Am 16. Mai wurde der seit 1995 amtierende ÖGB Vorarlberg-Präsident Norbert Loacker mit 50,8% der Stimmen auf der Landeskonferenz in Koblach denkbar knapp erneut gewählt. Ein Hintergrundbericht.
Vorangegangen waren scharfe Fraktionskämpfe, bei denen Klaus Bitsche von der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) gegen Loacker von der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) als Gegenkandidat aufgestellt wurde. In den Medien griff Bitsche, seines Zeichens Betriebsrat bei den Vorarlberger Kraftwerken, FSG-GewerkschafterInnen scharf an und sprach von einer „undemokratischen Wahl“. Während der Konferenz untermauerte der FCG diese Vorwürfe weiter, indem drei Anträge gestellt wurden, die die Delegierungspraxis in drei Fachgewerkschaften betraf.
Diese plötzlichen Lippenbekenntnisse des FCG Vorarlberg zu Gewerkschaftsdemokratie ist kein Zufall, sondern drückt handfeste Interessen aus. Denn im Vorfeld rechneten die ChristgewerkschafterInnen sich gute Chancen aus, die rote Dominanz im ÖGB mit der Übernahme des Landesvorsitzes zu brechen. Die Vorarlberger Nachrichten titelten passend: „Die letzte rote Bastion wackelt“. Letztendlich kamen auf 65 Delegierte des FSG 62 des FCG und 2 der grünen Fraktion der AUGE/UG.
Die schwarzen Krokodilstränen sind letztendlich nur ein Ausdruck der eigenen Interessen. Doch zu betonen ist hier, dass kein einfaches Gewerkschaftsmitglied in Vorarlberg auch nur den Hauch des Einflusses auf die Wahl des Vorsitzenden hat – der ÖGB IST extrem undemokratisch aufgebaut. Delegiert wird in fast allen Gewerkschaften über undurchsichtige Mechanismen über die Fraktionszugehörigkeit von Betriebsräten, die bei den meisten Betrieben (mit Einheitslisten oder nicht offenen Fraktionslisten) letztendlich eine Sache von Hinterzimmerverhandlungen ist. Von demokratischen Mindeststandards wie Direktwahlen des Gewerkschaftsvorsitzenden durch die Gewerkschaftsmitglieder, was in vielen Ländern Realität ist, ist diese mafiaartige Organisationsmethode meilenweit entfernt. Das Ergebnis ist so viel eher ein Spiegelbild der Stärke der einzelnen Apparate, als für das Interesse der einfachen Gewerkschaftsmitglieder.
Das Programm der FCG für einen schwarzen ÖGB wäre zweifellos ein weiterer Schritt nach rechts – in Richtung der Anpassung an die Wünsche des Kapitals – gewesen. Doch dass Loacker keine Begeisterung im Kampf dagegen auslösen konnte, ist mehr als hausgemacht – fällt er doch selbst immer wieder als „Sozialpartner“ durch und durch auf, der im vorauseilenden Gehorsam schon einmal die Wünsche der UnternehmerInnen antizipieren kann.
Ein paar Beispiele aus der letzten Funktionsperiode: Vor nicht einmal zwei Jahren startete Loacker zusammen mit der Industriellenvereinigung (!) eine Initiative (die “Allianz der Vernünftigen“), die gegen (!) die Forderung der Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden gegen die eigene Bundesorganisation auftrat – seine Begründung damals: „In Österreich 35 Wochenstunden arbeiten zu wollen, im Wissen, dass über der Schweizer Grenze seitens der Arbeitgeber eine Erhöhung auf 45 Wochenstunden gefordert wird, ist unrealistisch“. Und als Ende letzten Jahres ArbeiterInnen des Vorarlberger Leuchtenproduzenten Zumtobel aus dem Werk in Usingen/Deutschland gegen die Schließung ihres Werkes in Vorarlberg demonstrierten, fiel ihm dazu ein: „Die Art, wie vom Ausland über eine Gewerkschaft in Wien Protestversammlungen organisiert werden, ist für mich unhaltbar“ Weiters meinte er, dass „in Vorarlberg solche Konflikte anders gelöst werden“ – eine Haltung, die er schon 2011 bei den Streiks der Metaller zum Ausdruck gebracht hatte, als nur in zwei mittelgroßen Unternehmen in Vorarlberg Streiks stattfanden.
So verwundert es auch nicht, dass Gratulationen zu seiner Widerwahl auch vom Klassenfeind kommen. So meinte der Präsident der Industriellen-Vereinigung Vorarlberg, Martin Ohneberg, zum ORF: „Die Industrie sieht in Norbert Loacker einen konstruktiven Zukunftspartner, der die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts auch in der Vergangenheit oftmals vor ideologische Klientelpolitik gestellt hat“. Loacker selbst betonte in seiner Wahlrede, dass er viele Freunde auf Unternehmerseite hätte und auch immer wieder, dass er „weiter weit über allen Parteien“ stehe – auch wenn er hinzufügte, dass er „ganz rechts blind bleiben wollte“.
Die ArbeiterInnen in Vorarlberg brauchen nicht ein Wettrennen, wer mit den UnternehmerInnen stressfreier Kaffee trinken kann. Im Gegenteil: Das Wirtschaftswachstum, das in den letzten Jahren in Vorarlberg stattgefunden hat, ist auf dem Kreuz der ArbeiterInnen zustande gekommen, die immer härtere Arbeitsbedingungen akzeptieren müssen. Mietpreise und die Lebenshaltungskosten generell schießen in die Höhe, während prekäre Arbeitsverhältnisse, Leasingarbeit und ähnliche Sklavenarbeit boomen. Gerade in Vorarlberg ist deshalb eine klassenkämpferische Alternative nötiger denn je – was es braucht, ist nicht eine Opposition von rechts in Form des FCG, sondern eine Opposition gegen die Kapitulationspolitik von unten, aus den Betrieben, von links!