Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen! Diese Losung der Sozialistischen Jugend Österreich ist zweifellos richtig. Wollen wir den Faschismus wirksam bekämpfen, reicht es jedoch nicht aus, ihn moralisch zu verurteilen. Wir müssen verstehen, welche gesellschaftlichen Bedingungen ihn hervorbringen, welche Kräfte ihn unterstützen und welche Rolle er in der modernen Gesellschaft spielt bzw. zukünftig wieder spielen könnte.
Wie bei jedem anderen sozialen Phänomen auch, reicht es nicht aus, den Faschismus oberflächlich zu betrachten, wie er sich momentan gerade darstellt. Es geht darum die inneren Gesetze seiner Entwicklung zu erforschen. Wir dürfen den Faschismus nicht isoliert betrachten, sondern müssen ihn in Zusammenhang mit der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung begreifen. Das Phänomen des Faschismus ist mittlerweile fast hundert Jahre alt und so können wir auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist gezwungen sie zu wiederholen.
Instabilität wohin man auch blickt
In Deutschland und Österreich wie auch auf Weltebene erleben wir gerade einen unbarmherzigen Angriff des Kapitals auf den Lebensstandard breiter Teile der Bevölkerung: Massenarbeitslosigkeit, Ausdehnung und Intensivierung der Arbeitszeit, Pensionsraub, Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und die Zerschlagung des Sozialstaats bedrohen nicht nur die Lohnabhängigen sondern auch andere soziale Schichten in ihrer Existenz. Die internationale Situation, die von Krieg, Terrorismus, Instabilität und sozialen Unruhen geprägt ist, verunsichert die Menschen. Die Tatsache, dass in Deutschland zwei Drittel der Bevölkerung eine Diskussion über das kapitalistische System für notwendig halten, zeigt, dass sich in den letzten Jahren eine ungeheure Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen angestaut hat.
Die breite Ablehnung der neoliberalen EU-Verfassung durch die große Mehrheit der europäischen Bevölkerung gegen das gesamte politische Establishment führt vor Augen, welche Kluft zwischen den Menschen und der politischen Eliten bereits besteht.
Die Krise des kapitalistischen Weltsystems führt im Allgemeinen zu einem gesellschaftlichen Trend nach links. Dies sehen wir ganz offen in Lateinamerika, das sich angeführt von Bolivien und Venezuela Mitten in einem revolutionären Prozess befindet. Auch in Europa konnten wir in den letzten Jahren beobachten, wie in einem Land nach dem anderen der Klassenkampf wieder offen ausgetragen wird. Streiks und Massenproteste gehören auch hier wieder zum politischen Alltag. Die Arbeiterklasse ist nach ihrem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf noch relativ müde, sie muss noch durch viele (oft bittere) Erfahrungen gehen und an Kampfkraft gewinnen. Über kurz oder lang bereitet die kapitalistische Krise aber auch in Europa revolutionäre Prozesse vor, die die revolutionäre Welle der 1960er/1970er an Explosivität noch weit in den Schatten stellen wird.
Der gesellschaftliche Linksruck ist jedoch keine lineare Bewegung. Im allgemeinen Klima der Instabilität entstehen gleichzeitig mit der grundlegenden Tendenz nach links auch Bewegungen nach rechts, d.h. es kommt zu einer Polarisierung der Gesellschaft.
Neofaschistische Gruppierungen können in diesem Klima zeitweilig erstarken und für die Organisationen der Arbeiterklasse und der Jugend eine ernst zu nehmende Gefahr werden. Es besteht aber kein Grund in übertriebene Hysterie oder Pessimismus zu verfallen. Eine grundlegende Rechtsentwicklung der Gesellschaft ist erst möglich, wenn revolutionäre Bewegungen in einer Niederlage endeten. Zuvor werden wir noch viele Male die Chance haben die Gesellschaft zu verändern.
Das Erwachen der Arbeiterklasse steckt derzeit noch in den Kinderschuhen.
Wir sind noch immer in einer Phase, wo immer mehr Menschen zu dem Punkt kommen, dass sie zwar wissen, was sie nicht wollen, dass sie umgekehrt jedoch noch keine klaren Lösungsstrategien sehen. Die kapitalistische Krise spiegelt sich daher in dieser Phase im Bewusstsein der Menschen in erster Linie in Form von wachsender Konfusion und Unklarheit wider. Je nach ihrer Stellung in der Gesellschaft reagieren verschiedene soziale Schichten auf diese generelle Krise sehr unterschiedlich.
Der soziale Nährboden für neonazistische Gruppierungen
Die Lohnabhängigen, die auf Betriebsebene dem Angriff der Unternehmer gemeinsam gegenüberstehen, beginnen der Tendenz nach kollektive Gegenstrategien zu entwickeln. Zahlreiche Streiks, Generalstreiks, Massendemonstrationen in ganz Europa machen das deutlich. Gebremst durch die mächtigen bürokratischen Apparate ihrer traditionellen Organisationen und mangels einer revolutionären Organisation können die Lohnabhängigen aber der Gesellschaft noch keinen klaren Ausweg aus der kapitalistischen Misere weisen.
In dieser Situation kann sich unter sozialen Schichten, die keine Möglichkeit oder Tradition der kollektiven solidarischen Gegenwehr haben, die der Unsicherheit und dem geballten Angriff des Kapitals individuell gegenüberstehen, der Frust, die Angst vor dem sozialen Abstieg und die Ausweglosigkeit zu rasender Verzweiflung und irrationaler Aggression steigern. Die kapitalistische Krise trifft nicht nur Lohnabhängige, sondern auch Angehörige des so genannten Mittelstands. Tausende Klein- und Mittelbetriebe werden Jahr für Jahr von den großen Monopolen im Konkurrenzkampf zerrieben, Bauernhöfe müssen zusperren, weil sich die Molkereikonzerne Preisschlachten liefern, das Platzen der Aktienbörsen, hat Zahntausenden Kleinanlegern die Ersparnisse geraubt, viele junge AkademikerInnen finden nach der Ausbildung keine ihrer Qualifikation entsprechenden Jobs mehr. Sie stehen individuell und ohne jegliches Druckmittel den großen Banken, Monopolen und der „Globalisierung“, des Kapitalismus völlig machtlos gegenüber.
Ähnlich machtlos steht die „neuen Armut“, die sich in Deutschland und Österreich wieder zu bilden beginnt, den Angriffen des Kapitals gegenüber. Es handelt sich dabei um Menschen, die schon lange keine Arbeit mehr haben, oder noch nie welche hatten und nicht selten aus den sozialen Netzen und aus gesellschaftlichen Zusammenhängen überhaupt herausfallen. Auf Grund der rasant steigenden Jugendarbeitslosigkeit sind besonders viele junge Menschen von dieser neuen Art von Verelendung betroffen. Vereinzelt, ohne Druckmittel stehen sie der Entwicklung völlig wehrlos gegenüber.
Diese Menschen können trotz ihrer Verzweiflung auf Grund ihrer Stellung in der Gesellschaft für sich alleine keine Antworten und Gegenstrategien entwickeln. Eingeklemmt zwischen Arbeit und Kapital können sie nur wählen, welcher der beiden entscheidenden sozialen Kräfte sie sich anschließen. Tritt die ArbeiterInnenbewegung entschlossen und glaubwürdig für eine Veränderung der Gesellschaft auf, kann sie den deklassierten Mittelstand und die „neuen Armut“, in ihre Reihen ziehen. Tritt sie passiv und ausschließlich defensiv auf, lassen sich diese vor den Karren des Kapitals spannen und werden leicht zu den Fußtruppen der Reaktion.
Unter verzweifelten Existenzen, die weder als Lohnabhängige noch als Kapitalbesitzer einen festen Platz in der Gesellschaft haben, die als Individuen von der Gesellschaft gleichsam entlassen werden, finden faschistische Gruppierungen am ehesten eine soziale Basis.
Die Aggression richtet sich dabei gleichermaßen gegen „die da oben“, wie gegen andere sozial Schwache, die als Konkurrenz im Kampf um den eigenen Status in der Gesellschaft gesehen werden.
Dieses Aggressionspotential, das sich auch in Gewaltbereitschaft ausdrückt, ist der Nährboden neonazistischer Gruppierungen, die wie die NPD und der BFJ eine anti-kapitalistische Demagogie mit Ausländerhetze und Hass auf die ArbeiterInnenbewegung verbinden.
Die Demagogie der Rechten
Neonazistische und rechtsextreme Strömungen zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Antikapitalismus nicht ernst gemeint ist. Kritisiert wird nicht der Kapitalismus an sich, sondern die „Globalisierung“, die es angeblich fremden Völkern ermöglicht sich auf Kosten der eigenen Nation zu bereichern. Auf diese Weise wird der Hass geschickt vom Kapitalismus weg auf fremde Völker und ImmigrantInnen umgeleitet. Schuld an der sozialen Misere seien allenfalls Teile des Kapitals, nämlich das „internationale“, „jüdische“ oder „angelsächsische“ Finanzkapital, die als Sündenböcke für die Krise des österreichischen und deutschen Kapitalismus herhalten müssen. Wie die NPD und der BFJ hat auch der rechte Ideologe Jörg Haider die Globalisierungskritik in diesem Sinn zum Kern seines neuen Programms gemacht. Zielpublikum ist laut Haiders eigenen Worten der „mittelständische Modernisierungsverlierer“.
Warnschüsse gegen die Linke und die ArbeiterInnenbewegung
Anfang der 1990er Jahre kamen Naziskins mit Anschlägen auf Asylwerberheime in die Schlagzeilen. Mit der NPD in Deutschland hat die faschistische Bewegung jedoch eine neue Qualität erreicht. Die NPD versucht die verschiedenen zersprengten Strömungen und Gruppierungen der faschistischen Bewegungen, von Skinheads über die Kameradschaften bis zu den deutschen Burschenschaften und Landsmannschaften zu einer schlagkräftigen Kraft nach dem traditionellen Vorbild der NSDAP zu formen. Übergriffe auf ImmigrantInnen sind zwar nach wie vor an der Tagesordnung, mit der NPD verschiebt sich aber der Hauptschwerpunkt der faschistischen Bewegung nach traditionellem Muster zusehends auf den Kampf gegen die organisierte ArbeiterInnenbewegung und linke Jugendliche.
Schon beim Bauarbeiterstreik 2003 sind in Berlin Nazischläger gegen streikende Bauarbeiter vorgegangen. Im Herbst 2004 versuchten NPD und DVU in Ostdeutschland die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV zu übernehmen, durch Anmeldung von eigenen Demonstrationen zu verhindern oder sogar mit Gewalt zu sprengen. Die Aufmärsche der NPD am 1. Mai dieses Jahres in Berlin, Leipzig, Nürnberg und Worms können nur als offene Kriegserklärung an die organisierte Arbeiterklasse aufgefasst werden.
Der Trend, dass sich die faschistische Aggression mehr und mehr gegen organisierte Lohnabhängige und kritische Jugendliche richtet, ist seit einigen Jahren europaweit zu beobachten. So wurden in Italien seit dem Jahr 2000 Attentate auf Linke verübt. In Mailand gab es in der letzten Zeit eine Serie von Brandanschlägen gegen Jugendzentren. In Spanien gab es in den letzten Monaten eine Reihe von faschistischen Gewaltakten gegen kämpferische GewerkschafterInnen (in El Ejido wurde ein Mitglied der Landarbeitergewerkschaft SOC sogar ermordet!) und gegen Aktivisten der Kommunistischen Jugend.
….auch in Österreich
Nach dem Vorbild der NPD bereitet sich auch der österreichische BFJ darauf vor, den „Weg zur neuen Ordnung“ über den „Kampf um die Straße“ zu erringen. „Militante Gruppen“, Einzelkämpfer und Überzeugungstäter, sollen zu einer „zielsicheren“, entschlossenen und stolzen Bewegung, vereint werden, kann man auf der Homepage des BFJ nachlesen.
Schaukästen der SPÖ werden zerstört, in Arbeitervierteln in Linz wird „Hängt die Roten“ an die Wände gesprayt. In Linz wurden Zehntausende Flugblätter verteilt, die gleichermaßen gegen AusländerInnen wie gegen die „Roten“ hetzen.
Aus Tat und Programm geht eines klar und unmissverständlich hervor: Wie die NPD bereitet sich auch der BFJ darauf vor, soziale Bewegungen von Jugendlichen und Lohnabhängigen auf der Straße, bei Versammlungen und Kundgebungen oder in der Streikpostenlinie mit Gewalt heraus zu fordern.
Wer sich mit der Geschichte des Faschismus, seiner sozialen Funktion und seiner inneren Dynamik auseinandersetzt, kann durch diese Entwicklung nicht überrascht sein.
Die soziale Funktion des Faschismus
Der Faschismus ist im doppelten Sinn ein Phänomen der kapitalistischen Krise. Er braucht den akkumulierten sozialen Minderwertigkeitskomplex, um überhaupt einen Nährboden für seine krankhaften Ideen zu finden. Die kapitalistische Krise bringt aber auch erst die Bedingungen, unter denen Teile der Wirtschaft und der Politik sich dazu durchringen, den Faschismus zu unterstützen und zu fördern. Ohne diese Unterstützung und rein auf der Basis von gescheiterten Existenzen kann der Faschismus keine ernstzunehmende politische Kraft aufbauen.
In einer Phase der sozialen und wirtschaftlichen Stabilität findet das Kapital für faschistische Banden keine Verwendung. Die Gewerkschaften und Arbeiterparteien werden durch soziale Reformen ins politische System eingebunden und sorgen so für „sozialen Frieden“.
In einer Zeit der wirtschaftlichen Krise sieht sich das Kapital aber gezwungen, den Lebensstandard der Lohnabhängigen frontal zu attackieren. Wie die Grashalme, die sich mit der Zeit ihren Weg durch den Asphalt bahnen, so beginnen die Lohnabhängigen angefangen mit den Gewerkschaften ihre traditionellen Organisationen wieder in Kampfinstrumente zu verwandeln. In dieser Situation beginnen einzelne Unternehmer und einzelne Abteilungen des Staatsapparates damit, faschistische Banden als Hilfstruppen im Kampf gegen eine potentiell rebellierende organisierte ArbeiterInnen- und Jugendbewegung und als Ventil für anti-kapitalistischen Frust finanziell, politisch und organisatorisch zu unterstützen.
Heute, wo wir erst am Beginn einer Ära der sozialen Instabilität stehen, gibt es diese Unterstützung nur vereinzelt und unsystematisch. In den kommenden Klassenkämpfen werden die Kapitalisten und ihre politischen Vertreter aber nicht davor zurückschrecken faschistische Banden wie schon in der Vergangenheit als Hilfstruppen gegen soziale Protestbewegungen einzusetzen. In Bolivien und Venezuela musste die revolutionäre Bewegung diese Erfahrung bereits machen.
Niemals vergessen!
Im Geschichtsunterricht in der Schule wird der Frage, wie der Faschismus in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die politische Macht erringen konnte, meistens aus dem Weg gegangen. In der offiziellen Geschichtsschreibung wird gerne der Eindruck erweckt, dass plötzlich die Masse der Bevölkerung verrückt geworden sei, die Macht den wahnsinnigen Nazis übergeben hätte, die nach dem ganzen Spuk ebenso schnell ins Nichts verschwanden wie sie aus dem Nichts gekommen waren.
In Wirklichkeit war der Faschismus eine Folge der allgemeinen Krise des Kapitalismus nach den Folgen des Ersten Weltkriegs, der mit einem Zusammenbruch der politischen und wirtschaftlichen Ordnung in Europa endete. Inspiriert durch die Oktoberrevolution forderten in ganz Europa Millionen ArbeiterInnen und Soldaten nach dem Vorbild ihrer KollegInnen in Russland eine neue Gesellschaftsordnung ein. In diesem Zusammenhang begannen die herrschenden Eliten die faschistische Bewegung zu unterstützen, um sie im Bürgerkrieg gegen die revolutionären Massen als Kampfinstrument einsetzen zu können.
Es reichte nicht mehr aus, der revolutionären Massenbewegung mit den traditionellen Unterdrückungsinstrumenten Heer und Polizei zu begegnen. Eine faschistische Massenkraft musste her, um der Bewegung der Lohnabhängigen mit Hilfe von Terrormethoden die Straße streitig machen zu können. Die Hauptaktivität der Faschisten lag im Versuch durch Gewaltakte jede Versammlungs-, Rede-, Demonstrations-, Streik-, Koalitions-, Organisations- und Pressefreiheit zunichte zu machen. Gleichzeitig lieferten die faschistischen Massenorganisationen, die sich aus dem durch die Krise deklassierten Kleinbürgertum rekrutierten, mit ihrer pseudorevolutionären Rhetorik einen für die Bürgerlichen ungefährlichen Kanal für die revolutionäre Stimmung der Massen.
Der Schoss ist fruchtbar noch aus dem dies kroch!
Schlussendlich ist die faschistische Massenbewegung in Italien wie auch in Deutschland durch die entschlossene Unterstützung der Banken, der Großindustriellen, und des Staatsapparats an die politische Macht gelangt. In dieser Machtübergabe sahen Kapital und Staatsapparat die einzige Möglichkeit, eine revolutionäre Machtübernahme der Arbeiterklasse zuerst 1922 in Italien und später 1933 in Deutschland zu verhindern.
Nach der Niederlage des Faschismus am Ende des Zweiten Weltkriegs blieben die meisten seiner Hintermänner in Wirtschaft und Politik weiterhin an der Macht.
Heutzutage ist zumindest in den westlichen Industrieländern eine erneute Machtübernahme durch den Faschismus äußerst unwahrscheinlich. Zum einen ist durch die Industrialisierung der Nachkriegszeit der soziale Nährboden des Faschismus, das Kleingewerbe und die Landwirtschaft äußerst zusammengeschrumpft. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sind heute Lohnabhängige, die aufgrund ihrer Stellung in der Produktion ganz andere Möglichkeiten haben, um auf die Krise zu reagieren. Zum anderen hat sich das Kapital mit der Übergabe der Macht an die Faschisten vor mehr als 70 Jahren gehörig die Finger verbrannt. Die Gefahr, dass faschistische Banden als Hilfstruppen von Staat und Kapital im Kampf gegen die ArbeiterInnenbewegung eingesetzt wird, wird jedoch mit der Zuspitzung des Klassenkampfs und der kapitalistischen Krise wieder aktuell.
Faschisten, Kapital und Staatsapparat
Wenn wir über den Zusammenhang zwischen Staatsapparat, Kapital und faschistischer Bewegung reden, brauchen wir nicht in die Vergangenheit ausschweifen, es genügt das Scheitern des NPD-Verbots in Deutschland anzusehen. Die Verfassungsrichter geben zu, dass die NPD wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit verboten werden müsste. Das Verbot scheiterte daran, dass auf Grund der hochgradigen Unterwanderung der NPD durch Mitarbeiter des staatlichen Verfassungsschutzes, die NPD laut Verfassungsgericht für ihre Aktionen nicht eindeutig verantwortlich gemacht werden könne. In dieser Haltung des deutschen Verfassungsgerichtshofs kommt die Verwicklung zwischen Staat und NPD klar zum Ausdruck. Wenn es stimmt, was die Verfassungsrichter sagen, dann würde das bedeuten, dass die NPD vom Staat mit aufgebaut und gesteuert wird. Wenn es nicht stimmt, was die Verfassungsrichter sagen, dann schützt der Staat die NPD gegen die Bestimmungen der deutschen Verfassung vor einem Verbot. In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, dass nach 1945 in Westdeutschland der Staatsapparat, besonders in den Bereichen Justizwesen sowie Polizeiapparat, fast nahtlos vom Dritten Reich übernommen wurde und autoritäre Traditionen bis heute munter fortbestehen. Erst heuer wurde bekannt, dass im auswärtigen Amt der BRD die Bilder der Spitzenbeamten des Dritten Reichs noch immer in der Ehrengalerie hängen. Als Joschka Fischer die Bilder abnehmen ließ, sprach der deutsche Botschafter in der Schweiz von einer Spaltung des auswärtigen Amts!
Die Rolle der nationalen Burschenschaften…
Das wichtigste Bindeglied zwischen der faschistischen Bewegung und mächtigen Kreisen aus Wirtschaft und Politik sind in Österreich und Deutschland die deutschnationalen Burschenschaften. In den Reihen des großindustriellen Bürgertums sind deutsch-nationale Kräfte in Deutschland wie in Österreich traditionell sehr stark. Obwohl beispielsweise in Österreich heute die ÖVP die traditionelle bürgerliche Partei ist, spielen die deutschen Burschenschaften mit Frontfiguren wie Thomas Prinzhorn eine überproportional wichtige Rolle in der Industriellenvereinigung.
Über die FPÖ konnten in den letzten Jahren die Burschenschafter wieder verstärkt in die Politik und über die schwarz-blauen Umfärbungen auch in den Staatsapparat eindringen. Eine der führenden Burschenschaften, der mehrere FPÖ-Minister angehörten, ist die Burschenschaft Olympia, die jahrelang vom Alt-Nazi-Granden Norbert Burger geführt worden war. Über die Kanäle der Burschenschaften sind auch faschistische Gruppierungen wie AFP und BFJ mit wichtigen Geldgebern, Hintermännern und mit der FPÖ verbunden.
…und der traditionellen bürgerlichen Parteien
Wir dürfen aber die autoritären Abgleitflächen der Bürgerlichen nicht nur im so genannten „dritten Lager“ suchen. Vergessen wir nicht, dass die ÖVP ihre Wurzeln im autoritären Ständestaat hat, zu dem sie sich noch heute offen bekennt. Das Bild des Diktators Dollfuß, der mit Hilfe der faschistischen Heimwehren einen österreichischen Faschismus schaffen wollte und in engem Kontakt zu Mussolini stand, hängt nach wie vor im Parlamentsklub der ÖVP, und sein Vermächtnis wird in Ehren gehalten. Andreas Khol, der schwarze Präsident des Nationalrats, hat gesagt, dass ihm – ganz im Sinne von Engelbert Dollfuß – der Wert der österreichischen Nation im Zweifelsfall wichtiger sei als der Wert der Demokratie und hat so versucht das Vorgehen der AustrofaschistInnen im Februar 1934 zu rechtfertigen.
Die ÖVP ist weit davon entfernt eine faschistische Partei zu sein, und selbst die Strache-FPÖ und das BZÖ sind keine faschistischen Parteien. Die Spitzen dieser Parteien würden sich aber nicht durch moralische Bedenken davon abhalten lassen, zum gegebenen Zeitpunkt faschistische Banden als Hilfstruppen im Kampf gegen eine soziale Bewegung einzusetzen, wenn sie darin die einzige Chance ihres Machterhalts sehen.
Die Verbindung zwischen Faschisten und Kapital wird nicht nur durch die traditionellen bürgerlichen Parteien und die deutschen Burschenschaften hergestellt, sondern manchmal auch in einer direkten Form: durch Securityfirmen. Mit Hilfe von privaten Sicherheitsdiensten und Securityfirmen geben manche Kapitalisten ihren Schlägern eine legale Tarnung, binden sie durch Jobs an sich und machen überdies noch Profit damit. Unter der Tarnung von modernen Securityfirmen werden nach dem Muster der Zwischenkriegszeit von Fabrikherren faschistische Knüppelgarden aufgezogen, jederzeit einsatzbereit gegen streikende Belegschaften.
Zum heutigen Zeitpunkt hat das Kapital, wie gesagt, gar kein Interesse an einer größeren faschistischen Bewegung, die immer auch die Gefahr in sich birgt eine massenhafte linke Gegenreaktion zu provozieren. Das Kapital ist aber über jeden zusätzlichen Trumpf froh, den es im Fall zukünftiger Klassenauseinandersetzungen im Ärmel hat.
Die Bedeutung des Fall Gudenus
Besonders deutlich veranschaulicht der Fall des österreichischen Bundesrates John Gudenus den Zusammenhang zwischen Nazibanden, rechts-extremen Parteien und der respektablen bürgerlichen Gesellschaft. Zeitlich passend zum Jubiläumsjahr 2005 und offensichtlich politisch und juristisch abgesprochen mit Experten der „Nazi-Szene“, beginnt der Großgrundbesitzer und Oberst John Gudenus den Bundesrat als Tribüne zur Verbreitung von faschistischem Gedankengut zu missbrauchen. Bewusst versucht er schrittweise revisionistische, d.h. den Holocaust leugnende, Ideen Salon fähig zu machen und die Grenzen der Legalität auszutesten. Zuerst äußert er Zweifel an der Existenz der Gaskammern. Als das für eine Bestrafung nach dem NS-Verbotsgesetz nicht reicht, beginnt er die Gaskammern auf Boden des deutschen Reiches generell zu leugnen. Schlussendlich bezeichnet er die KZ-Häftlinge in Mauthausen höhnisch als relativ gut ernährt.
Richtiggehende Übelkeit verursacht jedoch nicht so sehr das Verhalten von Gudenus sondern vielmehr die Reaktion der Bürgerlichen als solches. Da spricht sich zum Beispiel Christian Ortner, der Chefredakteur von „Format“ und ultrakonservativer Vordenker der Bürgerlichen, in einem Kommentar in der Tageszeitung „Presse“ dafür aus, das NS-Verbotsgesetz überhaupt abzuschaffen, weil es die Meinungsfreiheit einschränken würde. Nazis werden als Deppen verharmlost, denen man diese Freiheit nicht vorenthalten dürfe. Ortner übernimmt hier eins zu eins die Argumentationsweise der Faschisten, sieht daher den Faschismus einfach als (wenn auch „doofe“) Meinung, nicht aber als gewalttätiges, terroristisches Phänomen, welches die sozialen und demokratischen Rechte der Menschen bedroht. Die Heuchelei von Ortner zeigt sich deutlich, wenn er ein paar Zeilen weiter im Sinne von „Law and Order“ ein hartes Vorgehen gegen islamische Fundamentalisten fordert.
Juristisch gut beraten schrammt Gudenus knapp am Verbotsgesetz vorbei, die Justiz kommt daher nicht an ihn heran. Mit Leichtigkeit könnte jedoch sein Dienstgeber etwas gegen ihn unternehmen: das österreichische Bundesheer. Gudenus hat als Oberst mit seinen Aussagen nicht gerade Werbung für das österreichische Bundesheer gemacht. Eigentlich müsste er sofort vom Dienst suspendiert werden. Der Generalstab tut jedoch gar nichts, hat sich auch bisher nicht zu der Affäre geäußert. Offensichtlich nehmen es die Herren Generäle nicht so genau mit den offiziellen republikanischen Zielen des Bundesheeres, und betrachten das Verhalten von Gudenus als mit der Offiziersehre höchst verträglich. Oder soll das Offizierskorps nicht gespalten werden? Unter dem dünnen demokratischen Lack hat sich der Modergeruch des Dritten Reiches offensichtlich bis ins Innerste unserer staatlichen Institutionen festgefressen.
Der Weg der Neonazis zur politischen Kraft
Der Faschismus beginnt in einer Anfangsphase mit lokal zersprengten, schlecht organisierten und schlecht miteinander koordinierten faschistischen Banden. Diese Banden trauen sich noch nicht offen aufzutreten. Sie terrorisieren die Schwächsten der Gesellschaft, wie zum Beispiel MigrantInnen oder Obdachlose, die sie hinterhältig und nur dann attackieren, wenn sie selbst in der Überzahl sind. Die Kaderorganisationen der Faschisten begnügen sich in dieser Phase mit dem Abhalten von Diskussionsveranstaltungen, Seminaren und Stammtischen, oder sie widmen sich der „Dichtkunst“ und „Liederabenden“. Andere Gruppierungen spezialisieren sich auf das Organisieren von Nazi-Konzerten und dem Aufbau eines nationalsozialistisch motivierten Musikbusiness.
In einer späteren Phase entstehen parteiähnliche faschistische Gruppierungen, die versuchen die faschistische Szene, Skinheadbewegung, Kaderorganisationen zusammenzufassen, die Unterstützung von finanzkräftigen Damen und Herren aus bürgerlichen Kreisen zu erlangen, um früher oder später die Bühne der Politik betreten zu können.
In dieser Phase beginnt sich die faschistische Bewegung ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuwenden: dem Kampf um die Straße, dem Terror gegen Linke und gegen die organisierte ArbeiterInnenbewegung.
Jeder erfolgreiche und ohne Zwischenfall durchgeführte öffentliche Auftritt der Faschisten gibt der braunen Brut neues Selbstbewusstsein. Die Bewegung beginnt sich selbst politisch wahrzunehmen und wird nach jedem reibungslos ablaufenden öffentlichen Auftritt stärker. Bei den ersten öffentlichen Auftritten machen nur wenige Faschisten mit, keinesfalls annähernd das gesamte Potential der Bewegung. Viele trauen sich nicht zu „outen“. Andere haben Angst vor einer Gegenreaktion der Linken. Wieder andere haben Zweifel am Sinn von öffentlichen Auftritten oder überhaupt an der „Politik“. Laufen die öffentlichen Auftritte reibungslos und erfolgreich ab, schließen sich beim nächsten Mal schon mehr Faschisten an. Öffentliche Auftritte, Umzüge, Kundgebungen der Faschisten sind anfangs ein Tabu. Niemand kann die Reaktion der Gesellschaft abschätzen. Wird dieses Tabu zur Normalität, dann hat es die faschistische Bewegung geschafft sich als politische Kraft wieder zu etablieren. Jetzt beginnen auch Teile des Kapitals und des Staatsapparats den neuen Verbündeten im Kampf gegen sozialen Protest ernst zu nehmen und zu unterstützen. Der öffentliche Auftritt der Faschisten, der Kampf um die „öffentliche Präsenz“, um die Straße, ist im antifaschistischen Kampf das erste entscheidende Gefecht, wo sich der Erfolg oder das Scheitern der Faschisten entscheidet.
Wollen wir dem modernen Faschismus einen Riegel vorschieben, dann müssen wir ihm den Weg auf die Straße, den Weg in die Öffentlichkeit abschneiden.
Wie kann der Faschismus bekämpft werden?
Der BFJ schreibt auf seiner Homepage: „Der Weg zur neuen Ordnung führt auch heute wieder über die Straße“. Der entscheidende Punkt im antifaschistischen Kampf ist es, den Faschisten durch unsere zahlenmäßige Überlegenheit und durch ein entschlossenes Auftreten genau diesen Weg über die Straße zu versperren. Bei wirksamen antifaschistischen Aktionen ist es zu wenig, moralische Entrüstung zum Ausdruck zu bringen – darüber lachen die Faschisten nur – sondern es geht darum die öffentlichen Auftritte der Faschisten unmöglich zu machen. Angesichts realer Gewalt ist es zu wenig, sich auf das Halten von Reden zu beschränken – die Gegenwehr muss organisiert werden. Wenn es der Linken gelingt, einen faschistischen Aufmarsch zu vereiteln ist, dann beginnt die Basis der Faschisten zu bröckeln und auseinander zu fallen. Wenn klar deutlich gemacht ist, dass der Weg über die Straße versperrt ist, dass die Faschisten nicht zur politischen Kraft werden können, dann beginnen sich die Ratten wieder in ihre Löcher zu verziehen.
AntifaschistInnen können in diesem Gefecht nicht auf die Unterstützung des Staatsapparats zählen, der nicht selten, wie im Fall der NPD, die öffentlichen Auftritte der Faschisten schützt und juristisch abdeckt. Am 1. Mai setzte die Polizei in Leipzig und Nürnberg Wasserwerfer und Schlagstöcke gegen die antifaschistische Übermacht ein, um „die Sicherheit“ der Neonazis gewährleisten zu können. Die antifaschistische Bewegung muss auf ihre eigene Kraft bauen. Insbesondere ist es wichtig möglichst breite Unterstützung in der Gesellschaft für die antifaschistische Bewegung zu mobilisieren. Vor allem in den Gewerkschaften und den traditionellen Organisationen der Lohnabhängigen muss Bewusstsein über die Bedrohung der ArbeiterInnenbewegung durch den Faschismus geschaffen werden.
Die faschistische Bewegung ist als politische Kraft im Kern äußerst instabil. Sie besteht aus sozial isolierten, gescheiterten Existenzen, denen jedes Solidaritätsbewusstsein, jedes wahre soziale Verantwortungsgefühl fehlt, wie es die ArbeiterInnenbewegung schon alleine auf Grund der Kollegialität und der gemeinsamen Arbeit im Betrieb in einem gewissen Maße hervorbringen muss.
Der Minderwertigkeitskomplex und die Feigheit, die sich hinter der harten Schale der Nazi-Skins versteckt, sind sprichwörtlich. Wenn AntifaschistInnen die Faschisten entschlossen auf der Straße herausfordern und dabei auf ihre eigene Kraft und auf eine breite Mobilisierung in den Organisationen der Lohnabhängigen bauen, kann der Kampf nur in einer totalen Niederlage der Faschisten enden.
Die antifaschistischen Demonstrationen, die am 1. Mai in Leipzig und am 8. Mai in Berlin den vorzeitigen Abbruch der NPD-Kundgebung erzwungen haben, können hier als Vorbild dienen. Beachtlich dabei war die massive zahlenmäßige Überlegenheit der AntifaschistInnen, die starke Beteiligung von GewerkschafterInnen und das entschlossene Auftreten gegen Faschisten und Polizei. Dieser Mai hat der NPD einen gewaltigen Schuss vor den Bug beschert. Auch in Österreich konnten der BFJ in Oberösterreich und die Nazi-Skins in Vorarlberg durch antifaschistische Mobilisierungen erfolgreich in die Schranken gewiesen werden.
Wie in England 1936 die faschistische Gefahr aus dem Weg geräumt wurde
In Deutschland konnte die ArbeiterInnenbewegung 1933, obwohl ihre beiden Parteien KPD und SPD bis zuletzt noch mehr Stimmen auf sich vereinigten als die NSDAP, die Machtübernahme der Faschisten nicht verhindern. Bis zum Schluss konnten und wollten sie sich nicht zu einer gemeinsamen antifaschistischen Einheitsfront durchringen. Dies lag einerseits daran, dass die SPD-Führung im Kampf gegen die faschistische Gefahr ihr ganzes Vertrauen in den bürgerlichen Staatsapparat legte, der in der Form von Reichspräsident Hindenburg schlussendlich Hitler zum Reichskanzler machte und die Machtübernahme durch die Nazis voll unterstützte. Andererseits unterschätzte auch die KPD-Führung die faschistische Gefahr massiv. Sie hielt bis zum Schluss den Kampf gegen die „SPD-Verräter“ für wichtiger als den Kampf gegen den Nationalsozialismus und verweigerte sich einem antifaschistischen Bündnis der ArbeiterInnenorganisationen. Aus der historischen Niederlage der ArbeiterInnenbewegung im Jahre 1933 haben die ArbeiterInnenorganisationen der anderen Länder ihre Lehren gezogen. 1934 schlug in Paris die Linke einen faschistischen Putsch nieder. Zwei Jahre später kam es zur berühmten Schlacht in der Cable Street in London, von der sich der englische Faschismus nicht mehr erholen konnte. Der englische Marxist Ted Grant, der damals aktiv dabei war, berichtet darüber Folgendes:
„Trotz dieser Maßnahmen des Staates wurde der faschistische Aufmarsch besiegt. Eine halbe Million ArbeiterInnen versammelten sich in den Straßen unter dem Slogan: „Sie kommen nicht durch!“, die ArbeiterInnen bildeten eine Menschenmauer auf der Route, die Mosley (der Führer der faschistischen Bewegung Großbritanniens, Anm.) nehmen wollte. Vom frühen Morgen an, versuchte die berittene Polizei mit Schlagstockeinsätzen gegen die ArbeiterInnen den Faschisten einen Weg zu bahnen. Aber der entschlossene Widerstand der ArbeiterInnen machte das unmöglich. Die Polizei versuchte in der Cable Street die Massen auseinander zu treiben. Aber wiederum bauten die ArbeiterInnen neue Barrikaden aus Möbeln, Holz, Geländer, Türen aus den umliegenden Häusern, und allem was half den Marsch der Faschisten aufzuhalten. Diese großartige Massenaktion – die von allen Strömungen der Arbeiterklasse getragen wurde, der Labour Party, der Communist Party, der Independent Labour Party, den Trotzkisten – zwang den Kommissar der Polizei, Sir Philip Game, Mosley und seinen Schlägern den Befehl zu geben, die Route zu verlassen. Die vereinte Aktion der ArbeiterInnen hat Mosley besiegt! Die Niederlage in der Cable Street 1936 hat Mosley einen schweren Schlag versetzt. Aus Angst vor der organisierten Macht der Arbeiterklasse, die sich so kämpferisch gezeigt hat, erlebte die faschistische Bewegung im East End einen Niedergang. (…) In dieser Pause machte sich eine weit verbreitete Verzweiflung und Demoralisierung unter den Basisaktivisten der Faschisten breit, der Sieg über die Faschisten erfüllte die ArbeiterInnen aber mit neuem Selbstvertrauen. Diese vereinte Aktion der ArbeiterInnen brachte eine neue Lehre: Nur der entschlossene Gegenschlag verhindert den Aufstieg der faschistischen Bedrohung.“
Die Rolle der staatlichen Behörden und der Polizei im Kampf gegen die Faschisten
Wir haben bereits gesehen, warum die Behörden im Kampf gegen die Nazis eine sehr zweifelhafte Rolle spielt. Wenn sie gegen Nazis einschreiten, dann können wir das nur begrüßen. Es muss uns aber klar sein, dass die Polizei meistens erst dann gegen die Faschisten vorgeht, wenn sie befürchtet, dass sich andernfalls eine starke linke Gegenbewegung formiert. So hat die Polizei erst dann begonnen Kundgebungen des BFJ zu verbieten, nachdem es eine immer stärker werdende Bewegung der Linken gegen den BFJ gegeben hat.
Dennoch gingen die oberösterreichischen Behörden lange Zeit nicht entschlossen gegen den BfJ vor. Kundgebungen wurden zum Teil untersagt, doch konnten die Nazis trotzdem öffentlich gegen die Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit demonstrieren. Die rechte Szene konnte auf die passive Unterstützung von Seiten des Staatsapparats zählen.
So fand etwa im Dezember 2006 in einer Innviertler Diskothek ein rechtsradikales Konzert statt. Die Behörden hatten keinen Anlass zum Einschreiten gesehen – und dies, obwohl die deutschen Behörden die Veranstaltung untersagt hatten. Erst ein anonymes Video, das im ORF gesendet wurde, brachte die Sache ans Licht: Nazi-Parolen, Hakenkreuz-Tatoos, Auschwitz-T-Shirts. Der Leiter des Verfassungsschutzes Alois Lissl erklärte seine Untätigkeit damit, dass man die Band „Braune Brüder“ nicht gekannt habe und man „geglaubt“ hatte, dass es sich um eine „Geburtstagsparty“ handle. Erst als nach den Medienberichten ein Aufschrei durch die Bevölkerung ging, waren die Polizei gezwungen zu reagieren.
Vorarlberg wurde unter den Augen der Polizei und unter der Duldung der Polizei zu einer internationalen Drehscheibe der Naziszene, was der Sicherheitsdirektor des Landes erst nach einer kraftvollen Antifa-Bewegung der Sozialistischen Jugend zugab. Jetzt, wo unter dem Druck der Bewegung die Polizei härter gegen Nazis vorgeht, richtet sich die selbe härtere Vorgangsweise auch gegen AntifaschistInnen. Die österreichische Polizei bezeichnet AntifaschistInnen als „politische Extremisten“ und stellt sie damit mit Nazis auf eine Stufe. Damit macht sie auch dem Gutgläubigsten klar, dass sie unser Vertrauen auf gar keinen Fall verdient.
Im Zusammenhang mit der Anti-G8-Demonstration in Genua erfuhr die gesamte Weltpresse, dass in Italien die Polizei von Faschisten unterwandert ist und in vielen Fällen mit der faschistischen Bewegung zusammenarbeitet, wenn es um den Kampf gegen die Linke geht. Nach Übergriffen von Faschisten auf Linke, kam es in Italien vor, dass die Polizei den Krankenwagen nicht zu den Schwerverletzten durchgelassen hat. Diese verschärfte Situation in Italien ist damit zu erklären, dass der Klassenkampf dort weiter entwickelt ist als in den meisten anderen europäischen Ländern.
Im Versuch, die Faschisten von der Straße zu vertreiben, werden AntifaschistInnen in vielen Fällen auch der Polizei als Feind gegenüberstehen. Im Gegenzug ist es alles andere als klar, dass die Polizei uns vor den Faschisten schützen wird. Für unsere Sicherheit müssen wir auf alle Fälle selbst sorgen.
Die Verteidigung organisieren und zum Gegenschlag ausholen!
Gelingt es den Faschisten zu einer politischen Kraft zu werden, dann stellen sie für alle ArbeiterInnenorganisationen und für alle Strömungen der ArbeiterInnenbewegung gleichermaßen eine Gefahr dar. Sie sind auch eine Gefahr für Jugendliche, deren Freiräume, Jugendzentren, Plätze und Treffpunkte von Faschisten bedroht werden. Faschisten sind auch eine Gefahr für unsere ausländischen KollegInnen. Es geht also darum eine antifaschistische Einheitsfront aufzubauen, die alle Strömungen und Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, der MigrantInnen und der Jugend umfassen muss. In antifaschistischen Aktionskomitees müssen nicht nur breit angelegte Mobilisierungen organisiert werden, es gilt auch Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, damit sich die antifaschistische Bewegung selbst verteidigen kann.
Den „entschlossenen, militanten Gruppen“, wie beispielsweise der BFJ seine Schläger nennt, müssen organisierte Schutzabteilungen kämpferischer junger ArbeiterInnen und SchülerInnen entgegengestellt werden, die speziell darauf vorbereitet sind, Veranstaltungen, Viertel, Kundgebungen, Einrichtungen von MigrantInnen usw. gegen faschistische Übergriffe zu schützen. Diese Abteilungen helfen auch unterstützend mit, jegliches öffentliche Auftreten, jede noch so kleine Propagandaaktion der Faschisten an Schulen, Universitäten, in Wohnvierteln, auf Straßen oder Plätzen zu verhindern.
Zusätzlich werden Plätze, Straßen, Parks und alle möglichen Treffpunkte von Naziskins gesäubert. Büros und Sitzungsräume der Faschisten werden ausfindig gemacht und ihre Nutzung wird unmöglich gemacht. Dies passiert mittels einer Kampagne, die bei Nachbarn, Vermietern, Gemeinde und Polizei Druck für eine Schließung der Räumlichkeiten erzeugt und bis zur Besetzung durch AntifaschistInnen führen kann.
Die Komitees treffen auch Maßnahmen, um die faschistischen Kader und die finanzkräftigen Hintermänner persönlich zu identifizieren und die Menschen in ihrer Umgebung über die kriminellen Aktivitäten ihrer Nachbarn oder Kollegen in Kenntnis zu setzen. Speziell die Hintermänner aus der Privatwirtschaft sind äußerst angreifbar, weil sie einen Imageschaden fürchten müssen.
Es ist sehr wichtig, dass die antifaschistische Bewegung nicht nur auf eine zahlenmäßige Überlegenheit setzt, sondern sich auch auf eine Konfrontation auf der Straße vorbereitet. Eine kleine gewalttätige entschlossene Minderheit von Faschisten kann nämlich eine Massenversammlung, sogar einen Massendemonstration in Panik versetzen, wenn diese nicht auf Übergriffe vorbereitet ist. Bereitet sich die Bewegung auf Übergriffe vor, haben die Faschisten im Gegenzug keine Chance.
Gleichzeitig dürfen die entschlossenen antifaschistischen Schutzabteilungen auf keinen Fall isoliert von der Masse der antifaschistischen Bewegung handeln und müssen deren Kontrolle unterworfen sein. Sie können die Kraft der Masse nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Entwickeln die kämpferischen Abteilungen die Illusion, die Faschisten alleine und ohne Masse besiegen zu können, dann besteht die Gefahr, dass sie sich schnell selbst von der Gesellschaft isolieren und helfen mit, den Faschismus, den es eigentlich zu isolieren gilt salonfähig zu machen.
Die Hauptorientierung im antifaschistischen Kampf muss in der Zusammenführung aller Sektoren der ArbeiterInnenbewegung, der MigrantInnen und der Jugend zu einer breiten Front liegen. Kämpferische Abteilungen sind für diese breite Bewegung ein wichtiges Hilfsinstrument, speziell um die Sicherheit der TeilnehmerInnen zu garantieren, sie sind aber kein Ersatz für die Bewegung.
Eine revolutionäre Alternative zur kapitalistischen Misere aufzeigen!
Der Faschismus ist ein Produkt des kapitalistischen Systems in seiner Phase der Fäulnis. Aber selbst in der Phase der kapitalistischen Krise kann der Faschismus nur dann Anhänger um sich sammeln, wenn es die ArbeiterInnenorganisationen versäumen der antikapitalistischen Stimmung unter den Massen einen Ausdruck zu geben.
Der deutsche Dichter Erich Fried sagte „Wer nichts ist als Antifaschist ist kein Antifaschist!“ Es ist unsere Aufgabe als MarxistInnen und als AntifaschistInnen, in der ArbeiterInnenbewegung und in der Jugend am Aufbau einer Kraft mit zu wirken, die endlich beginnt ernsthaft für die Verteidigung des Lebensstandards der Lohnabhängigen und für die Zukunftschancen der Jugend zu kämpfen, die den Weg aus dem kapitalistischen Jammertal in eine wirklich menschliche, eine sozialistische Gesellschaft weist. Gelingt dies, dann haben die pseudokritischen, in Wirklichkeit aber zutiefst barbarischen Rülpser aus der Vergangenheit nachhaltig Pause. Den faschistischen Rattenfängern könnte endlich das Wasser restlos abgegraben werden.
Die krankhaften Ideologien des Faschismus, des Rechtsextremismus, des Rassismus entspringen einer durch und durch kranken Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Das kapitalistische Weltsystem produziert für Profite, nicht für die Bedürfnisse der Menschen. Das heißt, dass die gesamte Funktionsweise unserer modernen Gesellschaft darauf beruht, dass ein toter Fetisch einen wichtigeren Stellenwert hat als der Mensch selbst. So wie der Mensch der Urgesellschaft den Naturkräften vollständig unterworfen war, so sind wir heute gesellschaftlichen Kräften ausgeliefert, die sich außerhalb unserer Kontrolle und außerhalb unseres Verständnisses befinden und die im Weltmaßstab mehr Leid, Elend, Verwüstung und Tod verursachen, als es eine Naturkatastrophe jemals gekonnt hätte.
Die Anarchie des Markes führt dazu, dass anstatt eines planvollen Einsatzes der Ressourcen und Produktionskapazitäten auf Weltebene zum Wohl aller, ein weltweiter Vernichtungskampf konkurrierender Unternehmen stattfindet. Dieser Konkurrenzkampf führt auf zwischenstaatlicher Ebene zu kriegerischen Auseinandersetzungen um Ressourcen und Märkte. Große Militärblöcke bilden sich, um in der internationalen Anarchie des Fressens und Gefressenwerdens bestehen zu können. Der von den Faschisten verherrlichte anarchische „Kampf ums Dasein“ ist der barbarische Alltag des Kapitalismus, das Gesetz des „freien Marktes“. Die tragische Komik liegt darin, dass der „Kampf ums Dasein“ in seiner letzten Konsequenz und beim heutigen Stand der Technik zum „Nichtmehrdasein“ der gesamten Menschheit führt.
Überführen wir im Gegenzug die anarchische Weltproduktion in eine demokratische Planwirtschaft unter der Kontrolle der gesamten Weltbevölkerung, dann erlaubt es der heutige Stand der technischen Möglichkeiten die Erde in ein Paradies zu verwandeln. Die Weggabelung unserer Zeit heißt: Sozialismus oder Barbarei. Schlussendlich können wir den Faschismus nur zusammen mit dem Kapitalismus dort hin befördern, wo beide längst hingehören: auf den Müllhaufen der Geschichte.