Während Wissenschaftsminister Hahn die Koffer nach Brüssel packt, stehen die Unis in Flammen. Eine Zwischenbilanz der bisherigen Proteste an den österreichischen Unis.
Der Bologna-Prozess kombiniert mit chronischer Unterfinanzierung macht das Studium zu einem einzigen Spießrutenlauf. Heute ist der Tag der Demos – Regierung und Rektoren werden sich wundern, wenn tausende Studierende und solidarische Menschen die Straßen der Unistädte fluten werden. Allein: bisher hat die Protestbewegung an den Unis noch keine Methode gefunden, die einen kollektiven Kampf der Studierenden ermöglichen würde.
Schaffung von „Freiraum“ oder gemeinsamer Kampf?
Die Besetzung von Hörsälen gilt der Bewegung bisher als das Mittel des Widerstands. Ausgehend vom AudiMax in Wien hat sich die Bewegung auf die meisten Universitäten ausgeweitet. Jedoch sind die Schwächen dieser Strategie offensichtlich: Einerseits fürchten AudiMax-AktivistInnen durch weitere Besetzungen in Wien nicht zu unrecht die Schwächung der AudiMax-Besetzung, andererseits, und dies ist viele entscheidender: Eine große Mehrheit der Studierenden sieht in Besetzungen momentan kein geeignetes Mittel und findet daher keine Möglichkeit in einen kollektiven Kampf um besser Studienbedingungen einzutreten.
Besetzungen sind Teil einer jeden Studierendenbewegung. In früheren Uni-Bewegungen galt das AudiMax immer als Zentrum des Widerstands und wurde etwa in der Streikbewegung von 1996 über Wochen besetzt gehalten – als Ort der kollektiven Diskussion, Entscheidungsfindung und Ausgangspunkt von Mobilisierungen.
Worin liegt aber bis jetzt der Charakter dieser Besetzung? Es wurde zwar eine beeindruckende Infrastruktur – von Volxküche über Erste Hilfe bis hin zu Livestream-Übertragungungen ins Internet – aufgezeigt. Dies zeigt, dass selbstbestimmtes Handeln möglich ist und besser funktioniert als entfremdete Lohnarbeit. Allein es stellt sich die Frage, ob man sich hier nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ einen zeitweiligen Freiraum schaffen will – oder ob es gelingt die Bewegung auf der Uni selbst zu konsolidieren, auszuweiten und aus der Uni hinauszuführen – was in letzter Konsequenz der Schlüssel zum Erfolg wäre.
Gefahr der Schwächung
An vielen Instituten finden in diesen Tagen und Stunden HörerInnenversammlungen statt. Die größten Hörsäle platzen aus allen Nähten. Es wird über die unzumutbaren Bedingungen diskutiert, Soli-Delegationen werden enthusiastisch begrüßt, die Idee einer Besetzung wird eingebracht und akklamiert, und dann wird die Versammlung in Arbeitsgruppen aufgelöst erklärt, noch bevor in einer Plenardiskussion über Perspektiven und Methoden des Widerstands geredet werden kann. Auf der „Internationalen Entwicklung“, wo Hunderte StudentInnen sich kampfbereit gezeigt haben, führte dies dazu, dass die Besetzung/Blockade nach wenigen Stunden aufgelöst wurde, während in den inzwischen gebildeten Arbeitsgruppen der aktivsten AktivistInnen noch über die Etablierung der Volxküche, die Pressearbeit oder Forderungen diskutiert wird.
Die Abneigung der Mehrheit der AktivistInnen gegenüber kollektiven Formen der Diskussion und der Entscheidungsfindung führt so direkt zu StellvertreterInnenpolitik durch VollzeitaktivistInnen und damit zu einer Schwächung der Bewegung. Die Alternative dazu ist eine demokratische Protestbewegung. Arbeitsgruppen und Internet als alleinige Formen der Entscheidungsfindung ergeben noch keinen demokratischen Diskussionsprozess, mit dem die Bewegung aufgebaut werden kann. Im Gegenteil, anstatt den Widerstand zu sammeln wird er vereinzelt, die kollektive Meinungsbildung wird verhindert. Diese jedoch ist unabdingbar wenn wir eine Chance haben wollen unsere Forderungen auch durchzusetzen.
Denn: uns stehen geballte Kräfte gegenüber
Gegen uns stehen nicht nur das Rektorat und das Ministerium, die jederzeit auf die Sondereinheiten der Polizei zurückgreifen können und dies im aus ihrer Sicht geeigneten Moment auch tun werden. Die allgemeinen ökonomischen Rahmenbedingungen machen unseren Kampf nicht gerade leichter. Die massive Staatsverschuldung aufgrund der Wirtschaftskrise und der Bankenrettungspakete führt dazu, dass der Staat kaum Spielraum für Reformen in unserem Interesse hat. Die Kosten der Krise soll in den kommenden Jahren auf die Lohnabhängigen und die Jugend abgewälzt werden. Alle Parlamentsparteien stimmen darin überein wieder auf eine Staatsverschuldung im Sinne des EU-Stabilitätspakts zurückzukommen – was jährlich Sparpakete in der Höhe von 10-12 Mrd. Euro bedeutet – bis zum Jahr 2025!
Ein symbolischer Protest wird daher nicht ausreichen, um unsere Forderungen durchsetzen zu können. Die Idee, dass wir Studierende hier auch nur einen Hauch von Chance haben, wenn wir auf Arbeitsgruppen der AktivistInnen setzen und uns darauf verlassen, dass daraus ein Blumenstrauß kreativer Protestformen erwächst, ist eine Illusion – es sei denn man gibt sich damit zufrieden für einige Zeit einen Freiraum erobert zu haben.
Die Besetzung des AudiMax und anderer großer Hörsäle an anderen Unis kann daher nur ein erster Schritt sein. Die heutigen Demos in Wien und Salzburg bzw. morgen in Innsbruck sind wichtig, damit die Bewegung Stärke beweisen kann. Der nächste Schritt kann nur ein Streik an den Unis sein, als Ausgangspunkt für einen bundesweiten Streik im gesamten Bildungssystem.
Wir, die UnterstützerInnen der marxistischen Strömung „Der Funke“, sind wie Hunderte andere AktivistInnen seit Tagen auf der Uni Wien aber auch in Graz, Linz und Salzburg aktiv und stehen für folgende Argumente:
– In den HörerInnenversammlungen auf den Instituten und Unis soll eine umfassende kollektive Diskussion über die Forderungen, Perspektiven und Mittel des Widerstands abgehalten werden. Basierend auf dieser Diskussion soll ein der HörerInnenversammlung verpflichteter und jederzeit abwähl- und erweiterbarer Widerstandsrat gewählt werden.
– Der aktive Streik der Studierenden in Kombination mit Demonstrationen ist jene Widerstandsform, die es schafft den Unmut der Studierenden am umfassendsten zu artikulieren.
– Auf den Unis ist noch viel zu tun, eine aktive Streikbewegung entsendet daher Delegationen in Institute und Universitäten, die bisher von der Bewegung nur am Rande erfasst wurden und argumentiert hier für eine Ausweitung des Streiks.
– Die DruckerInnen kämpfen um ihren KV, die MetallerInnen sind ebenfalls in schwierigen KV-Verhandlungen und werden bald zu kämpfen beginnen müssen. Das LehrerInnendienstrecht wird angegriffen, die KindergartenpädagogInnen und –helferInnen haben ihre Kampfbereitschaft in Demos bewiesen und wollen weiter kämpfen. Die SchülerInnen haben es im Frühjahr den Unis bereits vorgemacht wie man erfolgreich kämpfen kann. Bei den HörerInnenversammlungen sollen Delegationen zusammengestellt werden, die direkt zu den Betroffenen in ihre Betriebe und Schulen gehen und dort für einen gemeinsamen Streik- und Demonstrationstag werben.
– Das besetzte Audimax soll zum Zentrum dieser Bewegung werden, wo auf täglicher Basis in HörerInnenversammlungen die Koordination und zeitliche Abstimmung aller Aktivitäten erfolgt.
– Das AudiMax-Plenum soll die Initiative für einen bundesweiten Streiktag im gesamten Bildungswesen ergreifen!
Unterstütze unsere Forderungen und werde mit uns aktiv!