Am 11. Jänner wurde die neue Regierung unter Kanzler Gusenbauer angelobt. Vor der Hofburg demonstrierten 2000 Menschen, großteils StudentInnen und junge SozialistInnen, gegen die Große Koalition und die Fortsetzung der Politik des Bürgerblocks. Erinnerungen an die Widerstandsbewegung gegen Schwarz-Blau wurden wach. Welche Perspektiven hat dieser Protest?
Auslöser für diese Proteste war der Kompromiss zwischen SPÖ und ÖVP kurz vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Alfred Gusenbauer hatte in Geheimverhandlungen mit Wolfgang Schüssel den völligen politischen Ausverkauf begangen und alle Wahlversprechen gebrochen um Kanzler zu werden. Neben der Ressortverteilung, bei der sich die ÖVP die Schlüsselressorts holen konnte, löste vor allem der geplante Arbeitsdienst für StudentInnen, der als Abschaffung der Studiengebühren verkauft wird, eine Welle des Unmuts aus. Bis in den Parteivorstand der SPÖ reicht die Empörung über dieses Vorgehen. Während im bürgerlichen Lager angesichts dieses Regierungsprogramms die Sektkorken knallen, wird die Sozialdemokratie von einer schweren innerparteilichen Krise erschüttert. Und das obwohl die SPÖ nach 7 Jahren wieder den Kanzler stellt.
Arroganz und Wut
Gusenbauer reagierte auf diesen Aufstand an der Parteibasis mit einer Arroganz der Macht, die man bisher nur Wolfgang Schüssel zugeschrieben hatte. Die Kritik in den eigenen Reihen führte er nur auf „Informationsdefizite“ zurück, was angesichts seiner intransparenten Verhandlungstaktik auch gar nicht verwunderlich wäre. Die Sozialistische Jugend, welche die Speerspitze des Protests bildet, beschimpfte er im ORF als „gewaltbereite Chaoten“. Mit seinem permanenten Schönreden zeichnet sich Gusenbauer durch völlige Realitätsverweigerung aus.
Sieben Jahre war die SPÖ in der Opposition. Die Rückkehr an die Regierung hatte man sich in der Löwelstraße anders vorgestellt. Dabei hatten die SPÖ- und auch die ÖGB-Führung die ArbeiterInnenbewegung spätestens nach dem Streikjahr 2003 voll auf die kommenden Nationalratswahlen vertröstet. Nicht durch Streiks und Massenaktionen sondern mit dem Wahlzettel sollte Schwarz-Blau-Orange ein Ende gesetzt werden. Mit der SPÖ an der Regierung sollten die Grausamkeiten der Bürgerblockregierung rückgängig gemacht werden. Der Großteil der Partei- und GewerkschaftsfunktionärInnen, BetriebsrätInnen und selbst der SJlerInnen setzte Hoffnungen in eine rote Regierungsbeteiligung. Das Ausmaß des Ausverkaufs durch Gusenbauer & Co. hat an der Basis der Sozialdemokratie blankes Entsetzen ausgelöst.
ÖGB-Spitze stützt Große Koalition
Dieser Koalitionspakt wird nur von der engsten Parteiführung getragen. Rückendeckung bekommt Gusenbauer ausgerechnet von den roten Gewerkschaftsführern, deren parteiinternen Einfluss er erst im Sommer im Zuge des BAWAG-Skandals massiv zurückgedrängt hat. Aber die ÖGB-Spitze gibt sich vor allem damit zufrieden, dass jetzt die „Speed kills“-Politik und das „Drüberfahren“, wie es unter Schüssel üblich war, vorbei ist. Als Sozialpartner wird der ÖGB wieder in die Verwaltung des österreichischen Kapitalismus gezielt eingebunden. Hundstorfer freut sich über die wieder gewonnene Basis für Zusammenarbeit mit der Regierung. Der ÖGB wird gerade in Fragen des Arbeitsmarktes die Angriffe auf die Lohnabhängigen mitverhandeln dürfen. Ja, SPÖ und ÖVP konnten bei den Verhandlungen sogar auf ein „Strategiepapier für Wachstum und Beschäftigung“ der Sozialpartner (auch des ÖGB!) verweisen, das weitere Verschlechterungen für die Lohnabhängigen vorsieht.
Die Rolle der ÖGB-Führung wird sich wie eine Bremse auf den Klassenkampf auswirken. Bei aller Kritik in Detailfragen und obwohl die Gewerkschaft bei der Ressortverteilung keinen wichtigen Minister bekommen hat, wird sie alles unternehmen, damit „ihre“ Regierung den Rücken frei hat.
Auf dem ÖGB-Bundeskongress soll eine ÖGB-„Reform“ beschlossen werden, bei der die Bürokratie alles beim Alten belässt. Dort wird sie die Neuauflage der Sozialpartnerschaft mit der Regierung zelebrieren. Die Rechnung werden die Lohnabhängigen zu bezahlen haben. Die UnternehmerInnen und die ÖVP lachen sich angesichts des Verhaltens der SPÖ- und der ÖGB-Spitze schon jetzt ins Fäustchen. Vom ersten Tag an werden die Bürgerlichen ausreizen wie weit sie gehen können. Eine Provokation wird auf die nächste folgen. Selbst werden sie gegenüber allen Begehrlichkeiten der Sozialdemokratie mauern. Das große Ziel der ÖVP ist es die SPÖ völlig zu diskreditieren, um bei den nächsten Wahlen wieder die Basis für eine Bürgerblockregierung zu legen.
Perspektiven des Protests
Jetzt stellt sich die Frage welche Richtung die Protestbewegung gegen die Politik der Großen Koalition nehmen soll. Wo sich ansatzweise sozialer Protest regt, ist an den Unis rund um die Frage der Abschaffung der Studiengebühren. Dies ist derzeit eine der zentralen politischen Auseinandersetzungen. Jetzt braucht es konkrete Schritte zum Aufbau einer breiten Bewegung an den Unis. Mit Massenaktionen muss Druck auf die Regierung aufgebaut werden. Schon jetzt fordern wichtige Teile der SPÖ in dieser Frage einen Kurswechsel. Wenn die Große Koalition in diesem Punkt einen Rückzieher machen muss, dann hätte das auch für andere Kämpfe eine große Vorbildwirkung.
Der Widerstand gegen die Große Koalition steht und fällt aber mit der Frage, ob es gelingt den Widerstand in den Reihen der Sozialdemokratie zu organisieren. Dabei fällt vor allem der SJ eine gewaltige Verantwortung zu. Sie erlangte mit ihren militanten und konsequenten Protesten rund um die Angelobung ein enormes öffentliches Echo und wurde erstmals seit langem wieder zu einem innenpolitischen Faktor. Diese Entschlossenheit braucht es nun auch bei der Formierung eines linken Flügels in der Sozialdemokratie. Hunderte GewerkschafterInnen und ParteifunktionärInnen schauen jetzt auf die SJ. Mit der Initiative für die Organisierung eines linken Flügels in Partei und Gewerkschaft könnte die SJ ein riesiges Echo auslösen.
Ein solcher linker Flügel müsste eine breite Kampagne in der Partei, in den Gewerkschaften und in der Gesellschaft gegen dieses Regierungsprogramm organisieren. Bei Aktionskonferenzen müssen politische Alternativen zum bürgerlichen Programm der Großen Koalition formuliert werden, denen durch Massenaktionen (Aktionstagen, Großdemo bis hin zu Streiks) Nachdruck gegeben werden muss.
Alfred Gusenbauer & Co. müssen bei jedem Schritt, den sie setzen, in den eigenen Reihen auf Widerstand stoßen. Dann hätte der rot-schwarze Spuk bald ein Ende. Eine konsequente sozialistische Oppositionspolitik durch die SJ und andere linke Kräfte in SPÖ und Gewerkschaft ist auch die einzige Garantie dafür, dass nicht die FPÖ durch rassistische Hetzkampagnen zum Hauptgewinner der Großen Koalition wird.
Unser Ausgangspunkt muss sein: Kein Vertrauen in das sozialdemokratische Regierungsteam! Kein Vertrauen in den Parteiapparat! Für einen Bruch mit der Klassenzusammenarbeit der SPÖ-Spitze! Nieder mit der Sozialpartnerschaft! Die Interessen der Jugendlichen und der ArbeiterInnen müssen auch gegen sozialdemokratische MinisterInnen durch Demonstrationen und Streiks verteidigt werden!
Organisation des Widerstands gegen das bürgerliche Regierungsprogramm in Betrieb, Uni und Schule!
Für den Aufbau eines linken Flügels in der SPÖ! Statt Austritt für den Eintritt in die Partei, die SJ und den VSStÖ!
Für eine unabhängige Politik der Parteilinken!
Für eine demokratische Konferenz der Linken aus SPÖ, Gewerkschaft, SJ und VSStÖ!