Während sich auf Münzen vielleicht die Gesichter von Staatsoberhäuptern finden, mit deren Befugnis sie geprägt wurden, ist es wichtig zu betonen, dass das nicht bedeutet, dass Geld je von diesen „erfunden“ oder eingeführt wurde. Es ist vielmehr ein entstandenes soziales Objekt innerhalb einer Gesellschaft, in der sich eine Marktwirtschaft entfaltet hat, wie Graeber betont. Von Adam Booth.
„Die Gründe, warum Anthropologen nicht in der Lage waren, eine einfache und überzeugende Geschichte über die Ursprünge des Gelds zu liefern, liegen darin begründet, dass es dafür keinen Grund zur Annahme gibt. Geld wurde ebenso wenig je ‚erfunden‘ wie Musik, Mathematik oder Schmuck. Was wir ‚Geld‘ nennen, ist kein ‚Ding‘, es ist eine Möglichkeit, Dinge mathematisch zu vergleichen.“
Die Geißel-Inflation
Obwohl es entstanden ist und nicht eingeführt oder erfunden wurde, basieren die Beziehungen, die durch das Geld verkörpert werden trotzdem auf etwas, was objektiv und real ist, das ist die gesellschaftlich notwenige Arbeitszeit, welche im Gesamtvermögen aller in der Zirkulation befindlichen Waren innerhalb einer Gesellschaft enthalten ist
Der wirkliche Reichtum einer Gesellschaft besteht nicht in der Ansammlung von Münzen oder Bargeld, noch in Kreditblasen und Schulden, sondern im Niveau seiner Produktivkräfte und der daraus entstehenden Gebrauchswerte, die zur Verfügung stehen. Vielmehr haben viele Regimes und Herrscher in der Geschichte an diese Tatsache erinnert, als sie versucht haben, ihren Reichtum einfach durch die Abwertung des Gelds oder dem Druck von Geld zu erhöhen – eine Technik, die allgemein zu größerer wirtschaftlicher Instabilität führt und paradoxerweise zur Verarmung der jeweiligen Gesellschaft.
Obwohl es keine sichtbare Grenze für die Geldmenge, die in den Umlauf gebracht werden kann, gibt, ist es trotzdem klar, dass diese Menge nicht willkürlich sein kann. Wie schon vorher erklärt, ist Geld in erster Linie ein Wertmaßstab – der universelle Wertmaßstab. Die Menge des zirkulierenden Gelds muss deshalb letztendlich mit der Gesamtmenge der zirkulierenden Waren – in finanzieller Hinsicht gleichwertig mit der Gesamtsumme der Verkaufspreise – und der Geschwindigkeit (der Umlaufgeschwindigkeit und dem Umsatz) mit der die Waren ausgetauscht werden, verknüpft sein. Zum Beispiel sind alle Dinge gleich, wenn die Menge der Waren gleich bleibt, aber wenn sich die Menge der zirkulierenden Geldscheine verdoppelt, wird sich auch der Preis für jede einzelne Ware verdoppeln.
Die Inflation ist eine Widerspiegelung der Marktgegebenheiten: Wenn die Geldmenge steigt, kommt es zu einem allgemeinen Anstieg bei der Nachfrage nach Waren und damit zu einem allgemeinen Preisanstieg. Die Inflation bei besonderen Waren kann auch auftreten, wenn die Geldmenge nicht erhöht wird; z. B. als Folge eines Mangels oder einer Beschränkung bei der Versorgung mit bestimmten Gütern, welche die Preise über ihren Wert nach oben treiben. Ähnlich ist es, wenn die Produktionskosten für eine bestimmte Ware steigen, d. h. es kommt zu einer Erhöhung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, was durch den relativ höheren Wert und somit zu einem überhöhten Preis für diese Ware im Verhältnis zu anderen widerspiegelt wird.
Eine allgemeine Inflation – d. h. eine allgemeine Verteuerung aller Waren – kann in der Gesellschaft nur als Ergebnis der Ausweitung der Geldmenge und einer Entwertung (Abwertung) der Währung stattfinden oder als Produkt eines Preisanstiegs bei einer Ware wie Öl, welche als wichtiger Faktor bei den Produktionskosten aller anderen Waren fungiert. Wie schon vorher besprochen, ist Geld, sowohl als Warengeld als auch als Kreditgeld, letztendlich ein komplexes Konstrukt aus gesellschaftlichen Beziehungen; ein Ausdruck der Verteilung des Reichtums innerhalb der Gesellschaft. Die Rolle einer solchen allgemeinen Inflation besteht deshalb darin, das Gleichgewicht dieser sozialen Beziehungen zu verändern und den Reichtum von einer Gruppe auf die andere umzuverteilen: In erster Linie durch einen Vermögenstransfer von den Kreditgebern auf die Schuldner, deren Realschulden durch die Inflation reduziert werden.
Da eine Entwertung und eine allgemeine Inflation letztlich dazu dienen, das Vermögen umzuverteilen, widerspiegelt sich die Frage, wer die Geldversorgung kontrolliert, historisch als Kampf zwischen den Klassen, wie vorher erklärt, als Kampf zwischen den Feudalkönigen und der aufsteigenden Bourgeoisie über die Geldmenge. Marx beschreibt das Im Kapital wie folgt:
„Der Klassenkampf der antiken Welt z.B. bewegt sich hauptsächlich in der Form eines Kampfes zwischen Gläubiger und Schuldner und endet in Rom mit dem Untergang des plebejischen Schuldners, der durch den Sklaven ersetzt wird. Im Mittelalter endet der Kampf mit dem Untergang des feudalen Schuldners, der seine politische Macht mit ihrer ökonomischen Basis einbüßt. Indes spiegelt die Geldform – und das Verhältnis von Gläubiger und Schuldner besitzt die Form eines Geldverhältnisses – hier nur den Antagonismus tiefer liegender ökonomischer Lebensbedingungen wider.“ (Marx, Das Kapital, Bd. 1, S. 149/150)
Was verschuldete ArbeiterInnen bei einer allgemeinen Inflation und einem Rückgang der Realschulden auf der einen Seite gewinnen, riskieren sie auf der anderen Seite in Form eines Schwunds an der Kaufkraft ihrer Löhne zu verlieren. Wenn es nämlich zu einer allgemeinen Preissteigerung ohne eine gleichzeitige Lohnerhöhung kommt, werden die ArbeiterInnen einen Reallohnrückgang erfahren – d. h. einen Rückgang der Warenmenge, mit der sie ihre Löhne tauschen können.
In den 1970ern wurden die Gewerkschaften in Britannien und in anderen europäischen Staaten von bürgerlichen Politikern und der rechten Presse beschuldigt, eine hohe Inflation zu verursachen. Es wurde behauptet, dass militante Streiks und die Forderung (und Erringung) „unvernünftiger“ Lohnerhöhungen zu allgemeinen Produktionskostensteigerungen führen würden. Eine solche Behauptung ist zu einem beliebten Mythos geworden, der heute immer noch von der Kapitalistenklasse und ihren politischen Repräsentanten propagiert wird,
In Wirklichkeit spielt es sich genau umgekehrt ab. Die ArbeiterInnen kämpfen gewöhnlich für einen Lohnanstieg, um die Inflation auszugleichen – eine Inflation, die als Folge internationaler Faktoren entstanden ist, wie z. B. die expansionistische keynesianische Wirtschaftspolitik, die während des Nachkriegsbooms in allen hochentwickelten kapitalistischen Staaten betrieben wurde; die enormen Militärausgaben der USA, welche die Inflation während des Bretton-Woods-Systems weltweit exportierte; und die Ölkrise von 1973, in deren Folge es zur Explosion der Energiepreise kam.
Die Kapitalisten lehnen Streiks für Lohnerhöhungen vehement ab, weil ihnen bewusst ist, dass ein allgemeiner Lohnanstieg für ArbeiterInnen nur auf der Grundlage einer allgemeinen Senkung ihrer Profite erreicht werden kann. Ted Grant erklärte das 1971, als er auf die Verleumdungen der Tory-Regierung und der bürgerlichen Presse antwortete:
“Was verursacht den Preisanstieg? Wenn die Kapitalisten die Preise willkürlich erhöhen könnten, würden sie warten, bis die Löhne steigen. Sie haben ein Interesse daran, den höchst möglichen Profit zu erzielen. Was sie davon abhält ist der Wettbewerb, besonders unter den modernen Bedingungen, sowohl national als auch international. Normalerweise sind es die Löhne, die hinter den Preisen zurückbleiben und nicht umgekehrt.“
„Wenn die Kapitalisten die Preise nach Lust und Laune erhöhen könnten, warum blicken sie dann der Tatsache erbitterter Streiks mit einem Produktions- und Profitverlust ins Auge, anstatt den Lohnforderungen der ArbeiterInnen nachzugeben? Wenn es sich dabei nur um das Problem der Weitergabe von Lohnerhöhungen für die ArbeiterInnen ginge, wäre das der selbstverständliche Weg das Problem zu lösen. Aber in Wirklichkeit ist der Profit der Kapitalistenklasse nur die unbezahlte Arbeit der ArbeiterInnen. Konsequenterweise bedeuten Lohnerhöhungen für die ArbeiterInnen, unter sonst gleichen Bedingungen, einen Rückgang des Profits für die Kapitalisten. Daher das Wehklagen der Schreiberlinge des Kapitals in den Massenmedien.“ (Ted Grant,The Truth Behind Inflation, Militant no. 71)
Heute flüchten verschiedene kapitalistische Regierungen weltweit in einem verzweifelten Versuch, die Wirtschaft zu stimulieren, in eine nie dagewesene lockere Geldpolitik und das mit allen möglichen bisher noch nicht dagewesenen durchgeführten und geplanten Maßnahmen: von der quantitativen geldpolitischen Lockerung (Quantitative Easing) und negativen Zinsraten bis zum Gerede vom „Geldregen aus dem Hubschrauber“ direkt in die Taschen der Konsumenten.
Man sollte erwarten, dass eine solche Politik global zu einer hemmungslosen Inflation führen würde, aber das ist nicht geschehen. Im Grunde liefert der hohe Grad an Überproduktion, der weltweit existiert, die Antwort. Diese Überproduktion widerspiegelt sich in einem Warenüberfluss und einer „Überkapazität“ in allen Sektoren, welche einen enormen Abwärtsdruck auf die Preise ausüben.
Anders als in der Vergangenheit haben z. B. die Ölpreise als Ergebnis der Konjunkturabschwächung in China, der massiven Ausweitung der Fracking-Industrie in den USA und der Rivalität zwischen Produzenten wie Saudi Arabien und dem Iran, den Tiefpunkt erreicht. Aber anstatt diese Tatsache zu feiern, sind die bürgerlichen Politiker und Ökonomen ernsthaft über den Ausbruch einer Deflation besorgt, welche ein Symptom für die Krankheit des Systems ist.
Kurz gesagt, der Markt ist gesättigt, der Kapitalismus ist weit über seine Grenzen gegangen, die Entwicklung der Produktivkräfte ist mit der Produktionsweise in Konflikt geraten – d. h. unsere Fähigkeit zu produzieren ist auf das Hindernis des Privateigentums und der Produktion um des Profit willens gestoßen.
Geld(in)stabilität
In der Theorie sollte die Geldmenge mit der Realökonomie durch die Geldnachfrage verankert bleiben. Wenn z. B. ein Unternehmen einen Kredit aufnimmt, um zu investieren und die Produktion zu erweitern oder wenn eine Familie eine Hypothek für den Kauf eines Hauses aufnimmt, wird die Geldschöpfung durch einen Anstieg der zirkulierenden Waren gestützt.
In der Praxis ist das aber nicht so einfach. Einerseits fungiert Geld als Schmiermittel für den gesamten Produktions- und Tauschablauf und ermöglicht einen allumfassenden Handel und Austausch zwischen Individuen und Gemeinschaften, die nie aufeinander treffen müssen, und den zeitlichen als auch räumlichen Abbruch des Austauschvorgangs. Es bietet so Bewegung, Dynamik und Veränderung. Der Aufstieg des Gelds markiert einen mächtigen Sprung im Potenzial für die Erweiterung des Markts und somit für die Produktionskräfte.
Andererseits ruft der vom Markt ausgeübte Druck der Erweiterung eine Nachfrage nach einer größeren Geldmenge hervor. Daher die Entwicklung des Kredit-, Geld- und Finanzwesens, wie wir es zuvor erklärt haben. Aber es liegt in der Natur der Warenproduktion und des –austausches, d. h. in der Natur des Privateigentums dieses Systems, über seine Grenzen zu gehen. Wie vorher besprochen, wird G-W-G mit der Entwicklung des Gelds und dem Aufstieg von Kaufleuten und Wucherern durch G-W-G‘ (und G-G‘) ersetzt; das Endziel der Produktion und des Tausches entfernt sich immer weiter von der Erfüllung der tatsächlichen Bedürfnisse und wird immer mehr die Akkumulation von Geld. Der Druck die Geldmenge auszuweiten widerspiegelt sich in der Tendenz zur Entwertung und in der Evolution des Gelds von Münzen, deren Wert gleich mit dem Wert des wertvollen Metalls war, zu Geld in Form von Banknoten etc., die nur als Verkörperung, Symbol oder als Wertmarken fungieren; ein Prozess, der sein Extrem in der Moderne erreicht hat, wo der Reichtum eines Menschen durch bloße Zahlen auf einem Bildschirm dargestellt wird.
Der Kredit dient dazu die Verknüpfung zwischen der Realökonomie und der Geldversorgung aufzuheben. Er ermöglicht es den Produktivkräften, vorübergehend die Beschränkungen des Marktes zu überwinden. Gleichzeit fördert er jede Art von Spekulation, die zu Spekulationsblasen und fiktivem Kapital führen. Vor der Krise von 2007-08 z. B. gingen nicht Haushalte zur Bank, um nach einem Kredit zu fragen, sondern Banken gingen in die Haushalte und ermutigten diese, sich an ihrer Orgie der Kreditschöpfung in Form von Subprime (minderwertigen) Hypotheken und Kreditkarten zu beteiligen. Zwischenzeitlich weitete sich der Markt immer weiter aus und das kapitalistische System wuchs auf der Basis dieses Kartenhauses, wobei das Großkapital in der Lage war, seine Profite, dank der durch diese Kredite erzeugten künstlichen Nachfrage, zu realisieren.
In seinem Buch über Schulden bemerkt David Graeber, dass die Geschichte des Gelds sich abgewechselt hat zwischen Zeitabschnitten, in den der Gebrauch von Krediten ausgeweitet wurde und Zeiträumen, in denen der Gebrauch wertvoller Metalle dominierte. So kam es z. B. mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches zu einem Abbruch des Handels und des Bankwesens und damit zu einer Abkehr vom Kreditwesen zu einem System lokaler und regionaler Münzwesen, welche die damalige Auflösung der Gesellschaft in feudale Königreiche und Lehnswesen widerspiegelte.
Der Zusammenbruch des Kreditsystems und die Rückkehr zum Warengeld (z. B. wertvolle Metalle) ist eine Reflektion einer allgemeinen politischen und ökonomischen Instabilität in der Gesellschaft, welche ein Verlangen nach Geld verursacht, das greifbar ist und nicht nur aus Kritzeleien im Geschäftsbuch eines Bankers besteht. Graeber erklärt dazu:
„… während das Kreditsystem dahin tendiert in Perioden relativen sozialen Friedens oder über ein Vertrauensnetzwerk (das entweder von Staaten geschaffen wurde aber meistens von transnationalen Institutionen wie Handelsgilden oder Glaubensgemeinschaften) zu dominieren, gibt es in Zeiten, die durch um sich greifende Kriege und Plünderungen charakterisiert sind, eine Tendenz, dass dieses durch wertvolles Metall ersetzt wird.“
In dieser Hinsicht half die allgemein begrenzte und wertbeständige Menge an wertvollem Metall, das auf dem Weltmarkt zirkulierte – zusammen mit den vorteilhaften Materialeigenschaften (Homogenität, Haltbarkeit, hohe Wertdichte etc.) – deren Rolle als Geld zu verstärken und bot einen verlässlichen Standard bezüglich der Preise, des Wertmaßstabs und der Mittel, mit den Schulden überschrieben werden konnten.
Die Verwendung von wertvollen Metallen als Geldware garantiert jedoch keine stabilen Preise. Das zeigte sich am Beispiel des spanischen Weltreichs im 16. Jahrhundert, wo die Herrscher sich, nachdem sie das Land mit Unmengen an Gold und Silber, das sie bei ihren Eroberungen in Südamerika erbeutet hatten, überschwemmt hatten, in einer instabilen Lage von hoher Inflation und geringen Investitionen befanden, die schließlich zum Zusammenbruch der spanischen Wirtschaft führte. „Alles ist in Spanien teuer außer Silber“, lautete ein Sprichwort aus der damaligen Zeit. Dieser verhängnisvolle Niedergang unterstreicht die Tatsache, dass es nicht ein Überfluss an Geld ist, der die Gesellschaft reich macht, sondern der Stand der Produktivkräfte und die Fähigkeit wirklichen Reichtum zu produzieren. Leo Trotzki betonte diesen Punkt in Bezug auf die Analyse der Degeneration in der Sowjetunion, wo unter Stalin von der Bürokratie eine Vergrößerung des Geldangebots verzweifelt und empirisch genutzt wurde als Versuch die Grenzen einer Planwirtschaft unter den Bedingungen der wirtschaftlichen Isolation und Rückständigkeit zu überwinden.
Trotzki betonte, dass selbst mit der Errichtung einer Planwirtschaft und der ArbeiterInnendemokratie, das Geld seine Rolle als Wertmaßstab nicht verlieren würde bis alle Überreste des Privateigentums, der Warenproduktion und des Warenaustausches und der Klassengesellschaft abgeschafft worden seien. Trotzki erklärte, dass jede Vergrößerung des Geldangebots zu einer allgemeinen Inflation führen würde, die dazu diene, die Effektivität der Planwirtschaft zu begrenzen. Auch hier lässt sich die Frage im Wesentlichen auf den Entwicklungsstand der Produktivkräfte reduzieren.
„Diese beiden Probleme: Staat und Geld, haben eine Reihe gemeinsamer Züge, weil sie letzten Endes beide auf das Problem aller Probleme zurückgehen: die Produktivität der Arbeit. Der staatliche wie der Geldzwang sind ein Erbteil der Klassengesellschaft …“
„In den regierenden Kreisen herrschte entschieden die Meinung vor, in einer Planwirtschaft sei eine Inflation nichts Schlimmes. Das heißt ungefähr: ist ein Kompass vorhanden, dann ist ein Leck im Schiff nicht gefährlich. In Wirklichkeit führt die Geldinflation, die unvermeidlich die Kreditinflation erzeugt, zur Vertauschung der realen Größen durch fiktive und zerfrisst die Planwirtschaft von innen heraus. Überflüssig zu sagen, dass die Inflation für die werktätigen Massen einer fürchterlichen Steuer gleichkam.“ (Leo Trotzki, Die Verratene Revolution, Kapitel IV)
Heute haben wir keine allgemeine Inflation als Folge der lockeren Geldpolitik, wie dem Quantitative Easing, trotzdem haben solche Maßmaßnahmen eine enorme Instabilität innerhalb der Weltwirtschaft hervorgerufen, mit billigem Geld, das ins Ausland fließt und aufgeblähten spekulativen Blasen, wie die auf dem Wohnungsmarkt oder an den Börsen. Die Auswirkungen auf die Länder, die eine Politik der Quantitativen Lockerung betrieben haben, war die Schwächung ihrer Währungen zur Förderung von Exporten. Im Wesentlichen ist das eine neue Form der Beggar-thy-Neighbour-Politik (Bring‘ deinen Nachbarn an den Bettelstab).
Die enormen Quantitative Lockerungsprogramme in den USA, der EU und Japan, die das Ziel hatten in Zeiten der Krise für eine ökonomische Stabilität zu sorgen, haben zum Gegenteil geführt, wie u. a. das Beispiel der Panik auf den chinesischen Aktienmärkten gezeigt hat. Eine vorübergehende Stabilität für einige Länder hat nur eine weitere Instabilität für das System als Ganzes erzeugt. Trotz der riesigen Geldspritzen befinden sich die wichtigsten kapitalistischen Ökonomien weiter in einer tiefen Krise.
Der Wert des Gelds, obwohl er ein quantitativer Vergleichsausdruck ist, ist weder willkürlich noch zufällig, sondern liegt auf einer objektiven materiellen Basis: als Verkörperung der gesamten Werte, die innerhalb einer Wirtschaft zirkulieren. Wie die o. g. Beispiele deutlich zeigen, gibt es in der Ökonomie nichts umsonst. Diese wichtige Tatsache hat genau so wichtige Konsequenzen, besonders in der Frage der Inflation und der Geldversorgung, wie wir sie heute beobachten können.
So gut wie Gold
Die Verwendung eines Goldstandards erfolgte historisch als Reaktion auf eine lockere Geldpolitik, als Versuch, das Geldvolumen mit etwas Materiellem zu verankern. In Britannien wurde der Goldstandard in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeführt, um die Inflation als Folge der Napoleonischen Kriege, die durch eine massive Zunahme der Staatsschulden finanziert worden waren, zu bekämpfen. Das führte 1844 zum Bank Charter Act, welches die Wirkung hatte, die Geldmenge zu begrenzen, indem man der Bank of England ein Monopol auf den Druck von Geldscheinen gab, diese Scheine wiederum mussten durch Gold gedeckt sein. Trotzdem wurde ein Mindestreserve-Bankwesen aufrechterhalten, dass es privaten Banken gestattete, die Geldmenge durch die Schaffung neuer Bankeinlagen (d. h. Kredite), als Antwort auf die Nachfrage nach Darlehen, zu erhöhen
Der Aufstieg und die Ausdehnung des Britischen Empires rief weltweit eine Epoche der Stabilität hervor, welche die Ausweitung des Welthandels und das Entstehen des Goldstandards als internationales Währungssystem ermöglichte. Als der Kapitalismus am Entstehen war und die Weltwirtschaft vorankam, fungierte der Goldstandard als positive Kraft, die den internationalen Handel erleichterte, indem er einen universellen Preisvergleich in verschiedenen Ländern, jedes mit seiner eigenen nationalen Währung, bot.
Als die Widersprüche innerhalb des kapitalistischen Systems zunahmen, schlugen die Vorteile des internationalen Goldstandards in ihr Gegenteil und wurden zu einer weiteren Quelle der großen Instabilität innerhalb der schwankenden Weltwirtschaft. Der Beginn des Ersten Weltkriegs zeigte, dass das weltweite kapitalistische System seine Grenzen erreicht hatte, und die verschiedenen Mächte miteinander in Konflikt gerieten, als sie versuchten, den gesättigten Weltmarkt zu zerstückeln und neu aufzuteilen. Der Ausbruch des Kriegs führte dazu, dass ein Land nach dem anderen den Goldstandard aufgab und alle versuchten ihre Kriegsanstrengungen durch den Druck von Geld zu finanzieren.
Zur gleichen Zeit fungierte der internationale Goldstandard, um die verschiedenen nationalen Ökonomien fest aneinanderzubinden und schränkte damit deren Fähigkeiten ein, Währungsabwertungen als Reaktion auf die großen Zahlungsbilanzdefizite durchzuführen. Stattdessen mussten Staaten mit schlechten Handelsbilanzen „interne Abwertungen“ realisieren, d. h. Angriffe auf die Löhne und Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen, um die die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu verbessern.
Mit dieser Situation war auch Britannien nach dem Krieg konfrontiert. Die Stellung des Landes auf der Weltbühne hatte sich derart verschlechtert, dass es nicht zum Goldstandard zurückkehren konnte, ohne einen frontalen Angriff auf die ArbeiterInnenklasse zu führen. Es war die Durchführung eines solchen Angriffs, der zum Ausbruch des ersten (und bisher einzigen) Generalstreiks des Landes im Jahre 1926 führte, als die Kapitalisten beabsichtigten, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch den Angriff auf die Löhne – besonders auf die der Bergleute – zurückzugewinnen.
Als der Welthandel sich ausweitete und die Wirtschaft wuchs, konnten die Spannungen und Widersprüche zwischen den verschiedenen kapitalistischen Ländern schöngefärbt werden. Als aber die Weltwirtschaft in die Krise geriet und verschiedene nationale Volksirtschaften begannen, sich in verschiedene Richtungen zu bewegen, kamen die gesamten Widersprüche zum Vorschein.
Nach einer kurzen Phase der relativen Stabilität in den 1920ern, brach der internationale Goldstandard schließlich zusammen und starb mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise von 1929, die ein Land nach dem anderen zwang, den Goldstandard aufzugeben, da sie versuchten, eine expansionistische und inflationistische Geldpolitik zu verfolgen, um die Wirtschaft zu stimulieren, Staatsdefizite zu finanzieren und angeschlagenen Banken Liquidität zur Verfügung zu stellen. Eine Welle des Protektionismus und der wettbewerbsbedingten Abwertungen fegten über die Welt hinweg, da jedes kapitalistische Land versuchte die Krise durch eine Beggar-thy-Neighbor-Politik zu exportieren – ein Prozess, welche die Krise aber bloß noch weltweit verschärfte, weil der der internationale Handel zusammenbrach und die Märkte schrumpften.
Die Gemeinschaftswährung
Die Parallelen zur heutigen Euro-Krise, in der die Zwangsjacke der Gemeinschaftswährung dazu diente, die Widersprüche innerhalb des europäischen Kapitalismus zu vergrößern, liegen klar auf der Hand. Wieder einmal wurden die schwächeren europäischen Ökonomien gezwungen, den Pfad der „inneren Abwertung“ zu gehen, der sich in Form von ständigen Kürzungen und Angriffen auf die ArbeiterInnen manifestiert; ein Versuch, chinesische Arbeitsbedingungen nach Europa zu importieren. Das ist die wahre Bedeutung der heutigen Austeritätspolitik.
Diesen Ländern wird erzählt, sich müssten bezüglich des Exports wettbewerbsfähiger werden. „Wir müssen so werden wie Deutschland und China!“; „Wir müssen investieren, konkurrenzfähiger sein und exportieren!“ Aber nicht jedes Land kann wie Deutschland oder China sein. Man muss sich nur die einfache Frage stellen: Wohin exportieren? In einer Zeit, in der die Regierungen weltweit eine Austeritätspolitik betreiben, wo ist da die Nachfrage nach steigenden Importen?
Weiterhin versuchen die Kapitalisten und Politiker in jedem Land das Gleiche zu tun und nicht jeder kann – per Definition – ein Nettoexporteur sein. Der internationale Wettbewerb unterscheidet sich grundsätzlich nicht vom Wettbewerb zwischen verschieden kapitalistischen Unternehmen. Im Kapitalismus wird es immer Gewinner und Verlierer geben. Ungleichgewichte und Instabilität sind dem System innewohnend.
Nicht jeder kann am konkurrenzfähigsten sein. Die Konkurrenzfähigkeit ist immer relativ. Der Hauptunterschied besteht darin, dass bei der Konkurrenz zwischen Unternehmen, schwache Unternehmen untergehen und von stärkeren geschluckt werden; auf der internationalen Ebene können weniger wettbewerbsfähige Ökonomien nicht so einfach eingegliedert werden – obwohl dass im Wesentlichen die Bedeutung von „immer engerer Zusammenschluss“ innerhalb der Euro-Zone und der EU ist: eine Wirtschaftszone, in der die schwachen Volkswirtschaften direkt unter die Kontrolle der stärkeren, d. h. des deutschen Kapitalismus, gestellt werden.
Gleichzeitig müssen wir aber betonen, dass sowohl im Fall des Goldstandards als auch des Euro die Ursachen des Problems nicht im Geldsystem, sondern im kapitalistischen System liegen. Innerhalb oder außerhalb der Euro-Zone werden die Probleme, vor denen Griechenland, Spanien, Irland, Italien oder Portugal stehen, solange nicht gelöst, solange die Gesetze des Kapitalismus bestehen bleiben. Es sind die Widersprüche des Kapitalismus – mit seinen Begrenzungen durch das Privateigentum an Produktionsmitteln und dem Nationalstaat – welche diese Krise erzeugt haben; das gegenwärtige internationale Währungssystem liefert nur die Form, in der sich die Krise selbst ausdrückt.
In ähnlicher Weise gibt es heute Menschen, die sich vorstellen, dass eine Rückkehr zum Goldstandard – d. h. zu einem System, in dem Währungen an eine bestimmte Menge Gold gekoppelt wird – der unfehlbare Schutz gegen die Gefahren einer inflationären Geldpolitik, globale Handelsungleichgewichte, Spekulationsblasen, überzogene Kredite, finanzielle Krisen etc. sein würde. Aber der Goldstandard ist kein Allheilmittel. Letztendlich setzen sich die Bedürfnisse der Warenproduktion und des Warenaustausches selbst durch; die Notwendigkeit eines größeren Geldumlaufs entsteht und die starre Verknüpfung zwischen dem Geldangebot und einer einzelnen Ware – sei es Gold oder etwas anderes – wird zu einem Hindernis für das Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft und die Entwicklung der Produktivkräfte. Das hat die Entwicklung von Gold- und Silbermünzen – bekannt als Goldumlaufwährung – zu einem Papiergeldsystem, das durch Gold gestützt wurde, erzwungen und dazu geführt, dass man sich heute komplett vom Goldstandard abgewandt hat.
Nach der Aufgabe des Goldstandards, der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg, wurde 1944 mit dem Bretton-Woods-System ein neues internationales Währungssystem wiederhergestellt. Wie beim internationalen Goldstandard waren die Grundlage für Bretton Woods das Wachstum und die Stabilität der Weltwirtschaft und die Dominanz einer globalen imperialistischen Macht – in diesem Fall die USA, die als die kapitalistische Supermacht aus dem Zweiten Weltkrieg entstanden war.
Im Rahmen des neuen Abkommens wurden nationale Währungen an den US-Dollar gekoppelt, der wiederum „so gut wie Gold“ war, aufgrund der Tatsache, dass zwei Drittel der Goldvorräte der Welt in den Tresoren von Fort Knox lagerten. Genauso wie der Goldstandard im 19. Jahrhundert half das Bretton-Woods-System bei der Expansion des Welthandels, der im Gegenzug eine treibende Kraft für den Nachkriegsboom war.
Als die relative Stärke des US-Kapitalismus zurückging, verschlechterte sich die Zahlungsbilanz zwischen den USA und dem Rest der Welt. Zwischenzeitlich wurden riesige Geldsummen für den Krieg in Vietnam ausgegeben, der durch eine staatliche Kreditaufnahme finanziert wurde. Da die Währungen aller Länder an den Dollar gekoppelt waren, wurde die amerikanische Inflation in den Rest der Welt exportiert.
Das System fester Wechselkurse wurde angesichts mangelnder Wettbewerbsfähigkeit, ebenso wie das britische Festhalten an den überbewerteten Goldstandard der 1920er oder die griechische Wirtschaft im Verhältnis zum Euro heute, politisch unmöglich. Anstatt zu einer Abwertung zu einem festen Wechselkurs überzugehen, mussten die ArbeiterInnen für die Konkurrenzfähigkeit ihrer Volkswirtschaften zahlen und Lohnkürzungen hinnehmen. Die Spannungen und Belastungen wurden unhaltbar und schließlich brach die Dollar-Gold-Bindung und brachte damit auch das Bretton-Woods-System zu Fall.
Heute stehen wir, in Zeiten der tiefsten Krise in der Geschichte des Kapitalismus vor nie dagewesenen weltweiten Turbulenzen und Unbeständigkeiten, wohin wir auch schauen: ökonomisch, politisch und sozial. Das hat alle in der Gesellschaft vorhandenen Widersprüche an die Oberfläche gebracht und jegliche Hoffnung auf eine Rückkehr zum vorübergehenden Gleichgewicht in der Nachkriegsperiode zerschlagen. Vorbei sind die Hoffnungen auf Frieden und Wohlstand, stattdessen erleben wir den Schrecken des Krieges und terroristische Grausamkeiten. Der Traum von einem „immer engeren Zusammenschluss“ in Europa ist zu einem lächerlichen Witz geworden, wo sowohl der Euro als auch die EU vor einer existentiellen Krise stehen.
Die Zentralbanken haben auf die verzweifelten Mittel der „quantitativen Lockerung“ zurückgegriffen – Zentralbanken treten auf, um Vermögenswerte aufzukaufen und erhöhen dabei die Geldmengen. Wie vorher erwähnt, hat die „quantitative Lockerung“ nicht zu einer höheren Inflation geführt, stattdessen hat sie nur zusätzlich zur Instabilität der Weltwirtschaft, mit billigem Geld, das auf die Märkte strömt und Spekulationsblasen, besonders in den Schwellenländern, aufbläht, beigetragen. Wir kommen wieder zur grundsätzlichen Frage bezüglich des Geldangebots: Das zirkulierende Geld muss eine materielle Basis haben – letztendlich eine Basis im Sinne von realen Werten – d. h. gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit – die in den zirkulierenden Waren in der Gesellschaft verkörpert sind.