kapitalismus werden Wachstumsperioden nicht dazu führen, dass die Widersprüche im Weltmaßstab gedämpft werden können, vielmehr werden sie nur in einem weit größeren Ausmaß reproduziert. Die Abschwünge werden die Welt mit den schrecklichsten Katastrophen bedrohen.
In der Zeit des Zerfalls des Römischen Reiches glaubten die Menschen, das Ende der Welt würde nahen. Diese Idee fand seinen klarsten Ausdruck in der christlichen Religion und im Buch der Offenbarung. In der Zeit des Zerfalls des Feudalismus wurde dieselbe Idee von den Geißlern und anderen Sekten wiederbelebt, die zuversichtlich auf den Tag des Jüngsten Gerichtes warteten, an dem die gesamte Erde und all ihre BewohnerInnen vom Feuer verschlungen werden sollten. Aber in der Realität brach nicht das Ende der Welt sondern nur das eines bestimmten sozioökonomischen Systems an, dessen Fortschrittspotential erschöpft war.
Die Krise des Kapitalismus hat zu einer anderen Reaktion geführt. Es gibt heute weltweit ein wachsendes Interesse an den Ideen des Marxismus. Die sogenannten „Anti-Globalisierungsbewegung“ und die Welle an „antikapitalistischen“ Demonstrationen zeigen, dass es innerhalb der kleinbürgerlichen Jugend gärt. Die StudentInnen und die Mittelklassejugend reflektieren die Widersprüche, die in den Eingeweiden der Gesellschaft heranreifen. Sogar bevor die Krise richtig ausgebrochen ist gibt es bereits ein allgemeines Hinterfragen dieser Gesellschaft, die solche Schrecken hervorruft.
Statt der früheren Euphorie gibt es ein generelles Gefühl einer düsteren Vorahnung und Ungewissheit. Die kleinbürgerlichen MoralistInnen betrachten die Welt nur sehr oberflächlich. „Was für eine schreckliche Welt!“ sagen sie. Sie verfügen über keine Einsicht in den breiten historischen Prozess. Derselbe Horror, den wir heute vor uns sehen, hat bereits den Zerfall früherer sozio-ökonomischer Systeme begleitet. Das sind die Symptome einer Gesellschaft in der Agonie des schlussendlichen Zerfalls.
Das ist der Todeskampf des Kapitalismus. Genauer gesagt ist er schon verrottet und sollte bereits tot sein. Es ist aber vollkommen unwissenschaftlich, undialektisch und unmarxistisch, über die unbequemen Folgen des zerfallenden Kapitalismus zu klagen. Das wäre wie ein Doktor, der sich über die Symptome einer Krankheit beklagt aber weder eine Diagnose noch eine Heilung anbietet.
Es ist wichtig zu sagen was ist: Privateigentum und die Produktion im Namen des Profites sind schon seit langem zu einem Hemmnis für die freie Entwicklung der Produktivkräfte und somit für die Entwicklung der menschlichen Kultur und Zivilisation geworden. In der kommenden Periode wird die Menschheit sie abschaffen und ein rationales Wirtschaftssystem einführen, das auf einem demokratischen sozialistischen Produktionsplan beruht. Der erste Schritt in diese Richtung muss notwendigerweise die Verstaatlichung von Land, Banken und Finanzhäusern sowie der Schlüsselindustrien sein.
Die venezolanische Revolution in Gefahr
Die venezolanische Revolution hat die ArbeiterInnen, Bauern und Jugend ganz Lateinamerikas und weit darüber hinaus inspiriert. Die revolutionären Massen schufen regelrechte Wunder. Aber die venezolanische Revolution ist noch nicht zu Ende gracht worden. Solange sie nicht die Oligarchie enteignet und die Banken und Schlüsselindustrien in privaten Händen verbleiben, ist ihre Vollendung unmöglich. Nach fast einem Jahrzehnt wurden diese Aufgaben immer noch nicht gelöst, und dies stellt eine Bedrohung für die Zukunft der Revolution dar.
Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um ein Problem der Führung. Hugo Chavez hat sich als angstloser antiimperialistischer Kämpfer und ehrlicher Demokrat erwiesen. Aber das ist nicht genug. Die venezolanische Oligarchie steht der Revolution feindlich gegenüber. Hinter ihr steht die Macht des US-Imperialismus. Früher oder später wird die venezolanische Revolution mit der entscheidenden Frage konfrontiert werden: Entweder – oder. Genauso wie die kubanische Revolution dazu imstande war, die Enteignung der Großgrundbesitzer und KapitalistInnen durchzuführen, wird sich die venezolanische Revolution notwendigerweise auf denselben Kurs begeben müssen. Das ist wirklich der einzige Weg.
Vor allem jene ReformistInnen, StalinistInnen und BürokratInnen spielen hier eine schädliche Rolle, die sich Schlüsselpositionen in der bolivarischen Bewegung gesichert haben und die Revolution bremsen wollen, indem sie sie von innen heraus lähmen und alle echten sozialistischen Elemente eliminieren. Diese Leute erzählen Chavez ständig, nicht zu weit zu gehen, „moderater“ zu handeln und nicht das Privateigentum der Oligarchie anzutasten. Seit Chavez das erste Mal die Frage des Sozialismus in Venezuela gestellt hat, konzentrieren die ReformistInnen und StalinistInnen all ihre Energien darauf, die Revolution vom Kurs auf den Sozialismus abzubringen, indem sie behaupten, dass die Verstaatlichung von Land, Banken und Industrie in einem Desaster enden würde, dass die Massen noch nicht „reif“ seien für den Sozialismus, dass die Enteignung der Oligarchie die Mittelschicht abschrecken würde usw. Solange Chavez auf sie hört, wird sich die Revolution in größter Gefahr befinden.
Die Niederlage im Verfassungsreferendum war eine Warnung dahingehend, dass die Massen der endlosen Reden über Sozialismus und Revolution, die bisher noch zu keiner wirklichen Veränderungen ihrer Lebensbedingungen geführt haben, müde werden. Wenn die Desillusionierung der Massen voranschreitet, wird das zu Teilnahmslosigkeit und Verzweiflung führen. Eine solche Situation wird die Gegenoffensive der reaktionären Kräfte vorbereiten, die die Revolution untergraben wird und das Vorspiel für eine ernsthafte Niederlage sein kann.
Markt oder Plan?
Die angebliche Überlegenheit der Marktwirtschaft ist ein Mythos. Das folgende historische Beispiel stellt dies nachdrücklich unter Beweis. Während des Zweiten Weltkriegs sah sich Britannien nach dem Fall Frankreichs im Jahre 1940 in einer äußerst gefährlichen Situation. Wie reagierte die britische Bourgeoisie darauf? Sagte sie: „Wir müssen die Wirtschaft dezentralisieren, alle Beschränkungen aufheben und der ‚unsichtbaren Hand des Marktes’ ihre wundersame Arbeit erledigen lassen?“ Nein! Sie zentralisierten die Produktion, stellten die Industrie unter strikte staatliche Kontrolle und regulierten den Arbeitsmarkt. Mit anderen Worten: sie setzten auf eine Ökonomie basierend auf den Prinzipien zentraler Planung.
Es ist wahr, dass im Kapitalismus eine reale Planung der Ökonomie nicht möglich ist. Die Kriegswirtschaft in Britannien war alles andere als sozialistisch sondern eine Spielart von „Staatskapitalismus“. Der Punkt ist aber ein anderer. Wenn die Bourgeoisie mit dem Rücken zur Wand steht, bevorzugt sie zentralisiertes Planen gegenüber der Anarchie des Marktes, weil sie damit bessere Resultate erzielen können.
Die Angriffslawine auf die Idee einer verstaatlichten Planwirtschaft basiert nicht auf wissenschaftlichen Überlegungen sondern ist rein ideologisch motiviert. Die Bourgeoisie blickt alles andere als zuversichtlich in die Zukunft. Sie fürchtet die Revolution und ist fest entschlossen die neue Generation dagegen zu immunisieren. Zu diesem Zweck kann sie auf die tatkräftige Unterstützung von einer Heerschar an bezahlten Prostituierten an den Universität zählen und vor allem auf jene Renegaten, welche der Idee des Sozialismus den Rücken gekehrt haben, wie Ratten die ein sinkendes Schiff verlassen.
Trotz all dem Schrecken des Stalinismus lieferte die Oktoberrevolution in Russland in der Praxis den Beweis für die Überlegenheit der verstaatlichen Planwirtschaft. Es hat sich herausgestellt, dass es möglich war die Ökonomie eines riesigen Landes ohne Großgrundbesitzer, Banker und private KapitalistInnen zu leiten. In den Worten von Leo Trotzki lieferte sie den Beweis für die Überlegenheit des Sozialismus nicht in den Worten von Marxens Kapital sondern in der Sprache des Zements, des Eisens, des Stahls, der Kohle und der Elektrizität.
Dank der kolossalen Vorteile einer verstaatlichten Planwirtschaft waren in der Sowjetunion bemerkenswerte Fortschritte in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur möglich. Dieses Land, in dem große Teile der Bevölkerung vor dem Oktober weder lesen noch schreiben konnten, durchlebte eine Kulturrevolution wie kein anderes in der Geschichte. Diese Tatsache will die herrschende Klasse aus dem Bewusstsein der neuen Generation tilgen. Es soll die Vorstellung in den Köpfen verankert werden, dass es keine lebendige Alternative zum Kapitalismus gibt – das ist das „Ende der Geschichte“. In Wirklichkeit hat die eigentliche Menschheitsgeschichte – die Geschichte der freien Entwicklung der Menschen – noch gar nicht wirklich übernommen.
Jene traurigen Ex-Linken, Ex-KommunistInnen und Ex-MaoistInnen sind in einen Wettbewerb zueinander getreten, wer besser die Idee des Sozialismus zu verunglimpfen vermag. Nicht wenige haben sich zu diesem Zwecke einkaufen lassen, doch es schwingt bei vielen von ihnen auch ein moralisches Element mit. Um sich selbst in den Spiegel schauen und ein reines Gewissen bewahren zu können, müssen sie auf den Ideen aus ihrer eigenen Vergangenheit herumtrampeln, weil nur so können sie sich selbst davon überzeugen, um Heinz Dieterich zu zitieren, dass es sich dabei um einfache „Jugendsünden“ handelt.
Der Kampf für marxistische Theorie
Im historischen Rückblick wird der Sturz des Stalinismus nur als eine Episode gesehen werden: als Vorgeschmack auf den Sturz des Kapitalismus selbst, der die Welt noch viel stärker erschüttern wird. Selbst im Zuge des gegenwärtigen Booms ist eine neue Periode in der Geschichte des Kapitalismus in Vorbereitung. Eine Periode noch nie gesehener Krisen auf der ganzen Welt, welche für dieses verfaulte und im Niedergang befindliche System der Unterdrückung und Ausbeutung die Todesglocken läuten und die sozialistische Transformation der Gesellschaft und die Schaffung einer neuen sozialistischen Weltordnung auf die Tagesordnung setzen wird.
Der Kapitalismus hat weltweit seinen reaktionären Charakter offen gelegt. Diese globale Krise hat dazu geführt, dass der Kapitalismus in einem Land nach dem anderen in Frage gestellt wird. Menschen, die über kein wissenschaftliches Verständnis verfügen, sehen nur den Schrecken des Kapitalismus, den Hunger, die Ungerechtigkeiten, die regelmäßigen Erschütterungen, Kriege usw. Doch wir müssen auch die andere Seite des Bildes verstehen. Mit diesen reaktionären Elementen reifen auch revolutionäre Elemente heran. Aus dem Chaos beginnt sich eine neue Kraft herauszubilden.
Der Weg vorwärts wäre unendlich einfacher, wenn die fortgeschrittensten Teile der ArbeiterInnenklasse und der Jugend mit den wissenschaftlichen Instrumentarien des Marxismus ausgestattet wären: dem dialektischen und historischen Materialismus und marxistische Ökonomie (die Arbeitswerttheorie). Der Marxismus ist die modernste Philosophie von allen – eine Philosophie, die perfekt mit den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts korrespondiert. Er versorgt uns mit den grundlegenden Werkzeugen, die wir zur Analyse und zum Verstehen der lebendigen Realität benötigen. Diese Realität darf nicht als eine Reihe von trockenen, miteinander unverbundenen, sinnlosen Ereignissen oder „Tatsachen“, sondern als ein dynamischer Prozess verstanden werden, der von seinen eigenen internen Widersprüchen vorangetrieben wird und sich in einem ständigen Wandel befindet.
Wer mit dem Marxismus bricht, der muss notwendigerweise seine grundlegendsten theoretischen Aussagen, allen voran seine philosophische Grundlage, den dialektischen Materialismus, zurückweisen. Doch es ist gerade diese philosophische Grundlage, welche den Marxismus mit einer wissenschaftlichen Methodik ausstattet. Es ist kein Zufall, dass alle Gegner des Marxismus (Popper, Hook, Burnham u.a.) ihre Attacken immer auf diesen Punkt konzentrierten.
Es ist kein Zufall, dass die politische Strömung, welche den Marxismus kompromisslos gegen all die Attacken der Bürgerlichen verteidigt hat, selbst unter Beschuss durch jene Kräfte gekommen ist, welche sich als völlig unfähig erwiesen haben, die Argumente der IdeologInnen des Kapitalismus zu beantworten und die selbst vor bürgerlichen und kleinbürgerlichen Ideologien völlig kapituliert haben. Die lautesten GegnerInnen unserer Strömung sind selbst ehemalige StalinistInnen und ehemalige TrotzkistInnen. Was sie verbindet und eint, ist ihr Hass gegen den genuinen Marxismus.
Der Grund für diesen Hass ist nicht schwer zu verstehen. Er liegt in den bemerkenswerten Erfolgen der Internationalen Marxistischen Tendenz (IMT). Und unsere Gegner wissen, dass dieser Erfolg zu einem großen Teil ein Ergebnis der politischen Autorität ist, die wir uns durch Bücher wie “Aufstand der Vernunft”, Russland von der Revolution zur Konterrevolution, Bolschewismus – der Weg zur Revolution, Die Venezolanische Revolution u.a. erarbeitet haben. Diese Werke haben in den letzten Jahren in den Reihen organisierter ArbeiterInnen und revolutionärer Jugendlicher ein wachsendes Echo gefunden.
Unsere zentrale Aufgabe sehen wir in der Verteidigung der marxistischen Theorie – allen voran des dialektischen Materialismus – und in der Beantwortung der Argumente der Bürgerlichen und der ReformistInnen.
Vor langer Zeit erklärte Engels die absolute Bedeutung der Theorie für die proletarische Avantgarde: “Die deutschen Arbeiter haben vor denen des übrigen Europas zwei wesentliche Vorteile voraus. Erstens, daß sie dem theoretischsten Volk Europas angehören und daß sie sich den theoretischen Sinn bewahrt haben, der den sogenannten „Gebildeten“ Deutschlands so gänzlich abhanden gekommen ist. Ohne Vorausgang der deutschen Philosophie, namentlich Hegels, wäre der deutsche wissenschaftliche Sozialismus – der einzige wissenschaftliche Sozialismus, der je existiert hat – nie zustande gekommen. Ohne theoretischen Sinn unter den Arbeitern wäre dieser wissenschaftliche Sozialismus nie so sehr in ihr Fleisch und Blut übergegangen, wie dies der Fall ist. Und welch ein unermeßlicher Vorzug dies ist, zeigt sich einerseits an der Gleichgültigkeit gegen alle Theorie, die eine der Hauptursachen ist, weshalb die englische Arbeiterbewegung, trotz aller ausgezeichneten Organisation der einzelnen Gewerke, so langsam vom Flecke kommt, und andererseits an dem Unfug und der Verwirrung, die der Proudhonismus in seiner ursprünglichen Gestalt bei Franzosen und Belgiern, in seiner durch Bakunin weiter karikierten Form bei Spaniern und Italienern angerichtet hat.” (Ergänzung der Vorbemerkung von 1870 zu “Der deutsche Bauernkrieg“)
Ohne den Kampf für eine revolutionäre Theorie ist es unmöglich eine revolutionäre Tendenz aufzubauen. Die großen Ideen von Marx, Engels, Lenin und Trotzki sind der Kompass, der uns in die richtige Richtung führt. In dem einen oder dem anderen Detail mag es notwendig sein, ein paar Abänderungen vorzunehmen, doch es ist zutiefst erstaunlich in welchem Ausmaß diese Ideen ihre Frische und Lebendigkeit erhalten haben. Auf den Seiten von Marxist.com sind wir imstande, diese Ideen einem weltweiten Publikum, das zusehends größer wird, zu vermitteln.
Die Geschwindigkeit, mit der unsere Artikel nach der Ermordung von Benazir Bhutto ins Hebräische, Arabische, Persische, Indonesische, Spanische, Italienische, Portugiesische, in Urdu, Sindhi, ins Deutsche, Niederländische und andere Sprachen übersetzt wurden, sind ein Anzeichen dafür. Der erste Artikel wurde in The Lahore Post zusammen mit langen Auszügen aus dem Programm der PPP aus dem Jahre 1970 abgedruckt. Er wurde außerdem in den wichtigsten Tageszeitungen im Sindh veröffentlicht.
Andere, die sich selbst als MarxistInnen bezeichnen, haben die Theorie wie einen unnötigen Ballast über Bord geworfen. Aus diesem Grund driften sie zwangsläufig ab, sind unfähig die Massenbewegungen in Pakistan, Mexiko, Venezuela oder sonstwo zu analysieren und daher auch können sie auch nicht effektiv intervenieren.
Die ultralinken Sekten bauen ihre Gebilde regelmäßig auf Sand, mit katastrophalen Folgen. Doch die von Ted Grant gegründete IMT ist stark, und wird von Tag zu Tag starker, weil sie auf einem Fels gegründet wurde, dem Fels der marxistischen Theorie und in erster Linie des dialektischen Materialismus.
Revolutionärer Optimismus
Der Kapitalismus ist nichts ewiges oder fixes. Wie jeder lebende Organismus ist er Veränderungen unterworfen und durchschreitet eine Reihe von mehr oder weniger klar voneinander zu unterscheidenden Stadien. Es erfordert keine besondere Intelligenz zu sehen, dass die gegenwärtige Gesellschaft todkrank ist.
Die Frage des Sozialismus stellte sich noch nie so dringlich wie heute. Marx meinte einst, dass die Menschheit vor der Wahl zwischen Sozialismus und Barbarei stünde. In der Periode des Niedergangs des Kapitalismus stellt sich diese Frage umso schärfer: die Wahl, vor der die Menschheit heute steht, lautet Sozialismus oder die eventuelle Zerstörung allen Lebens auf diesem Planeten.
Wir haben kein Recht den Kampf für eine bessere Welt aufzugeben. Wir haben kein Recht die Menschheit ihrem Schicksal zu überlassen. Den Mutlosen und den SkeptikerInnen antworten wir mit den Worten des 22jährigen Leo Trotzki, der 1901 folgenden Text verfasste:
„Dum spiro spero! [Solange ich atme, hoffe ich!]
„…Wäre ich einer der Himmelskörper, so würde ich völlig unbeteiligt auf diesen elenden Ball von Staub und Schmutz herabblicken… Ich würde die Guten und Schlechten in gleichem Maß bescheinen… Aber ich bin ein Mensch. Die Weltgeschichte, die für dich kaltherzigen Genießer der Wisschenschaft, für dich, du Buchhalter der Ewigkeit, nur ein unbedeutender Augenblick im Kommen und Gehen der Zeiten ist – für mich bedeutet sie alles! So lange ich lebe, werde ich für die Zukunft kämpfen, die strahlende Zukunft, in der der Mensch, stark und schön, Herr über den dahineilenden Strom der Geschichte sein wird, um seine Wasser dem grenzenlosen Horizont der Schönheit, der Freude und des Glücks entgegenzuführen!…
Das neunzehnte Jahrhundert hat in vieler Hinsicht die Hoffnungen des Optimisten erfüllt, noch öfter aber enttäuscht… Es hat ihn gezwungen, die meisten seiner Hoffnungen auf das zwanzigste Jahrhundert zu übertragen. Immer dann, wenn der Optimist einer scheußlichen Tatsache gegenüberstand, rief er aus: Was, und das kann an der Schwelle des zwanzigsten Jahrhunderts geschehen! Wenn er von der harmonischen Zukunft wunderbare Bilder malte, so war die Szenerie immer die des zwanzigsten Jahrhunderts.
Und nun ist dieses Jahrhundert gekommen! Was hat es gleich zu Beginn gebracht?
In Frankreich den Giftschaum des Rassenhasses, in Österreich – nationalistische Streitigkeiten…; in Südafrika – den Todeskampf eines winzigen Volkes, das von einem Riesen hingemordet wird; auf der ‘freien Insel’ selbst – Triumphgesänge an die siegreiche Gier chauvinistischer Geschäftemacher; dramatische ‘Komplikationen’ im Osten! Rebellionen hungernder Volksmassen in Italien, Bulgarien, Rumänien… Haß und Mord, Hungersnot und Blut… Es scheint so, als ob das neue Jahrhundert, dieser gigantische Neuankömmling, vom ersten Augenblick seines Erscheines an nur darauf aus ware, den Optimisten in einen völligen Pessimismus und ein bürgerliches Nirwana hineinzutreiben.
-Nieder mit der Utopie! Nieder mit dem Glauben! Nieder mit der Liebe! Nieder mit der Hoffnung! Donnert das zwanzigste Jahrhundert inmitten der Gewehr- und Kanonensalven.
-Ergib dich, du sentimentaler Träumer. Hier bin ich, dein lang erwartetes zwanzigstes Jahrhundert, deine ‘Zukunft’.
-Nein, erwidert der ungebeugte Optimist: Du – du bist nur die Gegenwart.”
Andere mögen den revolutionären Kampf für den Sozialismus aufgeben. Wir bleiben unseren Überzeugungen true, wir stützen uns weiterhin fest auf die wissenschaftlichen Ideen des Marxismus, auf unseren unerschütterlichen Glauben in die ArbeiterInnenklasse und die sozialistische Zukunft der Menschheit. Mach mit und unterstütze uns in diesem Kampf!
London, 7. Januar 2008