Großbritannien galt jahrzehntelang als ultimative Verkörperung von Stabilität und Konservatismus. Heute ist es eines der turbulentesten Länder Europas. Von Valentin Iser.
Die jahrelangen Einsparungen in allen Teilen der Gesellschaft und die Privatisierungen des öffentlichen Sektors schlagen sich nun massiv in erdrückenden Lebenskosten für die Arbeiterklasse nieder. Die Regierung von Rishi Sunak senkt weiterhin die Ausgaben für öffentliche Dienste, während Wartelisten in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bereits im siebenstelligen Bereich sind und Gerichtstermine monate- bis jahrelang verschoben werden müssen. Diese brutale Einsparungspolitik führte bereits zu massiven Streiks im Transport-, Bildungs- und Gesundheitsbereich.
Aber der Vorsitzende der Labour-Party Keir Starmer bietet keine Alternative zu diesen Angriffen auf die Arbeiterklasse. Er hat stolz verlautbaren lassen, dass er das Werk des rechten Labour-Premierministers Tony Blair weiterentwickeln will, der die Partei in den 90ern und frühen 2000ern in den Irakkrieg führte und endgültig von auch nur annähernd sozialistischen Prinzipien bereinigte. Labour bereitet sich so bewusst auf die Aufgabe vor, sich in der nächsten Regierung zum Handlanger der herrschenden Klasse in Großbritannien sowie derer imperialistischen Interessen zu machen. Dabei bedeutet die tiefe Krise im Land, dass eine Regierung mit Starmer an der Spitze dafür noch weiter gehen müsste als Blair: Es wäre die rechteste Labour-Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele Arbeiter und vor allem die Jugend werden sich also angewidert von Labour abwenden und nach einem neuen Referenzpunkt in der Arbeiterbewegung Ausschau halten.
In diesem Kontext fand von 10. bis 12. November in London das „Revolution Festival“ unserer britischen Schwestersektion „Socialist Appeal“ statt, an dem knapp eintausend Kommunisten teilnahmen. Auch 20 Delegationen aus anderen Ländern waren vertreten, unter anderem auch 12 Genossen vom Funke, der österreichischen Sektion der International Marxist Tendency.
Während alle gesellschaftlichen Bereiche und politischen Kräfte inklusive der sogenannten „Linken“ von einem giftigen Pessimismus durchzogen sind, war das Festival von Optimismus geprägt. Denn ausgestattet mit marxistischer Theorie können wir über die oberflächlichen Turbulenzen hinwegsehen und die unterliegenden Prozesse verstehen.
Daher war der Durst nach Theorie groß. Die Seminarräume aller 36 Vorträge waren prall gefüllt und bis in die letzte Reihe besucht und in den Pausen deckten sich die Genossen mit Literatur im Wert von insgesamt über 7000 Pfund ein. Die gegenwärtige Krise des Kapitalismus führt zu einer Radikalisierung von neuen Teilen der Arbeiterklasse und Jugend, die erstmals die politische Arena betreten. Dieser Optimismus war an jenem Wochenende besonders stark zu spüren. Unsere britischen Genossen verkündeten feierlich, ihr Ziel von 1000 Mitgliedern bereits um 100 Neubeitritte übertroffen zu haben.
Angesichts dieser Erfolge verkündeten sie, ihre Zeitung in „The Communist“ umzubenennen und dass Anfang des kommenden Jahres der Gründungskongress der „Revolutionary Communist Party“ stattfinden wird. Angesichts dieses Meilensteines der IMT in Großbritannien ist eine Umbenennung und ein noch offeneres Auftreten als revolutionäre Kommunisten nur angemessen! Denn bis zur nächsten Wahl sollte sich die Organisation noch einmal auf 2000 Mitglieder verdoppeln, um mit den Ereignissen Schritt halten zu können.
Wir aus Österreich konnten uns im Laufe des Wochenendes mit vielen internationalen Genossen austauschen und sind hochmotiviert zurückgekehrt, um uns auch in Österreich auf die kommende Periode vorzubereiten. Denn auch hierzulande bereiten die Bürgerlichen massive Angriffe auf die Arbeiterklasse vor, auch hierzulande geht die Sozialdemokratie schnell nach rechts und es braucht dringend eine starke revolutionäre Organisation.
Aber auch in Österreich öffnen sich immer breitere Schichten der Arbeiterklasse und vor allem Jugend kommunistischen Ideen und haben keinerlei Illusionen mehr in reformistische Ansätze. Diese Teile der Gesellschaft gilt es nun zu gewinnen und zu Marxisten auszubilden, um auch in Österreich ein Referenzpunkt für die radikalsten Schichten der Arbeiterklasse zu sein und aktiv in Klassenkämpfen intervenieren zu können! Also auf zu den 300, den 500, den eintausend Genossen in Österreich, lang lebe die Internationale Marxistische Tendenz!
(Funke Nr. 219/06.12.2023)