Am 1. Jänner fand in Innsbruck ein unangemeldeter Spaziergang von ca. 800 COVID-LeugnerInnen, sowie drei linke Gegenkundgebungen statt. Erwartungsgemäß kam es dabei zu einem Aufeinandertreffen der COVID-LeugnerInnen mit den linken AktivistInnen, bei dem die Polizei zeigte, wie blind sie auf dem rechten Auge ist. Aus Tirol berichten Martin Stöckl und Vicki Rainer.
Aktuell finden im ganzen deutschsprachigen Raum Demonstrationen von COVID-LeugnerInnen, VerschwörungstheoretikerInnen und „besorgten BürgerInnen“ statt. Kerninhalt dieser Demonstrationen ist die Unzufriedenheit mit der Krisenpolitik der bürgerlichen Parteien. Jedoch sind die TeilnehmerInnen weit davon entfernt, sinnvolle Forderungen wie Verstaatlichungen zu stellen, sondern begrenzen sich auf die Forderung, die Maskenpflicht und den Lockdown aufzuheben – was aktuell gesundheitspolitisch sehr gefährlich wäre, und rein einzelnen Kapitalfraktionen wie Einzelhandelskonzernen oder der Tourismusindustrie in die Hände spielen würde.
Diese Demonstrationen dienen Rechtsextremen als willkommene Plattform, um ihr Gedankengut zu verbreiten. In Innsbruck sind sie sehr aktiv in den Telegram-Gruppen zur Organisierung, mindestens ein ortsbekannter Aktivist der Identitären war auf dieser Demo auch Ordner. Angemeldet (und im letzten Moment wieder „abgesagt“) wurde die Demo von Martin Rutter, der 2017 wegen rechtsextremer Verschwörungstheorien aus dem „Team Stronach“ ausgeschlossen wurde, um dann die Reste des BZÖ bei der vergangenen Nationalratswahl anzuführen. Durch die Verbreitung von rechtsextremen Ideologien und Verschwörungstheorien in der Szene der COVID-LeugnerInnen wird gezielt vom wirklichen Problem – der kapitalistischen Wirtschaftsweise – abgelenkt, indem man etwa AusländerInnen beschuldigt, an der derzeitigen Situation schuld zu sein.
In Innsbruck hat sich auch zuerst gezeigt, was sich danach in Graz und Wien bestätigt hat: Die Polizei fasst die COVID-LeugnerInnen mit Samthandschuhen oder sogar kaum versteckter Sympathie an, während gegen Linke hart vorgegangen wird. So nannte der polizeiliche Einsatzleiter F. G. gleich zu Beginn des Spaziergangs den Rechten den vollen Namen eines linken Aktivisten, sowie die Standpunkte der linken Gegenkundgebungen, schlug den COVID-LeugnerInnen eine Route vor und sorgte anschließend dafür, dass sie ungestört durch die Stadt marschieren konnten. Aus der linken Standkundgebung bei der Annasäule entwickelte sich ein Protestzug dagegen, den die Polizei mehrmals zu kesseln versuchte und bei dem sie Transparente und Fahnen ohne Rücksicht auf das Wohl der AktivistInnen beschlagnahmte.
Als der linke Protestzug am Innsbrucker Marktplatz eintraf (wo eine Kundgebung von Funke-UnterstützerInnen angemeldet war), begannen wir sofort damit, Sprüche wie „Alerta Alerta Antifascista“ durch unser angemeldetes Megafon zu schreien. Darauf reagierte die Staatsmacht sofort und riegelte den Protestzug von uns ab. Die Polizei sorgte somit dafür, dass uns im Notfall nur ein minimaler Fluchtweg blieb – strömten von Richtung Markthalle doch hunderte CoronaleugnerInnen, unter ihnen viele Rechte und Rechtsextreme auf uns zu und wurde der gesamte Zugang zur vor uns liegenden Straße doch absichtlich von der Polizei blockiert. Man setzte uns der Gefahr durch körperliche Angriffe aus, da bereits Tage zuvor über Facebook zu Hetzjagden auf uns AntifaschistInnen aufgerufen wurde. Gleichzeitig nutzte Einsatzleiter G. die Gunst der Stunde und drohte uns mit einer Verwaltungsstrafe und der Beschlagnahmung des Megafons, wenn wir antifaschistische Sprüche rufen würden. Diesen Versuch, uns mundtot zu machen, tolerierten wir selbstverständlich nicht.
Als wir nur Minuten später „Siamo tutti antifascisti” durch unser Megafon schrien, kam G. auf uns zu und beschlagnahmte selbiges. Etwa 30 Minuten nach der Beschlagnahmung bekamen wir das Megafon mit dem Hinweis, dass man sich alle darauf vorhandenen Audiodateien durchgehört habe zurück.
Die Polizei hinderte also AntifaschistInnen daran, ihre Meinung gegen Rechte kundzutun, während wir gleichzeitig durch den Anruf eines linken Aktivisten erfuhren, dass rechtsradikale Schlägertrupps zu diesem Zeitpunkt auf Innsbrucks Straßen patrouillierten und nicht davor zurückschreckten, linke Jugendliche anzupöbeln. Gleichzeitig bot uns die Polizei keinerlei Schutz, sondern löste bereits zuvor den linken Protestzug unter Zwang auf. Man ging also radikal gegen uns Linke auf unserer angemeldeten Kundgebung vor, beschlagnahmte unser Megafon, drohte uns mit einer Verwaltungsstrafe, kesselte die anderen linken AktivistInnen ein und nahm ihnen ihre Transparente weg. Währenddessen bat man die Rechten, als sie am Marktplatz eingetroffen waren, sich doch großzügiger- und freundlicherweise langsam zu zerstreuen.
Dass die Staatsmacht an diesem Tag gegen linke AktivistInnen vorging, ist allgemein gesehen nicht verwunderlich. Das Vorgehen der Tiroler Polizei steht hierbei exemplarisch für die „Blindheit am rechten Auge“ des kapitalistischen Staats. Denn rechte Ideologien sind nützlich, um die arbeitende Klasse spalten, und es liegt daher nicht in ihrem Interesse, sie zu bekämpfen, sondern im Gegenteil zu schüren. Im Kampf gegen Rechte verlassen wir uns daher nicht auf den bürgerlichen Staat – sondern setzen auf unsere eigene Kraft; die Kraft der Arbeiterklasse, die Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Sexismus gemeinsam mit dem Kapitalismus auf den Müllhaufen der Geschichte befördern wird!
(Funke Nr. 190/20.1.2021)