Sudan: Kapitalistische Barbarei


Mit dem Fall al-Faschirs in der Region Darfur nimmt das Massaker im Sudan neue Dimensionen an. Keine Seite in dem seit 2023 andauernden Bürgerkrieg spielt eine progressive Rolle. De facto ist das Land geteilt, die RSF (Rapid Support Forces) kontrolliert den Westen, die Sudanesische Armee (SAF) den Osten. Beide sind Lakaien imperialistischer Mächte, die sich an den Reichtümern Sudans bereichern. Das Land ist verwüstet, über 10 Mio. Menschen wurden vertrieben, 25 Mio. leiden Hunger, es gibt Massenvergewaltigungen und -hinrichtungen. Diese barbarische Situation ist das Ergebnis der Niederlage der Revolution, die 2018 begonnen hatte. Von Mio Purgathofer
Der Sudan ist ein ressourcenreiches Land mit großen Öl- und Goldvorkommen, aber gleichzeitig stark unterentwickelt und daher Opfer imperialistischer Dominanz und Ausbeutung. Auch nach der formellen Unabhängigkeit von Großbritannien 1953 hielten Imperialisten aktiv die Rückständigkeit des Landes aufrecht. Schon immer war der Sudan Spielfeld für konkurrierende imperialistische Mächte. Heute ist es Spielball der USA, EU, China und Russlands, aber auch regionale Player (Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)) spielen eine Rolle. Sie dominieren durch ökonomische Ausbeutung und indem sie sich politisch auf reaktionäre Kräfte wie verschiedene Stammesführer, Warlords usw. stützen, um ihre Interessen durchzusetzen. Diese werden bewaffnet und gegeneinander ausgespielt. So auch die RSF, die aus der reaktionären, arabisch dominierten Dschandschawid-Miliz im Darfur-Krieg hervorgegangen und 2013 als konterrevolutionäre Kraft von der Regierung ausgebildet wurde.
2018/19 nahmen die Massen ihr Leben selbst in die Hand. Was als Kampf gegen Teuerung begann, entwickelte sich zu einer der bisher mächtigsten revolutionären Bewegungen unseres Jahrhunderts. In allen Bezirken wurden Widerstandskomitees gegründet, um die Proteste zu organisieren, gegen die Angriffe der Armee gab es Selbstverteidigungseinheiten.
Innerhalb von Wochen hatte die revolutionäre Situation ganz Sudan erfasst. Als schließlich die einfachen Soldaten, die für das Niederschlagen von Protesten eingesetzt wurden, begannen sich zu solidarisieren, mussten die Generäle einschreiten: Als Notlösung setzten sie Diktator al-Bashir ab und gründeten einen Übergangs-Militärrat. Doch anstatt die Massen zu beschwichtigen, befeuerte sie dieser Sieg. Ganze drei Tage lang konnte sich der neue Regierungschef an der Macht halten.
Die Militärregierung war nichts mehr als eine Formalität, das gesamte Leben wurde von revolutionären Komitees organisiert. Selbst die jahrzehntelange sexistische, religiöse und ethnische Spaltung wurde im revolutionären Kampf überwunden: Frauen traten zum ersten Mal selbstbestimmt in den Kampf ein und organisierten Selbstverteidigung gegen sexuelle Gewalt; Christen passten auf Muslime auf, während diese beteten; der Versuch des Regimes, die westsudanesische Gruppe der Darfuri zum Sündenbock zu machen wurde einfach beantwortet mit „wir sind alle Darfuri!“. Es gab zwei überwältigend starke Generalstreiks, an denen sich fast 100% der Arbeiterklasse beteiligte.
Doch so eine Situation, wo die Macht auf der Straße liegt, aber der alte Staat und das Militär noch nicht zerschlagen sind, kann nicht ewig andauern. Die Führung der Bewegung hätte zu dem Zeitpunkt die Macht übernehmen und den Grundstein für eine revolutionäre Regierung der Massen legen können. Stattdessen sah sie es als ihre Aufgabe, einen Kompromiss mit der Armee zu schließen und organisierte gemeinsame Wahlen. Das gab dem Militär den nötigen Spielraum, um die RSF als Stoßtruppen auf die Revolution zu hetzen. Die Massen verteidigten heroisch alles, was sie erkämpft hatten, doch die Führung der Revolution hatte bereits kapituliert, sie entschied sich für eine Koalition mit den Generälen.
In dieser zugespitzten Situation zeigte sich auch das wahre Gesicht westlicher NGOs, die begannen, die Bewegung zu infiltrieren. Sie predigten Pazifismus und argumentierten gegen die Bewaffnung der Revolution. Das ebnete den Weg für Konterrevolution.
Die RSF sicherten sich in den letzten Jahren einen eigenen Anteil an den Bodenschätzen Sudans. Das ermöglichte ihnen, relative Autonomie von der Regierung zu erlangen, vor allem durch den Goldhandel mit den VAE. Bis vor kurzem wurden sie von der EU mitfinanziert, um Flüchtlingsrouten Richtung Europa zu kontrollieren. Die SAF hat ihre wichtigsten Verbündeten dagegen in Ägypten und Saudi-Arabien, dessen Kronprinz bei seinem jüngsten Washington-Besuch auch die USA mit ins Boot geholt hat.
Dass nicht nur der Sudan, sondern die gesamte Region in die Barbarei driftet, ist Teil des gesamten Prozesses der gewaltsamen Neuaufteilung der Welt: Der langsame Niedergang der USA, der Spielraum für kleinere Mächte öffnet.
Die gesamte Sahelregion ist ein Spielfeld imperialistischer Mächte, die sich an den Reichtümern dumm und dämlich verdienen und höchstens ein paar Brösel für ihre Lakaien in den Regierungen dort übrighaben. Die Bevölkerung sieht davon nichts. Nur die Arbeiterklasse kann die unterdrückten Massen befreien. Versuche, bei der halben Revolution stehenzubleiben, um Reformen zu erreichen, sind immer wieder gescheitert.
In den 2020ern führte der Druck der Massen in Mali, Niger und Burkina Faso dazu, dass Teile des Militärs die Macht übernahmen, die sich gegen die französischen Kolonialherren wendeten und sich dafür auch auf die russische Wagner-Miliz stützte. Auch wenn wir die Niederlage des französischen Imperialismus feiern – auf kapitalistischer Basis sind diese Länder nicht in der Lage, sich unabhängig zu entwickeln. Das hat der Prozess in Mali gezeigt: Der bewusste Bruch mit dem französischen Imperialismus und die Hinwendung zum russischen konnte keine ökonomische Entwicklung garantieren. Stattdessen konnte sich unter der verelendeten Landbevölkerung die reaktionäre islamistische Gruppe JNIM zu einer einflussreichen Kraft aufbauen, die nun seit zwei Monaten die Hauptstadt belagert. Die Situation ist unberechenbar, aber es ist wahrscheinlich, dass ein weiterer Regierungssturz bevorsteht.
Eine wichtige Lehre ist die Notwendigkeit einer bolschewistischen Führung. Im Sudan kapitulierte die Führung 2019 vor dem Militär, in der Hoffnung, demokratische Rechte zu bekommen und so eine Verbesserung zu erreichen. Jetzt ist nichts davon übrig.
Für die Jugend ist es offensichtlich. Sudan, Palästina, Kongo: Das Blut klebt an den Händen der Imperialisten. Es gibt enormes Potenzial für die Revolution in ganz Afrika, das haben die Aufstände in Mali, Burkina Faso, Niger, Marokko, Tansania, Madagaskar und Kenia gezeigt. Unsere Aufgabe im Westen ist es, die Imperialisten bei uns zu besiegen. Denn nur die internationale, sozialistische, die permanente Revolution kann diese Barbarei beenden.
(Funke Nr. 239)