Die Arbeit im Textilbereich nach dem Lockdown war vom ersten Tag der Wiedereröffnung an sehr intensiv und anstrengend. Die ganzen Kundenströme, die plötzlich Kleidung kauften, waren für sich schon äußerst nervenaufreibend. Doch das war nicht der einzige Stress.
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Zu Beginn mussten wir darauf achten, dass die KundInnen die Maskenpflicht beachten, was sich nicht immer als leicht erwies. Manche waren dann genervt und man musste sich Beleidigungen anhören. Zudem kamen Sätze wie: „Das ist jetzt eh nicht mehr so schlimm! Die Zweite Welle kommt erst im Herbst! Die Masken schützen dich auch nicht!“ Allein solche Aussagen waren schon sehr dramatisch, wenn man bedenkt, dass man täglich mit KundInnen oft sehr engen Kontakt haben muss.
Was allerdings an die Substanz ging, war die Kurzarbeit. Die ersten Wochen waren noch in Ordnung, weil man im Schnitt nur zehn Stunden in der Arbeit war, allerdings wurde die Stundenanzahl sehr schnell erhöht. Das hatte zur Folge, dass man wieder 90% arbeitete. Die Arbeit ist genauso intensiv, wie wenn man normal arbeiten würde. Nur ist man schlechter personell besetzt als sonst.
Anfangs waren noch sehr viele froh über die Kurzarbeit. Besser, als den Job zu verlieren. Doch als dann die Kurzarbeit verlängert werden sollte kamen die ersten Zweifel auf. Es fühlte sich von Tag zu Tag ungerechtfertigter an, für weniger Geld doppelt so viel zu arbeiten. Jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter fehlten pro Monat 100 Euro, was für eine Branche, in der schon immer sehr schlecht bezahlt wird, eine Katastrophe ist.
Viele meiner ArbeitskollegInnen haben Probleme mit der Miete oder in ihrem Privatleben Druck, der mit mehr Geld besser bewältigbar wäre. Doch ein Ende scheint nicht in Sicht zu sein, weil der Konzern entschieden hat, die Kurzarbeit bis März 2021 zu verlängern. Sehr viele meiner KollegInnen kündigen, weil die körperliche und geistige Belastung wirklich an die Gesundheit geht. Es gibt sehr viele Krankenstände und sogar Burnouts. Oft ist man alleine in einer Abteilung und der Ton mancher Vorgesetzter gegenüber den MitarbeiterInnen ist so mies und bedrückend, dass einige regelmäßig mit einem schlechten Gefühl in die Arbeit gehen.
Auch die Hygienemaßnahmen auf der Arbeit waren nicht das Wahre. Das Putzpersonal war ebenso in Kurzarbeit, deshalb wurde nur vormittags sauber gemacht. Bei einer riesigen Verkaufsfläche und einer großen Mitarbeiterzahl wie bei uns (80 in der Filiale) ist das eindeutig zu wenig, um sichere Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.
Es kommt noch hinzu, dass der Konzern in Deutschland im nächsten Jahr bis zu 200 Filialen schließen will, weil diese angeblich nicht mehr rentabel sind, obwohl die Verkaufszahlen über den Onlineversand eindeutig gestiegen sind und auch die Filialen wieder schwarze Zahlen schreiben.
Das ist ein klarer Angriff auf Frauen, auf Jugendliche, kurz: auf die Arbeiterklasse! Dieser Konzern will einfach um jeden Preis Profit machen – und das auf Kosten seiner ArbeiterInnen. Für dieses ausbeuterische Verhalten muss Rechenschaft gezogen werden!
(Funke Nr.188/11.11.2020)