Anfang August hat die Revolution in Bangladesch ihren ersten Sieg errungen. Die revolutionären Massen haben die ehemalige Premierministerin Hasina gestürzt und ihre über 16 Jahre andauernde brutale Herrschaft beendet. Für Arbeiter und Unterdrückte auf der ganzen Welt ist das eine riesige Inspiration. Von Mio Purgathofer.
Alle bisherigen Errungenschaften wurden auf der Straße erkämpft und mit Blut bezahlt. Polizei und Militär hatten versucht, die Massenproteste mit grausamen Morden und Foltermethoden niederzuhalten. Das erste Kapitel der Revolution ist abgeschlossen, aber der Kampf ist noch nicht vorbei, denn das System ist noch bestehen geblieben. Auf der Straße gehen die Proteste weiter und die Frage, wer die Gesellschaft führen soll, spitzt sich zu: US-Handlanger Dr. Yunus und seine Übergangsregierung der Banker oder die revolutionäre Arbeiterklasse und Jugend.
Wie es dazu kam
Die heutige Revolution in Bangladesch ist schon lange am Brodeln. Seit Jahren gibt es in Bangladesch immer wieder Massenproteste, Streiks und Generalstreiks. Hasina und ihre Partei, die Awami League (AL), waren seit 2009 an der Macht und hielten sich dort mit Gewalt.
Bangladesch ist eines der bevölkerungsreichsten Länder, mit 170 Millionen Einwohnern und einer über 73 Millionen starken Arbeiterklasse. 2010 hat diese in einer riesigen Bewegung eine 80%ige Erhöhung des Mindestlohns erkämpft.
Der bangladeschische Kapitalismus baut auf der Textilindustrie auf, die mehr als 80% der Exporte ausmacht der 3,5 Millionen (80% Frauen) beschäftigt. Westliche Großkonzerne wie H&M, Primark und Walmart nützen Bangladesch als Billiglohnland. Während Hasinas Amtszeit gab es auf Basis der Textilindustrie einen Wirtschaftsaufschwung – auf Kosten der brutalen Ausbeutung der Arbeiterinnen: meist 16-Stunden Arbeitstage mit nur 30 Minuten Pause. 2013 machte ein Skandal weltweit Schlagzeilen, als eine Textilfabrik einstürzte und dabei 1134 Arbeiterinnen getötet wurden. Der Besitzer der Textilfabrik war Politiker der AL. Konsequenzen für ihn gab es erst nach einer riesigen Protestwelle.
Seit der Pandemie 2020, mit der die Textil-Nachfrage zusammenbrach, und später dem Ukrainekrieg, der die notwendigen Weizenimporte um ein Vielfaches verteuerte, ist das Land in einer tiefen Krise. Auch der IWF spielt eine kriminelle Rolle: 2023 gab er einen Kredit in Form eines „Rettungspakets“ von 4,7 Milliarden Dollar – mit harten Sparauflagen für öffentliche Dienstleistungen, Sozialprogramme, usw.
Massen stürzen Regierung
Auslöser der Massenproteste im Juli war die Wiedereinführung eines Quotensystems im öffentlichen Sektor, das regierungsnahe Personen für Jobs begünstigen sollte. 2018 wurden die Quoten zuletzt wegen riesiger Studentenproteste abgeschafft. In Bangladesch herrscht hohe Jugendarbeitslosigkeit und diese erneute Reform brachte das Fass zum Überlaufen.
Die Massenproteste wurden mit extremer Repression beantwortet, Polizei und Militär setzten Tränengas und Wasserwerfen ein, aber meistens schossen sie einfach offen in die Menge. Offiziell gibt es 300 Todesopfer, die Dunkelziffer ist wohl hoch. Mitte Juli wurde für mindestens 5 Tage das Internet komplett abgedreht, um die Massen zu desorganisieren. Aber es sollte ein Wendepunkt werden: die Bewegung, die zuvor überwiegend aus mutigen Studenten bestanden hatte, schaffte es, Millionen von Arbeitern in die Bewegung mithineinzuziehen. Sie verloren jede Angst vor der Repression.
Am 4. August riefen die Studentenführer dazu auf, am Montag bewaffnet nach Dhaka zu marschieren, sich in Arbeiter- und Studentenkomitees zu organisieren und in einen Generalstreik einzutreten. Millionen von Menschen zogen in Richtung Hauptstadt los und fegten die Polizei und das Militär (die vollständig mobilisiert waren) einfach weg. Wenn die Arbeiterklasse einmal ihre Macht erkennt, gibt es keine Kraft der Welt, die sie aufhalten kann.
Dem Militärregime blieb nichts übrig, als ihren Kopf, Hasina, abzukappen. Sie floh am 5. August nach Indien.
Charakter der Übergangsregierung
In jeder Revolution stellt sich die Frage: Wer wird die Macht jetzt übernehmen? Und in Bangladesch sind aus der Revolution zwei Mächte hervorgegangen.
Auf der einen Seite die Arbeiterund Studentenkomitees, die schon an vielen Orten Funktionen des Staates einfach übernommen haben. Sie haben begonnen, das Land wiederaufzubauen, den Verkehr zu regeln und für Sicherheit zu sorgen. Aus Angst vor Rache der Bewegung hatte die Polizei sogar ihre Arbeit verweigert, nachdem 450 der 600 Polizeistationen im Land in Flammen gesetzt worden waren. Auf der anderen Seite steht die Übergangsregierung unter Führung des Nobelpreisträgers Dr. Yunus. Der Staatsapparat war gezwungen gewesen, mit den Studenten in Verhandlungen zu treten – Yunus diente als Kompromisskandidat, mit dem die alte Elite sich gut anfreunden konnte. Symbolisch wurden zwei Studentenführer in die Übergangsregierung aufgenommen, die sonst ausschließlich aus Vertretern der Kapitalisten und des Staatsapparats besteht. Yunus die Macht zu übergeben, war ein Fehler seitens der Bewegung. Er ist ein Mikrokreditbanker und ein Handlanger des US-Imperialismus. Die Absicht seiner Regierung ist es, die Proteste zu demobilisieren und den „Status quo” wiederherzustellen; das geht nur mit einer Konterrevolution. Schon jetzt ist die Regierung, deren Staatsapparat derselbe geblieben ist, in Verhandlungen mit den Fabriksbesitzern, um die Profite wiederherzustellen.
Das leitet ein neues Kapitel der Revolution ein: Entweder wird sie weitergeführt, die Kapitalisten und alten herrschenden Eliten samt ihrem Militär und Staatsapparat entmachtet – oder die Konterrevolution wird sich durchsetzen. In Teilen der Bewegung herrscht die Hoffnung, Dr. Yunus würde eine „liberale Demokratie nach westlichem Vorbild“ einführen. Doch das ist eine Illusion, denn nur ein extrem brutales Regime kann die für den bangladeschischen Kapitalismus notwendige Ausbeutung gewährleisten. Hasinas Regime musste diktatorisch sein, weil die Klassenwidersprüche in Bangladesch zu tief sind, kein einziges Zugeständnis an die Arbeiterklasse ist leistbar. Eine wirkliche Demokratie im Sinne der Massen ist nur möglich, wenn der Kapitalismus vollständig zerschlagen wird. Der anhaltende Klassenkampf wird Yunus früher oder später bloßstellen.
Für eine Vollendung der Revolution!
Nachdem in der ersten Phase der Revolution die Studentenschaft die unangefochtene Führung der Bewegung innehatte, trat in den letzten Tagen die Arbeiterklasse vermehrt auf die Bühne. Täglich gibt es Streiks, Blockaden von Autobahnen und Fabriksbesetzungen, oft wegen Lohnzurückhaltungen seitens der Bosse. Diese Proteste zeigen, wie tief die Revolution geht: Überall nehmen die Massen in Bangladesch ihr Leben selbst in die Hand, nutzlose Gewerkschaftsführer werden einfach beiseite gefegt.
In der Vergangenheit haben linke oder kommunistische Parteien in Bangladesch eine äußerst fatale Rolle gespielt. Anstatt für ihr Programm zu kämpfen, haben sie beispielsweise Hasina unterstützt, eine Taktik, die aus der stalinistischen Tradition kommt. Links zu sein, wird daher oft mit diesem Versagen verbunden. Die rechten Parteien in Bangladesch, die BNP und die Jamaat-e-Islami, waren in Opposition zu Hasina und können auf dieser Basis jetzt Fuß fassen. Schon jetzt versuchen sie, die Revolution vom Klassenkampf auf die Schiene des anti-hinduistischen kommunalen Kampfes zu lenken, indem sie sich auf die riesige Wut gegen den indischen Imperialismus, der Hasina bis heute beherbergt, stützen. Aber eine Massenbasis haben sie nicht, denn 85% der Bangladeschis sagen offen, dass es eine neue Partei braucht.
Die echten Linken müssen jetzt um die Führung in der Bewegung kämpfen. Dafür braucht es einen Bruch mit den falschen Traditionen der alten stalinistischen und maoistischen Parteien und mit dem religiösen Kulturkampf. Die Arbeiter und Studenten müssen eine Partei gründen, die vollständig mit dem Kapitalismus bricht und ein klares revolutionäres und klassenkämpferisches Programm verteidigt.
13 Tage nach dem Sturz der Diktatorin Sheikh Hasina in Bangladesch veranstaltete die Revolutionäre Kommunistische Internationale (RKI) eine Online-Diskussion, um diesen Sieg zu feiern und eine kommunistische Perspektive und ein kommunistisches Programm anzubieten. Viele der über 170 Teilnehmer kamen aus Bangladesch und auch ein wichtiger kommunistischer Aktivist der Universität Dhaka hielt einen Wortbeitrag.
Wir sagen:
- Enteignet alle, die mit dem alten Regime verbunden sind! Verstaatlicht die Kommandohöhen der Wirtschaft (Banken, Fabriken, Transport, industrielle Landwirtschaft und Telekommunikation) unter Arbeiterkontrolle ohne Entschädigung an die Kapitalisten!
- Für eine kostenlose Gesundheitsversorgung für alle! Verstaatlichung aller privaten Spitäler und Kliniken unter demokratischer Arbeiterkontrolle ohne Entschädigungen!
- Für die gleiche Anerkennung aller Sprachen und ethnischen Minderheiten!
- Für eine 100%ige Erhöhung der Löhne für alle Arbeiter!
- Volle Gewerkschaftsrechte für die Arbeiter in allen Industrien!
- Volle Gleichberechtigung von Arbeiterinnen und Arbeitern!
- Delegierte der Arbeiter- und Studentenkomitees müssen sich auf einem nationalen Kongress treffen, um eine Regierung der Arbeiter und Studenten, ohne Kapitalisten, zu bilden!
- Die Revolution muss zum vollständigen Sieg geführt werden, das geht nur in Form einer sozialistischen Revolution!
Wir sind erst am Anfang des revolutionären Prozesses – einem Kampf lebendiger Kräfte. Mit der Zeit werden durch Erfahrungen verschiedene Ideen abgetestet. Wir sind optimistisch, dass die revolutionären Kräfte in Bangladesch die richtigen Schlüsse ziehen werden. Ein führender Genosse der RKI in Pakistan sagt Folgendes: „Eine erfolgreiche sozialistische Revolution in Bangladesch wird der Beginn einer sozialistischen Revolution in Südasien sein, die die Verbrechen der Kolonialherrschaft und des Imperialismus zunichtemachen wird. Eine sozialistische Föderation in Südasien wird der Beginn einer Weltrevolution sein!“
Vorwärts zum Sieg, Genossinnen und Genossen!
(Funke Nr. 226/28.09.2024)
Das Blut in den Steinen
Gedicht von Jamie Patton
Ich besuchte früher alte Paläste.
Ich sah dann,
wie das Blut derer aus dem Gemäuer troff,
deren Leben umsonst hier im Mörtel zerrieben wurden.
Wie viele Bauern starben, um sie zu errichten?
Wie viele Menschenleben raubte die Eitelkeit der Könige?
Ich sehe, dass unsere Welt, die wir erbauten,
vor Blut ganz und gar trieft.
Doch es ist unser Blut.
Wir werden doppelt ruiniert:
Zuerst, wenn wir bauen und und es uns das Kreuz oder den Geist bricht,
dann, wenn sie uns ausschließen
aus der Welt, die wir erbaut haben.
Wir sind vertrieben und hungrig
und unsere Leiden vereinen sich alle
wie ein Fluss vermischt,
der ins große, offene Meer strömt.
Ich weiß, dass du müde bist,
schließlich ist das Blut deines
Herzens so ausgedünnt.
Hebe einmal den Blick.
Schau, es umgeben dich Wunder.
Es sind deine Wunder.
Nimm sie dir.