Am 3. April 2022 fanden die Parlamentswahlen in Ungarn statt. Viktor Orbáns Partei Fidesz hat das vierte Mal hintereinander eine Zweidrittelmehrheit der Sitze erhalten. Eine Wahlanalyse von unserem ungarischen Genossen Levente Szadai.
Diesmal gewann seine Partei gegen eine Opposition, die eine ganze Reihe von Parteien – von der ehemaligen rechtsextremen Partei Jobbik bis zur vermeintlich linken Sozialistischen Partei – vereinte. Während das Oppositionsbündnis verglichen mit dem Ergebnis der einzelnen Parteien bei der letzten Wahl 2018 mehr als 800.000 Wählerstimmen verlor, konnte die rechtsextreme Partei Mi Hazánk (gegründet 2018 von ehemaligen Jobbik Politikern) ins Parlament kommen.
Nur noch abwärts
Nach den großen Niederlagen der letzten Wahlen entschieden sich die Oppositionsparteien ihre Kräfte zu bündeln und gemeinsame Kandidaten für alle Wahlkreise sowie einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten aufstellen zu lassen. Dieses Bündnis der Oppositionsparteien bestand aus einer liberal-bürgerlichen Partei (Momentum), zwei Mitte-Links Parteien, zwei grünen Parteien, und der rechten Jobbik Partei.
Für ihren gemeinsamen Kandidaten entschieden sich die Oppositionsparteien in einer aus zwei Runden bestehenden Vorwahl im September und Oktober. Die Wahlbeteiligung war mit insgesamt 630.000 Teilnehmenden im Vergleich zu ihrer bisherigen Mobilisationskapazität verhältnismäßig hoch und das Ergebnis überraschend. Es gewann der einzige Kandidat, der zu keiner Partei gehörte: Peter Márki-Zay (MZP), der unabhängige Bürgermeister von Hódmezővásárhely.
Die Tatsache, dass ein Parteiloser gewann, lässt sich als klare Absage an die Oppositionsparteien verstehen. Klarerweise glauben die Wähler nicht, dass sie eine wahre Alternative zu Orbán darstellen. Allerdings trifft das genauso auf MZP zu. Von einigen als „Outsider“ dargestellt, ist er ein bekennender Katholik, konservativ, erklärtermaßen Marktliberaler und früherer Fidesz-Wähler. Außerdem waren viele seiner Verbündeten und prominenten Unterstützer Repräsentanten der ‚sozialistischen‘ liberalen Regierung in der Zeit vor 2010. Deren Sparmaßnahmen und neoliberales Programm waren einer der entscheidenden Gründe dafür, dass die Linke in Ungarn so in Verruf gebracht wurde und Fidesz im Jahr 2010 mit einer überwältigenden Mehrheit die Macht ergreifen konnte.
Nichtsdestotrotz kam es während der Vorwahlen zu einem Kopf an Kopf Rennen zwischen Fidesz und der Opposition, wobei die Opposition in einigen Umfragen sogar führte. Zu diesem Zeitpunkt war das Oppositionslager mobilisierungsstark und das Bündnis konnte erfolgreich die politische Agenda bestimmen. Doch im Laufe des Wahlkampfes fiel Márki-Zays Popularität in einer Geschwindigkeit, der die Meinungsforscher nicht folgen konnten – das Ausmaß der Niederlage war erst wirklich sichtbar, als das Oppositionsbündnis in der Wahlnacht auf dem Boden aufschlug, und das, ironischerweise, trotz ihres Wahlkampfslogans „Nur noch aufwärts“.
Der Mythos der „Anti-Korruption“ vs. klassenbasierte Politik
Márki-Zay präsentierte sich als eine „korruptionsfreie“, proeuropäische, proamerikanische und NATO-freundliche Version von Orbán, bezog sich oft auf den jungen Orbán und betonte wie sehr er damals mit ihm sympathisierte. Währenddessen setzte er sich gegen fast alle progressiven Reformen ein, die das Oppositionsbündnis gelegentlich vorschlug. Darunter zum Beispiel die Einführung eines mehr-stufigen Steuersystems. Er erklärte sogar Folgendes: „Mein einziger Wunsch ist es, die Steuern nicht zu heben, weil das alles ist, worüber Fidesz in ihrem Wahlkampf sprechen werden; dass die Opposition die Steuern heben will.“
Seine Einstellung hat mehr oder weniger die gesamte Oppositionskampagne auf die abstrakte Idee der „anti-Korruption“ und einen „zivilisatorischen Konflikt“ zwischen Osten und Westen reduziert, was für die Opposition schon in der Vergangenheit typisch war.
Wenig überraschend, dass das für die ungarischen Wähler nicht überzeugend genug war. Und wieder einmal gelang es der Opposition nicht zu verstehen, dass die fideszsche „Korruption“ eine reine Klassenpolitik ist, die von oben nach unten betrieben wird.
Sehr eindeutig gemacht wurde das vor einigen Jahren von einem prominenten Fidesz-Ideologen, Andás Lánczi:
„Waren die kommunistischen Verstaatlichungen nach 1948 oder die Privatisierungen des Regimesechsels nach 1989 Korruption? Was Korruption genannt wird, ist in Wirklichkeit das wichtigste politische Ziel von Fidesz. Damit meine ich, dass die Regierung sich Ziele wie das Aufbauen einer inländischen Unternehmerklasse gesetzt hat; das Aufbauen der Stützen eines starken Ungarns auf dem Land und in der Industrie. […] Die Leute sagen ‚Aber das ist Korruption!‘. Das ist eine politischer Standpunkt, bei dem es letztendlich darum geht, das Wort Korruption zu mystifizieren.“ (eigene Hervorhebungen)
Es ist klar, dass diese Erzählung auf Lügen basiert und die Umsetzung dieses „Programms“ pervers ist (wie könnte es auch anders sein? Man muss sich nur die Bereicherung von Orbáns Kumpanen ansehen). Nichtsdestotrotz ist es ein elementarer Stützpfeiler von Orbáns Politik.
Zerstört werden kann dieser Pfeiler nur mit einer anderen Art von Klassenpolitik – einer, die die politischen Interessen der Arbeiterklasse vertritt. Darin hat die Opposition bis jetzt versagt.
Menschen wollen Alternativen – sie alle teilen die Erfahrung niedriger Löhne, Unterdrückung von Minderheiten und fehlender sozialer Absicherungen, Freizeit etc. Solange jedoch keine ernsthafte Alternative geboten wird, scheinen für die meisten Menschen die zwei einzigen Optionen einerseits Fidesz‘ Ablehnung der „globalen Weltordnung“ und andererseits der „progressive Neoliberalismus“ der Opposition zu sein.
Was man über Fidesz sagen kann, ist, dass sie immerhin irgendeine Art von Erklärung über Ungarns marginalisierte Position im kapitalistischen Weltsystem bieten. Außerdem verspricht ihr politisches Programm immerhin symbolisch, diejenigen zu vertreten, die unter dem Übergang zum Kapitalismus und der marktfreundlichen Politik der „sozialistischen“ Regierung besonders zu leiden hatten.
Zum Beispiel hat Fidesz einige staatliche Arbeitsprogramme eingeführt, auf welche ein großer Teil der Landbevölkerung angewiesen ist, sowie Kredite und Steuererleichterungen für Neuvermählte. Während die Inflation bei knapp 40 Prozent lag, hat sich das durchschnittliche Einkommen unter Orbán fast verdoppelt und der Mindestlohn ist fast dreimal höher als 2010. Für viele Ungarn bedeutet das eine klare Verbesserung ihres Lebensstandards.
Vergleicht man das mit der neoliberalen Opposition, die am liebsten sogar diese kleinen Reformen wieder rückgängig machen würde, überrascht es wenig, dass sie nicht viel Unterstützung hinter sich versammeln konnten. Wer sich gegen Orbán wenden und seine Vorherrschaft brechen will, braucht eine klare Analyse der Gründe dafür, dass Fidesz überhaupt an die Macht kommen konnte.
Die Opposition stützt ihre gesamte Orbán-Kritik auf den Kampf gegen die Korruption. Das wird niemals eine Mehrheit den Menschen gewinnen, welche Zeugen der Korruption der Sozialistischen Partei werden mussten, einer Partei, die nicht für die Interessen der Menschen eintrat.
Diese Menschen wären aber durchaus interessiert an Klassenfragen und einer tatsächlichen Alternative nicht nur zu Orbán, sondern auch zu dem extrem ungleichen Sozialsystem. Es hätte sogar gereicht, mit milden sozialdemokratischen Reformen in den Wahlkampf zu ziehen, um Fidesz‘ Zweidrittelmehrheit abzuwenden. Aber mit Márki-Zay an der Spitze hatte die Opposition nur eine Message: „Orbán oder nicht Orbán?“
Internationaler Kontext
Schon vor Marki-Zay haben die Oppositionsparteien internationale politische Entwicklungen und Ungarns Außenpolitik nur in Bezug auf den Konflikt zwischen Ost und West analysiert. Ungarns rechtmäßiger Platz lässt sich laut der Opposition nur in den westlichen Allianzen finden. Orbán hingegen versucht das Land in Richtung Osten zu orientieren: Daher auch die geschäftlichen und politischen Abkommen mit Russland, China und der Türkei. Ihrer Linie treubleibend hat die Opposition währenddessen auch vor den heftigsten rassistischen, insbesondere china- und russlandfeindlichen Äußerungen, nicht zurückgeschreckt.
Die Fudan Universität, die vorhatte in Budapest einen Unistandort aufzubauen, wurde von Oppositionspolitikern als „kommunistische chinesische Institution“ bezeichnet und dem Verdrängen der Central European University entgegengestellt, welche vom Ungarisch-Amerikanischen Milliardär George Soros gegründet wurde und angebliche „westliche Werte“ vertrete.
Das Projekt der Fudan Universität hätte mit Recht kritisiert werden können. Die elitäre chinesische Universität wäre auf dem Grundstück einer geplanten Studentenstadt für 10.000 Studierende gebaut worden und das in Zeiten von einer großen Wohnungsnot in Ungarn, die es Studenten aus einkommensschwachen Familien sehr viel schwerer macht, eine Wohnung zu finden. Der Bau der Uni würde die Situation sicherlich verschlimmern.
Das Ausbrechen des Kriegs in der Ukraine hätte innenpolitisch einen großen Schaden für Orbán anrichten können. Schließlich beschloss er wichtige politische und geschäftliche Vereinbarungen mit der russischen Regierung, um Ungarns Energieabhängigkeit zu verringern. Unter anderem wäre da das Atomreaktor-Projekt Park 2, das von der russischen Firma Rosatom gebaut wird und eines der erheblichsten Investments Ungarns in den letzten Jahrzehnten darstellt.
Aufgrund dieser politischen und ökonomischen Abhängigkeiten entschloss sich Orbán wohl auch dagegen die russische Invasion so stark zu verurteilen, wie es zum Beispiel die Regierung Polens oder Tschechiens getan haben. Nichtsdestotrotz verurteilte er den Krieg, unterstützte unter internationalem Druck auch die EU Sanktionen (beim SWIFT-Ausschluss zögerte er eine Zeit), und kam NATO-Mitglied-Verpflichtungen nach, indem er die Stationierung von alliierten Truppen innerhalb des Landes erlaubte, wenn auch nur im westlichen Teil Ungarns.
Zur gleichen Zeit aber machte Orbán es sehr deutlich, dass man weder eine mögliche westliche Militärintervention unterstützen, noch direkte Waffenlieferungen von Ungarn in die Ukraine erlauben wird. Außerdem schloss er eine Unterstützung der Sanktionen gegen den Energiesektor aus. So gesehen balanciert Orbán gerade zwischen zwei sich widersprechenden Interessen.
Einerseits muss er Ungarns Mitgliedschaft in der EU aus ökonomischen Gründen bewahren. Das Land ist abhängig von EU-Subventionen und die ungarische Wirtschaft ist eng mit der deutschen verbunden. Andererseits ist Ungarn stark auf günstige Gasimporte aus Russland angewiesen. Tatsächlich haben seine Gassubventionen Orbán einen großen Teil seiner Unterstützung in Ungarn gesichert. So lässt sich erklären, dass er dem Anspruch Putin kritisieren zu müssen nachgekommen ist, seine Kritik aber trotzdem so sanft wie möglich gehalten hat. Dieser Ansatz ermöglicht es Orbán, sich als stabilen Führer zu präsentieren, der auf der Seite des Friedens steht und das Land nicht in den Krieg führen wird.
In der Zwischenzeit war es recht unklar, was Márki-Zay im Falle seiner Wahl als Ministerpräsident bezüglich des Konfliktes tun würde. Von Anfang an führte er den Krieg ausschließlich auf die Aggressionen Russlands zurück und versuchte seine Wahlkampagne auf der Behauptung aufzubauen, Orbán sei der Putin von Ungarn. Einmal hingegen behauptete er sogar, Órban sei ganz allein für den Krieg verantwortlich, da er im Vorfeld den ukrainischen NATO-Beitritt blockierte, (Orbán begründete dies mit der der systematischen Unterdrückung der Rechte der ungarischen Minderheit und deren Sprache in der Ukraine). Márki-Zay äußerte sich zweideutig. Bezüglich einer möglichen militärischen Intervention, Waffenlieferungen oder Energiesanktionen widersprach er häufig seinen vorherigen Positionen oder denen seiner Parteikollegen.
So sagte er zum Beispiel:
„Wozu auch immer sich die NATO innerhalb des Bündnisses entscheidet, sie kann allerhand Unterstützung und Beistand leisten. Wenn die NATO sich dazu entscheidet, sogar militärisch (…) hat Ungarn schon an ähnlichen Einsätzen teilgenommen, von Afghanistan bis zum Nahem Osten, Afrika etc. (…) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es eines Tages zu solchen Einsätzen in der Ukraine kommen wird.“
Im oppositionellen Fernsehsender ATV äußerte er sich dann so:
„Ungarn muss die gemeinsamen Beschlüsse der NATO umsetzen. Wenn also die NATO sich dazu entscheidet, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen, dann werden wir das unterstützen.“
Fidesz stürzte sich während des Wahlkampfes umgehend auf diese und ähnliche Aussagen. Das ganze Land wurde mit Postern und Werbung überflutet, auf denen behauptet wurde, dass Márki-Zay vorhabe, ungarische Soldaten in die Ukraine zu schicken oder russisches Gas abbestellen würde, um Putin zu stoppen.
Nachdem man realisierte, dass seine Aussagen bei der ungarischen Bevölkerung auf überwältigende Ablehnung stießen, versuchte Marki-Zays Wahlkampfteam, ihn zu verteidigen. Die Aussagen seien aus dem Kontext gerissen worden, man unterstütze weder Waffenlieferungen noch einen möglichen Militäreinsatz. Zu dem Zeitpunkt war es allerdings schwierig seine Glaubwürdigkeit wieder herzustellen.
Die ersten Zeichen einer Wirtschaftskrise kamen schon vor Kriegsausbruch zum Vorschein. Die Regierung führte aufgrund der Inflation staatliche Preiskontrollen für Grundnahrungsmittel wie Zucker, Weizenmehl, Sonnenblumenöl, Schweinebeine, Hühnerbrust und Milch ein und zudem auch Preiskontrollen für Treibstoff. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Marktpreise schon weite 20-30 Prozent über den staatlichen Preisen. Einige kleine Tankstellen mussten dichtmachen, weil sie die Verluste nicht mehr decken konnten.
Die Opposition argumentierte dann, dass Orbán mit seinen staatlichen Kontrollen eine kommunistische Politik verfolgen würde, anstatt darauf hinzuweisen, dass solche Kontrollen langfristig keine Probleme lösen werden, auch nicht das globale Problem von Knappheit und Inflation.
Eine der zentralen Figuren der Opposition, Ákos Hadházy, zum Beispiel, reagierte auf die Lebensmittelpreiskontrollen mit folgender Aussage „Lenin lebte, Lenin lebt und Lenin wird immer leben“. Das wird die große Mehrheit der unter dieser Inflation leidenden Arbeiter Ungarns wohl eher befremdet haben.
Zur Zeit der Wahl war es üblich, dass Tankstellen und Läden anzeigten, wie viele Packungen Milch, Mehl oder Zucker oder wie viel Liter Benzin ein Kunde auf einmal kaufen konnte. Ähnliche Beschränkungen oder Warnungen vor künftigen Engpässen von Sonnenblumenöl konnte man in Spanien, dem Vereinigten Königreich, Griechenland, Frankreich oder der Türkei sehen.
Des Weiteren hat die ungarische Regierung vor der Wahl Sozialausgaben bedeutend erhöht. So wurden die Gehälter des Gesundheitspersonals und der Lehrer zusammen mit den Pensionen erhöht und Pensionsprämien verteilt. Den Familien wurden die gezahlte Einkommenssteuer für 2021 zurückerstattet.
Lösen konnte das die Probleme der Arbeiter in den betreffenden Sektoren allerdings nicht, noch immer verdienen sie beschämend wenig. Die Regierung musste diese Maßnahmen durchführen, einfach nur um diesem Sektor der Arbeiterklasse zu ermöglichen, mit der steigenden Inflation mithalten zu können. Als Resultat davon hat das Haushaltsdefizit einen jahrzehntelangen Höchststand erreicht. Mit den Folgen muss jetzt die neue Regierung fertig werden. Es wird zu einer Sparpolitik kommen, die letztendlich die Arbeiterklasse in einen Konflikt mit Fidesz zwingen wird.
Die Organisation aufbauen
Am Tag nach den Wahlen veröffentlichten die liberalen ungarischen Zeitungen wieder Reportagen und Kommentare auf ihren Titelseiten, in denen die Meinung vertreten wurde, dass internationale Akteure die Ungarische Regierung bestrafen könnten (falls sie nicht in der Wahl besiegt würde). Die Financial Times brachte beispielsweise einen Leitartikel heraus, in welchem man die Europäische Union dazu aufrief, durch die Einbehaltung von Geldern und Korruptionsermittlungen Druck auf Orbán auszuüben. Zwei Tage nach der Wahl verkündigte die Europäische Kommission, dass sie ein rechtsstaatliches Disziplinarverfahren gegen Ungarn einleiten wird.
Es ist allerdings klar, dass solche Strategien bis jetzt ineffektiv waren und auch ineffektiv bleiben werden. Tatsächlich stärken sie eher Orbáns Regime. Es ist außerdem typisch, dass europäische Staats- und Regierungschefs, die ihre harten Worte gegen Orbán richten, dies nur aus innenpolitischen Gründen tun. Sie senden so eine Botschaft an ihrer eigene Wählerschaft, anstatt ernsthafte wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen, die Orbáns politische Stabilität tatsächlich ins Wanken bringen könnten (siehe Deutschland unter Merkel). Diese Akteure sind nicht unsere Verbündeten.
Diese Wahlen zeigen, dass die Politik des geringeren Übels zu gar nichts führt. Zweifelsohne befinden wir uns in einer schweren Krise. Auf den nationalen Lehrerstreik und die bevorstehenden Streiks der Zugführer könnten zahlreiche Streiks anderer Sektoren folgen. Die steigende Inflation und zunehmende globale Versorgungsschwierigkeiten könnten den Unmut weiter anheizen.
In solchen Zeiten werden viele Menschen nach Erklärungen, Antworten und Alternativen suchen. Für die Linken in Ungarn jedoch muss die Wahl eine Lehre sein. Es ist Zeit, die Illusion aufzugeben, dass die Liberalen Orbán etwas entgegensetzen könnten.
Ein Bündnis mehrerer Parteien mag auf den ersten Blick den Anschein von einer größeren Stärke geben. Doch wenn man sich mit bürgerlichen und rechten Parteien zusammenschließt, bedeutet das eigentlich nur, dass man sein eigenes Programm auf nichts als einen „Anti-Orbánismus“ reduziert. Die Wahlergebnisse zeigen, dass eine solche Strategie nicht funktioniert.
Wir brauchen eine Opposition zu Orbán mit einem klaren Klassenstandpunkt.
Es ist also Zeit, eine Organisation aufzubauen, die eine tatsächliche Plattform für unsere Ideen und unser Programm ist: eine Opposition, die nicht versucht, zwischen den Optionen der „Realpolitik“ zu wählen, sondern für eine vollkommen andere Gesellschaft kämpft, eine Gesellschaft ohne Krieg, Armut, Ausbeutung und Unterdrückung. Ein System, dass auf der Arbeiterdemokratie sowie der demokratischen Planung unserer Wirtschaft fußt.