Die Koalitionsverhandlungen zwischen Kurz, Kogler und Co. gehen gut voran. Über die Inhalte der Verhandlungen wurde striktes Stillschweigen vereinbart, aber aus dem Mund der VerhandlerInnen selbst fallen immer wieder Begriffe wie „Augenhöhe“, „viel Konsens“, „Brücken bauen“ und Ähnliches.
Eine viel deutlichere Sprache, als die kryptischen Aussagen der Verhandler, spricht allerdings das Stimmverhalten im Nationalrat. Der schwarz-grüne Abstimmungsblock ist hier schon in Beton gegossen. So wurden mit den Stimmen von Grünen und ÖVP im Budget-Ausschuss des Nationalrates Anfang Dezember fast alle Abstimmungen vertagt (etwa zu einer „Klimaschutz-Milliarde“, der Anrechnung von Präsenz- und Zivildienstzeiten für die Pension u.a.).
Den sozialen und gesellschaftlichen Inhalt der kommenden Regierung kann man gut am (schwarz-grünen) „Vorarlberger Modell” nachvollziehen, bei dem die Gewährung der Mindestsicherung an eine „Integrationsvereinbarung” geknüpft wird; also der Schleier des schwarz-blauen, offenen Rassismus durch einen verdeckten, sich „progressiv“ gebenden ersetzt wird, der Inhalt der Sozialkürzung aber völlig unangetastet bleibt.
Doch besonders die Zustimmung der Grünen als „Partei des Klimaschutzes“ zur Mautbefreiung einiger Autobahnteilstücke im Nationalrat und Bundesrat ist bezeichnend (siehe unten). Dazu meinte der Vorarlberger Bundesrat der Grünen, Adi Gross, nur zynisch, mit Klimaschutz habe das nichts zu tun, es gebe keine Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung – das System der Vignette sei sowieso grundsätzlich überholt.
Insbesondere für die Bewegung gegen den Klimawandel stellen die Regierungsverhandlungen eine tödliche Gefahr dar – nicht so sehr wegen den verhandelten Inhalten, sondern wegen der vorherrschenden Illusionen in die Grünen. Diese versuchen, sich auf den Rücken der Bewegung zu setzen und ihr gleichzeitig die Karotte der „Klimapartnerschaft“ (mitsamt saftiger Jobs, versteht sich) vor den Mund zu halten, um sie für die Zwecke der kommenden Regierung in Bewegung zu setzen.
Der Funke argumentierte daher auf den vergangenen Klimastreiks am 29.11. und innerhalb von Fridays for Future (FfF) für eine klare, öffentliche Distanzierung von der Todesumarmung durch die Grünen. Wir veröffentlichen hier im Anschluss ein Flugblatt, das von Funke-AktivistInnen an die TeilnehmerInnen des vergangenen Bundesplenums von FfF verteilt wurde und in dessen Sinne Anträge bei FfF Treffen gestellt wurden, etwa in der Vorarlberger Regionalgruppe.
Doch bis heute wurde keine Distanzierung zum Verhalten der Parteien ad Mautbefreiung veröffentlicht. Nur in Salzburg konnten AntikapitalistInnen eine klare Distanzierung von den Vereinnahmungsversuchen durch Kogler und Co. erreichen – was auch postwendend zu einem Aufschrei in den Sozialen Medien führte: man solle die Grünen doch mal arbeiten lassen, FfF hätte den Kampf gegen den Klimawandel nicht für sich gepachtet etc.
Es ist klar, dass der Druck auf alle AntikapitalistInnen in der Klimabewegung in den nächsten Monaten noch ansteigen wird. Doch für uns ist es keine Option, den Großkonzernen ihren Willen zu lassen. Keine „Klimapartnerschaft“ der Welt kann den Klimawandel aufhalten, nur die Beseitigung des kapitalistischen Profitsystems und damit der Herrschaft der großen Konzerne. Daher werden wir auch weiterhin in der Bewegung für eine antikapitalistische Positionierung und gegen eine Vereinnahmung durch die grün lackierten Bürgerlichen kämpfen.
Flugblatt: Nein zur politischen Vereinnahmung von FfF durch die Grünen!
Am 11. November stimmten ÖVP, NEOS und Grüne im Nationalrat für eine Mautbefreiung auf verschiedenen Autobahnen, darunter der A14 zwischen Hörbranz und Hohenems, also für Transitverkehr in die Schweiz – eine langjährige Forderung der Lobby der LKW-Spediteure. Betroffen sind außerdem die Inntalautobahn A12 (Kufstein Süd), die Westautobahn A1 (Salzburg Nord) und die Mühlkreisautobahn A7 (noch zu bauende Bypassbrücke zwischen Ausfahrt Hafenstraße und Urfahr). LKW-Transporte durch Österreich werden dadurch deutlich attraktiver und die Verlagerung des Transports auf das Schienennetz wird sabotiert anstatt gefördert.
Alle diese Parteien, insbesondere die Grünen, haben mit Umwelt- und Klimaschutz Wahlkampf gemacht und sich dabei auch direkt auf Fridays for Future bezogen. Werner Kogler bezeichnete seine Partei als „Gesicht“ und „Spielbein dieser Bewegung im österreichischen Parlament“ und sprach vor den Wahlen davon, den Wahltag zum „Sunday for Future“ zu machen. In Vorarlberg trat die Spitzenkandidatin der Grünen, Nina Tomaselli am Wahltag sogar mit einem „Fridays for Future“-T-Shirt auf.
Ein wichtiger Grundsatz von FfF ist es, sich nicht von Parteien und Organisationen vereinnahmen zu lassen. Es ist die eine Sache, wenn Menschen auf Plena, Veranstaltung oder Demonstrationen von Fridays for Future offen als UnterstützerInnen von Organisationen auftreten – egal ob man bei XR, dem Funken oder eben den Grünen mitmacht. Das im Sinne der Offenheit und Transparenz sogar gut – so lange klar ist, dass man nicht für die Gesamtbewegung spricht. Das ist der Sinn von Pluralismus und freier Meinungsäußerung.
Doch die Grünen tun so, als ob sie FfF in der Öffentlichkeit, im Parlament und bald wohl auch in der Regierung vertreten. Damit vereinnahmen sie die Bewegung im eigentlichen Wortsinn, und zwar mit einem perfiden Zweck: Die Schülerinnen und Schüler sowie alle anderen, die gegen den Klimawandel wöchentlich auf die Straße gehen, sollen nach dem Willen der Grünen für die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP ausgenutzt werden und später für die Regierungspolitik als Argumentation dienen. Und wie der Beschluss der Mautbefreiung zeigt bedeutet das, dass FfF letztendlich für die neue Regierung zur Argumentationshilfe für eine klimafeindliche Politik im Interesse der Wirtschaft werden soll. Das lehnen wir entschieden ab und sagen daher:
- Ja zum Pluralismus in unserer Bewegung!
- Nein zur Vereinnahmung im Interesse der Konzerne und klimafeindlichen Politik!
- Wir treten weiterhin für ein antikapitalistisches Programm in der Bewegung ein!
(Funke Nr. 179/11.12.2019)