Das Schüren und Ausnutzen von Vorurteilen gegen Minderheiten ist eine alte politische Strategie der Bürgerlichen. Diese rassistische Demagogie muss entlarvt und mit Klassenkampf bekämpft werden. Von Yola Kipcak.
Heute ganz normale Meldungen lauten so: „Wir vertragen nicht mehr Migration aus ganz fremden Kulturkreisen” (Draxler, ÖVP), „Wer im Kalifat leben will, muss Österreich verlassen!” (Nehammer), „Wer schiebt öfter ab? Ausweisungen unter Karner und Kickl im Vergleich” (Krone 27.8.), „Der islamische Hang zu Autokratie und Gewalt ist Eigenverantwortung und selbst verschuldet” (Presse, 20.8.), „Hergovich [SPÖ, NÖ] fordert Verbotsgesetz für Islamismus” (ORF, 9.8.), „Wiener NEOS: Straffällige Asylwerber abschieben” (Krone, 24.7.), „wie wir dieser islamistischen Welle, die uns diverse soziale Medien Tag für Tag in die Kinderzimmer spülen können, Herr werden könnten” (Falter, 14.8.).
Die Arbeiterbewegung steht dieser reaktionären ideologischen Welle völlig schutzlos gegenüber. Denn in der reformistischen Arbeiterbewegung herrschen zwei Abstufungen derselben Denklogik: Die „linkere“ lautet, dass man gar nichts zum Thema Rassismus sagen soll – das könnte gar unnötig polarisieren! –, sondern allein durch das Setzen von sozialen Themen eine Brandmauer gegen rechte Wahlerfolge bauen soll. Als ob Politik nur aus Wahlmobilisierung bestehen würde, und klassenbewusste Arbeiter zu dumm wären, ideologischen Müll als solchen zu entlarven! Im Gegenteil, ihn offen zu entlarven bedeutet einen Befreiungsschlag für die Arbeiterklasse, keine Schwächung.
Stufe zwei besteht dann darin, vor der Demagogie gegen Migranten zu kapitulieren und sie womöglich selbst anzuschieben – offensiver Sozialchauvinismus. Indes verliert die Strategie, die FPÖ zu skandalisieren, ihre Glaubwürdigkeit: Die Liberalen treiben den Rassismus heute selbst an.
Teile und herrsche
Migration ist fester Bestandteil des kapitalistischen Weltsystems. Städte und Großbetriebe waren und sind Schmelztiegel für Arbeiter aller Herren Länder. Etwa 27% der in Österreich lebenden Menschen haben einen unmittelbaren Migrationshintergrund. Aus den durch imperialistische Kriege verwüsteten Ländern Afghanistan, Syrien oder Irak stammen 6% der Migranten. Letztere (plus Tschetschenen) stehen im Mittelpunkt der deutschsprachigen Debatte. Der (mittlerweile beigelegte) in den Medien breitgetretene Bandenkrieg zwischen syrischen und tschetschenischen Jugendlichen in Wien, Gewaltverbrechen und Messerterror (angekündigt in Wien, umgesetzt in Solingen) werden gezielt genutzt, um die falsche Behauptung, der Islam sei eine besonders gewalttätige Kultur, heute als gesichertes „Wissen“ zu propagieren. Während die imperialistische Verwüstung volle Zustimmung und Unterstützung der österreichischen Herrschenden findet, werden barbarische Folgen davon pauschal TikTok, „Hasspredigern“ und „kriminellen Jugendlichen“ zugeschoben.
Die „Problematisierung“ ganzer Bevölkerungsschichten geht einher mit Erfahrung von Rechtlosigkeit, Schikanen, unsicherem Aufenthalt und fortgesetzter kultureller Erniedrigung. So wird randständiges und asoziales Verhalten von Individuen heraufbeschworen. Diese Wirkmechanismen sind nicht mit einer spezifischen Kultur oder Religion verknüpft.
Insbesondere der Gaza-Krieg wurde zum Katalysator für eine reaktionäre Stimmungsmache nicht nur gegen jeden Ausdruck von Solidarität mit den unterdrückten Palästinensern, sondern auch, um Migranten und spezifisch Muslime unter Generalverdacht zu stellen. Der „Antimuslimische Rassismus Report 2023“ berichtet von einer Zunahme von Übergriffen. Zwei Drittel der 1522 gemeldeten Fälle – wie immer bei dieser Art von Erfassungen muss man von einer hohen Dunkelziffer ausgehen – ereigneten sich letztes Jahr ab Oktober. Der antimuslimische Generalverdacht wird nun auch von den Behörden immer umfassender vorgebracht, die im März eigens geschaffene „Einsatzgruppe Jugendkriminalität” etwa gibt „migrantischer Jugendkriminalität“ bewusst statistischen Auftrieb.
Der Zweck ist klar: Im Windschatten dieser Propaganda bringen sich die Bürgerlichen für Angriffe auf demokratische Rechte und den Lebensstandard der gesamten Arbeiterklasse in Stellung.
Kampf gegen Rassismus – Kampf gegen das Kapital!
„Es gibt keinen Kapitalismus ohne Rassismus”, sagte Malcolm X. Solange die Wirtschaft den Bedürfnissen des Kapitals untergeordnet wird, gibt es immer profitablen Nährboden für Hass und Neid. Dagegen helfen keine abstrakten Rufe nach „Menschenrechten” (sie werden ständig ausgehöhlt und untergraben), „Friede” und „Fairness” (wer soll sie erkämpfen?) und schon gar keine Kompromisse mit denselben Bürgerlichen, die den Rassismus schüren. Kommunisten schweigen nicht zur heuchlerischen Demagogie und den rassistischen Spaltungsversuchen der Bürgerlichen, sondern fordern sie offen heraus.
Die stärkste Waffe gegen die rassistische Spaltung ist die Solidarität der Arbeiterklasse. Wenn wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen, ist die Arbeiterklasse die mächtigste Kraft in dieser Gesellschaft. Ohne uns läuft keine Maschine, dreht sich kein Rad. Diese Tatsache müssen Kommunisten klar und deutlich aussprechen: Wer ein gutes Leben will, muss die Kapitalisten rausschmeißen, nicht die Migranten!
Arbeiter kooperieren am Arbeitsplatz und im Wohnhaus miteinander, treten sich im Alltag als Individuen gegenüber und müssen spezifische Probleme konkret lösen. Bestehende Vorurteile stehen damit ständig unter dem Realitätsdruck, abgetestet und auch überwunden zu werden. Gemeinsamer Klassenkampf wird gegenseitige Vorurteile und die rassistische Vernebelung lichten. Wenn Arbeitskollegen gemeinsam, Seite an Seite, für bessere Lebensbedingungen kämpfen, wird der Hass durch die praktische Solidarität widerlegt. Kommunisten eines unterdrückenden, imperialistischen Landes wie Österreich müssen dabei für die Abschaffung aller spezifischen Ausländer-Gesetze und für gleiche demokratische, gewerkschaftliche und politische Rechte für alle Menschen – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft – kämpfen. So wird die Arbeiterklasse die Spaltung überwinden und ihre Macht in ihrer ganzen Breite wirksam werden lassen.
Die Krise des Kapitalismus ist tief. Der kommende Klassenkampf wird dem Rassismus die nur scheinbare Festigkeit entziehen. Diesen Klassenkampf bewusst voranzutreiben und vorzubereiten – das ist die Aufgabe aller Kommunisten, die es ernst meinen. Denn wir haben nicht nur zu kämpfen, wir haben auch eine Welt zu gewinnen. Stärke unser Programm, gründe mit uns die RKP!
(Funke Nr. 226/30.08.2024)