Am Freitag, den 26. November um 22:29 Uhr starb der kubanische Revolutionsführer Fidel Castro im Alter von 90 Jahren. Sein Tod kam nicht unerwartet, da er seit einigen Jahren erkrankt und schon von seinen politischen Verpflichtungen formal zurückgetreten war, aber es war doch ein Schock, sowohl für seine Freunde als auch für seine Feinde.
Sein gesamtes Leben war eng mit der Kubanischen Revolution verbunden. Eine Bewertung seiner Rolle ist genau genommen eine Bewertung der Kubanischen Revolution, der ersten, die den Kapitalismus in der westlichen Hemisphäre abgeschafft hat und die über fünf Jahrzehnte dem Druck des US-Imperialismus widerstanden hat.
Als er den Tod des venezolanischen Präsidenten und Revolutionsführers Hugo Chavez kommentierte, sagte Fidel: „Wollt ihr wissen, wer Hugo Chavez war? Schaut euch an, wer trauert und wer feiert.“ Das Gleiche kann über Fidel Castro gesagt werden. Die Nachricht von seinem Tod wurde von den konterrevolutionären Exil-Kubanern in Miami, von der reaktionären Opposition in Venezuela und Medienkommentatoren weltweit, rechten wie „liberale“, mit Jubel aufgenommen.
Andererseits wurde Fidels Tod von Millionen ArbeiterInnen und Jugendlichen, RevolutionärInnen und linken AktivistInnen in Lateinamerika und der ganzen Welt als Schlag empfunden, denn für sie alle war Fidel ein Symbol der Kubanischen Revolution, des Standhaltens gegenüber dem Imperialismus, der Garantie für ein gutes, hochwertiges Gesundheitssystem und des Zugangs zur Bildung für alle.
Es gibt gute Gründe, warum ihn die herrschende Klasse weltweit so hasste und warum der US-Imperialismus versuchte, ihn 600-mal zu ermorden. Es war die Bedrohung durch das leuchtende Beispiel, das die Kubanische Revolution der Unterdrückten in der Welt gab. Durch die Überwindung des Kapitalismus war die Kubanische Revolution in der Lage, den Analphabetismus auszurotten, allen BürgerInnen ein Dach über dem Kopf zu geben, ein erstklassiges Gesundheitswesen zu schaffen, welches die Säuglingssterblichkeit gesenkt und die Lebenserwartung auf das Niveau entwickelter kapitalistischer Länder geführt hat, und die Bildungsstandards seiner Bevölkerung zu verbessern. Das alles in einem Land, das vor der Revolution ein Bordell und Kasino der USA war, trotz der jahrzehntelangen terroristischen Schikanen und der kriminellen Handelsblockade und der von Washington verhängten Wirtschaftsblockade.
Aus den genannten Gründen stehen auch wir bedingungslos für die Verteidigung der Kubanischen Revolution. Das ist unser Ausgangspunkt. Jede Bewertung der Person Fidel Castro und der Kubanischen Revolution muss ausgewogen und kritisch sein, wenn wir daraus lernen wollen. Aber sie muss ihren Anfang vom Standpunkt der Anerkennung der historischen Errungenschaften nehmen, die durch die Enteignung der Kapitalisten, Imperialisten und Großgrundbesitzer erreicht wurden.
Nur einige Beispiele: Die Kubanische Revolution hat das Analphabetentum und die Unterernährung von Kindern abgeschafft. Die Lebenserwartung liegt auf Kuba bei 79,39 Jahren und ist damit höher als in den USA (78,94) und um 16 Jahre höher als auf der Nachbarinsel Haiti (62,75). Die Säuglingssterblichkeit (Tod von Kindern unter einem Jahr auf 1000 Geburten) liegt auf Kuba bei 4,5, in den USA bei 5,8 und auf Haiti bei 48,2.
Fidel wurde 1926 in Birán, in der Provinz Holguín im Osten Kubas, in einer Familie von Landbesitzern geboren. Er besuchte private kirchliche Schulen in Santiago und dann in Havanna. Er begann sich politisch zu engagieren, als er mit dem Jusstudium an der Universität von Havanna anfing.
Kuba war das letzte lateinamerikanische Land, das die formale Unabhängigkeit erhielt, aber sobald es sich in einem revolutionären Kampf vom verfallenden spanischen Imperialismus 1898 befreit hatte, fiel es in die Hände des US-Imperialismus. Der mächtige Nachbar im Norden beherrschte die kubanische Wirtschaft fast vollständig und kontrollierte das nach seinem Geschmack entworfene und durchgesetzte politische System Kubas. Über einen Zeitraum formalisierte das Platt-Amendment in der kubanischen Verfassung diese demütigende Dominanz, die den USA auch formell eine militärische Einmischung im Land gestattete. Ein brennendes Gefühl der Ungerechtigkeit und ein tiefes Verlangen nach Souveränität inspirierten mehrere Wellen des revolutionären Kampfes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Fidel war damit vertraut und wurde politisch auch von den wichtigsten Akteuren des kubanischen Unabhängigkeitskrieges des ausgehenden 19. Jhdts. geprägt.
Gleichzeitig entwickelte sich auf der Insel eine große Arbeiterklasse mit militanten Traditionen, beginnend mit einer mächtigen anarchosyndikalistischen Tendenz, dann später einer kämpferischen kommunistische Partei, einer starken linken Opposition, einem aufständischen Generalstreik 1933 usw. Die nationale und soziale Befreiung waren eng miteinander verknüpft, zum Beispiel im Denken von Julio Antonio Mella, dem Gründer der Kommunistischen Partei Kubas und von Antonio Guiteras, dem Gründer der Bewegung „Joven Cuba“ u.a.
1945, als Fidel studierte, begann sich die Jugend der Mittelschichten stark zu radikalisieren. Sie waren allerdings nicht von der KP (damals PSP) angetan, die sie eher abstoßend fanden.
Die PSP verfolgte die von der stalinistischen Komintern ausgegebene Politik der „Demokratie gegen den Faschismus“ und hatte sich von 1940-44 an der Regierung von Fulgencio Batista beteiligt.
Fidel fühlte sich von einer antiimperialistischen Politik angezogen, die auch seine Teilnahme an einer fehlgeschlagenen Militärexpedition in die Dominikanische Republik beinhaltete, wo die Trujillo-Diktatur gestürzt werden sollte. 1948 war er Mitglied einer Delegation auf dem lateinamerikanischen Studierendenkongress in Kolumbien, wo er Zeuge des Bogotazo-Aufstands wurde, welcher der Ermordung des radikalen Führers Jorge Eliécer Gaitán am 09. April folgte.
Zurück in Kuba Castro nahm Verbindung zur Orthodoxen Partei von Chibás auf, einem beliebten Senator, der die Korruption der regierenden Auténtico Partei, der er einst selbst angehört hatte, anprangerte und 1951 Selbstmord beging.
1952 führte Fulgencio Batista seinen zweiten Staatsstreich aus. Fidel und eine Gruppe seiner GenossInnen (einschließlich seinem Bruder Raúl, Abel Santamaría, seiner Schwester Haydée und Melba Hernández) begannen eine Kampforganisation zu organisieren, die zum größten Teil aus Jugendlichen aus der Orthodoxen Partei bestand. Am 26. Juli 1953 verübten sie einen wagemutigen Angriff auf die Moncada-Kaserne in Santiago. Ihr Ziel war es, möglichst viele Waffen zu erbeuten und einen Aufruf zu einem landesweiten Aufstand gegen die Batista-Diktatur zu verkünden. Der Versuch scheiterte und fast die Hälfte der 120 beteiligten jungen Männer und Frauen wurden nach ihrer Festnahme getötet.
Fidels Rede auf der Anklagebank, die er benutzte, um sein Programm zu erklären endete mit den Sätzen, die ihn berühmt machten: „Verurteilt mich! Die Geschichte wird mich frei sprechen.“ Das Programm, der als M-26-7 (Bewegung des 26. Juli) berühmt gewordenen Bewegung, bestand aus dem Versprechen fünf revolutionäre Gesetze umzusetzen:
- Die Wiedereinführung der kubanischen Verfassung von 1940.
- Die Durchführung einer Agrarreform.
- Das Anrecht der kubanischen ArbeiterInnen auf 30% des Profits des Unternehmens.
- Das Anrecht der ZuckerarbeiterInnen auf 55% der Gewinne des Unternehmens.
- Die Beschlagnahme der Besitztümer von Personen, die für schuldig befunden wurden, unter früheren Regierungen an Betrügereien und Korruption beteiligt gewesen zu sein.
Es war ein fortschrittliches nationaldemokratisches Programm, das eine Anzahl von Punkten enthielt, die auf die Verbesserung der Bedingungen der ArbeiterInnen zielten. Diese bewegten sich alle im Rahmen des kapitalistischen Systems und stellten den Privatbesitz nicht in Frage. Nach einer Haftzeit von zwei Jahren wurde Fidel Castro amnestiert und ging nach Mexiko.
Auf der Grundlage des Moncada-Programms stellten Castro und seine Genossen eine Gruppe von Kämpfern zusammen, die Ende 1956 mit der Jacht Granma nach Kuba reisten, um das Batista-Regime zu stürzen. Sie hatten geplant, dass gleichzeitig ein Aufstand im Osten der Insel um Santiago stattfinden sollte. Aber wieder einmal gingen ihre Pläne nicht auf und die meisten Mitglieder des Expeditionskorps wurden entweder in den ersten Stunden getötet oder festgenommen. Nur 12 blieben übrig, die sich in die Berge der Sierra Maestra begaben. Und trotzdem wurde Batista nur etwas mehr als zwei Jahre später, am 01. Januar 1959, gezwungen aus dem Land zu fliehen, die Revolution hatte gesiegt.
Der Sieg im Revolutionskrieg gelang aufgrund einer Reihe von Faktoren: der extremen Morschheit des Systems, dem Guerillakrieg in den Bergen, der Anwendung revolutionärer Methoden bei der Agrarreform, die es möglich gemacht hatte, die Bauernschaft zu gewinnen und die Armee zu demoralisieren, die weitverbreitete Opposition unter den Mittelschichten in den Städten und schließlich die mächtige Beteiligung der Arbeiterbewegung (was weniger bekannt ist). Der endgültige Schlag gegen das Regime war der revolutionäre Generalstreik, zu dem das M-26-7 aufgerufen hatte und eine Woche bis zur Ankunft der Guerillakämpfer in Havanna andauerte.
In den nächsten beiden Jahren kam es zu einem Prozess der schnellen Radikalisierung der Revolution. Die Umsetzung des nationaldemokratischen Moncada-Programms, besonders die Agrarreform, rief die Wut der herrschenden Klasse hervor und führte dazu, dass sich die moderateren Kräfte von den ersten revolutionären Regierungen lossagten. Die Begeisterung der Massen der ArbeiterInnen und Bauern und Bäuerinnen, die nach mehr drängten, kannten jedoch kein Halten mehr. Die Gegenreaktionen des US-Imperialismus und als Antwort darauf die radikaleren Maßnahmen der Revolution gegen das Eigentum der Imperialisten auf der Insel trieben die Revolution zusätzlich voran.
Die konsequente Umsetzung eines nationaldemokratischen Programms hatte zur Enteignung der US-amerikanischen multinationalen Konzerne geführt und da diese die wichtigsten Wirtschaftssektoren beherrscht hatten, führte dies 1961 de facto zur Abschaffung des Kapitalismus. Ich fragte einmal einen kubanischen Genossen, der seit den 1930er Jahren in der Revolutions- und Gewerkschaftsbewegung in Guantánamo aktiv war, wie er Fidel und die Führung von M-26-7 charakterisieren würde und er antwortete, dass sie „revolucionarios pequeño-burgueses guapos” (mutige kleinbürgerliche Revolutionäre) waren. „Kleinbürgerlich“ war hier keine Beleidigung, sondern die Beschreibung der Klassenherkunft vieler revolutionärer AktivistInnen und auch des Programms, für das sie gekämpft hatten. Durch die mutige Umsetzung ihres Programms wurden sie weiter vorangetrieben als sie erwartet hatten. Es ist ein Verdienst von Fidel Castro, dass er diesen Prozess bis zu Ende geführt hat. Die Existenz der UdSSR spielte zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls eine Rolle für den weiteren Verlauf des revolutionären Sieges. Das heißt nicht, dass die Sowjetunion die Revolutionäre ermutigte sich gegen den Kapitalismus zu erheben. Im Gegenteil, es ist aktenkundig, dass die UdSSR sie zurückhielt und ihnen empfahl, vorsichtig und langsam vorzugehen. Trotzdem war die Tatsache, dass die Sowjetunion in der Lage war, die ökonomische Lücke zu füllen, die durch die Aggressivität der USA entstanden war (z. B. der Verkauf von Öl, der Kauf von Zuckerrohr, das Durchbrechen der Blockade) ein bedeutender Faktor im weiteren Verlauf der Revolution.
Zehn Jahre lang war das Verhältnis zwischen der Kubanischen Revolution und der UdSSR sehr angespannt. Die kubanische KP (PSP) hatte sich der revolutionären Bewegung erst im letzten Stadium angeschlossen und die kubanische Führung war stolz auf ihre Unabhängigkeit und ihre Unterstützung im eigenen Land. In der ersten Phase der Revolution gab es umfassende Diskussionen und Debatten in allen Bereichen (Außen- und Wirtschaftspolitik, Kunst und Kultur, Marxismus), in denen die StalinistInnen – nicht immer erfolgreich – versuchten ihre Linie durchzusetzen.
Fidel und die anderen waren äußerst misstrauisch gegenüber der UdSSR, besonders über die Art, wie Chruschtschow 1962 in der Raketenkrise mit den USA ein Abkommen vereinbart hatte, ohne sie auch nur einmal zu konsultieren. Außerdem versuchten sie, besonders auf Beharren von Che Guevara, die Revolution auf andere lateinamerikanische Länder und darüber hinaus auszubreiten, was sowohl mit der von der UdSSR betriebenen „Politik der friedlichen Koexistenz“ kollidierte als auch mit den äußerst konservativen Perspektiven der meisten kommunistischen Parteien in Lateinamerika. Die Versuche, die Revolution zu exportieren, scheiterten u. a, weil ziemlich unbeholfen versucht wurde, die Erfahrungen der Kubanischen Revolution zu verallgemeinern. Die Vorstellung, dass eine kleine Gruppe bewaffneter Kämpfer, die sich in die Berge zurückziehen und innerhalb einer kurzen Zeit reaktionäre Regimes stürzen können (was selbst schon eine Vereinfachung der Bedingungen, die zum Sieg der Kubanischen Revolution führten ist), erwiesen sich in der Praxis als falsch. Das extremste Beispiel dafür ist vielleicht Bolivien, ein Land, das einerseits eine partielle Landreform erfuhr, und andererseits auch mit einem militanten und politisch hochentwickelten, revolutionär gesinnten Bergarbeiterproletariat gesegnet ist. Che Guevaras Versuch die Erfahrungen der Kubanischen Revolution hier mechanisch zu wiederholen, führte zu seinem Tod in den Händen des US-Imperialismus, der aus den kubanischen Erfahrungen selbst einige Lektionen gelernt hatte.
Die Kubanische Revolution wurde zunehmend isoliert und wurde damit immer mehr von der UdSSR abhängig. Das Fehlschlagen der „zehn Millionen Tonnen Zuckerrohrernte“ 1970 und die daraus entstandenen wirtschaftlichen Probleme verstärkten diese Abhängigkeit. Enge Beziehungen zur UdSSR machten das Überleben der Kubanischen Revolution über drei Jahrzehnte möglich, brachten aber auch starke stalinistische Elemente mit sich. In den Quinquenio Gris (den „fünf grauen Jahren“) von 1971-75 konnte man repressive Maßnahmen beobachten, die in den Bereichen der Kunst, Gesellschaftswissenschaften u.a. stalinistisches Denken administrativ durchsetze. Es war auch eine Zeit in der die Homophobie und die Diskriminierung und Belästigung von Schwulen (ein hartnäckiges moralisches Überbleibsel der vorrevolutionären Zeit) von der Revolution institutionalisiert wurden.
Die Revolution triumphierte durch die Führungsrolle einer Guerillaarmee, das fand anschließend auch seinen Ausdruck im bürokratischen Charakter des Staates während der Revolution. Fidel selbst erklärte: „Ein Krieg wird nicht mit kollektiven, demokratischen Maßnahmen gewonnen, er basiert auf der Verantwortung der Führung.“ Nach dem Sieg der Revolution genoss die Führung eine große Autorität und erhielt weitreichende gesellschaftliche Unterstützung. Hundertausende griffen 1961 innerhalb kürzester Zeit zu den Waffen, um die Invasion in der Schweinebucht zu vereiteln. Eine Million Menschen versammelten sich 1962 auf dem Revolutionsplatz, um die 2. Deklaration von Havanna zu ratifizieren.
Es gab aber keine Mechanismen der revolutionären Demokratie, mit denen Ideen debattiert und diskutiert werden konnten und vor allem, mit denen die Massen der ArbeiterInnen und Bauern und Bäuerinnen ihre eigene Macht ausüben und von ihren Führern Rechenschaft verlangen konnten.
Die Kommunistische Partei Kubas, zum Beispiel, entstand letztendlich aus der Fusion der stalinistischen PSP, der M-27-6 und des „Revolutionären Direktoriums“ und wurde 1965 gegründet. Die Partei hielt ihren ersten Kongress erst 1975 ab und die formelle Satzung wurde nicht vor 1976 beschlossen. Eine Planwirtschaft braucht für ihre harmonische Funktion jedoch Arbeiterdemokratie wie der Körper Sauerstoff, nur so wird die Kontrolle und Steuerung der Produktion gewährleistet.
Der Bürokratisierungsprozess der frühen 1970iger Jahre hatte auch Auswirkungen auf die Außenpolitik der kubanischen Führung. Die von der Kubanischen Revolution geleistete internationale Solidarität sucht ihresgleichen, z.B. die medizinische Hilfe weltweit. Sie spielte auch eine entscheidende Rolle bei der Niederlage des südafrikanischen Apartheid-Systems in Angola, ein Kampf, an dem tausende Kubaner über ein Jahrzehnt lang teilnahmen.
In den Revolutionen in Nicaragua 1979-89 und vor nicht so langer Zeit in Venezuela wurde von Seiten Kubas zwar wertvolle praktische und materielle Unterstützung geleistet, die politischen Ratschläge der kubanischen Führung lauteten aber, nicht den Weg der Kubanischen Revolution der Zerschlagung des Kapitalismus einzuschlagen. Das hatte in beiden Ländern katastrophale Folgen. In Nicaragua übte die sowjetische Führung einen enormen Druck auf die sandinistische Führung aus, um die so genannte „gemischte Wirtschaft“ zu erhalten, d. h. eine kapitalistische Wirtschaftsform, und dann an den Friedensverhandlungen mit der Konterrevolution von Contadora teilzunehmen, die mit dem Abwürgen der Revolution endeten. Die Führung der Sandinisten hatte sehr enge Beziehungen zu Kuba und großen Respekt vor der Kubanischen Revolution. Fidels Ratschlag war ähnlich dem der UdSSR: Enteignet die Kapitalisten nicht. Was ihr macht, ist genau das Richtige zum jetzigen Zeitpunkt. Dieser Rat erwies sich als verhängnisvoll.
Kuba versorgte auch Venezuela mit unschätzbarer Unterstützung (besonders mit kubanischen Ärzten und Ärztinnen) und Solidarität, aber auch hier gab es den politischen Ratschlag, nicht den Weg zu gehen, den die Kubanische Revolution 40 Jahre zuvor gegangen war. Heute können wir beobachten, was es bedeutet, eine halbe Revolution zu machen: eine massive Verlagerung der Produktivkräfte und die Rebellion des Kapitalismus gegen jeglichen Versuch ihn zu regulieren. Dieser Ratschlag hat nicht nur Auswirkungen auf die nicaraguanische und die venezolanische Revolution gehabt, sondern auch das Problem der Isolation Kubas selbst verschlimmert.
Der heroische Widerstand der Kubanischen Revolution nach dem Zusammenbruch der UdSSR ist wirklich beeindruckend. Während die Führer der KPdSU sich schnell und mühelos in Richtung Restauration des Kapitalismus bewegten und das Staatseigentum plünderten, verteidigten Fidel und die kubanische Führung die Errungenschaften der Revolution. Diese so genannte „Sonderperiode“ war auch ein Beweis für die Vitalität der Kubanischen Revolution. Es gab noch eine Generation von KubanerInnen, die sich daran erinnerten, wie das Leben vor der Revolution war und die jüngere Generation konnte ihren eigenen Lebensstandard mit dem in den kapitalistischen Nachbarstaaten vergleichen.
Die Führung hielt stand und die Menschen in Kuba fanden gemeinsam Wege und Mittel die ökonomischen Schwierigkeiten zu überwinden. Da das Land angesichts der US-Blockade isoliert war, musste es wichtige Zugeständnisse an den Kapitalismus machen, während wesentliche Teile der Wirtschaft in den Händen des Staates blieben. Der Tourismus wurde, trotz aller schlechten Begleitumstände der Entwicklung dieser Industrie, zu einer der wichtigsten Einnahmequellen.
Die Entwicklung der Venezolanischen Revolution, besonders nach dem gescheiterten Putsch von 2002, lieferte zehn Jahre später einen neuen Rettungsanker. Das lag nicht nur an dem Tausch von kubanischen ÄrztInnen gegen venezolanisches Öl, sondern sie ließ auch die Begeisterung der kubanischen Massen, die sahen wie sich wieder eine Revolution in Lateinamerika entwickelte, wieder aufleben. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die Erschöpfung der Revolution – genau aus dem Grund, weil sie nicht zu Ende geführt wurde und das Eigentum der Oligarchen und Imperialisten enteignete, wie es auf Kuba geschah – bedeutet, dass auch die Begeisterung für die Revolution in Venezuela nun zur Neige gehen wird.
Die Sackgasse, in der sich die Kubanische Revolution befindet, hat dazu geführt, dass ein wichtiger Teil der Führung in Richtung Marktreformen, wie in Vietnam und China und stärkeren Konzessionen an den Kapitalismus drängt. Es sind schon viele Schritte in diese Richtung gemacht worden. Dieser Flügel der kubanischen Führung hofft, dass solche Maßnahmen wenigstens zu einem wirtschaftlichen Wachstum führen. Das ist eine Illusion. Heute befindet sich das kapitalistische Weltsystem in einer Krise und es ist zweifelhaft, wie viel es in Kuba investieren wird. Kuba verfügt nicht über die enormen Reserven an billigen Arbeitskräften, die einer der Schlüsselfaktoren des ökonomischen „Erfolgs“ in China waren. Selbst wenn sich dieser Plan verwirklichen ließe, so bedeutet die Restauration des Kapitalismus in China eine massive Polarisation von Reichtum, brutaler Ausbeutung der Arbeiterklasse und der Zerstörung der sozialen Errungenschaften der Chinesischen Revolution.
In diesem Zusammenhang versuchte Obama die Taktik der USA gegenüber der Insel zu ändern. Das Ziel bleibt das gleiche: die Restauration des Kapitalismus und die Zerstörung der Errungenschaften der Revolution. Aber anstatt mit der fehlgeschlagenen Taktik der direkten Konfrontation, durch die Finanzierung der konterrevolutionärer und terroristischer Gruppen, haben sich die USA jetzt dafür entschieden, dass es weiser sein könnte, die Revolution von innen her zu zerstören, indem man die Dominanz des Weltmarkts über eine kleine Insel mit wenigen Ressourcen und einer sehr niedrigen Arbeitsproduktivität nutzt.
Die Imperialisten sahen Fidel, selbst nach seinem formalen Rückzug aus den politischen Ämtern, eindeutig als Hindernis in diesem Prozess. Er prangerte den Bürokratismus und die Ungleichheit öffentlich an und warnte vor der Gefahr der Zerstörung der Revolution von innen. In seiner berühmten Rede in der Universität von Havanna im November 2005 sprach er von „unseren Mängeln, unseren Fehlern, unseren Ungleichheiten, unserer Ungerechtigkeit“ und warnte, dass die Revolution nicht unumkehrbar sei und wie die Sowjetunion enden könne. „Dieses Land kann sich selbst zerstören; diese Revolution kann sich selbst zerstören, aber sie können uns niemals zerstören; wir können uns selbst zerstören und es wäre unser Fehler“, sagte Fidel und ergänzte: „Entweder wir besiegen diese Abweichungen und machen unsere Revolution stark, oder wir sterben.“
Der Bürokratismus ist aber nicht nur eine Abweichung oder das Problem einiger weniger Individuen. Es ist ein Problem, das aus dem Fehlen einer Arbeiterdemokratie bei der Leitung der Wirtschaft und des Staates rührt und die Isolation der Revolution verstärkt. Nachdem Fidel das o. g. gesagt hatte, war klar, dass den Strategen den Kapitalismus bewusst war, dass solange Fidel am Leben war, es nur kleine Fortschritte auf dem Weg zum Kapitalismus auf Kuba geben würde.
Mit seinem Tod hoffen sie, dass dieser Prozess an Fahrt gewinnt. Es gibt bereits erhebliche Widersprüche und ein zunehmender Prozess der sozialen Differenzierung hat innerhalb des Landes begonnen. Die wichtigsten Faktoren in diesem Prozess sind: die Stagnation der bürokratischen Planwirtschaft und der extrem ungleiche Status, den Kuba in der Weltwirtschaft einnimmt, der ein Ergebnis der Isolation der Revolution ist. Der „Sozialismus in einem Land“ hat sich erneut als unmöglich erwiesen.
Daraus ergibt sich, dass der einzige Weg nach vorn über den Kampf für eine demokratische Arbeiterkontrolle in Kuba und eine sozialistische Revolution weltweit führt. Das ist der einzige Weg zur Verteidigung der Errungenschaften der Kubanischen Revolution.
Heute regen sich die Imperialisten überall in der Welt über den Mangel an „Menschenrechten“ in Kuba auf. Das sind die gleichen Leute, die beim saudischen Regime wegschauen und ihre Flaggen auf Halbmast setzen, wenn ein erbärmlicher reaktionärer, halbfeudaler Diktator stirbt. Das sind die gleichen Leute, die kein Problem damit hatten, die brutalsten Regime in Chile, Argentinien, Paraguay, Uruguay, Bolivien, Venezuela, Guatemala, der Dominikanischen Republik, Mexiko, Nicaragua, El Salvador, Honduras und vielen anderen Ländern auf einer endlosen Liste an die Macht zu bringen und zu unterstützen.
Wir sprechen hier nicht über die ferne Vergangenheit. Vor nicht zu langer Zeit, finanzierten die USA Putschversuche in Venezuela, Honduras, Ecuador und Bolivien. Wenn Obama oder Clinton von „Menschenrechten“ reden, meinen sie das Recht der Kapitalisten ArbeiterInnen auszubeuten, das Recht der Vermieter Mieter zu vertreiben, das Recht der Touristen Frauen und Kinder zu kaufen.
Heute sagen wir deutlicher als je zuvor: Verteidigt die Kubanische Revolution! Kämpft weltweit gegen den Kapitalismus!