Während die bürgerliche Bundesregierung mit offenen Augen in den Lockdown lief, steuerte Ex-Bildungsminister Faßmann in das nächste Desaster für die Schulen. Christoph Pechtl berichtet.
Seit Monaten herrscht Chaos an den Schulen. Privatunternehmen, die durch ihre Profitlogik für ein Testfiasko sorgten, fehlende Luftfilter, die von Schulen nicht bestellt wurden, da die Wartung ihr Budget überstiegen hätte und Lehrpersonal, das zunehmend unter dem vorherrschenden Personalmangel leidet, sind zum Dauerzustand geworden. Für einen sicheren Schulbetrieb ist – wenn es nach der Regierung geht – kein Geld da.
Währenddessen befindet sich das Lager der Bürgerlichen zu Beginn des 4. Lockdowns in heillosem Durcheinander. Nachdem Kurz, der in der Vergangenheit das letzte Wort gesprochen hatte, zur Seite getreten war, brachen nun widersprüchliche Interessen an die Oberfläche. Kopflos verkündeten die einen die Schließung der Schulen, um die von ihnen verschuldete Coronasituation wieder in den Griff zu bekommen. Die anderen verkündeten zeitglich, dass die Schulen offen bleiben – eine Schließung würde ja eine Sonderbetreuungszeit nach sich ziehen und die Eltern vom Arbeiten abhalten.
Schließlich wurden diese Widersprüche einfach in die Form einer schizophrenen Verordnung gegossen. Mückstein erklärte: „Schulen und Kindergärten bleiben grundsätzlich offen.“ „Die, die das können, sollen bitte die Schülerinnen und Schüler zu Hause lassen“, ergänzte nunmehr Ex-Bundeskanzler Schallenberg. Offene Schulen also – aber niemand soll hingehen? Letztendlich war die generelle Planlosigkeit der Regierung für diesen apathischen „Kompromiss“ von Schrödingers Schule verantwortlich. Eine Vorbereitung zur Umstellung auf Distance-Learning war seit Monaten gekonnt ignoriert worden. Ohne Alternative wurden Schulen daher offen gelassen, aber die Schulpflicht aufgehoben. Die Eltern bekamen dafür unzählige, mit Paragraphen verklausulierte Verordnungen und die Verantwortung zur Pandemiebekämpfung aufgehalst.
„Die Eltern wüssten am besten, was gut für ihre Kinder ist“, versuchte der BM in Dauerschleife seine Verantwortungslosigkeit zu rechtfertigen. In anderen Worten: Soll sich doch die Kleinfamilie überlegen, wie sie Arbeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen kann. Ohne Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit ist das für die meisten Familien jedoch unmöglich. Hinzu kommt noch, dass durch die offenen-geschlossenen Schulen kein Onlineunterricht möglich ist. Bleiben die Kinder also zuhause, sind sie beim Erlernen des Unterrichtsstoffes auf sich alleine gestellt. Beinahe 80% der SchülerInnen besuchen österreichweit daher weiter den Präsenzunterricht.
Der Druck auf das Lehrpersonal nimmt dabei weiter zu. Nicht nur versuchen sie verzweifelt, in ihrer Freizeit eine Unterstützung zum Lernen für zuhause gebliebene Schüler zu erstellen. Selbst die Pandemiekontrolle liegt zunehmend in ihren Händen. Das Contact-Tracing war schon vor Wochen in den ersten Bundesländern de facto zusammengebrochen. Neben den Testungen fällt ihnen somit auch die Kontrolle über Positiv-Fälle und die Verordnung von Quarantänen zu. „Die Gesundheitsbehörde hat ewig gebraucht, um alle offiziell über die Quarantäne zu verständigen“, erzählt eine Mittelschul-Lehrerin. Hätte sie nicht alle Eltern vorab informiert, wären die Kinder am nächsten Tag in der Klasse gesessen.
Egal ob die Regierung die Schulen öffnet oder schließt (oder eben beides): Die Folge wird immer Chaos und zusätzlicher Druck für SchülerInnen und Lehrepersonal sein. „Man hat echt das Gefühl, die Politik weiß so oft nicht, wie Schule in der Praxis funktioniert und was wir in so einer Situation als Lehrer im Klassenzimmer tatsächlich brauchen,“ bringt es ein Linzer Lehrer auf den Punkt. Nur das Personal vor Ort kann einen sicheren und qualitativen Schulbetrieb organisieren. Doch das dafür notwendige Kleingeld und die bewusste Kontrolle über den Schulbetrieb werden wir uns nur durch einen aktiven Kampf an den Schulen holen können. Oder in den Worten desselben Lehrers:
„Wir sind überhaupt zu brav und angepasst. […] Wir müssen laut werden, es braucht Protestmaßnahmen.“
(Funke Nr. 199/10.12.2021)