Der folgende Artikel ist eine Übersetzung des Statements unserer jugoslawischen GenossInnen zum Ergebnis der Wahl in Serbien. Es behandelt die Rolle des Präsidenten Alexander Vučić sowie die politischen Lage nach dem erfolgreichen Kampf gegen den Bau einer Lithium Mine durch die britisch-australische Kooperation Rio Tinto, über die wir bereits 2021 berichteten. Wir legen es hier ungekürzt vor.
Wahlen in Serbien – Die Lage ist günstiger, als es uns erscheinen mag
Und wieder geht eine weitere Vorwahl-Euphorie in Serbien zu Ende. All jene Energie, die während des Kampfes gegen Rio Tinto freigesetzt wurde und das Regime Alexander Vučićs bis in seine Grundfesten erschütterte, scheint nach der Wahl völlig verflogen zu sein. Die parlamentarischen Vertreter haben zufrieden die Sitze neu verteilt und den WählerInnen bleibt ein bitterer Geschmack im Mund, als ob sich in Serbien nie etwas ändern würde, und als ob wir in einer schlecht inszenierte Vorstellung der SNS (Serbische Fortschrittspartei, Vučićs Partei) über „Frieden und Stabilität“ leben, wo der Präsident aus dem Kühlschrank steigt, nur um uns die tägliche Dosis an überspitztem Drama zu bieten [Anm. d. Übers.: ein Wahlkampfwerbespot zeigt tatsächlich den Präsidenten Alexander Vučić, wie er aus einem Kühlschrank steigt und ein junges Pärchen von seiner Perspektive für Serbien überzeugt]. Diese triste Perspektive währt allerdings nur so lange, bis wir einen Blick unter die Oberfläche des mit großer Wahrscheinlichkeit letzten Mandates Vučićs werfen.
Grafik: wikipedia
Die Wahlen selbst sind größtenteils regulär abgelaufen, zumindest entsprechend der Standards der SNS. Neben bereits bekannten doppelten Listen, in die niemand Einsicht bekommt, haben wir gesehen, wie Anhänger von Vučićs Partei aus der Wahllokalaufsicht massenhaft Wahllokale verlassen haben. Außerdem wurden die vorübergehenden Resultate vonseiten der offiziellen Wahlkommission im Laufe der Wahlnacht nicht wie sonst üblich veröffentlicht. Dazu kommt noch die ein oder andere physische Auseinandersetzung unter den WählerInnen, natürlich auf Initiative der Befürworter des Regimes. Wie ausgeprägt die Unregelmäßigkeiten dieser Wahlen auch sein mögen, ihre Resultate sprechen für sich: Sie haben ein Parlament zusammengeführt, das deutlich die politische Parteivielfalt im Land ausdrückt – im Gegensatz zum letzten Parlament wo 97,6% des Parlaments von der regierenden Partei dominiert wurde und lediglich die restlichen sechs Mandate von den Minderheitslisten an Albanern und Bosniaken besetzt waren, deren Regionen vonseiten des offiziellen Serbiens völlig ignoriert werden.
Der Niedergang der SNS
Das neue Kräfteverhältnis im Parlament wird auf jeden Fall das Klima verändern, in dem die SNS ihre kriminelle Politik durchführt. Einerseits wird sich der Druck auf die Partei erhöhen, da sie inmitten einer ökonomischen Krise regieren muss und Hauptschuldtragender ebenjener sein wird. Andererseits werden sich auch die Konflikte innerhalb der Partei intensivieren, die auch für die Öffentlichkeit in der vergangenen Periode immer klarer zu sehen waren. Die Unterstützung gegenüber der Serbische Fortschrittspartei ist deutlich gefallen, wenn man die Stimmen der SPAS dazurechnet, die mit der SNS fusioniert ist. In Summe sprechen wir von einem Stimmenverlust von über 450.000 Stimmen. Abgesehen von der Wahl 2012, als die SNS an die Macht gekommen ist, handelt es sich hier um den schwächsten Wahlausgang, seit die SNS die führende Partei darstellt. Doch dieser Ausgang kann niemanden überraschen.
ehem. Finanzminister Lazar Krstic, Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und der serbische Präsident Aleksandar Vučić 2014 (Foto: BMEIA)
So eingespielt die Maschinerie der Serbischen Fortschrittspartei auch sein mag, spitzen sich die internen Konflikte in der Partei spätestens seit der Jovanjica-Affäre sowie während der Regierungsbildung 2020 zu. Sie eskalierten schließlich, als sich das Regime Anfang des Jahres mit dem kriminellen Clan von Veljko Belivuk befasste, der verdächtigt wird, mit der ehemaligen Staatssekretärin des Innenministeriums, Diana Hrkalovic, zusammenzuarbeiten, die wiederum als rechte Hand des ehemaligen Polizeiministers Nebojsa Stefanovic galt.
Kurz darauf kamen Informationen über die Abhöraffäre des Präsidenten ans Licht. Innerhalb der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) wurde daraufhin – ganz in bonapartistischer Manier – ein einstimmiges Misstrauensvotum gegen Nebojsa Stefanovic ausgesprochen. Trotz dieses Misstrauensvotums wurde Nebojsa Stefanovic jedoch mit einem neuen Posten als Verteidigungsminister belassen, woraufhin jener mit dem Versprechen konterte, er würde zurücktreten, wenn Vucic ihn darum bittet.
Dieser Skandal war von allen der bedeutendste, da es sich um eine Krise der Parteispitze gehandelt hat. Zuvor wie danach hatten sich auf lokaler Ebene vielen kleinere Konflikte ereignet, die allesamt aufzeigen, dass die Serbische Fortschrittspartei nicht mehr fähig ist so zu herrschen, wie sie bisher geherrscht hat. In der Partei herrscht ein offener Kampf, der daraus resultiert, dass die Partei nicht mehr die Loyalität aller Kader kaufen kann. Der Kapitalismus führt zu einer Stagnation im Wirtschaftswachstum, aber auch zu einer Konzentration der ökonomischen Macht, was bedeutet, dass die wachsende Gier der Politiker nicht gleichmäßig befriedigt werden kann.
Betrachten wir die einzelnen Faktoren: Die Wirtschaftskrise, die gerade erst wirklich Fahrt aufnimmt, der Abgang von Angela Merkel, Vučićs größten imperialistischen Mentor, sowie des immer größeren Drucks der EU, Serbien vom Einfluss des Ostens loszulösen und enger an sich anzubinden, haben eine Lage geschafft, in der es lediglich eine Frage der Zeit war, bis die ersten Brüche innerhalb der Partei auftauchen würden. Diese internen Zerwürfnisse haben innerhalb von nur zwei Jahren zu einem Rückgang der öffentlichen Unterstützung um 20% geführt.
Wir müssen allerdings trotzdem festhalten, dass die Unterstützung unseres „Kühlschrank-Präsidenten“ nicht nur nicht gefallen, sondern in der Gesellschaft sogar gewachsen ist. Tatsächlich wachsen seine Rolle und Bedeutung mit der Intensivierung der Zerwürfnisse im Staatsapparat. Er repräsentiert immer noch einen Faktor von Stabilität, eine Führungskraft die fähig ist die Rowdies aus den eigenen Reihen unter Kontrolle zu halten.
Allerdings zeigt der Wahlausgang klar, dass seine Bedeutung innerhalb der Partei abfällt, und dass sich die Serbische Fortschrittspartei nicht nur auf seine Persönlichkeit stützen kann. Zur Zeit der Krise rund um Rio Tinto, hat er sich bewusst als vernünftigen Führer dargestellt, der die Bedenken des Volkes gehört und sogar die eigenen Minister und die Premierministerin für ihre „schlampige Arbeit“ kritisiert hat.
Nach all den Konflikten innerhalb der Partei sowie den Vorfällen als Schlägertruppen seiner Partei auf Protestierende losgegangen waren (was sicherlich vielen Mitgliedern der Partei sauer aufgestoßen hat), konnte die Vučić vielleicht sein eigenes Ansehen retten, nicht jedoch das seiner Partei. Auch das Ablenken der Schuld an den Vorfällen auf die restliche Parteispitze wurde weder von ebenjener freudig aufgenommen, noch hat es tatsächlich die entstehende Kluft zwischen der Wählerschaft und der SNS gelindert.
Doch diese Manöver von Vučić können auch sein Ansehen nicht auf Dauer retten. Die SNS wird im Kontext der bevorstehenden Periode der Weltwirtschaftskrise sowie der zugespitzten Beziehungen zwischen den imperialistischen Mächten große Schwierigkeiten haben, sich als offene Volkspartei darzustellen, deren Interesse das allgemeine Interesse ihrer Wählerschaft ist.
Angesichts des mafiösen Verhaltens und der staatlichen Repression ist es nicht schwierig sich einen verfrühten Fall der SNS auch vor den nächsten Wahlen vorzustellen. Was Vučić betrifft, so weisen seine Aussagen bezüglich des Verlassens der Parteispitze, die er selbst nicht mehr völlig harmonisieren kann, auf eine Option hin, die er bereits seit Jahren immer wieder erwähnt.
Dennoch: da er, wie wir gesehen haben, nicht davor zurückschreckt, sich zur Zeit der Kämpfe rund um Rio Tinto hinter seinen Schlägertruppen zu verstecken, ist es gut vorstellbar, dass er im Lauf der Zuspitzung der Krise, das nächste Mal nicht mehr so tun kann, als ob er seine Hände in Unschuld wasche. Die Konsequenz daraus wäre, dass er zusammen mit der restlichen Partei entmachtet wird.
Der Misserfolg von Moramo
Bereits vor der Blockade gegen Rio Tinto haben wir gesagt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis aus der Protestbewegung eine neue politischen Partei entstehen würde. Was wir damals nicht diskutiert haben, ist der Charakter einer solchen neuen Partei, da dies immer von den konkreten Bedingungen abhängt, unter denen eine solche entsteht.
Der Kampf gegen Rio Tinto hat immense Energien freigeschalten, und eine Schicht an ökologischen Aktivisten und Aktivisten der „Recht auf Stadt“-Bewegung mit Vertretern des alten Regimes zur Gründung einer neuen grün-linken Koalition namens „Moramo“ (Wir müssen) bewegt.
Neben der Bewegung auf der Straße hat auch die kroatische Koalition „Možemo“ (Wir können), die in Zagreb bei den lokalen Wahlen gewonnen hat, einen inspirativen Beitrag geleistet. Die Proteste im Rahmen derer die Koalition entstanden ist, haben zunächst angedeutet, dass diese Koalition ein neuer Faktor im Parlament sein könnte. Zur Zeit der Proteste und unmittelbar nach ihnen lagen ihre Umfragewerte bei 7 – 13%. Im Laufe des Märzes haben sich ihre Werte allerdings deutlich auf 4,5 – 8% reduziert, um dann bei der Wahl endgültig bei 5% zu liegen.
Was hat den raschen Rückgang an ursprünglicher Begeisterung rund um diese Koalition hervorgerufen?
Einerseits ist es sicherlich richtig zu sagen, dass der Krieg in der Ukraine, der genau mit dem Beginn des Wahlkampfes zusammengefallen ist, sowie der pro-westliche Zugang von Moramo, einen Teil der Wählerschaft entfremdet hat. Dies ist aber nicht der entscheidende Faktor, wie sehr sich auch die liberale Opposition darauf berufen mag.
Das große Problem mit der grün-linken Koalition ist, dass sich es nicht geschafft hat, sich signifikant von der Plattform „Vereinigtes Serbien“ zu unterscheiden – bis auf den Hinweis, dass es sich um neue Leute handelt, die tatsächlich prinzipienhaft grün und prinzipienhaft links seien. Moramo hat den Eindruck einer Light-Version von „Vereinigtes Serbien“ erweckt – allerdings mit weniger Erfahrung und einem größeren Fokus auf die Jungwählerschaft.
„Rio Tinto“ Proteste. Foto: Marko_Risović
In der gesamten Koalition war die einzige hervorstechende grüne Kraft der „Ökologischer Aufstand“, die wohl einzige Initiative mit einer etwas kämpferischen Position. Es war erfrischend zu hören wie Ćuta (ein Klimaaktivist) mit Milomir Marić, dem Redakteur von Happy Televizija, abrechnete und sich dabei klar von der bisherigen Herangehensweisen der restlichen Koalition differenzierte, die sich entweder als moralische Minderheit oder als Experten aus NGO und Uni darstellen.
Der Großteil der öffentlichen Vertreter der Koalition begnügten sich mit den klassischen alten, abstrakten Geschichten über Rechtsstaatlichkeit, Korruption und darüber, dass der Hauptzweck die Entmachtung Vučićs ist. Diese Phrasen hat die serbische Wählerschaft schon hunderte Male in verschiedensten Ausführungen gehört. Darüber hinaus ist auch die „grüne Glaubwürdigkeit“ der Koalition fraglich, da sich ein großer Teil der Koalition zuvor nie mit dieser Frage beschäftigt hatte.
Die Koalition kann kaum als sonderlich „links“ beschrieben werden. Ihr Programm für ein „würdevolles Arbeiten“ hat nicht nur davor zurückgeschreckt, das Wort „Kapital“ oder „Kapitalismus“ zu verwenden, sondern versucht allgemein „sichere“ Floskeln wie „Neoliberalismus“ zu verwenden. Ein solches Programm hat der serbischen Bourgeoisie allem voran klar die Botschaft vermittelt, dass sie nicht planen, den Status Quo zu verändern, sondern, sollten sie tatsächlich an die Macht kommen, es wie die bereits erwähnte Koalition Možemo machen würde. Diese hat nach ihrem Wahlerfolg offen bekundet, dass sie in einer schwierigen finanziellen Lage steckt und dementsprechend ein Sparprogramm durchführen muss.
Tatsächlich können würdevolle Arbeitsbedingungen nur hergestellt werden, wenn man ein Programm formuliert, dass sich der Bourgeoisie entgegenstellt. In der Koalition gibt es sicherlich zahlreiche ehrliche und gutmeinende Mitglieder, einige auch bestimmt ehrliche Linke sind, aber wenn wir den kroatischen Präzedenzfall rund um Možemo und Radnička fronta betrachten, dann stehen die Chancen gut, dass auch bei Moramo schnell zu einem Bruch zwischen den kämpferischen AktivistInnen und jenen Bürokraten kommen wird, die sich selbst an den Staatspfründen bedienen wollen und dem westlichen Druck unterordnen werden. Ein solcher Bruch wäre gesunde Entwicklung, die allerdings nur möglich ist, wenn jene kämpferischen AktivistInnen einen unabhängigen Klassenstandpunkt beziehen und sich nicht der liberalen Führung der Koalition unterwerfen.
Durchbruch der Rechten?
Neben den liberalen Koalitionen, die über 19% für sich behaupten konnten, gibt es noch eine weitere Neuheit: Das Knacken der Mindestschranke im Parlament von einer Reihe von rechten Parteien, die bereits seit langem um die Mindestschranke vor sich hindümpeln. Auch Vučić hat sich in einer Rede, neben dem Erfolg der liberalen Opposition, auf den „dramatischen Rechtsruck“ in Serbien bezogen. Unser Dramakönig wurde sofort von den ebenso dramatischen Medien zitiert, die versucht haben, diesen angeblichen Durchbruch der Extremisten zu analysieren.
Als Marxisten basieren wir uns allerdings nicht auf Drama, sondern auf Fakten. Da die Wahlen von 2020 kriminell irregulär waren, müssen wir um die These des Rechtsrucks zu überprüfen das Beispiel der Wahlergebnisse von 2016 heranziehen. Wenn wir als „Rechte“ klar konservativ orientierte Kräfte nehmen, also die gemeinsamen Stimmen der SRS, Dveri, DSS und der SSZ (Zavetnici), dann kommen wir auf ein Ergebnis von 524.000 Stimmen im Jahr 2016 im Vergleich zu 571.000 heuer – fern, also, von einem „dramatischen Rechtsruck.“ Wenn wir der Rechten auch noch die Partei „Dosta je bilo“ (DJB) zuordnen, können wir sogar von einem Rückgang an Stimmen sprechen.
Zählen wir dementgegen nun die gemeinsamen Stimmen aller liberalen Parteien, so sehen wir dass diese von 2016 bis 2022 von 417.000 auf 761.000 gewachsen sind. Um es klarzumachen: wir haben keinerlei Sympathien den liberalen Optionen gegenüber, aber es ist offensichtlich, dass der Präsident dramatisierte Lügen über den Aufstieg der Rechten auftischt.
Interessant ist auch, dass bezüglich der erwähnten SSZ (Zavetnici) als auch der POKS lange gemunkelt wurde, dass es sich um Projekte von Vučićs Partei handeln könnte. Auch die Verhandlungen zwischen Dveri, DSS und DJB mit dem Regime über die Wahlbedingungen wurden allgemein äußerst kritisch betrachtet. Nach Verhandlungen über die Wahlbedingungen gelang es allen Parteien außer DJB und SRS, ins Parlament zu kommen. Tatsächlich kommt Vučić diese Balance sowie die Story des Rechtsrucks genau recht: er kann seine Rolle als Gleichgewicht und Vermittler zwischen den zwei oppositionellen Strömungen, die jeweils pro-westlich bzw. anti-westlich sind, gut weiterführen und auch vor der EU vermarkten.
Wenn wir hier außerdem bedenken, dass die SNS Maschinerie bereits in ihrer Geschichte bereit war auf ein paar ihrer Stimmen zu verzichten, um sich eine „nützliche Opposition“ für eigene Zwecke heranzuzüchten, dann können wir nicht ausschließen, dass ein Teil der Stimmen der SNS für ebenjene Zwecke auch bei dieser Wahl verbraucht wurden. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, dass es sich um Nebenprojekte bzw. Rettungsbote von SNS Kadern handelt, die nicht mit der Linie der Partei übereinstimmen und sich bereits eine Austrittsstrategie basteln, für den Fall, dass die SNS endgültig untergeht.
Eine wichtige Sache ist noch zu bedenken: es gab bei dieser Wahl keine Linke und auch die sogenannte politische „Mitte“ stellt nur ein Sammelsurium aus Parteien dar, die in Sachen Ausbeutung der Bevölkerung kaum von den „rechten“ Parteien abweichen. Außerdem sticht hervor, dass es immer schwieriger wird, zwischen den Liberalen und den Rechten zu unterscheiden, da diese aufgrund ihrer Unfähigkeit eine ökonomische Alternative anzubieten wechselwirkend voneinander Slogans entleihen.
Die grundsätzliche Spaltung des politischen Spektrums sollte daran gemessen werden, ob eine Partei für oder gegen den Kapitalismus ist, also ob sie die Interessen der Kapitalisten oder der Arbeiterklasse vertritt. So gesehen repräsentiert die serbische Politik in ihrer Wirtschaftspolitik 50 Schattierungen der Rechten
Eine Zuspitzung des Klassenkampfes steht auf der Tagesordnung
Mit gutem Grund haben wir bis jetzt noch nicht über die zwei stärksten Parteien neben der SNS gesprochen, also die UZPS und die Sozialistische Partei Serbiens (SPS). Über sie gibt es nicht viel Neues zu sagen da es sich, neben der SNS, um dieselben Gesichter handelt, die wir unentwegt seit zwei Jahrzehnten sehen. Die UZPS und die SPS haben es geschafft, ihre Basis zu erhalten.
Abgesehen davon, dass die SPS keineswegs des Namens „sozialistisch“ würdig ist, da sich ihr Programm vollkommen hinter Kapitalismus und Nationalismus stellt, ist Ivica Dačić jederzeit bereit, alle bisherigen Meinungsverschiedenheiten mit politischen Gegnern zu ignorieren, um Ministersitze zu sichern.
Zur Zeit der Proteste stellte er sich gekonnt auf ihre Seite und schob der SNS die volle Schuld zu. Dadurch hat er sich selbst Tür und Angel für eine potenzielle Zusammenarbeit mit der Opposition zurechtgelegt, falls die SNS tatsächlich starke Rückgänge verzeichnen würde. Denn wie sehr auch die UZPS die SPS kritisieren mag, solange sie mit der SNS koaliert, ist sie sich klar der potenziellen Joker-Rolle der SPS bewusst. Wie 2008 wären sie zu Verhandlungen und Vereinbarungen über die Machtteilung mit ihr bereit, wenn sie sie nicht umgehen könnten, und auch die Verhandlungen von Djilas mit Vučić scheinen in der Lage zu sein, die Feindseligkeit zwischen UZPS und SNS auf längere Sicht hin zu besänftigen.
Für die UZPS haben im Allgemeinen verzweifelte WählerInnen gestimmt, die Hoffnung darin schöpfen, irgendetwas anderes als Vučić zu unterstützen. Tatsächlich vergessen sie dabei die brutale Privatisierung, hohe Arbeitslosigkeit und die allgemeinen schlechten Arbeitsbedingungen, die ein Markenzeichung ihrer Vertreter waren.
In Wahrheit handelt es sich bei beiden Optionen um Geister der Vergangenheit, die aufgrund ihrer katastrophalen Rolle niemals fähig sein werden, ihren einstigen Erfolg wiederherzustellen.
Und selbst wenn Vučić die Wahl durch Parolen über Frieden und Stabilität gewonnen haben mag, sehen die Leute, dass uns in der bevorstehenden Periode das exakte Gegenteil bevorsteht. Dessen sind sich selbst seine WählerInnen bewusst, da nicht mal mehr innerhalb der Partei Frieden und Stabilität herrscht. Der Konflikt in der Ukraine stellt eine weitere Belastung der Beziehungen zwischen den imperialistischen Mächten dar, die angesichts der sich vertiefenden Wirtschaftskrise versuchen, ihre Probleme durch eine gewaltsame Umverteilung des Weltmarktes zu lösen.
Der Druck des Ostens sowie des Westens, den wir in Serbien spüren, ist auf die Kämpfe der großen Mächte um Einflusssphären zurückzuführen. Diese Kämpfe sind im Übrigen auch der Grund für den Krieg in der Ukraine. In solch angespannten Beziehungen wird ein Balancieren zwischen den Mächten keine Option mehr sein, aber auch die Annäherung an eine der Mächte wird ein sicherer Weg in den Ruin sein, da dies die völlige Unterordnung des ökonomisch schwachen Serbiens unter deren Monopol bedeuten würde.
Tatsächlich ist Serbien bereits eine Halbkolonie des Westens, und alle politischen Optionen gründen ihre Herrschaft auf den Gehorsam gegenüber einer der fremden Mächte. Man kann sagen, dass die Wahlen in Serbien die Freiheit bedeuten, zu wählen, wer unser nächster kolonialer Verwalter sein wird.
Doch nun ist ein neuer Faktor hinzukommen: Serbien hat es geschafft, ein berüchtigtes multinationales Unternehmen [Rio Tinto, Anm.] zu vertreiben – entgegen dem Willen unseres damaligen Kolonialverwalters. Wenn die Arbeiterklasse aktiv auf die Straße gehen oder streiken stellen sie sich öfter die Frage, in welche Richtung das Land geht.
Wir sind aktuell Zeugen einer enormen Teuerung. Gleichzeitig sehen wir einen Ansturm des Kapitals, das unsere Umwelt inmitten der sich verschärfenden Klimakrise zerstört. Auch die Pandemie, die der Kapitalismus zu einer endemischen Krankheit mit Millionen von Opfern gemacht hat, hat vielen die Augen geöffnet. Gleichzeitig wird von uns erwartet, dass wir für kapitalistische Parteien stimmen, nur damit uns durch das Fortführen derselben ökonomischen Politik die Hoffnung auf Veränderung geraubt wird.
Wir haben allerdings mit eigenen Augen gesehen, dass es sehr wohl eine Möglichkeit die Anstürme des Kapitals zu stoppen: nicht mit Wahlen, sondern auf der Straße. Wahlen werden erst nützlich sein, wenn wir eine Partei haben, die sich offen auf den Klassenkampf stützt, so wie auf jenen Kampf den die Massen gegen Rio Tinto geführt und gewonnen haben.
Die marxistische Organisation Crveni baut ihre Organisation mit dem Ziel auf, eine Partei zu schaffen, die den Klassenstandpunkt und den Kampf gegen den Kapitalismus in den Vordergrund stellt.
Wenn auch ihr genug von dem System habt, das unsere Natur, unser Leben und unsere Zukunft aufs Spiel setzt, laden wir euch ein beim Aufbau einer Organisation aktiv zu werden, die einen Ausweg aus den unentwegten Krisen bietet, in die uns dieses System stürzt.