In der süditalienischen Kleinstadt Rosarno kam es in den letzten Tagen zu gewaltsamen Protesten von Arbeitern aus Schwarzafrika gegen rassistische Gewalt und Extraausbeutung durch die Mafia.
Ihr nennt die „Illegale“, dabei sind sie das Produkt der rassistischen Gesetze, die ihnen keine Möglichkeit gibt regulär zu arbeiten. Ihr seht in ihnen „Verbrecher“, dabei sind sie selbst Opfer unzähliger Gewaltakte. Sie wollen nur arbeiten, sie haben angsterregende Bedingungen hinter sich gelassen und hier noch schlimmere vorgefunden. Doch ihre Stimme, ihre Worte und ihre Vorstellungen, die sie zum Ausdruck bringen, beweisen eine Würde, die die rassistischen Minister, die regimetreuen Medien und gewisse Politiker nie haben werden. Arturo Lavorato, kalabresischer Regisseur und Journalist.
Rosarno ist eine kleine Stadt in der süditalienischen Provinz Reggio Calabria. Diese Region ist Mafialand, weit weg von den touristischen Highlights am Stiefel. Am 7. Jänner schaffte es Rosarno doch in die internationalen Medien. Hunderte Arbeiter, Migranten aus Schwarzafrika, zogen marodierend durch die Stadt und lieferten sich mit der Polizei Straßenschlachten. Ausgelöst wurde diese spontane Protestwelle, als zwei Arbeiter auf dem Gelände einer ehemaligen Fabrik, der Opera Sila di Gioia Tauro, wo hunderte Arbeiter unter katastrophalen Umständen hausen, durch Schüsse aus einem Luftdruckgewehr verletzt wurden. Einer von ihnen ist ein anerkannter politischer Flüchtling aus dem Togo mit einem regulären Aufenthaltsstatus. Die Täter waren Jugendliche, die aus einem Auto heraus das Feuer eröffneten. Hunderte Arbeiter, die zu einem Hungerlohn in der Orangenernte eingesetzt werden, machten sich daraufhin auf den Weg in die Stadt und zogen eine Spur der Verwüstung.
Diese afrikanischen Arbeiter protestieren nicht das erste Mal gegen die Umstände, unter denen sie hier schuften und leben müssen. Schon im Dezember 2008 führte ihr Aufbegehren zur Verhaftung von drei Unternehmern weil sie Arbeiter nachweislich wie Sklaven gehalten haben. Die Fäden hinter dieser modernen Form der Superausbeutung zieht die ’Ndrangheta, wie die Mafia in Kalabrien heißt. 2500 Arbeiter leben in Rosarno und Umgebung. Ihre Behausungen sind kleine Hütten aus Karton und Brettern, ohne WC und fließendes Wasser und befinden sich in stillgelegten Fabriken. Sie müssen täglich 12-14 Stunden arbeiten – und zwar für 20-25 Euro am Tag! Sie sind das schwächste Glied in einer Kette eines unmenschlichen Wirtschaftssystems.
Die Mafia kontrolliert in dieser Region alles. Je nach Belieben eröffnet sie und schließt wieder Unternehmen (vor allem zur Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte wie Oliven oder Orangen) und holt sich so die vom Staat zur Verfügung gestellten öffentlicher Gelder zur „Entwicklung“ des Südens. Die Politik hat schon mehrfach versprochen die unmenschlichen Bedingungen, unter denen diese Arbeiter leben müssen, zu beseitigen. Doch es geschieht bis zum heutigen Tag nichts, was das Schicksal dieser Menschen verbessern würde.
Seit 1992 leben Tausende Migranten aus Afrika in diesem Gebiet. Sie sollten damals die heimischen Landarbeiter als Erntehelfer ersetzen, weil sie noch weit billiger zu arbeiten gewzungen waren. Der Preis für Orangen ist in den vergangenen Jahren jedoch stetig gesunken und liegt heute bei 10-20 Prozent vom Ausgangspreis. Doch nicht alle in Rosarno leiden unter diesem Preisverfall. Einige wenige bereichern sich weiter, notfalls greifen sie dabei auch auf kriminelle Methoden zurück, um von der EU Subventionen zu lukrieren. 2007 wurde so ein Fall aufgedeckt.
In der letzten Saison hatten die landwirtschaftlichen Großbetriebe, für die diese afrikanischen Arbeiter im Einsatz sind, unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise und wetterbedingter Ernteausfälle die Ausbeutung weiter verschärft. Dies ist die tatsächliche Grundlage für die jüngste Rebellion in Rosarno. Der rassistische Gewaltakt war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Diese Arbeiter sind wie Millionen andere aus Afrika oder aus Osteuropa eine wichtige Stütze der (süd)italienischen Wirtschaft. Durch rassistische Gesetze werden sie zu Billigstarbeitern degradiert. Und die Regierung, die diese Gesetze und deren Exekution weiter verschärfen will, versucht dann auch noch mit rassistischen und fremdenfeindlichen Parolen politisches Kleingeld zu wechseln, wenn sich diese Menschen zu wehren beginnen. Dass diese Hetze der Rechten auf den fruchtbaren Boden fällt, ist angesichts von steigender Arbeitslosigkeit, Kaufkraftverlust, prekären Arbeitsverhältnissen nicht groß verwunderlich. Die Spaltung in „Italiener“ und „Ausländer“ wird gezielt befördert, um einen Krieg unter den Armen in Gang zu setzen, von dem nur die Mafia und die Unternehmer im Allgemeinen profitieren.
Der Kampf für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen und gegen jede Form der gesetzlichen Diskriminierung von ArbeitsmigrantInnen muss den Ausgangspunkt für die Gewerkschaften und die Linke bilden. Wo es zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen diese KollegInnen kommt, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben, gilt es deren Schutz und Verteidigung zu organisieren. Zentral ist aber, dass die Linke imstande ist zu erklären, dass der schwarzafrikanische Erntehelfer genauso ein Opfer dieses ausbeuterischen Systems ist wie der prekär beschäftigte Handelsangestellte in einem Einkaufszentrum oder der junge Arbeitslose. Die Einheit aller ArbeiterInnen egal welcher nationaler Herkunft, welcher Hautfarbe, Sprache oder Religion im Kampf gegen die Mafia und gegen den Kapitalismus muss das vorrangige Ziel sein.