Unter dieser peinlichen Schlagzeile konnten wir, Normalsterbliche, uns am 3.9. auf der gesamten Seite 3 der „Vorarlberger Nachrichten, für das „zutiefst christliche, Lebenswerk des langjährigen Blum-Chef Komm.-Rat Bertl Widmers begeistern, der soeben den 33. Dr.-Toni-Russ-Preis gewonnen hat.
Die „VN, und ihr Herausgeber Herr Russ wie auch die Firma „Blum, sollten aufmerksamen „Funke“-LeserInnen bekannt sein. In Nr. 44 portraitierten wir ausführlich die in der Hand der Familie Russ konzentrierte Medienlandschaft in Vorarlberg und in Nr. 41 berichteten wir über den rassistischen Zustand in der Firma „Blum“, wo türkischen ArbeitsmigrantInnen ihre gewonnen Betriebsratmandate in einer gemeinsamen Aktion von Politik, ÖGB und Unternehmen wieder aberkannt wurden.
Und am 4.9. wurden wir noch einmal beglückt: 3 Seiten Sonderberichterstattung, 60 Fotos von 350 geladene Ehrengästen. Da sehen wir den Festspielpräsidenten mit Gattin, den Landeshauptmann (ohne), den Sicherheitsdirektor mit dem Raiffeisendirektor, den Bundesratsvizepräsidenten (mit), den Landesrat mit dem Militärkommandanten, den Familienmenschen Widmer, den Abt Lauterer, nur einer fehlt: der Familienbischof!! Wir vermuten: er entdeckt gerade das andere Geschlecht anhand der Broschüre „Love, Sex und so…,
Eine Frage ist jetzt allerdings noch nicht geklärt: Warum wird einem Manager der Ehrenring übergestülpt? Alle seine Vorgänger hatten einen Verdienst für Mitmenschen vorzuweisen, oder für das Land Vorarlberg (was ja im Grunde dasselbe ist, oder?) – und nun ein Manager?!
Das von den „VN, ausführlich portraitiere und kommentierte Lebenswerk des Frontmann der heimischen Wirtschaft gibt erste Aufschlüsse: sein außerordentlich engagierter Einsatz für Unternehmen und Mitarbeiter wird gelobt (darum braucht’s ja auch keine TürkInnen im Betriebsrat), durch den vielen Menschen in Vorarlberg zu Arbeit verholfen wurde.
Doch das alleine reicht heute nicht mehr: Widmer wird belohnt, weil er ArbeiterInnen anstellt! Hört, hört! Als ob ein Industrieller ohne ArbeiterInnen Profite machen könnte. Widmer aber wird ausgezeichnet, so Eugen A. Russ, weil er keine Bilanzen fälschte und Shareholder-Value nie eine „Ersatzreligion, für ihn war! Also wenn man heute ein ehrlicher Unternehmer ist und nicht gegen das bürgerliche Gesetzbuch verstößt, dann wird man Preisträger.
Aber wir sollten auch Bertl Widmers beinahe messianisches Sozialengagement hervorheben… Norbert Loacker, ÖGB-Vorsitzender, der auch in den Vorfall mit dem „Blum“-Betriebsrat involviert war, meint: Bertl Widmer ist eine einmalige Persönlichkeit, weil er die Symbiose von höchsten Managerqualitäten und höchster Sozialkompetenz fast perfekt verkörpert. Ein Halbgott also! Kollege Loacker habe ihn als Chefverhandler der Metaller-Arbeitgeberseite sehr schätzen gelernt – und dies offensichtlich so sehr, dass er jahrelang dabei vergaß den Lohnabschluss über die Inflationsrate zu drücken – vergelt’s Blum! Vermutlich verfügte der Bertel also über mehr Handschlagqualitäten als Attila Dincer, der türkische KollegInnen doch tatsächlich darin bestärkt hatte, auf einer eigenen Liste zu kandidieren.
Ein Argument war damals, dass der Betrieb keine Moschee werden dürfe, sehr wohl aber eine Kirche: Kpl. Emil Bonetti hält eine weitere Laudatio: dieses Lebenswerk war zutiefst christliches Handeln. Komm.-Rat Bertl Widmer hingegen ist zumindest so ehrlich, die wahre Natur seines sozialen Handelns (großzügige Spenden für Mutter Theresa, Pater Sporschill…) einzugestehen: So haben wir auch eine vertrauensbildende Kommunikation abseits des Business aufbauen können.
Und nun des Landesvaters Laudatio. Widmer sei der Beweis, dass Markt, Leistung, Wettbewerb mit Menschlichkeit kompatibel sind. Er lobt sein Geschick für Motivation (TürkInnen etwa jede Ausdrucksmöglichkeit zu nehmen), dessen Sozialverantwortung und Nachhaltigkeit im Wirtschaften.
Nun inwiefern ist dieser Betrieb nachhaltig, könnte man fragen? Die hergestellten Schubladenbeschläge sind nachhaltig zu und springen nicht von selber wieder auf? Die Bandscheiben und Trommelfelle der 3200 Mitarbeiter werden vom Lärm und der Arbeitshaltung an den Metallmaschinen nachhaltig geschädigt? Schicht- und Akkordarbeit beeinträchtigen das Leben so nachhaltig, dass die Krankheit der Hälfte der Patienten der Neurologischen Abteilung des Landeskrankenhauses auf diese Art der Beschäftigung zurückzuführen ist?
Widmer selbst sorgt für den einzigen wahrheitsgetreuen Sager auf viereinhalb Seiten: Rezept für den Erfolg kenne allerdings auch ich keines. Für deine Ehrlichkeit hast du diesen Preis verdient, Bertel!