Ich arbeite seit drei Jahren in Wien als Heimhelferin im mobilen Bereich. Ohne uns geht in der Pflege nichts, aber wir werden nicht wahrgenommen. Ein Aufschrei.
Ich arbeite nicht in einer Einrichtung, sondern in der Betreuung von alten, kranken, eingeschränkten Menschen in ihren eigenen vier Wänden. Laut Vertrag muss ich 30 Stunden pro Woche, inklusive Wochenende und Feiertage arbeiten, jedoch komme ich oft auf 40-42 Stunden, seltener auf 20-25 in einer Woche. Dienstzeiten sind von 6 bis 22 Uhr, oft in zwei Blöcke (morgens und abends) gesplittet. Dienstplanänderungen sind natürlich immer möglich. Oft müssen Kollegen ersetzt werden, die krank sind oder kündigen. Der Personalwechsel ist ziemlich hoch. Seitdem ich mit der Arbeit begonnen habe, hat fast die Hälfte meines Teams (rund um 35-40 KollegInnen) schon mehrmals gewechselt.
Als ich mit dieser Arbeit begonnen habe, habe ich mich wirklich gefreut, Menschen – aus verschiedenen sozialen Klassen – zu helfen ihren Alltag zu bewältigen. Und diese Freude bleibt immer noch, wird jedoch vom ständigen Arbeitsdruck untergraben.
Wir arbeiten ständig unter Zeitdruck. Menschen mit den verschiedensten Erkrankungen brauchen viel Zeit, um durch den Alltag zu kommen. Jedoch entsprechen die standardisierten Zeiten, in denen die Tätigkeiten durchgeführt werden müssen, meist nicht der Realität. Zum Beispiel werden 45 Minuten in der Früh als durchschnittlich genug gerechnet, damit eine Person wach wird, aufsteht, die erforderliche Unterstützung bei der Körper- und Hautpflege bekommt (einschließlich Toilettentraining und Inkontinenzversorgung), damit sie angezogen wird, ein Frühstück vorbereitet kriegt und sie es vielleicht noch in unseren Anwesenheit isst, ihre Medikamente bekommt, die Wohnung in Ordnung gehalten und zwischendurch ein bisschen geplaudert wird. Schließlich muss noch dokumentiert werden was alles gemacht wurde. Und dann geht es weiter.
Natürlich dürfen bei Bedarf zum Beispiel in Notfällen die Einsätze verlängert werden, aber das wird nicht wirklich geduldet und auf uns wird deswegen ständig Druck ausgeübt. Diese Arbeit wird meistens von Frauen erledigt, unterschiedlichster Herkunft und Alters. Es wird meistens als sehr belastend betrachtet. Wir sind wie eine unsichtbare Frauenarmee, die jeden Tag von Haus zu Haus läuft, dann auf der erstbesten Parkbank ihre Pause verbringt, die keinen Betrieb hat, wo man sich jeden Tag treffen und diskutieren kann. So ist es auch nicht leicht über Probleme in der Arbeit zu sprechen und sich gemeinsam für Verbesserungen einzusetzen. Glücklicherweise bietet uns das Firmenhandy die Möglichkeit, uns gegenseitig anzurufen, natürlich in der Freizeit und ohne dass das bezahlt wird. Ich bin Mitglied der Gewerkschaft, die Betriebsrätin kenn ich vom Foto der Betriebszeitung.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass jede versucht durchzuhalten und ihre Arbeit alleine bewältigt. Nicht weil viele das wollen, sondern weil der Lauf des ganzes mobilen Betreuungssystem das verlangt. Entweder schaffst du in dieser Bahn zu bleiben, oder du suchst eine andere Arbeit. Du gehst alleine in eine Wohnung, kannst dich vorher von den KollegInnen über die Menschen die zu betreuen sind erkundigen, in der Mappe die jeder Klient oder Klientin hat, stehen noch Betreuungshinweise, aber vor Ort arbeitet kein Team, dort bist du allein.
Manche fühlen sich dabei noch quasi als „ihre eigen Chefin“. Was für eine schlimme Täuschung! Wir HeimhelferInnen sind wie das ganze Pflege- und diplomierte Personal eigentlich Kanonenfutter der immer deutlicher profitorientierten Daseinsfürsorge: schlecht bezahlt für die hohen Verantwortungen, überbelastet, den verschiedensten möglichen Gefahren ausgesetzt, müssen immer einsatzbereit sein und immer ersetzbar.
Es handelt sich um eine Arbeit, in der man auch gefährliche Situationen erlebt. Manche Klienten führen ein bedrücktes Leben, haben Alzheimer und werden in gewissen Situationen wütend, lassen diese Wut an der Heimhelferin aus und greifen – selten, aber das passiert – zu Gewalt, wie Ohrfeigen und Ähnliches. Darauf wird man nicht genug vorbereitet oder davor geschützt. Zum Beispiel könnte man bei solchen Fällen immer eine zweite Person zur Betreuung mitschicken. Das würde schon viel verbessern, passiert aber nicht.
Wie so oft bei der Arbeit in diesem System, ist die Belegschaft verschiedenen Gefahren ausgesetzt, die von der Geschäftsführung als Normalezustand betrachtet werden. Aber es könnte anders funktionieren, wenn unsere Arbeit an den Bedürfnissen der Menschen orientiert wäre und nicht dem Prinzip des Profites untergeordnet.