Die Landtagswahlen sind geschlagen, der chinesische Panda im Transportkäfig nach Wien, die permanente rassistische Entrüstung wird weiter geschürt. Die Industriellenvereinigung fordert nun, die asozialen Bluthunde von der Leine zu lassen.
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Die Medien trommeln, dass das Zeitfenster zwischen dem Ende der Landtagswahlen in Salzburg und der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft im Juli für Reformen genutzt werden muss. Und Reformen bedeuten auf Neuhochdeutsch: den Armen und Arbeitenden nehmen, um den Reichen zu geben. Die Regierung Kurz tritt nun in eine heikle Phase, sie muss vor ihren WählerInnen Farbe bekennen.
Die Herren und einige Damen der Industriellenvereinigung behaupten von sich, der Inbegriff der Leistungsträger dieses Landes zu sein. In Wirklichkeit sind diese Leute durch generationenübergreifende Aneignung dessen, was die arbeitenden Menschen geschaffen haben, zu ihrem Reichtum gekommen. Dennoch haben sie die Schamlosigkeit zu fordern, dass „Leistung sich wieder lohnen“ müsse. Sie meinen damit nur, dass die Bedingungen der Ausbeutung der Arbeitskraft der arbeitenden Menschen – der einzigen Quelle des gesellschaftlichen Reichtums – zu ihren Gunsten verbessert werden. Diesen Wunsch diktieren sie den JournalistInnen dieses Landes in ihre Leitartikel, und schrieben sie Sebastian Kurz ins Regierungsprogramm. Um sicher zu gehen, dass die Regierung das egoistische Verlangen der Reichen ihnen direkt von den Lippen ablesen kann, wurde mit dem „Standortkomitees Sounding Board Leitbetriebe“ eine Schnittstelle zwischen der schwarz-blauen Regierung und den Industriekapitäten eingerichtet. „Es institutionalisiert den Dialog zwischen Politik und Industrie – und ermöglicht es damit, auf Entwicklungen und Herausforderungen rasch und besser zu reagieren“, so der IV-General über seine Regierung.
Alle gesellschaftlichen Organisationen, in denen auch VertreterInnen der Arbeiterbewegung – der Gewerkschaften und Arbeiterkammern – sitzen, sollen wegreformiert, zurückgedrängt, unterfinanziert werden. Das effiziente Krankenkassasystem soll unter die Kontrolle der Schwarz-Blauen Privatversicherer gebracht werden, die GewerkschafterInnen sollen raus, die Arbeiterkammern sollen demontiert werden, das Kollektivvertragswesen soll zurückgedrängt werden, das Arbeitsinspektorat soll nur noch beraten dürfen, die Arbeitszeit soll im Betrieb festgelegt werden etc. Da passt es nur allzu gut ins Bild, dass wichtige Entlastungen der Unternehmer im Schnellverfahren und im Vorbeigehen durchgepeitscht werden. In Zukunft sollen die Sozialversicherungen keine Betriebsprüfungen mehr durchführen dürfen – dies wird als „Einsparung von Doppelgleisigkeiten“ tituliert. Diese sollen in Zukunft die Prüfer des Finanzministeriums übernehmen. Doch, wie der Zufall so will, sind gerade in der Großbetriebsprüfung des Finanzministeriums besonders viele unbesetzte Dienstposten frei. Wir sehen, wenn auch bisher nicht viel passiert ist, sind die Liebesbezeugungen Österreichs Reicher gegenüber ihrer Regierung nicht platonischer Natur, sondern durchaus handfest. Doch es wird nicht bei diesem schlampigen Vorspiel bleiben. Die Durchsetzung des 12 StundenTages, die Halbierung der Kapitalertragssteuern und die großflächige Deregulierung der Arbeitsbeziehungen fordert größere gesetzliche Würfe. Insbesondere die FPÖ fürchtet dabei den Zorn ihrer proletarischen Wählerschaft. Um diese kommende Stunde der Wahrheit hinauszuzögern, versucht es die Regierung mit sozialer Demagogie (eine neue Mindestpension für etwa 10.000 BezieherInnen) und vor allem mit einer ständigen Kampagne des Rassismus. Die Regierung versucht einen Krieg der Armen gegen die Armen zu inszenieren, dabei ist ihr kein Argument und kein Stofffetzen zu blöd: Erdogans Wahlkampf wird als Bedrohung hochgespielt, genauso wie inexistente kopftuchtragende Kindergartenkinder, laut FPÖ bedroht die EU das „knusprige Schnitzel“ (das sie selbstverständlich verteidigen wird). Die großen Räuber schreien „Haltet den Dieb“ und vergreifen sich dabei ungeniert selbst an unserem Leben.
Derweil scheint diese Politik vorerst nicht die von der Sozialdemokratie erhoffte Ablehnung in der Wählerschaft hervorzurufen. Die Landeshauptleute wurden in den Landtagswahlen allseits gestärkt, was zumeist der ÖVP zu Gute kam. Dies ist nicht überraschend. Die kleinen Gemeinheiten von schwarz-blau ärgern politische AktivistInnen und Funktionäre. In der breiten Gesellschaft aber wirkt im Moment vor allem die Macht der Erfahrung, die Erinnerung an zehn Jahre große Koalition nach, die im besten Falle die Erinnerung an eine langsame Erosion des Lebensstandards ist. Das ist nicht die Basis für eine Wechselstimmung nach wenigen Monaten schwarz-blau, die sich hinter demagogischen Nebelgranaten verstecken. In den Köpfen vieler ArbeiterInnen obsiegt mangels Alternativen daher das Floriani-Prinzip: lass das Übel an mir und meiner Familie vorübergehen, und nur das Nachbarhaus abbrennen. Daher hat der sinkende Anteil derer, die zu den Landtagswahlen gegangen sind, mehrheitlich den Status-quo gewählt. Man hofft, dass der starke Landeshauptmann die Dinge so friedlich belässt, wie sie sind. Die Krux der Sache ist, dass die Geld- und Ideengeber der Bundesregierung genau das Gegenteil verlangen.
Die wichtigste Stütze für schwarz-blau ist es jedoch, dass keine massenhafte gesellschaftliche Kraft eine Alternative ausspricht und formuliert, geschweige denn den solidarischen Kampf der Arbeitenden und Armen gegen das Kapital organisiert. Für die sozialdemokratischen SpitzenpolitikerInnen ist die Regierung insbesondere darum schlecht, weil man selbst an ihr nicht mehr beteiligt ist. Taktisch werden Themen abgespult, die ganz bestimmte Zielgruppen ansprechen, einen grundsätzlichen Gegenentwurf für die Arbeiterklasse zu schwarz-blau hat man nicht. Hier wirkt eine innere Logik: wenn man den Kapitalismus prinzipiell akzeptiert und gutheißt – und das ist der Eckpfeiler von Christian Kerns Plan A – dann muss man auch seine Logik akzeptieren.
Dasselbe gilt für die Gewerkschaften, hier sogar am augenscheinlichsten. Der Arbeitskampf der SozialarbeiterInnen wurde durch ein innergewerkschaftliches Manöver, lange bevor er seine volle Kraft entfalten konnte, mit einem mageren Ergebnis abgebrochen. Die Drucker haben seit zwei Jahren keinen Kollektivvertrag mehr, bis die GPA-djp schließlich einen „strategischen Arbeitskampf“ zur Zurückerkämpfung des ältesten KVs verlautbarte. Wo bleibt diese wichtige Auseinandersetzung? Statt diesen Kampf, der alle angeht, wie wir spätestens in den Metallerrunden im Herbst wieder sehen und spüren werden, zu verallgemeinern, schließt eine Branche nach der anderen Kollektivvertragsverhandlungen ab und lässt die 9.000 Drucker alleine im Regen stehen.
Die Stärke von Schwarz-Blau liegt vor allem in der Schwäche des Gegenentwurfs. Nur die Linke ist bisher auf die Straßen gegangen, hat eine Argumentation, warum diese Regierung schlecht für alle Arbeitenden und Armen ist – und nicht nur für die MigrantInnen unter uns. Wir MarxistInnen argumentieren, dass diese Regierung gestürzt werden kann, und dass das das Ziel eines jeden Widerstandes sein soll. Wir werben für ein antikapitalistisches Programm, für den Kampf um den Sozialismus. Ein „weiter wie bisher“ ist eine Sackgasse. Daher: Stärken wir die Arbeiterbewegung, nicht zuletzt mit klaren Ideen, stärken wir die MarxistInnen der revolutionären Strömung, den Funke!
Wien, 24.04.2018