Am 26. April 1874 wurde Inès Armand als Tochter eines Opernsängers und einer Schauspielerin in Paris geboren. 1889 zog sie nach Moskau, wo sie eine umfangreiche Bildung genoss und mit den Ideen der Aufklärung in Berührung kam. Später heiratete sie dort den Kaufmann und Fabrikanten Alexander Armand, mit dem sie vier Kinder hatte. Auf ihren Gütern errichteten die Armands eine Schule für Bauernkinder, in der Inès als Lehrerin tätig war. Sie trat auch dem „Verein zur Verbesserung des Loses der Frau“ in Moskau bei, der Herbergen für arme Frauen und Prostituierte errichtete. Als ihr Antrag zur Eröffnung einer Schule und einer Zeitung für Arbeiterinnen von den Behörden abgelehnt wurde, bekam sie erste Zweifel daran, ob man gesellschaftlichen Fortschritt über Reformen innerhalb des repressiven Zarensystems erreichen könne.
Diese Zweifel wurden durch Alexanders jüngeren Bruder Wladimir gestärkt, der in der illegalen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands aktiv war. 1903 trat sie schließlich der Partei bei. Beeinflusst vom Marxismus, betrachtete sie die Frauenbewegung als das „weibliche Gegenstück“ zum Befreiungskampf der männlichen Arbeiter und verband den Kampf für die Befreiung der Frau mit dem für den Sozialismus. Obwohl sie im Zuge der revolutionären Ereignisse 1905 für einige Monate verhaftet wurde, führte sie ihre politische Arbeit weiter, woraufhin sie in das nordrussische Mesen verbannt wurde. Es gelang ihr zu fliehen und nach Paris zu gehen. Dort nahm sie 1911 Kontakt zu Lenin und seiner Gruppe exilierter Bolschewiki auf, wo sie bald die Funktion der Sekretärin des Ausschusses für ausländische Organisationen innehatte, der die bolschewistischen Gruppen in Westeuropa koordinierte.
1912 kehrte sie nach Russland zurück. Sie wurde wieder verhaftet, konnte jedoch mit Lenin und seiner Frau Nadezhda Krupskaya nach Galizien fliehen. Dort arbeitete sie für die sozialistische Frauenzeitung „Rabotnitsa“. Während des Ersten Weltkriegs setzte sie sich als Delegierte der Bolschewiki innerhalb der Zweiten Internationale für revolutionär-sozialistische Anti-Kriegs-Positionen ein. Nach dem Sturz des Zaren ging sie als Mitglied des Zentralkomitees wieder nach Moskau. Im selben Jahr veröffentlichte sie das Journal „Das Leben der arbeitenden Frau“. Nach der Oktoberrevolution wurde sie Vorsitzende des Moskauer Wirtschaftsrats, der den ersten gesamtrussischen Kongress für Arbeiterinnen und Bäuerinnen organisierte.
1919 gründete sie mit Alexandra Kollontai „Zhenotdel“, die Frauenabteilung des Sekretariats des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Russlands. Diese Massenorganisation organisierte die Teilnahme von arbeitenden Frauen im öffentlichen Leben und agierte als „moralischer Rammbock“ auch in der Arbeiterbewegung. Zhenotdel überzeugte die Bolschewiki unter anderem von der Notwendigkeit der kostenfreien Abtreibung für Frauen und bekämpfte mittels Bildungsprogrammen den besonders unter muslimischen Frauen in Zentralasien verbreiteten Analphabetismus. Ein Jahr später erkrankte Inès an Cholera. Im Alter von nur 46 Jahren verstarb sie am 24. September 1920 und musste nicht mehr miterleben, wie Zhenotdel 1930 von Stalin aufgelöst wurde.