Die reaktionären Kräfte in Spanien mobilisieren seit Wochen gegen ein geplantes Amnestiegesetz für die katalanischen Separatisten. Die Drohgebärden fanden ihren Höhepunkt in einem offenen Aufruf zum Staatsstreich gegen die sozialdemokratische Regierung durch eine Gruppe von 50 pensionierten Offizieren. Die Arbeiterklasse muss auf der Straße mit Massenmobilisierungen antworten. Von Laura Höllhumer.
Um eine Mehrheit im Parlament zu formieren, braucht die neue Regierung unter der Sozialistischen Arbeiterpartei PSOE die Unterstützung der katalanischen Unabhängigkeitspartei Junts per Catalunya. Diese verlangt für ihre Zusammenarbeit Zugeständnisse, u.a. die Amnestie für diejenigen, die seit 2012 wegen ihrer Teilnahme an der Unabhängigkeitsbewegung verurteilt und angeklagt wurden. Wir Kommunisten unterstützten das katalanische Unabhängigkeitsreferendum, das vom Staat gewaltsam unterdrückt und angegriffen wurde. Hunderten politischen Verfolgten, die seither von Repression betroffen sind und sogar ins Exil flüchten mussten, ermöglicht die nun geplante Amnestie Straffreiheit.
Obwohl diese Deeskalation der nationalen Unterdrückung innerhalb Spaniens von dem langfristig denkenden Teil des Bürgertums befürwortet wird, kann die politische Rechte und der Staatsapparat sie nicht akzeptieren. Der spanische Staatsapparat steht noch heute in direkter Kontinuität der Franco-Diktatur. Gemeinsam mit der Kirche und dem traditionalistisch-spanischen Kapital formierte er einen hysterischen und gewaltbereiten Block gegen Zugeständnisse an die „Separatisten“. Sie sind eher bereit, das Land und Katalonien in Brand zu setzen, als die Amnestie zuzulassen.
Vom Beginn an hatten sich alle Richtervereinigungen aggressiv gegen die Amnestie und die, von ihnen sogenannte, „politische Einflussnahme auf die Justiz“ gestellt. Eine solche wird nämlich nur gutgeheißen, wenn sie sich gegen Arbeiter und Linke richtet. Aus den Reihen der Polizei und der Guardia Civil (polizeich-militarische Polizeieinheit) drangen Aufrufe zur Befehlsverweigerung gegen die Regierung und schließlich veröffentlichten 50 Offiziere im Ruhestand einen offenen Aufruf zum Putsch.
Dieser reaktionäre Block ist geeint im gemeinsamen Klasseninteresse und ihrer ausgewiesenen Feindschaft zur Arbeiterklasse. Sie wollen nicht nur das Amnestiegesetz kippen, sondern den regierenden Linksblock spalten und eine Wahlwiederholung erzwingen. Gleichzeitig wird versucht, in der Gesellschaft ein Klima der Angst und der Reaktion, des Patriotismus und der Hetze zu schaffen, um die Linke und die Arbeiterbewegung zu isolieren. Bei den Mobilisierungen auf der Straße, dem Aufruf der Rechten folgten am Höhepunkt hundertausende Demonstranten, spielen offen faschistische Gruppen eine wichtige Rolle.
Dass das Programm vom Staatsstreich derzeit keine Unterstützung finden konnte, liegt nicht an den demokratischen Überzeugungen der herrschenden Klasse Spaniens. Sie und ihr Personal im Staatsapparat sind tief durchdrungen von faschistischer Ideologie. Der Grund liegt in der überwältigenden Stärke der Arbeiterklasse und der geschwächten sozialen Basis der Reaktion in der Gesellschaft, dank der Stärke der Arbeiterklasse. Ein ernsthafter Versuch die Regierung zu putschen würde eine Gegenreaktion der Arbeiterklasse provozieren und damit das gesamte kapitalistische Regime, inklusive der Monarchie, in Frage stellen. Die Hauptsorge der denkenden Bourgeoisie ist aktuell daher eine weitere Eskalation der Situation. Angesichts dessen musste sich auch König Felipe auf ohnmächtige Gesten der Sympathie mit der Reaktion beschränken.
Die Arbeiterbewegung muss ihre Übermacht aktiv unter Beweis stellen und Massenmobilisierungen gegen die Angriffe auf die Demokratie und die Arbeiterklasse in jeder großen Stadt organisieren. So kann sie alle reaktionären Kräfte vertreiben, denn diese erscheinen nur deshalb stark, weil die Linke und die Arbeiterklasse nicht in die Gegenoffensive gehen. Die Genossen von unserer spanischen Schwesterorganisation Lucha de Clases setzen sich für eine größtmögliche Geschlossenheit der verschiedenen Strömungen der Arbeiterbewegung im Kampf gegen die Reaktion ein, ohne dabei auf Kritik an der Beschränktheit des Reformismus zu verzichten. Eine geeinte Arbeiterklasse, die gemeinsam mit der Jugend und allen Unterdrückten zu kämpfen beginnt, kann nichts stoppen.
(Funke Nr. 219/06.12.2023)