Am 20. April fand die Bezirkskonferenz der SJ Alsergrund statt. Wir dokumentieren hier die auf dieser Konferenz beschlossenen Anträge, welche die politische Grundlage für den weiteren Aufbau der SJ im 9. Wiener Gemeindebezirk bieten soll.
Antrag 1: Solidarität mit den besetzten Betrieben in Venezuela!
In Venezuela gibt es derzeit schätzungsweise 1200 Betriebe, die von ihren Eigentümern und Unternehmern aufgegeben wurden. Dies ist die Reaktion vieler Oligarchen und internationaler Investoren auf die Bolivarische Revolution und die Politik von Präsident Chávez. Sie sehen unter den Bedingungen einer politisch erwachten Massenbewegung und einer aus ihrer Sicht unkontrollierbaren Regierung keine dauerhafte Perspektive und weigern sich zu investieren. Mit dieser Form der Wirtschaftssabotage versucht die Oligarchie die Bolivarische Regierung in die Knie zu zwingen.
Zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze und ihres Lebensunterhalts aber auch im Bewusstsein, dass es um die Verteidigung der Revolution geht, haben etliche Belegschaften ihre Betriebe besetzt und versuchen diese selbstverwaltet weiterzuführen. Die Regierung Chávez reagierte auf diese Bewegung von unten und begann 2005 mit der Verstaatlichung bzw. staatlichen Unterstützung von besetzten Betrieben. Die Belegschaften werden dabei im Rahmen des Cogestion-Modells in die Verwaltung dieser Betriebe miteinbezogen.
Im Frühjahr 2006 wurde die „Revolutionäre Front der besetzten Betriebe und der Betriebe unter Cogestion“ (FRETECO) gegründet. Die FRETECO koordiniert rund 15 solcher Betriebe, die selbstverwaltet oder unter ArbeiterInnenkontrolle geführt werden. In einigen organisieren die Belegschaften bereits selbst die Produktion, in anderen führen sie einen politischen Kampf um die Wiederinstandsetzung der Unternehmensanlagen.
Die FRETECO organisiert Solidaritätskampagnen für alle Belegschaften, die ihre Betriebe besetzen. Darüber hinaus ist die FRETECO eine der treibenden Kräfte beim Aufbau eines Netzwerks der besetzten Betriebe in ganz Lateinamerika.
Die zentrale Losung der FRETECO lautet Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle, wobei die besetzten Betriebe auf lokaler Ebene eng mit den bolivarischen Basisorganisationen und den Kommunalräten zusammenarbeiten und die Produktion in den Dienst der Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und Wohnbauprojekte der Bolivarischen Revolution stellen.
Die FRETECO setzt sich in der bolivarischen Gewerkschaftsbewegung Union Nacional de Trabajadores (UNT) für eine landesweite Kampagne zur Besetzung aller stillgelegten Betriebe und deren Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle. Die FRETECO sieht darin den zentralen Hebel zum Sturz des Kapitalismus in Venezuela und zur Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft, in der die Wirtschaft planmäßig und demokratisch im Interesse der ArbeiterInnen, der Bauern und aller unterdrückten Schichten funktionieren würde.
Wir unterstützen die FRETECO und die Belegschaften der besetzten Betriebe in ihrem Kampf politisch und materiell! Wir fordern von der Regierung Chávez die aktive Unterstützung dieser Bewegung und die Verstaatlichung aller besetzten Betriebe beginnend mit der Keramikfabrik Sanitarios Maracay, wo die Belegschaft derzeit einen beispielhaften Kampf führt, und aller strategischen Industrien sowie des Banken- und Finanzwesens unter ArbeiterInnenkontrolle!
Die Sozialistische Jugend Alsergrund erklärt sich solidarisch mit dem Kampf der FRETECO und leistet mit der Unterstützung der revolutionären ArbeiterInnenorganisationen Venezuelas auch in Zukunft einen Beitrag zur internationalen Vernetzung der ArbeiterInnenbewegung.
Antrag 2: Für einen Austritt aus der Großen Koalition
Mit dem Wahlsieg der SPÖ hätte es andere Möglichkeiten für die Parteispitze gegeben, als einem Koalitionspakt zuzustimmen, in dem der Wahlverlierer ÖVP als klarer Gewinner aussteigt. Die SPÖ hat sich jedoch gegen eine Minderheitsregierung entschieden und in einem Bündnis mit der ÖVP ihre WählerInnen verraten. Auf www.wirsindspoe.at findet sich folgende Liste gebrochener Wahlversprechen:
– Keine Rücknahme der Pensionsreform
– Keine abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren
– Keine Abschaffung der Studiengebühren
– Kein neues Geld für Kindergärten
– Keine Anhebung der Gewinn- und Vermögenssteuern
– keine Abbestellung der Eurofighter
– keine eingetragene Partnerschaften für Lesben und Schwule
Außerdem konnte die ÖVP die Verlängerung der Höchstarbeitszeiten auf 12 Stunden/Tag, eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, eine Aufweichung des Lehrlingsschutzes, die verschärfte Schikanierung von Arbeitslosen und die Beibehaltung der menschenfeindlichen, rassistischen Asylpolitik durchsetzen. In den Reihen der ÖVP wird die Wahrheit offen ausgesprochen: Die Regierung Gusenbauer ist die Fortsetzung der „Wende“ des Jahres 2000.
Nach den ersten Monaten Regierungsarbeit ist klar, was die Sozialistische Jugend schon am Tage des Koalitionsabkommens und davor vorausgesagt hatte: Die beiden Großparteien sind nicht einmal imstande, das einzige Argument geltend zu machen, das laut KlassenversöhnlerInnen und Bürgerlicher die Große Koalition rechtfertigen sollte – eine stabile Bundesregierung zu bilden, so wie es sich die Bevölkerungsmehrheit angeblich gewünscht hätte. Vom ersten Tage an traten zwischen SPÖ und ÖVP die unversöhnlichen Widersprüche zu Tage, die sich bis heute nahezu täglich in der Medienöffentlichkeit widerspiegeln: der Streit um die Studiengebühren, die Eurofighter, die Gesamtschule, über die rechtliche Anerkennung von eingetragenen Partnerschaften, etc.
Abgesehen davon, dass die Fortführung dieser Wendepolitik ein Schlag ins Gesicht für tausende ArbeiterInnen, SchülerInnen, Studierende, Lehrlinge, PensionistInnen ist, bedeutet das Brechen aller zentralen Wahlversprechen den Verlust jeder Glaubwürdigkeit, die auch der Kanzlerbonus in der nächsten Wahl nicht wettmachen können wird. Denkbar schlecht stünde die SPÖ auch da, käme die ÖVP vor Ablauf der vollen Legislaturperiode auf die Idee auf vorgezogene Neuwahlen zu setzen. Aus diesen Gründen birgt die Fortführung dieser Koalition auch aus wahlstrategischen Gründen die nächste Wahlniederlage für die SPÖ in sich.
Die Sozialistischen Jugend Alsergrund setzt sich dafür die ein, dass
· die SPÖ das Ziel verfolgt, aus diesem Regierungsübereinkommen auszusteigen.
· die SPÖ im Parlament ihre eigenen Initiativen setzt und Anträge für die Abschaffung der Studiengebühren, für eine Pensionsreform, für eine verfrühte Steuerreform, etc. einbringt. Dadurch werden im Laufe der Zeit die Widersprüche innerhalb der Koalition so groß, dass ebendiese zerplatzen wird und es zu Neuwahlen kommen wird. Somit hätte nicht die ÖVP durch taktische Manöver die Regierung zum fallen gebracht, sondern die SPÖ durch Einhaltung ihrer Wahlversprechen und Treue zu ihren Prinzipien. Wer in dieser Situation als Sieger hervorgeht ist klar.
Für einen Austritt aus dieser Koalition! Die Prinzipien der Partei dürfen nicht den Karrierewünschen des Vorsitzenden unterworfen werden!
Antrag 3: Für eine starke linke Sozialistische Jugend!
Auf zur Massenorganisation!
Der AktivistInnenkern der Sozialistischen Jugend Wien hat sich in den letzten Jahren nicht vergrößert. Dies ist zwar sicher keine Krise, wir sollten uns jedoch trotzdem Gedanken darüber machen, wie die SJ in einer veränderten innenpolitischen Situation sich als starke linke Organisation in der Jugend verankern kann.
Positiv ist die bereits begonnene Massenarbeit, die über eine soziale Schiene versucht, die Jugend an die SJ heranzuführen und geholfen hat, die SJ im Bewusstsein der Jugendlichen zu verankern.
Einen Schwachpunkt stellt jedoch die Lehrlingsarbeit der SJ Wien dar, trotz zahlreicher Kampagnen ist die SJ Wien eine Organisation der Schüler und StudentInnen geblieben. Es sollte daher versucht werden, gemeinsam mit Jugendvertrauensleuten Wege zu finden, wie wir die SJ für Lehrlinge attraktiv machen können.
Eine große Mitgliedschaft ist jedoch nicht Selbstzweck, sondern soll dazu dienen, sich eine größere ZuhörerInnenschaft zu sichern und Kampagnen besser umsetzen zu können. Außerdem muss gleichzeitig die Möglichkeit für jedes Mitglied gegeben sein, sich bei Diskussionsveranstaltungen, Seminaren, Lesekreisen etc. marxistisch zu bilden. Dies ist vor allem insofern wichtig, da es nur stabile Bezirksgruppen geben kann, wenn es einen Kern von politisch bewussten GenossInnen gibt, die fähig sind, die alltägliche Routinearbeit mit einer revolutionären, marxistischen Perspektive zu verbinden.
Die Bezirkskonferenz der Sozialistischen Jugend Alsergrund beschließt daher:
· sich mit Jugendvertrauensleuten zu vernetzen um mit diesen gemeinsam Veranstaltungen mit Lehrlingen zu organisieren
· weiterhin soziale Events, wie Bandfestivals, Filmabende, etc. zu veranstalten um sich in der linken Jugend zu verankern
· zu versuchen, alle Jugendlichen in ihrem Umfeld und die bestehende Mitgliedschaft, mittels vermehrt stattfindenden und für die gesamte Mitgliedschaft offenen Diskussionsveranstaltungen, auf einer marxistischen Grundlage zu fähigen und eigenständig arbeitenden GenossInnen zu bilden