Die Medien berichten, dass die Wiener Schulen unter erheblichem Druck stehen, da die Zahl der schulpflichtigen Kinder in den letzten Monaten stark angestiegen ist. Es fehle an Lehrpersonal und Platz. Als Notlösung werden an manchen Schulstandorten Containerklassen aufgestellt. In einem wohlhabenden Land wie Österreich müssen Schüler in Containern ihren Alltag bestreiten! Als Ursache dieses Missstandes wird aber nicht die permanente Unterfinanzierung im Bildungsbereich genannt, sondern die Familienzusammenführungen von geflüchteten Menschen. Von Merve Beypinar
Dabei ist die Debatte über die mangelnden Ressourcen im österreichischen Bildungssystem nicht neu. Die Budgeterhöhungen der letzten Jahre haben die steigenden Kosten aufgrund der Teuerungskrise nicht mal annähernd gedeckt. Der enorme Mangel an Lehrpersonal bleibt weiterhin bestehen und die psychologische Betreuung von Kindern und Jugendlichen reicht nicht aus. Das sind die Gründe, warum das kaputtgesparte Bildungssystem in Österreich es nicht schafft, ein paar Tausend schulpflichtige Kinder einzugliedern.
Was sind Familienzusammenführungen?
Personen, denen in Österreich ein Schutzstatus gewährt wurde, haben unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, ihre engsten Familienangehörigen nach Österreich nachzuholen. Die Familienzusammenführung ist derzeit die einzige sichere Fluchtmöglichkeit nach Österreich.
Tatsächlich sind die Asylanträge nach der Pandemie in den letzten beiden Jahren gestiegen. Aufgrund der längeren Bearbeitungsdauer wurde über diese Anträge im Laufe des Jahres 2023 entschieden und der Asylstatus erteilt. Die Asylberechtigten, die primär aus Syrien oder Afghanistan kamen, können nun Ehepartnerinnen und minderjährige Kinder nachholen. Mehr als die Hälfte davon sind Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind und erst in den nächsten Jahren in die Schule kommen werden. Die Zahlen sind nicht überraschend und der erhöhte Bedarf kommt nicht unerwartet – weder für das Innenministerium noch für die Schul- bzw. Wohnbehörden in Wien. „Die Familienzusammenführungen sind das Planbarste im Asylbereich“, sagt Lukas Gahleitner, Sprecher der Asylkoordination gegenüber dem „Standard“. Doch nicht einmal dieser simplen Aufgabe wird das völlig planlose kapitalistische System gerecht.
Reaktionäre Politik
Das gesamte Management lastet auf der Stadt Wien. Die meisten Asylberechtigten zieht es aufgrund von bereits bestehenden Communities, Jobs und Wohnraum nach Wien. Weiters versorgt die Stadt weit mehr Asylwerber als die Quoten-Vereinbarung vorsieht. Das ist das Resultat der verfehlten „Integrationspolitik“ der ÖVP in den letzten Jahren, aber auch das Versagen der Politik der Stadt Wien, die die Unterfinanzierung des Bildungssystems grundsätzlich nicht in Frage stellt. Jahrelang wurden Sozialleistungen für Schutzberechtigte in den anderen Bundesländern teilweise abgebaut und der Rechtsanspruch auf Deutschkurse wurde abgeschafft. Besonders Niederösterreich tut, was es kann, um die Zahl der Asylwerber im eigenen Bundesland so niedrig wie möglich zu halten. Die Eingliederung von Asylwerbern wird in den von der ÖVP regierten Bundesländern massiv erschwert.
Keine der regierenden Parteien hat eine reale Lösung für den enormen Mangel im Bildungssystem. Der Wiener Bildungsstadtrat Christian Wiederkehr von den NEOS plädiert für eine rechtlich nicht zulässige Wohnsitzbeschränkung und fordert, die Bewegungsfreiheit der Asylberechtigten einzuschränken. Asylberechtigte sollen nur in dem Bundesland leben dürfen, in dem sie die Grundversorgung bezogen haben.
Kanzler Nehammer spricht sich für DNA-Tests aus und stellt Asylberechtigte unter Generalverdacht. Damit kriminalisiert er Schutzsuchende und wirft ihnen vor, Urkunden und Dokumente zu manipulieren und damit fremde Personen als Familienmitglieder darzustellen. Am liebsten würde Nehammer das „Ruanda-Modell“ seines britischen Parteifreunds Sunak kopieren, sprich Asylsuchende ohne gültige Papiere in einen Drittstaat außerhalb der EU verfrachten.
Keine der vorgeschlagenen Forderungen verbessert die Situation an den Schulen in Wien und Österreich. Es dient lediglich dazu, vom eigentlichen Problem abzulenken und Flüchtlinge einmal mehr zum Sündenbock für alle möglichen Probleme zu machen. Nicht die geflüchteten Kinder sind die Ursache des Mangels, denn dieser ist das Ergebnis einer gezielten Sparpolitik im Bildungssystem.
(Funke Nr. 224/30.05.2024)