„Sollte sich herausstellen, dass diese Waffen gefährlich sind, müssen sie verboten werden“ (!). Das ist kein schlechter Scherz, sondern die hochoffizielle Stellungnahme von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi zur Tatsache, dass die Nato Jugoslawien (und davor den Irak) mit einem radioaktiven Bombenteppich überzogen hat. Aber was soll’s – offensichtlich ist man sich in den Regierungskanzleien einig, dass man auch solche Kollateralschäden im Kampf für Demokratie und Menschenrechte einkalkulieren muss.
Zu den Fakten
Abgereichertes Uran (engl. depleted uranium – DU) ist ein Abfallprodukt der Atomindustrie. Es wird für Geschosse von Kampfbombern verwendet. Neben dem Vorteil, dass durch seine Verwendung die Atomlobby und die mit ihr verbündeten Staaten punkto Atommüll eine Sorge weniger haben, hat es auch noch andere Vorzüge. Es ist schwerer als Blei und härter als Stahl. Es eignet sich also hervorragend dazu Panzer zu durchdringen. Leider hat diese Wunderwaffe aber auch einige Nachteile. Es werden sogenannte Alphateilchen ausgesandt. Werden diese in den Körper aufgenommen, ist ein erhöhtes Krebsrisiko und eine mögliche Schädigung von Nieren und Leber die Folge. Die Geschosse haben auch die unangenehme Eigenschaft, dass die beim Aufprall frei gesetzten giftigen Partikeln über hunderte Kilometer weit verteilt werden, ehe sie in die Nahrungskette gelangen.
Generalprobe im Irak
944.000 DU-Geschosse hat die USA im Golfkrieg 1991 eingesetzt. Man schätzt, dass alleine im Gebiet um Basra im Südirak über 300 Tonnen des Urans liegen. Kein Wunder also, dass die Hälfte der Leukämiefällen bei irakischen Kindern in dieser Region auftritt. Ebenfalls stark angestiegen sind Missbildungen bei Neugeborenen. Das was bei westlichen Soldaten unter dem „Golfkriegssyndrom, bekannt wurde, ist das Resultat der radioaktiven Verstrahlung großer Teile des Iraks. Nachdem man die Wirksamkeit am Golf getestet hatte, ging man daran Jugoslawien in Schutt und Asche zu legen. Die sogenannten „smart bombs“, und das waren nicht zuletzt DU-Geschosse trafen in der Regel nicht Panzer, sondern schlugen an anderen Orten ein. 112 davon hat die Nato bis jetzt ungefähr bekannt gegeben, wie viele es wirklich sind, wird verschwiegen.
Sie wissen was sie tun!
Es ist bezeichnend für den staatlichen Rassismus, dass erst, als Soldaten aus Nato-Staaten an Leukämie starben, eine Debatte über die DU-Geschosse begann. Das Schicksal der Bevölkerung in den betroffenen Ländern ist für die herrschenden Eliten sowieso ein Nullfaktor. Die Auswirkungen im Irak lassen sich aber trotz der Propaganda der Nato immer weniger verheimlichen. Und selbst dort ist noch keineswegs klar, was für Langzeitfolgen noch zu erwarten sind. Die Partikel der Uran-Geschosse dringen in die Nahrungskette ein und werden sowohl im Irak als auch in Jugoslawien, aber auch in Bosnien auf Jahrzehnte hinaus eine kollektive Gesundheitsgefährdung bleiben.
Diese Tatsachen sind für die Verantwortlichen kein Geheimnis. Seit dem Ende des Golfkrieges warnen MedizinerInnen vor den katastrophalen Folgen der Geschosse. Geheimberichte der britischen Streitkräfte stellten schon 1997 die Gesundheitsrisken fest und die US-Army warnt ihre Soldaten in internen Aussendungen vor den gefährlichen Strahlen.
Reaktion des Establishments
Umso unglaubwürdiger ist nun die scheinbare Besorgnis eines Schröders oder der italienischen Regierung. Haben sie wirklich an den sauberen, gerechten Krieg geglaubt? Sollten sie so verblödet sein, müssten sie erst recht auf der Stelle aus dem Amt gejagt werden. Kaltschnäuziger schon ein Scharping, der die „fahrlässige Berichterstattung, der Journalisten beklagt, die zu einer regelrechten „Uran-Hysterie, geführt hätte. Außerdem sei das Strahlenrisiko „vernachlässigbar“. Javier Solana meinte, dass ihn persönlich der Einsatz solcher Waffen nicht störe. Und Nato-Chef Robertson begründete die Weigerung der Allianz zu einem zeitlich befristeten Verbot der Uran-Munition damit, dass im Moment ohnehin keine Geschosse eingesetzt werden. Alle genannten Herren sind übrigens Mitglied sozialdemokratischer Parteien!
Sie verachten uns!
Die offiziellen Reaktionen zeigen vor allem eines – die ganze Verachtung und Gleichgültigkeit, die diese Damen und Herren uns allen gegenüber empfinden. Sie halten sich für die uneingeschränkten Herrscher der Welt – die Interessen und Bedürfnisse der „normalen, Menschen, all jener die nicht über ein dickes Bankkonto und viel Einfluss verfügen, sind ihnen völlig egal. Das zeigt sich nicht nur bei der Uran-Munition, das zeigt sich auch bei der Durchführung von Atomtests, wo ganze Landstriche verstrahlt worden sind, das zeigt sich an jenem Atomkraftwerk in Kentucky, wo die Sicherheitsvorkehrungen in den letzten Jahrzehnten Homer Simpson alle Ehre machen würden und das zeigt sich nicht zuletzt an der BSE-Debatte (EU-Minister pflegen jetzt argentinisches Rindfleisch zu speisen) und an der gescheiterten Klima-Konferenz in Den Haag.
Der materielle Grund für diese Ignoranz ist immer der gleiche: Profit. DU-Geschosse sind nicht nur militärisch wichtig, sondern auch ökonomisch sehr wertvoll. Sie sind zu einem regelrechten Exportschlager der Waffenindustrie geworden. Die erlebt in den USA, dem größten Waffenproduzent der Welt, übrigens gerade wieder einen neuen beeindruckenden Aufschwung.
Wir wollen die ganze Wahrheit
Man hört, dass es Untersuchungen geben soll. Gut zu wissen, nur wer wird untersuchen? Das Pentagon, die EU vielleicht die UNO. Und wer wählt die ExpertInnen aus? Georg W. Bush, Joschka Fischer oder George Robertson? Und wer sorgt dafür, dass etwaige kritische Ergebnisse eine Widerspiegelung in der militärischen Praxis finden? Der US-Senat, das EU-Parlament oder gar der ORF? Nein, solange sie und ihre Freunde aus der Wirtschaft an den Schalthebeln der Macht sitzen, wird es keine substantielle Veränderung geben. Eines ist daher klar, nicht nur ihre „Kriegstechnik“, ihr ganzes System, der Kapitalismus, gehört auf die Anklagebank.