Ted Grant: Syrien – eine Antwort auf Kumar (Sommer 1978)

 

Inhalt:

Eingreifen der Armee. 4

Sadats Politik. 6

Verzerrte Revolution. 7

Bruch mit Ägypten. 10

Klassen-Widerspiegelungen. 12

Wirtschaftliche Umgestaltung. 13

Klassenbewegung. 15

‚Staatskapitalismus’?. 16

Bodenreform.. 18

Staat und Wirtschaftskräfte. 19

Rolle der Gewerkschaften. 20

Weltkrise. 22

Konzessionen. 23

Bürokratische Reaktion. 25

Tendenz zur Verstaatlichung. 26

Politische Revolution. 28

Instabile Regime. 30

Rolle der Offizierskaste. 31

Staatseigentum.. 33

Unterschiedliche Bedingungen. 36

Handel und Investitionen. 37

 


Leider zeigt das Dokument des Genossen Kumar Spuren der bürgerlichen Autoren, die er studierte, um Material über Syrien zu finden. Es ist sogar methodologisch von ihnen beeinflusst. Jede Analyse einer Armee, eines Staats, einer Partei oder sogar einer Tendenz in der Malerei oder Literatur müsste aus dem Blickwinkel ihrer Klassenwurzeln, ihrer Klassenherkunft und ihrer Klassenbedeutung gemacht werden

Wie das allgemeine Dokument über die Frage der Kolonialen Revolution und den Charakter der Staaten, die aus ihr entstanden, zeigt, ist dies die aufgewühlteste Periode in der ganzen Geschichte der kolonialen Welt, tatsächlich der ganzen Menschheitsgeschichte. Diese Aufgewühltheit liegt an der Sackgasse der Gesellschaft, vor allem in den rückständigen Regionen der Welt, wo die Bourgeoisie auf halbfeudale Regimes des Grundeigentums aufgepfropft wurde, die völlig unfähig waren, die Produktivkräfte auf konsequente und systematische Weise zu entwickeln.

Die Armee ist immer ein Spiegel der Gesellschaft. Sie spiegelt die Beziehungen innerhalb der Gesellschaft selbst wider. Nur unter einem instabilen Regime kann die Armee eine unabhängige Rolle erlangen, getrennt und losgelöst von der Rolle der herrschenden Klasse. Unter Umständen, wo die Armee die einzige Organisation ist, die die Gesellschaft vor dem Verfall bewahren könnte, wird dem Staat eine gewisse Unabhängigkeit von der herrschenden Klasse gegeben. Aber weil die Armee nicht von der Gesellschaft getrennt und losgelöst ist, spiegeln sich alle Spannungen, Gegensätze und Konflikte, die in der Gesellschaft bestehen, in der Armee wider.

Unter ‚normalen’ Bedingungen der bürgerlichen Gesellschaft werden diese Gegensätze gedämpft und nehmen keine entscheidende und vorherrschende Rolle an. Aber selbst in den entwickeltsten kapitalistischen Ländern spiegelt die Armee die Prozesse wider, die in den Gesellschaft stattfinden (gewöhnlich in Form einer Spaltung), sobald das Regime sich als unfähig zur weiteren Entwicklung der Produktivkräfte erweist, was fallenden Lebensstandard, Krise in der Gesellschaft, Entwicklung von Arbeitslosigkeit und so weiter bedeuten würde.

Die Offizierskaste, die von der herrschenden Klasse ausgebildet und ausgesiebt wird, würde offensichtlich diese unterstützen, während sich auf der anderen Seite die Mannschaften in Richtung auf Unterstützung der Arbeiterklasse bewegen würden. Dies gilt natürlich nur, wenn die Arbeiterklasse Führung und Fähigkeit zur Änderung der Gesellschaft unter Beweis stellt und die Möglichkeit zeigt, das sich ein neues System entlang von neuen Linien entwickelt.

Selbst in entwickelten Ländern, in den Metropolenländern Europas, spielt die Armee nur in den Zeiten eine dem Namen nach unabhängige Rolle, wenn die gesellschaftlichen Beziehungen völlig stabil sind, wenn es keinen großen Konflikt zwischen den Klassen gibt, der sich unausweichlich auf die Armee auswirken würde. Eine Lage, wo die Armee eine unabhängige Rolle spielt, beweist, dass sich die Gesellschaft in einer Sackgasse befindet. Sie enthüllt die Unmöglichkeit, die Probleme auf die Weise zu lösen, auf de sie in der Vergangenheit gelöst wurden.

Dass Kumar erklärt, die Armee sei die einzige integrierte Organisation gewesen, die fähig war, die Gesellschaft zusammenzuhalten, bedeutet in Wirklichkeit, dass die Gesellschaft von so schrecklichen Widersprüchen zerrissen wurde, dass die Klassengegensätze und der Klassenkampf so schrecklich zum Ausdruck kamen, dass die Armee der einzige Ausweg war. Die unabhängige Rolle, die die Armee spielte, während sie auf bürgerlicher Grundlage blieb, als sie zwischen den Klassen zu schlichten versuchte, wiederholt sich im Fall des bürgerlichen Bonapartismus selbst in entwickelten Ländern und um so mehr im Falle exkolonialer Länder.

Syrien hatte in den 22 Jahren vor der Entwicklung des gegenwärtigen Regimes 22 Putsche und Gegenputsche. Das passt kaum dazu, die Gesellschaft ‚zusammenzuhalten’. Im Gegenteil ist es ein Anzeichen für die große Instabilität der Klassenbeziehungen und die Schwäche des syrischen Staats. Die Krise der syrischen Gesellschaft zog sich jahrzehntelang hin. Es gab Bewegungen der Arbeiterklasse, Bewegungen der BäuerInnen, Gärung in der Mittelschicht, Unzufriedenheit bei der Bourgeoisie, den Kaufleuten und Grundbesitzern – und keine Lösung der Probleme, vor denen das syrische Volk und die syrische Wirtschaft standen.

Die Bourgeoisie und das Kleinbürgertum versuchten alle Arten von Kombinationen zur Lösung der Probleme des Regimes. Sie versuchten bürgerliche Demokratie, sie versuchten Armeediktaturen, sie versuchten die Herrschaft der Grundbesitzer, der reaktionären Parteien, sie versuchten eine Kombination von Koalitionsregierungen – und in jedem Fall brachen sie zusammen und bereiteten den Weg für einen neuen Putsch von Seiten der Armee.

Die Armee selbst spiegelte die Spaltungen innerhalb der Gesellschaft wider und war von oben nach unten gespalten. Nur ein dünner Faden von militärischer Disziplin hielt sie zusammen. Aber innerhalb der Offizierskaste, die wie bei jeder Armee die Kontrolle über die Streitkräfte hat, führten die Prozesse innerhalb der Gesellschaft zu Spaltungen und der Bewegung von Offizieren in verschiedene Klassenrichtungen als Folge der Agonie der syrischen Gesellschaft selbst.

Eingreifen der Armee

So ist es nicht überraschend, dass die Armee an der Fähigkeit der Bourgeoisie verzweifelte, die Probleme des syrischen Volkes zu lösen. Angesichts der verfaulten, korrupten Rolle der Bourgeoisie war es vorhersehbar, dass schließlich die Armee in die Richtung ging, die Syrien genommen hat (oder genauer: ein Teil der Armee, der von Offizieren geleitet wurde, bei denen die Ba’ath-Partei vorherrschte).

Die Tatsache, dass die syrische Bourgeoisie und die Grundbesitzer den Mehrwert, den sie aus der Arbeit der ArbeiterInnen, BäuerInnen und LandarbeiterInnen erzielten, ins Ausland schickten, statt ihn in Syrien zu investieren, war ein mächtiger Faktor der Revolution.

Auf der anderen Seite war dies angesichts der Instabilität der syrischen Gesellschaft völlig natürlich – die ständigen Putsche, die Zusammenstöße, die zwischen den Klassen stattgefunden hatten, und die Unfähigkeit, einen großen Markt zu entwickeln oder die Produktivkräfte Syriens zu entwickeln. Selbst in entwickelten Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien hat die Bourgeoisie unter Bedingungen von sozialer Krise die Vorsichtsmaßnahme ergriffen, große Geldbeträge in die Schweiz und andere Länder zu schicken, um ihre Vermögen zu schützen.

Aber dies hatte eine besonders unheilvolle Wirkung auf die syrische Wirtschaft und die Entwicklung der syrischen Gesellschaft. Weil der kleine Mehrwert auf diese Weise ins Ausland gebracht wurde, musste die syrische Gesellschaft verfallen und die Krise wurde daher verschärft. Die Auswirkungen mussten einfach, nachdem dieses Wissen sich in der Arbeiterklasse, unter den BäuerInnen und der Mittelschicht der Gesellschaft und besonders den Armeeoffizieren verbreitete, Hass und Verachtung für die selbstsüchtige und schändliche Rolle der syrischen Bourgeoisie hervorrufen.

So bereitete die Bourgeoisie selbst den Boden für die Aktion, die von der Armee durchgeführt wurde – ein Teil der unteren, der mittleren und sogar ein paar der hohen Offiziere – die Wirtschaft und einen großen Teil des Bodens zu übernehmen. Diese entscheidende Veränderung in der Lage in Syrien wurde tatsächlich vom Versuch der Kaufleute, der Bourgeoisie und der Grundbesitzer provoziert, sofort einen Gegenputsch zu machen, nachdem im Januar 1965 vom Ba’ath-Regime unter Salah Jahid die ersten Verstaatlichungen angekündigt wurden. Wenn sie nicht von einer Verbindung der reaktionären Armeeoffiziere mit den Grundbesitzern, den Kaufleuten und der Bourgeoisie in einem Gegenputsch gestürzt werden wollten, war das einzige, was die Offiziere tun konnten, an die Arbeiterklasse und die BäuerInnen zu appellieren.

Sie bewaffneten 100.000 ArbeiterInnen und BäuerInnen, die den Putschversuch von Seiten der Konterrevolution zerschlugen. Dies wiederum gab der Lage einen entscheidenden Schub. Es ist möglich, dass die Dinge ohne diesen Schritt von Seiten der Konterrevolution nicht die Stufe erreicht hätten, die sie erreicht haben.

Die Bourgeoisie des Westens, besonders die Bourgeoisie Großbritanniens, hatte ein sehr genaues Verständnis des Prozesses, der in Syrien stattfand. Die Imperialisten waren zwar unfähig, ihn anzuwenden, unfähig, einzugreifen, aber sie konnten reuevoll aus dem Blickwinkel ihrer eigenen Klasse den Verlauf der Revolution auf das genaueste darstellen.

Es ist immer notwendig, Prozesse in ihrer Entwicklung zu untersuchen, in ihrem sich ändernden und widersprüchlichen Charakter. Die Analyse der Parteien durch Kumar berücksichtigt nicht die Dialektik der Entwicklung der Gesellschaft und die damaligen gesellschaftlichen Bedingungen in Syrien. Wenn die Kommunistische Partei, die sich auf die Arbeiterklasse stützte, eine marxistische Partei gewesen wäre, hätte sie natürlich den Kampf anführen und für Arbeiterdemokratie kämpfen können, wie im Kampf der Bolschewiki unter der Führung von Lenin und Trotzki in Russland 1917.

Aber wie in den meisten Ländern Afrikas und Lateinamerikas waren die Kommunistischen Parteien, die sklavisch von Moskau abhängig waren, völlig unfähig, ein unabhängiges Verständnis der Prozesse zu entwickeln, die in ihren Ländern stattfanden. Sie zogen ein Abkommen mit der Bourgeoisie vor. Sie hatten die Illusion einer sogenannten bürgerlich-demokrati-schen Entwicklung der Revolution. Die ‚Zwei-Etappen’-Theorie beherrschte die Ideen der Stalinisten in den meisten dieser Länder, in allen kolonialen Ländern von Lateinamerika und Afrika und auch in manchen der Länder Asiens.

Es war nur die Entwicklung der Bewegung der BäuerInnen und der Arbeiterklasse in Vietnam und die Bewegung der BäuerInnen in China, die der Entwicklung der Ereignisse in diesen Ländern einen anderen Antrieb gab. Durch einen merkwürdigen dialektischen Widerspruch erwies sich die KP in den anderen Ländern, in denen sie sich auf die Arbeiterklasse stützte, als völlig unfähig, die Revolution durchzuführen.

Das zeigt sich sehr klar bei der Entwicklung der Ereignisse auf Kuba. Auf Kuba spielte die Kommunistische Partei die Rolle eines Lakaien des Batista-Regimes und spielte sogar eine konterrevolutionäre Rolle in Bezug auf den Guerillakrieg auf Kuba.

Sie war zwar dem Namen nach eine Partei der Arbeiterklasse, aber tatsächlich eine Partei der Bürokratie, die so verfault und korrupt war, dass sie ebenso wie in anderen Ländern Lateinamerikas keine revolutionäre Rolle spielen konnte.

Als Folge entwickelte sich die Revolution durch die bürgerlich-demokratische Castro-Bewegung, die Bewegung des 26. Juli. Dies war eine kleinbürgerliche Bewegung ohne irgendeine Basis in den Ideen des Marxismus oder der Strategie und Taktik des Marxismus. Die Grundlage der Bewegung bestand aus Leuten, die eine Mischform aus BäuerInnen, und Landarbeiterinnen waren, Lumpenproletariern, ein paar versprengten ArbeiterInnen und einer großen Zahl StudentInnen. Die ‚Partei’ und die Armee wurden weitgehend zu einer Einheit verschmolzen.

Genosse Kumar akzeptiert, dass Kuba ein deformierter Arbeiterstaat ist, auch wenn es in den frühen Phasen als bürgerlich-demokratische Bewegung unter der Führung von Fidel Castro begann, die dann zur Lösung der Grundaufgaben der proletarischen Revolution weiterging. Diese Phase wurde durch die Blockade des amerikanischen Imperialismus beschleunigt. Castro brach mit Imperialismus und Kapitalismus.

Aus den Berichten über die Diskussionen, die zwischen Breschnew und Vertretern von Nasser in Russland 1967 stattfanden, würde es scheinen, dass Nasser nach der Niederlage im arabisch-israelischen Krieg 1967 durchaus bereit war, aufs Ganze zu gehen, Ägypten umzugestalten und dem ‚Sowjetblock’ beizutreten. Die Ablehnung, die Breschnew zum Ausdruck brachte, war einer der Faktoren, die verhinderten, dass die in Ägypten begonnene Revolution bis zum Schluss durchgeführt wurde. Daraus dass diese Revolution nicht vollendet wurde, ergab sich unausweichlich eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung, hin zur Konterrevolution.

Sadat brachte Ägypten in die Richtung eines Abkommens mit dem Imperialismus und den reaktionären, halbfeudalen Regimes von Saudi-Arabien und den anderen Ölstaaten. Aber es ist ziemlich klar, dass damit keines der Probleme der Modernisierung und Entwicklung Ägyptens gelöst wurde. Auf verstümmelte Weise wird in Bezug auf die Infrastruktur diese oder jene Entwicklung stattfinden, aber die verfaulte ägyptische Bourgeoisie kann die bürgerlich-demokratische Revolution nicht vollenden. Sadat versuchte, sich in die Richtung der bürgerlich-liberalen Demokratie zu bewegen, aber wegen der Widersprüche in der ägyptischen Gesellschaft war er dazu nicht in der Lage.

Sehr schnell wurden die Reformen durch Konterreformen widerrufen, bei denen das bonapartistische Instrument des Volksentscheids verwendet wurde. Dann musste sich Sadat in die entgegengesetzte Richtung wenden, Unterdrückung der Opposition, angeblich der sogenannten rechten Opposition, was aber als Tarnung für die Unterdrückung der Opposition der ArbeiterInnen und BäuerInnen diente. Sadat musste den Weg der Unterdrückung gehen, weil er die Bedingungen für die ägyptischen Massen nicht grundlegend ändern, die Industrie nicht entwickeln und nicht die notwendigen Investitionen aus Amerika und den westlichen Ländern kriegen konnte.

Sadats Politik

Er hat nach ausländischen Investitionen in Ägypten geangelt, um die Entwicklung zu beschleunigen und die zerbrechliche Lage zu ändern, die im Lande selbst besteht. Aber gerade diese Lage, die er hervorhebt, ängstigt die westlichen Kapitalisten mit dem Schreckgespenst, ihre Investitionen zu verlieren, besonders nach den Erfahrungen in Afrika, im Nahen Osten und Asien im Verlauf der letzten Jahrzehnte. Daher kann das Ziel nicht erreicht werden, das sich Sadat selbst gesetzt hat, es kann keine markante Entwicklung im größtmöglichen Ausmaß geben. Was für Entwicklungen es auch geben wird, sie werden die Widersprüche und Spannungen innerhalb der ägyptischen Gesellschaft verschärfen. Die Reichen stellen ihren Reichtum zu Schau, während der Lebensstandard für die ArbeiterInnen und BäuerInnen weiter sinkt. Dies wird wiederum die Widersprüche verschärfen.

Der Weg zum Krieg scheint durch den Umstand versperrt zu sein, dass die Israelis gegenwärtig eine erdrückende Überlegenheit haben. Wenn es einen Krieg zwischen Ägypten und den anderen arabischen Staaten und Israel geben würde, wäre das wahrscheinlichste Ergebnis eine Niederlage für Ägypten und die arabischen Staaten. Aber das würde neue Möglichkeiten in Bezug auf Ägypten eröffnen.

Eine Niederlage für Sadat hätte völlig andere Folgen als eine Niederlage für Nasser, der äußerst populär war und die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung von Ägypten hatte. Tatsächlich wurde solch eine Niederlage 1973 nur durch das Eingreifen Amerikas abgewendet. Nachdem sie erst Israel wiederbewaffnet hatten, verhinderten die USA die Vernichtung von 3-600.000 Mann starken ägyptischen Truppen oder deren Kapitulation vor den Israelis, nachdem sie durch die Zangenbewegung der israelischen Truppen über den Suezkanal eingeschlossen waren, die sie von Ägypten abschnitt. Der Grund für das amerikanische Eingreifen waren offensichtlich die sozialen Folgen, die in Ägypten eingetreten wären und zum Fall von Sadat und zur Entwicklung Richtung Revolution geführt hätten und die wahrscheinlich auch die anderen Länder des Nahen Osten beeinflusst hätten.

Sadat hätte eine Niederlage von diesem Ausmaß nicht standhalten können, er würde auch einer ähnlichen Niederlage nicht standhalten können, wenn es in der Zukunft einen Krieg mit Israel geben würde. Ein Krieg ist nicht völlig ausgeschlossen – er könnte angefangen werden aus purer Verzweiflung wegen der wachsenden sozialen Probleme innerhalb der ägyptischen Gesellschaft, wegen der wachsenden Opposition, der enorme Explosivkraft in den Lebensmittelunruhen vom Januar 1977 enthüllt wurde. Aber selbst bevor ein Krieg stattfindet ist es durchaus möglich, dass die Spannungen in der ägyptischen Gesellschaft wegen der Verschlimmerung der gesellschaftlichen Konflikte und Klassenwidersprüche in der ägyptischen Gesellschaft ausbrechen können. Als Folge der Maßnahmen von Sadat hat sich eine enorm wohlhabende herrschende Klasse entwickelt, eine Klasse, die sich mit sichtbarer Verschwendung beschäftigt, während die Massen unter Bedingungen von völliger Armut und Hunger leben.

Die Inflation, die den Lebensstandard der Volksmasse, der ArbeiterInnen und BäuerInnen, auffrisst, die Senkung des sehr niedrigen Lebensstandards der ägyptischen Fellachen und Massen im allgemeinen muss einfach Bewegungen wie die vom Januar 1977 hervorrufen.

Wenn wir von scharfen Wendungen und plötzlichen Veränderungen der Lage im Weltmaßstab und in den meisten Ländern der Welt gesprochen haben, dann gilt das sicher für Ägypten.

Unter solchen Bedingungen ist die Möglichkeit vollständig gegeben, dass ein Teil der Offizierskaste aus Verzweiflung die Kontrolle übernehmen und das Regime in eine linke Richtung wenden kann. Wenn es für die Massen absolut keinen Weg nach vorn gibt, wenn es keinen Weg nach vorn für de ägyptische Gesellschaft gibt, wo eine Periode der Instabilität dem Fall von Sadat (entweder durch Rücktritt oder einen Putsch) folgen würde, ist es völlig möglich, dass der Nachfolger von Sadat den Weg beschreiten würde, der erst von Nasser gebahnt wurde, und sich dann in die selbe Richtung wie Syrien stürzen würde.

Wir hätten dann eine Bewegung in Richtung der Errichtung eines deformierten Arbeiterstaats, die beginnen würde mit der Enteignung der Grundbesitzer zur Befriedung der BäuerInnen und mit der Enteignung der Bourgeoisie – besonders der verhassten neuen Bourgeoisie, de Neureichen, die sich im Verlauf der letzten zehn oder zwanzig Jahre entwickelt hat. Die Armeeoffiziere würden keinen anderen Weg sehen, als diesen Weg der Errichtung eines bonapartistischen Arbeiterstaats zu gehen. Natürlich könnte das nur mit der – aktiven oder passiven – Unterstützung der ArbeiterInnen und BäuerInnen vollendet werden.

Verzerrte Revolution

Aus den im allgemeinen Material erklärten Gründen konnten die Offiziere, die nach einer Rolle und nach einer Aufgabe suchten, dies im sogenannten ‚Sozialismus’ finden, das heißt in einem Regime, in dem sie zusammen mit der zivilen Bürokratie und der Parteibürokratie die herrschende Kaste sein würden – ein Regime, in dem sie herrschen würden, wenn sie die degenerierte und kranke Bourgeoisie und Grundbesitzer Ägyptens selbst zur Seite stoßen würden.

Ohne Zweifel würden es wie in allen Ländern der stalinistischen Welt große Teile der Grundbesitzer und selbst der Bourgeoisie nicht schwer finden, sich in Bürokraten zu verwandeln und sich dem Staat zuzuwenden, um ihre eigene Stellung in der Gesellschaft zu sichern. Aber dies wäre nicht länger auf der Grundlage ihres Eigentums an Produktionsmitteln, sondern auf der Grundlage von Staatseigentum an den Produktionsmitteln.

Wie im ersten Teil erklärt, wäre der ganze Verlauf der Ereignisse in Ägypten und anderen Dritte-Welt-Ländern natürlich völlig verändert, wenn es eine marxistische Partei von nennenswerter Größe gäbe. Zusätzlich werden Ereignisse im industrialisierten Westen oder stalinistischen Osten enorme Auswirkungen quer durch die koloniale Welt haben. Ein revolutionärer Sieg in einem wichtigen Industrieland würde die Lage in der kolonialen Welt umgestalten.

Die Analyse der Parteien, die von unserem Genossen vorgenommen wird, berücksichtigt die Entwicklung der gesellschaftlichen Kräfte in Syrien selbst nicht. In Äthiopien haben wir die Bewegung hin zu einem deformierten Arbeiterstaat gesehen, wobei nicht nur eine Partei der Arbeiterklasse fehlte, sondern selbst eine kleinbürgerliche Partei, die dem Namen nach auf die Ideen des Sozialismus ausgerichtet war.

Die Tatsache, dass die Ba’ath-Partei zweifellos eine kleinbürgerliche idealistische und utopische Partei war, hat keine wirkliche Bedeutung in Bezug auf die Entwicklung der syrischen Gesellschaft und die Entwicklung der Ereignisse. Sie sind unter dem Antrieb der Krise selbst weiter gegangen, als sie gewollt hatten. Trotzki erklärte, dass es selbst in den Ländern des Westens theoretisch möglich ist, dass die stalinistischen und Sozialistischen Parteien unter dem Druck der Gesellschaftskrise und als Ergebnis des Drucks der Massen und der Entwicklung der Revolution weitergehen würden als sie beabsichtigten.

Selbst in Westeuropa (und das zeigt das Ausmaß an, in dem der Kapitalismus in Frankreich, Belgien, Holland und Großbritannien überflüssig geworden ist) fanden große Verstaatlichungsmaßnahmen statt, weil die Bourgeoisie unfähig war, die Probleme der Branchen zu lösen und eine Entwicklung der Gesellschaft ohne solche Maßnahmen unmöglich war. Wie viel mehr würde eine kleinbürgerliche Partei wie die Ba’ath, die durch ihre Kontrolle über eine große Zahl (wenn nicht die Mehrheit) der Offiziere enge Beziehungen zur Staatsmaschinerie hat, sich so verhalten, wie wir es gesehen haben?

Die Tatsache, dass Minderheitengruppen eine große Rolle beim Wechsel der Regime in Syrien spielten, passt in dieses Bild. Die Minderheiten-Offiziere hassten die Herrschaft der Bourgeoisie und der traditionellen religiösen Mehrheitsgruppen, die sie mit Herablassung und Verachtung betrachteten. Sie waren nicht so eng mit den Grundbesitzer und der Bourgeoisie verbunden wie es die Mehrheitsoffiziere vielleicht gewesen wären. Aber die Tatsache, dass Minderheiten eine große Rolle unter den Armeeoffiziere und auch in den Mannschaften der Armee spielten, war einer der Faktoren in der Lage, der sich für die Bourgeoisie ungünstig auswirkte.

Der Grundfehler von Kumar ist, die Entwicklungen in Syrien mit dem zu vergleichen, was in einer Revolution (selbst in einem rückständigen, kolonialen Land) unter der Führung einer die Arbeiterklasse führenden marxistischen Partei passieren würde. Unter solchen Umständen wäre der ganze Prozess völlig anders. Die ArbeiterInnen würden die BäuerInnen und das Kleinbürgertum führen, sie würden Arbeiterdemokratie errichten und es gäbe die Möglichkeit für eine Entwicklung der Gesellschaft entlang den Linien der Entwicklung in Russland zwischen 1917 und 1923. Das könnte natürlich nicht lange dauern, so lange es keine Unterstützung durch ein paar fortgeschrittene Wirtschaften hätte.

Sozialismus erfordert eine materielle Grundlage und eine materielle Grundlage für den Sozialismus besteht in keinem der unterentwickelten Länder der Welt. Sie besteht nur im internationalen Maßstab. Wie die Erfahrung der UdSSR zeigt, ist selbst für Arbeiterdemokratie eine Mehrheit von ArbeiterInnen notwendig. Ein Regime von Arbeiterdemokratie bei einer kleinen Minderheit an ArbeiterInnen konnte nicht über eine längere Zeitperiode dauern. Es würde unausweichlich nachgeben und degenerieren, so lange es keine direkte Unterstützung durch ArbeiterInnen in ein paar fortgeschrittenen Wirtschaften hätte, die die Macht übernahmen. Wenn daher Revolutionen in rückständigen Ländern stattfinden, kann dies nur auf der Grundlage der internationalen Entwicklung der Ereignisse verstanden werden, des durch diese Länder geschaffenen Umfelds und besonders des veränderten weltweiten Kräfteverhältnisses. Es ist auch ein Symptom dafür, dass die Produktivkräfte im Weltmaßstab reif für den Sozialismus sind.

In dieser Hinsicht waren die Russische Revolution und die Chinesische Revolution entscheidend für die koloniale Revolution. Natürlich waren die Auswirkungen der Degeneration der Russischen Revolution und die Entwicklung des proletarischen Bonapartismus in Russland selbst auch entscheidend. Daher ist die Beschreibung der Sozialistischen Ba’ath-Partei völlig scholastisch. Wir können alle Argumente Kumars in dieser Frage akzeptieren – dass die Ba’ath eine kleinbürgerliche Partei war, dass sie nur dem Namen nach eine ‚sozialistische’ Partei war und so weiter – aber das tut den Entwicklungen, die stattgefunden haben, in keiner Weise Abbruch. Die Ba’ath selbst wäre zweifellos völlig unfähig gewesen, einen Aufstand nach dem Vorbild des Oktobers 1917 in Russland zu organisieren. Sie wäre völlig unfähig gewesen, das Proletariat, die BäuerInnen und das Kleinbürgertum in den Städten mit ihren eigenen Mitteln und durch die Stützung auf die Masse der Bevölkerung zu einem Sieg über Kapitalismus und Großgrundbesitz zu führen. Aber die Ereignisse in Syrien wurden durch den Umstand bestimmt, dass Ba’ath mir einem Teil der Offiziere eng verbunden war. Die Offiziere wiederum, wie im vorigen Abschnitt erklärt, wurden von der Krise der Gesellschaft beeinflusst, wie wir es in Bezug auf die Entwicklungen in Portugal gezeigt haben.

Tatsächlich zählt alles Material, das Kumar zitiert, gegen ihn, wenn er es auf dialektische Weise betrachten würde. Zum Beispiel sagt er:

„Hourani war Shishaklis Verteidigungsminister, bis die unbarmherzige Unterdrückung des Bauernaufstandes und die unaufhörliche Unterdrückung parlamentarischer und demokratischer Freiheiten ihn zwang, mit seinem lebenslangen Freund zu brechen.“ (S. 36)

Das war der Hintergrund der Entwicklung der Ereignisse in Syrien – Aufstände der BäuerInnen und ArbeiterInnen, ständige Gärung und Zusammenbruch der Klassenbeziehungen in der Gesellschaft. In Birma führten die endlosen Kriege und der völlige Zusammenbruch der Gesellschaft unter Kontrolle der Bourgeoisie und Grundbesitzer dazu, dass die Antifaschistische Volksfreiheitsliga und ein Teil der Offiziere, die die burmesische Armee bildeten, letztlich die Kontrolle in die eigenen Hände nahmen. Auf die selbe Weise wurde der Prozess in Syrien vorbereitet.

Kumar zeigt die Instabilität der Klassenbeziehungen und die Tatsache, dass die Armee in Syrien keine klassische, ‚fest’ organisierte Armee der Bourgeoisie wie in der Vergangenheit war. Er sagt zum Beispiel:

„Es wird geschätzt, dass die KP eine Volksmacht von 100.000 bewaffneten StaatsbürgerInnen organisiert hatte, mit Unterstützung des Armeestabschefs Bizri, der ein Mitläufer der Kommunisten war“. (S. 36)

In welcher Armee der Welt könnte es einen Armeestabschef geben, der ein Mitläufer der Kommunistischen Partei ist? Das allein zeigt die Beziehungen, die im Land insgesamt bestanden.

Kumar fährt fort:

„Schließlich erreichten die Spannungen in der Arme Krisenausmaße, und Ba’ath, deren wirkliche Machtbasis der Ba’ath-Flügel des Offizierskorps war, konnte hoffen, dass die Autorität von Nasser und Feldmarschall Amir ein Heilmittel gegen diese gefährliche Fraktionsmacherei sei.“ (S. 37)

Dass Spannungen in der Armee zu einer Spaltung der Armee führten, war durch die Spannungen in der Gesellschaft verursacht – innerhalb und zwischen den Klassen. Dass die Ba’ath eine Union mit Ägypten als Lösung für die Probleme der syrischen Gesellschaft versuchte (mit allen Folgen, die Kumar beschreibt) ist für sich allein ein Zeichen für die Verfaultheit der syrischen Gesellschaft und die Krise des Regimes.

Bruch mit Ägypten

Die Union mit Ägypten war ein Versuch, den damaligen Einfluss der Kommunistischen Partei und die Gefahr der proletarischen Revolution in Syrien zu umgehen. Sie wurde von der syrischen Bourgeoisie vorangetrieben als Versuch, den Widersprüchen der Gesellschaft in Syrien selbst zu entkommen. Es war diese Furcht vor der Revolution und dem Sturz von Großgrundbesitz und Kapitalismus, die dazu führten, dass die Ba’ath eine Lösung für dieses Problem in einer Union mit Ägypten zu finden versuchte. Die Union war natürlich, wie Kumar gut schildert, eine völlige Katastrophe und konnte unter diesen Bedingungen nicht lange dauern. Mit der unausweichlichen Verschwörung auf Seiten der Offiziere hatten wir die Bewegung hin zu einer erneuten Wiedererrichtung des syrischen Staates. Nasser ergriff Maßnahmen, um sich eine Basis in den syrischen Massen zu verschaffen, die außerordentlich populär waren (worauf Kumar hinweist), nämlich ein Versuch zu Verstaatlichungen und Bodenreform. Aber wie immer in den Fällen, wo es keine völlige Enteignung der Bourgeoisie und Großgrundbesitzer gibt und wo dies von ausländischen Händen, den Ägyptern, gemacht wurde statt unter Einsatz der SyrerInnen selbst, blieb es unausweichlich hinter dem Erforderlichen zurück. Kumar bemerkt zum Beispiel:

„In der Praxis war die syrische Bodenreform während der Periode der Vereinigten Arabischen Republik ein völliger Fehlschlag. Nur ein Zwanzigstel des für Enteignung vorgesehenen Bodens wurden tatsächlich verteilt“. (S. 37)

Selbst davon fiel das meiste zurück in die Hände der Großgrundbesitzer.

Kumar sagt:

„Die ‚sozialistischen Erlasse’ vom Juli 1961 in ihrer Anwendung auf Syrien verstaatlichten Banken, Versicherungen, drei Industrieunternehmen, und teilverstaatlichten 24 andere Industrieunternehmen. ArbeiterInnen wurden 25% der Firmengewinne und Vertretung im Vorstand zugebilligt. Die Verstaatlichungen betrafen höchstens 10% der in der produzierenden Industrie beschäftigten ArbeiterInnen in Syrien und in jedem Fall verkleinerte die vorherrschende antiägyptische Stimmung die möglichen positiven Wirkungen. Verstaatlichung war jedoch ein angemessener Grund für die syrische Bourgeoisie, ihre Bemühungen für den Austritt aus der Union zu verdoppeln und den Alptraum zu beenden“. (S. 37)

Er macht es klar, dass es der bürgerliche Flügel war, oder vielmehr der mit der syrischen Bourgeoisie und den Großgrundbesitzern verbundene Flügel, der den Putsch gegen die Union mit Ägypten und für die Unabhängigkeit von Ägypten durchführte. Das ist sehr bedeutsam. Der einzige Grund, warum die Bourgeoisie nicht gewinnen konnte, indem sie sich auf die Teile der Offiziere stützte, die nach den Maßnahmen zur Verstaatlichung und Enteignung der Großgrundbesitzer die Konterrevolution unterstützten, war natürlich die Tatsache, dass der Ba’ath-Flügel der Armee an die Massen appellierte, an die Arbeiterinnen und BäuerInnen. In Syrien spielten die ArbeiterInnen eine große Rolle (viel mehr als in den Revolutionen in China und auf Kuba zum Beispiel) bei der Zerschlagung der Versuche der Konterrevolution, zu diesem Zeitpunkt und auch später.

Wie Kumar sagt:

„Sarraj trat aus Protest zurück und die sich daraus ergebenden Konflikte im Militär- und Geheimdienstestablishment gaben den unzufriedenen Armeeoffizieren und den rechten Offizieren die Gelegenheit, in Übereinstimmung mit den bürgerlichen Politikern zu handeln“. (S. 37)

Darüber kann es keinen Streit geben, aber hier gibt es klar die Frage der gesellschaftlichen Kräfte, die an dem Prozess beteiligt sind – die Armeeoffiziere arbeiten in Übereinstimmung mit den Vertretern der Bourgeoisie, um eine bürgerliche Regierung zu errichten. Indem sie sich auf die BäuerInnen und das Kleinbürgertum stützten, die immer mit der stärksten Kraft gehen, konnten die Offiziere den Bruch mit Ägypten vollbringen.

Wie Kumar kommentiert, führte der Sieg der Konterrevolution zu dem Versuch, die Flutwelle der ‚sozialistischen’ Maßnahmen aufzuhalten:

„Die neue Regierung schaffte die Verstaatlichungsmaßnahmen ab und beschränkte die Bodenreform wie ein Mann, der versucht, das Euphratwasser rückwärts fließen zu lassen“. (S. 38)

Dies ist ein sehr bedeutsames Zugeständnis von Seiten des Genossen, weil es die Schwäche der Bourgeoisie und der konterrevolutionären Kräfte in Syrien anzeigt. Wie er zeigt, war der ganze Prozess eine nicht endende Instabilität und während die Klassen zusammenstießen, spiegelten sich die Klasseninteressen in den Zusammenstößen innerhalb der Armee wider, die selbst überhaupt keine stabile, Kraft aus einem Guss war, selbst in Bezug auf die Offizierskaste:

„Die parlamentarische Periode, die mit dem Ende der Union mit Ägypten zusammenfiel, war kurzlebig und dauerte weniger als 18 Monate. Selbst während ihrer kurzen Lebensdauer wurde sie von einem vorzeitigen Militärputsch und einem Regierungswechsel erschüttert.

Unter der Führung von Azm und Hourani entwickelte sich schon Anfang 1962 eine mächtige Bewegung für de Verwirklichung der versprochenen Rückkehr der demokratischen Rechte. Die bürgerliche Regierung konnte dem Druck der Linken nicht standhalten und begann mit dem Rückzug, als Nahlawis zweiter vorzeitiger Putsch von Ende März das unterbrach… Der Putsch scheiterte und in der sich daraus ergebende Verwirrung kam das Militär noch einmal zu einem Kongress in Homs zusammen… Nahlawi wurde ins Exil geschickt und wieder eine zivile Regierung eingesetzt, mit der allgemeinen Zustimmung der Versammlung.

Die neue Regierung stellte die Bodenreform wieder her, wobei die BäuerInnen sofort und nicht in 40 Jahren Besitzurkunden bekamen, verstaatlichte alle ausländischen Banken und übernahm einen Anteil von 25% an allen syrischen Banken. Die Herkunft des Offizierskorps aus der unteren Mittelschicht bestätigte sich“. (S. 38)

Klassen-Widerspiegelungen

Der Genosse bemerkt nicht, dass alle Fraktionen innerhalb der Armee sich auf Klassen innerhalb der Gesellschaft selbst stützten. Der Kampf zwischen den Fraktionen war eine Widerspiegelung des Klassenkampfs innerhalb des Landes und außerhalb der Armee. Die Armee kann nicht von den Prozessen getrennt und unabhängig sein, die innerhalb des Landes stattfinden. Das steht klar fest auf der Grundlage des von Kumar selbst gebrachten Materials.

Kumar stellt weiterhin die Stellung der Ba’ath und die Lage in Syrien dem gegenüber, worauf sich eine revolutionäre Partei in einem rückständigen Land, die im Proletariat verankert ist, stützen würde. Nachdem er zum Beispiel viele der Intrigen und die Entwicklung der Fraktionen und den Kampf innerhalb der Armee im Detail aufgeführt hat, fährt er fort:

„Es war charakteristisch für die politische Führung der Ba’ath, dass sie ihre wirkliche Stärke aus der Armee und nicht aus den Massenorganisationen der Partei bezog, und die Verschwörung oder Intrige war ihr Stil.“ Er fährt fort: „Mobilisierung der Massenbewegung wäre der letzte Gedanke gewesen, der diesen kleinlichen politischen Intriganten in den Kopf gekommen wäre, aber sie scheinen sich der Fallen der Fusion mit einer autonomen Verschwörung dieses Charakters nicht bewusst gewesen zu sein.“

Er sagt weiter:

„die Ba’ath konnte wenig Massentätigkeit eigenständig mobilisieren, aber das Bündnis mit den führenden politischen Parteien war ein entscheidender Vorteil zugunsten der militärischen Fraktionen der Ba’ath. Dies war so trotz der Tatsache, dass die syrische Ba’ath Mangel an Erfahrung in der Massenpolitik hatte und sich die Revolution nicht als die Tätigkeit der ArbeiterInnen und BäuerInnen vorstellen konnte, die sich auf der Grundlage ihrer eigenen Forderungen massenhaft bewegen.“ (S. 39)

Die Frage, die sich sofort stellt, ist, warum sich die militärische Fraktion auf eine Partei stützen musste, die Unterstützung unter den Massen hatte, wenn die Entwicklungen innerhalb der Armee völlig unabhängig von en Prozessen gewesen wären, die im Lande und unter den ArbeiterInnen und BäuerInnen stattfanden? Wenn die Prozesse in der Armee unabhängig vom Kampf zwischen Großgrundbesitzern und Bourgeoisie auf der einen Seite und der Masse der ArbeiterInnen und BäuerInnen auf der anderen Seite gewesen wäre, warum kam dann die Fraktion der Offiziere erfolgreich an die Spitze, die Verbindungen zur Ba’ath hatte und in dieser Mitglied war? Das konnte nur auf der Grundlage der Unterstützung der ArbeiterInnen und BäuerInnen sein, wenn nicht einer aktiven Teilnahme der ArbeiterInnen und BäuerInnen an den stattfindenden Kämpfen.

Der selbe Fehler wird von Kumar bei seiner Analyse der Politik der Ba’ath gemacht. Er hat nicht verstanden, dass in einem rückständigen Land, wo es keine unverfälschte revolutionäre Strömung gibt – und, worauf er selbst hinweist, keine marxistische Strömung – vor dem gegebenen nationalen und internationalen geschichtlichen Hintergrund, Ereignisse von der Art, wie sie in Syrien stattfinden, zweifellos auch in anderen Ländern stattfinden werden. Wie im ersten Teil dieses Dokuments über die koloniale Revolution erklärt wurde, ist es unmöglich, diese Prozesse zu verstehen, ohne die völlige Sackgasse von Kapitalismus und Großgrundbesitz in der Dritten Welt, den völligen Bankrott des Kapitalismus unter modernen Bedingungen zu verstehen.

Die Krise des Kapitalismus in den Metropolen-Regionen wird eine langgezogene Krise sein. Dies bedeutet, dass die Krise in der kolonialen Welt sogar noch schwerer werden wird.

Unter diesen Bedingungen werden solche Ereignisse wie jene in Äthiopien und in anderen Ländern unausweichlich in vielen Ländern der ‚unterentwickelten’ Welt stattfinden. Das ganze Wesen des Problems besteht darin, dass es beim Fehlen jeglicher Perspektive auf der Grundlage von Großgrundbesitz und Kapitalismus für einen Teil der Mittelschicht-Elite, der Offizierskaste, möglich ist, nach einer neuen Lösung des Problems auszuschauen.

Die Führer von Ghana haben etwas wichtiges gesagt, nämlich dass sie in Ghana jede Regierungsform ohne Erfolg ausprobiert haben. Sie probierten eine parlamentarische Regierung – die konnte ihre Probleme nicht lösen. Sie probierten die Diktatur von Nkrumah – die löste ihre Probleme nicht. Der Sprecher selbst sagte: wir haben alles ausprobiert außer dem Kommunismus und vielleicht müssen wir das versuchen, wenn es keinen anderen Ausweg aus der Lage gibt, in der wir uns befinden!

Wirtschaftliche Umgestaltung

Genosse Kumar fasst es also völlig falsch auf, wenn er hervorhebt:

„Es ist eine Tatsache der syrischen Politik in der ganzen untersuchten Periode, dass die politische Beteiligung immer auf einen kleinen Kern von militärischen und zivilen Teilnehmern beschränkt war; es ist wahr, dass selbst relativ gemäßigte Änderungen im Kräfteverhältnis innerhalb der Gruppe die Einstellung des Regimes merklich beeinflussten, aber solche Änderungen bleiben unausweichlich hinter der Umgestaltung der Klassennatur von Staat und Regime zurück.“ (S. 39f.)

Das ist gerade der Punkt –ob es eine Änderung des Regimes gegeben hat oder nicht.

Die Tatsache, dass es während dem größten Teil der diskutierten Periode keine große Bewegung der Massen gegeben hat, spricht nicht dagegen, dass ein Prozess der Revolution stattgefunden hat. Jede Bewegung der ‚Teilnehmer’ über einen Zeitraum von 20 oder 30 Jahren, jeder Regimewechsel wurde von den Einstellungen bestimmt, die sich unter den Massen entwickelt hatten, durch den Druck der Massen, die Unzufriedenheit der Massen und die Bewegung der Bevölkerung selbst. Es wäre völlig gegen alle Ideen des Marxismus, sich vorzustellen, dass die politischen Manöver der Armee auf der einen Seite und der zivilen Politiker auf der anderen Seite keine Beziehung zum Kampf der Massen gehabt hätten, der gleichzeitig stattfand. Nur mit der Unterstützung der Massen wäre es möglich, die Änderungen zu machen, die stattgefunden haben.

In der entscheidenden Umgestaltung des Regimes, die stattfand, bildete sich wegen dem Versuch der Konterrevolution, sich wieder zu etablieren, ein qualitativ verschiedenartiges Regime in Syrien heraus.

Wir sahen das Eingreifen der bewaffneten Massen, der 100.000 bewaffneten ArbeiterInnen und BäuerInnen, um die aktiven Versuche der Konterrevolution von Seiten der Kaufleute, Ladenbesitzer, Grundbesitzer und der Bourgeoisie selbst zu zerschlagen. Diese wurden entscheidend geschlagen, ohne dass es irgendwelche nennenswerten Aktionen von Seiten der Massen gab. Alles, was sie tun mussten, war ihre Macht in bewaffneten Demonstrationen zu zeigen, die in Damaskus stattfanden und die Überbleibsel des alten Regimes fast ohne Gegenwehr innerhalb von 24 Stunden wegfegte.

Trotzki wies darauf hin, dass selbst in einer gesunden Arbeiterrevolution zum Zeitpunkt des Aufstands nur eine Minderheit der Klasse aktiv teilnehmen wird. Aber sie haben die Unterstützung und Sympathie der überwältigenden Mehrheit. Eine aktive Bewegung von 100.000 ArbeiterInnen und BäuerInnen in einem Land mit einer so kleinen Bevölkerung wie Syrien (7.350.000 1975) stellt zweifellos die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung dar.

In der Tat werden GenossInnen, die auf diese Weise argumentieren, dass in Äthiopien zum Beispiel grundlegende Veränderungen stattgefunden haben, weil dort ein Bürgerkrieg und Kämpfe stattfanden. Aber in Wirklichkeit lag es daran, dass die Bewegung in Syrien viel mehr in den Massen der ArbeiterInnen und BäuerInnen verankert war, dass sie ohne Bürgerkrieg Erfolg hatte und den Widerstand der Kaufleute und der Grundbesitzer ohne große Opfer zerschlug.

Dieses Dokument widerspricht sich immer wieder. Zum Beispiel:

„Jedes Mal, wenn die Arbeitermiliz mobilisiert wurde, wurde sie schnell entwaffnet, sobald sie die besondere Funktion erfüllt hatte, für die sie erforderlich war. Sie bildete keine eigene Führung heraus, die an dem höheren Machtkampf teilnahm und ihn beeinflusste. Auch waren die unabhängigen und spontanen Bewegungen der Arbeiterklasse kein größerer Druck, den die Ba’ath-Führung während den entscheidenden Machtkämpfen ernsthaft berücksichtigen musste.“

Im nächsten Satz widerspricht er sich vollständig, indem er sagt:

„Es ist natürlich ziemlich wahr, dass die Ba’ath und die KP zur Zeit der Hama-Revolte und wieder im Januar 1965 zur Zeit der Verstaatlichungs-Erlasse erfolgreich Unterstützung und selbst einen gewissen Grad an Hitze innerhalb der Arbeiterklasse schufen, aber es wäre völlig irrig, deren politische Bedeutung zu übertreiben…

Am 1. Januar 1965 begannen die von Linken und Militärs beherrschte Regierung ein radikales Verstaatlichungsprogramm, das als Ramadan-Erlasse bekannt ist. Teilweise zielten die Maßnahmen darauf ab, den rechten Flügel von Aflaq-Bitar zu untergraben, der zusammen mit dem rechten Offizier Umran vom Militärkomitee das letzte Gefecht gegen die Regionalisten und das Militärkomitee predigte. Teilweise waren die Erlasse eine politische, wirtschaftliche Notwendigkeit. Angesichts der massiven Kapitalflucht und der Krise in der Industrie fand es diese Gruppe von Offizieren notwendig, die wirtschaftliche Macht als Ergänzung zur politischen Macht in ihrer eigenen Hand zu festigen.

Die Januar-Erlasse von 1965 endeten die wirtschaftliche Vorherrschaft der City- und Industriebourgeoisie und brachte alle moderne Industrie in Staatshand… Firmen, die 1964 zu 25% verstaatlicht wurden, wurden zu 75-100% übernommen; zusammen wurden 106 Firmen im Werte von 243 Millionen US$ übernommen. Eine Reihe von Handwerksbetrieben, die wegen der hastigen und schlecht vorbereiteten Weise der Verstaatlichungen übernommen wurden, wurden daraufhin wieder in privates Eigentum rücküberführt. Die fortgesetzte Verstaatlichung 1965 brachte auch 70% des Import-Export-Handels und einige nichtindustrielle Wirtschaftsbereiche in Staatshand.“ (S. 40f.)

Tatsächlich brachten die Ba’ath-Armeeoffiziere mehr unter ihre Kontrolle als in der ersten Phase der Russischen Revolution von 1917! Tatsächlich wurde die wirtschaftliche Grundlage einer Übergangswirtschaft errichtet.

Klassenbewegung

Das Dokument sagt dann weiter, dass es von Seiten der enteigneten Klassen einen Reaktionsversuch gab:

„Ende Januar brach eine Kampagne des zivilen Ungehorsams unter Teilen der städtischen Bevölkerung aus, die von reaktionären religiösen Organisationen und der enteigneten Klasse und den Kaufleuten aufgestachelt waren. Sie wurde von der Ba’Ath-Arbeitermiliz und den KP-AtivistInnen unter dem wachsamen Auge der Armee gebrochen.“ (S. 42, meine Hervorhebung — GE)

Es ist völlig wahr, dass die Revolution nicht auf klassische Weise stattfand und daher nur zur Schaffung eines monströs deformierten und verzerrten bonapartistischen Arbeiterstaats führen konnte. Aber in China, auf Kuba, in Osteuropa oder bei irgendeiner der Entwicklungen in den rückständigen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas fand der Sturz von Kapitalismus und Großgrundbesitz auch nicht in klassischer Form statt. Er fand statt wegen dem weltweiten Kräfteverhältnis – der Sackgasse des Kapitalismus in der unterentwickelten Welt in dieser Epoche und wegen der Notwendigkeit, zur Moderne durchzubrechen. Er fand in dieser verzerrten Form statt wegen der Schwäche des Marxismus in den entwickelten Ländern und auch den unterentwickelten Ländern der Welt.

Es ist bedauerlich, dass unser Genosse dem Vorbild der bürgerlichen Autoren folgt, die er studiert hat und auf die persönlichen, Cliquen- und Kastenkämpfe hinweist, die stattgefunden haben, ohne zu verstehen, was diese persönlichen und Cliquenkämpfe tatsächlich darstellten.

Auf die selbe Weise haben die Bürgerlichen den Kampf zwischen Stalin und Trotzki als einen persönlichen Kampf, als einen Cliquenkampf um die Macht auf beiden Seiten dargestellt. Hier haben sie völlig das Wesen der Sache übersehen und nicht verstanden, dass Stalin auf der einen Seite die Bürokratie vertrat und Trotzki auf der anderen Seite die Arbeiterklasse vertrat. Es stimmt, dass in diesem Fall alle Manöver und der Kampf tatsächlich auf der Grundlage eines relativ gesunden Arbeiterstaates stattfanden. Aber das ändert nichts an den grundlegenden Merkmalen.

Alles, was die Bourgeoisie sehen konnte, waren Cliquenkämpfe, persönliche Kämpfe, Fraktionskämpfe und so weiter. Dadurch wollte sie die marxistische Erklärungsmethode vermeiden, nach der alle diese Fraktions- und Cliquenkämpfe den Druck und die Bewegung innerhalb der Gesellschaft darstellten, die Bewegung verschiedener Klassen innerhalb der Gesellschaft. Im Falle der Sowjetunion waren das die Verhältnisse der ArbeiterInnen, BäuerInnen und der herrschenden Elite, der bürokratischen Kaste, die die Kontrolle des Staats aus den Händen der ArbeiterInnen und BäuerInnen in ihre eigenen Hände übernommen hatte.

So muss man ähnlich in Syrien, wo Kumar nur persönliche Kämpfe zwischen Cliquen der Ba’ath, zwischen verschiedenen Teilen der Offizierskaste und so weiter sehen kann, hinter den Ambitionen dieser oder jener Person, dieser oder jener Armeeclique, dieser oder jener Clique der Ba’ath-Partei oder dieser oder jener Fraktion die Kräfte sehen, die sie in den Klassenverhältnissen des Landes vertreten.

Er sagt weiter:

„Es war also die letzte Stufe in einem zivil-militärischen Konflikt, in dem die Armee die Ba’ath-Partei in Syrien unter ihre völlige Kontrolle brachte. Das Militärkomitee hatte gleichzeitig die Armee von konkurrierenden Fraktionen gereinigt, war in alle strategischen Kommandoposten eingedrungen und hatte auch die völlige Kontrolle über die syrische Armee übernommen. Diese Verengung des Brennpunkts der politischen Macht war das geschichtliche Mittel, mit dem ein neues aufstrebendes Kleinbürgertum die politische Macht in ihre eigenen Hände nahm, deren Bestrebungen unter der Herrschaft des alten Bündnisses von City-Bourgeoisie und Großgrundbesitzern keine Erfüllung finden konnten.“ (S. 42)

Dies muss etwas neues in der Geschichte des Marxismus sein – die Idee, dass ein ländliches Kleinbürgertum die Macht in seine eigenen Hände nehmen kann! Das war niemals in der Geschichte möglich und wird auch niemals stattfinden. Die Tatsache, dass die meisten Armeeoffiziere aus dem ländlichen Kleinbürgertum, dem unteren und mittleren Kleinbürgertum kamen, war darum bedeutsam, weil sie dem enormen Druck der Krise in der syrischen Gesellschaft unterworfen waren. Aber zu unterstellen, dass sie die Macht für die Zwecke des Kleinbürgertums übernahmen, kann man nur als von vorne bis hinten vollkommen falsch beschreiben.

‚Staatskapitalismus’?

Wo die Macht der Kapitalisten und Großgrundbesitzer gebrochen ist, wo Verstaatlichungen stattfinden und der Boden aufgeteilt wird, wie anders kann man das bezeichnen als als Übergangsregime eines deformierten Arbeiterstaats? Man würde alle Ideen des Marxismus, alle Lehren von Marx, Engels, Lenin und Trotzki sinnlos machen, wenn man sich vorstellen würde, dass das ländliche Kleinbürgertum die Kapitalistenklasse enteignen könnte. Das läuft allen ihren Lehren über die Rolle der Bauernschaft in der Revolution unter modernen Bedingungen zuwider. Die Bauernschaft kann ihrer ganzen Natur nach keine unabhängige Rolle spielen. Sie muss eine der Grundklassen der Gesellschaft unterstützen. Deshalb ist es kein Zufall, wie Kumar selbst erklärt hat, dass die Verstaatlichungen die überwältigende Unterstützung der Arbeiterklasse in Syrien erheilten. Nur wegen der Verstaatlichungen und nur wegen der Aufteilung des Bodens erlangte das Regime die Unterstützung der ArbeiterInnen und BäuerInnen, mit der es während der letzten sieben oder acht Jahre überleben konnte.

Das Dokument sagt dann weiter:

„Es war eine übereilte Schlussfolgerung, aus der Verstaatlichung des industriellen Sektors der Wirtschaft und der unbezweifelten Zerstörung der politischen und wirtschaftlichen Macht der alten Bourgeoisie und der Großgrundbesitzer zu folgern, dass sich in Syrien ein proletarisch-bonapartistischer Staat herausgebildet hat. Die Zerstörung der alten Ordnung bedeutet nicht notwendig, dass die neue Ordnung, die sich herausgebildet hat, die Grundstrukturen einer sozialistischen Wirtschaft geschaffen hat.

Die irrtümliche Schlussfolgerung, dass Syrien sozioökonomisch zum Beispiel der Sowjetunion oder Osteuropa oder China ähnle ergibt sich aus unzureichender Aufmerksamkeit für zwei entscheidende Gesichtspunkte, und zwar:

1.        Der begrenzte und unvollendete Charakter der Staatskontrolle über die Wirtschaft und das Wachstum von kapitalistischen Verhältnissen in Landwirtschaft und Handel jetzt und das beschleunigte Wachstum des Privatsektors in mehreren modernen Wirtschaftszweigen, nachdem Assad an die Macht kam.

2.        Die Kontinuität der politischen Macht, die in der Armee zum Ausdruck kommt, die extreme Schwäche der Volksbeteiligung während der ganzen politischen und Machtkämpfe in den entscheidenden Jahren und die schließliche Lösung der Kämpfe zugunsten einer neuen Mittelschicht, die sich auf ein breiteres gesellschaftliches Spektrum stützt als die alten besitzenden Klassen.

Zweifellos machten die Reformen und Verstaatlichungen einen schnellen wirtschaftlichen Wiederaufbau möglich. Die Erfahrungen zeigen, dass der Staat die notwendigen Ressourcen nutzbar machen kann, um die Grundlagen der wirtschaftlichen Modernisierung zu legen. Das war für die alten besitzenden Klassen unmöglich zu erreichen.

In einem sehr realen Sinn war das alte Regime in Syrien vorbürgerlich. Syrien nach 1966 war wesentlich staatskapitalistisch. Staatseigentum an den führenden Wirtschaftszweigen bestand Seite an Seite mit bürgerlichen Verhältnissen in Handel, Kleinunternehmertum und Landwirtschaft. Die alten traditionellen Gesellschaftsverhältnisse bestanden in mehreren Bereichen. Was jedoch wirklich den Klassencharakter des Staats unterstreicht, ist die Richtung, in die sich die staatskapitalistische Wirtschaft entwickelt. Staatskapitalismus ist nur eine Übergangsphase und entwickelt sich entweder zu gewöhnlichen kapitalistischen Verhältnissen oder bewegt sich hin zu wachsender Vergesellschaftung der ganzen Wirtschaft, je nach dem Charakter des politischen Regimes. In Syrien ist die Entwicklung der Wirtschaft in eine kapitalistische Entwicklung seit 1970 kaum bestreitbar.“ (S. 42, meine Hervorhebung — GE)

Dies ist eine völlig undialektische Sicht der Prozesse, die im Weltmaßstab und im Lande selbst stattgefunden haben. Tatsächlich ging das Regime mit der Verstaatlichung der kleinen Läden, Kleinindustrie und so fort zu weit, besonders in einem rückständigen Land wie Syrien! Selbst in einem Lande wie Großbritannien ist es klar, dass in der ersten Phase der sozialistischen Revolution nur die großen Monopole, die Banken und Versicherungen verstaatlicht würden, vielleicht würde alle Industrie verstaatlicht, die mehr als 30 bis 100 Leute beschäftigt. Nur im Verlauf der Beteiligung der Massen, der Entwicklung der Revolution würde der Rest der Industrie schrittweise vom Staat übernommen werden. In der ersten Phase würde kleinen Ladenbesitzer, Kleinunternehmer und KleinbäuerInnen volle Unterstützung gegeben werden, um dadurch die soziale Basis des Regimes zu verbreitern. Nur freiwillig und durch die Erfahrung würden die Kleinunternehmer, Ladenbesitzer und KleinbäuerInnen überzeugt werden, dass sie durch eine kollektive Leitung der Wirtschaft einen besseren Lebensstandard und ein besseres Regime bekommen würden als durch ihre eigene Kontrolle über ein winziges Stück der Wirtschaft. Kein Zwang, keine Maßnahmen würden gegen die Kleinkapitalisten ergriffen werden, so wie das die großen LehrerInnen geschrieben haben, sondern sie würden durch ihre eigene Erfahrung und durch die Propaganda des Regimes überzeugt werden, dass es für sie, ihre Familien und natürlich für die Gesellschaft insgesamt besser ist, kollektiv zusammenzuwirken. So gab es auch in Birma so wie in Syrien dumme Maßnahmen von Seiten des Regimes, die selbst den kleinsten Laden und das kleinste Unternehmen verstaatlichten.

Wenn es ein marxistisches proletarisches Regime in Syrien gegeben hätte, das diesen Fehler gemacht hätte, wären sie durch die wirtschaftlichen Umstände selbst gezwungen gewesen, zum Rückzug zu blasen und die Entwicklung von Kleinunternehmen als Entwicklungsstufe der Wirtschaft zu erlauben. Das war die Lage der NEP in Russland. Erst wenn Syrien eine modernisierte Wirtschaft hat, wäre es möglich, sich innerhalb des allgemeinen Staatseigentums an der Industrie selbst von diesen Elementen der kleinbürgerlichen Wirtschaft – des Kapitalismus, wenn man so will – zu befreien.

Bodenreform

Die ganze Vorstellung beruht auf einem wolkigen Verständnis davon, was Staatskapitalismus ist. Innerhalb des kapitalistischen Regimes ist Staatskapitalismus die Verstaatlichung von bankrotten und verfaulenden Elementen der Wirtschaft oder von Wirtschaftszweigen wie Eisenbahnen, Post, Telekommunikation und so weiter, bei denen es für das Funktionieren der bürgerlichen Gesellschaft notwendig ist, dass sie unter der Kontrolle des Staats selbst stehen sollten. Aber entscheidend ist, dass die Hauptelemente der produzierenden Industrie und die Hauptteile der Wirtschaft unberührt bleiben, zum Beispiel in Großbritannien, wo neun Zehntel der produzierenden Industrie, vielleicht mindestens 80% der entscheidenden Elemente der produzierenden Industrie in der Hand des Privatunternehmertums sind. Die 20% oder so, die in Staatseigentum sind, sorgen für das Wohlergehen der Unternehmer, indem sie ihnen billige Dienstleistungen und Rohstoffe liefern. Im Fall Großbritanniens zum Beispiel geben sie ihnen billige Kohle, Eisenbahnen, billigen Stahl, billiges Gas und billige Elektrizität.

Es war notwendig, diese Teile der Wirtschaft zu verstaatlichen, weil die Kapitalisten selbst nicht bereit waren, die enormen Summen hineinzustecken, die für die Modernisierung dieser Industrien notwendig waren. Und ohne sie wäre selbst Großbritanniens geschwächte Stellung auf dem Weltmarkt völlig unmöglich geworden. Dies ist Staatskapitalismus unter einem kapitalistischen Regime, weil nur ein kleinerer (wenn auch vielleicht bedeutsamer) Teil der Wirtschaft in der Hand des Staats bleibt und die Wirtschaft als Ganzes völlig auf privates Unternehmertum begründet bleibt.

Dies bedeutet, dass es keinen Plan geben kann, dass es keine Organisation der Produktion geben kann, das Regime immer noch auf der Grundlage der Marktgesetze verfährt, wie es das in allen westlichen Ländern (wie in Italien, Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern in Europa) gemacht hat, wo in der revolutionären Welle im Gefolge des Zweiten Weltkriegs Verstaatlichungen stattfanden.

Staatskapitalismus in der Sowjetunion (unter einem Arbeiterstaat), wie ihn Lenin definiert hat, ist etwas völlig anderes. Dort waren die Hauptindustrien und so weiter unter der Kontrolle des Staats, der dann dem ausländischen Kapital Konzessionen macht, Konzessionen die nach Lenins Absicht äußerst weit verbreitet sein sollten, die aber vom ausländischen Kapital nicht genutzt wurden, weil sie nicht die Absicht hatten, den Arbeiterstaat in Russland zu stützen und zu stärken. Es ist eine Wirtschaft, in der der Hauptteil der Industrie in den Händen des Arbeiterstaats ist und in der ein paar Teile der Industrie unter Privateigentum sind – das meinte Lenin mit Staatskapitalismus unter einem Arbeiterstaat. Die Lage in Syrien ist völlig verschieden, selbst nach den Argumenten von Kumar selbst.

„Die Bodenreform, die zwischen 1958 und 1963 nur zu 17% vollendet war, wurde unter dem Bodenreformminister Jundi nach 1965 energisch durchgeführt und war 1970 zu 85% abgeschlossen.“ (S. 42)

Also haben sie bei der Verstaatlichung der Industrie und der Aufteilung des Landes einen entscheidenden Schritt gemacht.

Was Kumar nicht zu verstehen scheint, ist, dass in Russland zum Beispiel die Grundlage der Bodenreform von 1917 bis 1929 dauerte und als Folge der Einführung der Neuen Ökonomischen Politik (NEP), zu der die Bolschewiki gezwungen waren, Elemente des Kapitalismus auf dem Land und in den Städten geschaffen wurden. Aber Kumar argumentiert:

„Die Grundlage der syrischen Bodenreform ist auch in einem anderen Sinne kapitalistisch. Ihre Grundeinheit ist der den Boden bewirtschaftende Bauer und sie nimmt keine Kollektivierung vorweg; eine große Klasse von LandarbeiterInnen wird auf den verkleinerten Gütern der Großgrundbesitzer beschäftigt. Selbst 1972 waren nur 7% der bebauten Fläche in Staatsfarmen, die hauptsächlich als Zentren der Spezialisierung und Forschung im Dienste der Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Produzenten in den verschiedenen Bezirken dienen.“ (S. 43)

Aber in Wirklichkeit war das in Russland in der erster Periode der Revolution und bis 1929-31 nicht anders, als die Kollektivierung als Folge der drohenden Revolte und tatsächlichen Revolte der reichen Bauern und reichen Elemente auf dem Lande (Kulaken) und natürlich der Differenzierung auf dem Lande selbst eingeführt wurde. Der Umstand, dass nur 7% des Bodens in Staatshand ist, ist kein Argument.

Staat und Wirtschaftskräfte

In der Sowjetunion ist die Hauptform der Landwirtschaft immer noch die Kollektivfarm, sogar 60 Jahre nach der Revolution. In Polen ist 20 bis 25 Jahre nach der Umgestaltung der Gesellschaft die ungeheure Mehrheit des Bodens in privaten Händen. Die Zwangskollektivierung brach während der Ereignisse 1956 zusammen. Seit fast einem Vierteljahrhundert bleibt das Land weitgehend unter der Kontrolle der einzelnen BäuerInnen. Die Kirche ist ungeheuer einflussreich. Bedeutet das, dass der Kapitalismus in Polen wieder eingeführt wird? Es gibt keinen einzigen Genossen, der wagen würde, so zu argumentieren.

Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass es einen neuen Versuch von Seiten der Kulakenelemente auf dem Lande in Syrien geben könnte, die Lage im Lande umzukehren, wenn die Aufteilung des Bodens für eine ganze Geschichtsphase so bleibt, wie sie ist. Natürlich wird die muslimische Religion zusammen mit den reaktionären Mullahs und den Widersprüchen zwischen den nationalen Minderheiten und der sunnitischen Mehrheit – all dies wird von der Reaktion unter diesen Bedingungen verwendet werden.

Aber angesichts der Macht des Staates selbst, und der Staat ist selbst eine ungeheure wirtschaftliche Macht, wie die ganze Geschichte der letzten siebzig Jahre gezeigt hat, ist es viel wahrscheinlicher, dass jeder Versuch der Konterrevolution weiteren Maßnahmen des Regimes begegnen wird, der Kollektivierung und weiteren Stärkung der Staatsstruktur.

Man muss Kumar nur zitieren, um die wirklichen gesellschaftlichen Wirklichkeiten in Syrien zu zeigen:

„Verstaatlichung, die 1965 etwa 80% der Großunternehmen in Staatshand gab, gaben den wirtschaftlichen Bedingungen Zusammenhalt, die als Folge der politischen Konflikte der vorigen Jahre chaotisch geworden waren. Der Staat übernahm die Aufgabe der Schaffung einer vielfältigeren Industrie und Entwicklung der Infrastruktur. Die wichtigen neuen Entwicklungen waren in neuen Eisenbahnlinien und Straßen, Modernisierung der Häfen, ein modernen Flughafen, Suche und Verarbeitung von Öl, Eisen, Asbest und Zement. Der Beitrag des Industriesektors zum Volkseinkommen wuchs von 12% 1965 auf etwa 25% 1975, jedoch vor allem wegen der Entdeckung von Öl in diesem Jahrzehnt. Es muss betont werden, dass die Rolle des Staats vor allem in der Entwicklung der Infrastruktur bestand. Das Starprojekt des Ba’ath-Regimes war der Euphratdamm, der dem Assuanstaudamm an Glanz Konkurrenz machen sollte.“ (S. 43)

Rolle der Gewerkschaften

Das spricht für sich und ist eine völlige Rechtfertigung der Umstellung, die in Syrien stattgefunden hat. Ohne ihn wären solche Änderungen völlig unmöglich gewesen. Kumar weist darauf hin, dass auf dem Höhepunkt 75% des Außenhandels in Syrien in der Hand des Staates waren, und er behauptet, dass die Beschränkungen des Außenhandels ständig gelockert worden seien und dem Privatsektor erlaubt worden sei, Rohstoffe, Ersatzteile und selbst Luxusgüter einzuführen. Aber da der Privatsektor ein zweitrangiger Teil der Industrie in Syrien ist, macht das nicht viel aus. So besteht in der Praxis in Syrien gegenwärtig das Außenhandelsmonopol des Staats, auf das Lenin und Trotzki in Russland als absolut wesentlichen Bestandteil einer sozialistischen Politik so großen Wert legten. Das ist für ein rückständiges Land wegen dem Druck der entwickelteren Industrie der kapitalistischen Metropolenländer des Westens besonders wichtig. Sie ist eine Sicherung für die verstaatlichte Industrie, die in Russland gegenwärtig besteht. Deshalb wäre es völlig falsch, aus der Wirtschaftsanalyse zu folgern, dass Syrien irgend etwas anderes als ein deformierter Arbeiterstaat sein könne.

Kumar verweist dann auf die Tatsache, dass die Gewerkschaften eine Marionette der Ba’ath-Partei und des Regimes der Generale in Syrien sind. Aber die Gewerkschaften bewahren in allen stalinistischen Ländern keine unabhängige Rolle. In jedem Fall sind sie der Arm des Staates, ob es in China, Russland, Osteuropa, Kuba, Birma, Südjemen oder irgend ein anderes Land ist, wo proletarischer Bonapartismus errichtet wurde. Nur in einem gesunden Arbeiterstaat würden die Gewerkschaften eine unabhängige Rolle bewahren und auf der einen Seite den Staat verteidigen und auf der anderen Seite die ArbeiterInnen gegen den Staat verteidigen, wie Lenin erklärte.

Wenn Syrien kein Arbeiterstaat wäre, weil die Gewerkschaften nicht unabhängig sind, würde das bedeuten, dass es nirgends auf der ganzen Welt einen Arbeiterstaat gibt! Besonders in Russland sind die Gewerkschaften ebenso wie die Partei selbst Geschöpfe der Bürokratie, die Gewerkschaftsführer sind tatsächlich ein Teil der bürokratischen Organisation innerhalb der Sowjetunion und das Regime duldet keinerlei unabhängigen Organisationen der Arbeiterklasse.

Tatsächlich gibt es, was den Staat betrifft, wenig Unterschied zwischen der Arbeitsfront Hitlers, den Gewerkschaften unter Mussolini in Italien oder den sindicatos in Spanien unter Franco und den angeblichen Gewerkschaften, der Karikatur auf Gewerkschaften, in der Sowjetunion und den anderen bonapartistischen Arbeiterstaaten gegenwärtig.

Kumar scheint zu glauben, dass der Umstand von entscheidender Bedeutung sei, dass die muslimische Religion in Syrien eine große Rolle spielt.

Aber wir sehen, dass auch in Polen die katholische Kirche eine enorme Rolle spielt und die Bürokratie tatsächlich zur Stabilisierung des Regimes in der jüngsten Periode der Kirche ungeheure Zugeständnisse gemacht hat. Aber das beeinträchtigt nicht die Tatsache, dass Polen ein deformierter Arbeiterstaat ist.

Die Stellung der Frauen ist ein anderer Faktor, der vom Genossen Kumar aufgegriffen wird. Aber Trotzki widmete einen ganzen Abschnitt der 1936 geschriebenen ‚Verratenen Revolution’ dem völligen Verrat des Stalinismus an allem, was durch die Revolution bei der Frauenemanzipation in Russland erreicht worden war. Dass die Frauen unterworfen sind, ist ziemlich klar.

Kumar versucht zu argumentieren, dass die Errungenschaften Syriens bloß eine räumliche Erweiterung der Sowjetunion seien in dem Sinne, dass ohne die Hilfe der Sowjetunion, die Hilfe der Sowjetbürokratie die ungeheuren Fortschritte nicht möglich gewesen wären, die gemacht wurden. Er versucht eine Unterscheidung gegenüber der Lage in Kuba zu treffen, das im Verlauf der letzten 15 Jahre in noch größerem Umfang von sowjetischer Hilfe abhing, indem er argumentiert, dass nach seinen eigenen Worten die Sowjetunion die Lage ‚repliziert’ habe, die gegenwärtig in Russland im Bereich der Partei, des Staats und so weiter besteht. Aber hier wiederholt Kumar nur den Fehler von Mandel, Pablo und Healy in der Diskussion, die zwischen 1945 und 1948 über die Natur der Regime in Osteuropa stattfand. Sie alle versuchten zu argumentieren, dass Osteuropa die ‚Pufferzone’, wie sie es ausdrückten, eine reine Verteidigungsregion für die Sowjetunion sei und dass wir in Osteuropa bloß ‚Staatskapitalismus’ hätten. Dagegen bestehe in Russland der Arbeiterstaat weiter.

Genosse Kumar macht den selben Fehler, den Mandel, Pablo, Hansen, Healy und jene anderen Herren machten, die in der Periode zwischen 1945 und 1948 unfähig waren, die Entwicklungen in Osteuropa zu verstehen oder zu erklären, und das zu verdecken suchten, indem sie sagten, Osteuropa sei bloß eine räumliche Erweiterung der Sowjetunion. Sie argumentierten, dass es unmöglich eine Änderung des Regimes gegeben haben könne, weil keine Revolution im klassischen Sinne mit dem direkten Eingreifen der Arbeiterklasse stattgefunden habe.

Dies hieß, dass bloß eine räumliche Erweiterung der Revolution in Russland stattgefunden habe. Darin lag natürlich ein Körnchen Wahrheit, in dem Sinne, dass das Vorrücken der Roten Armee die Staatsmaschinerie der Bourgeoisie Osteuropas zerstörte. Das war besonders so, weil die Staatsmaschinerie mit den Nazis zusammengearbeitet hatte und daher die meisten führenden Funktionäre nach Ostdeutschland geflohen waren, als die Rote Armee nach Osteuropa vorgerückt war. Das heißt trotzdem, dass die Staatsmaschinerie durch die Bewegung der Roten Armee zerschlagen worden war, es aber nur die Bewegung der Arbeiterklasse und der BäuerInnen war, die die Errichtung eines bonapartistischen Arbeiterstaates in diesen Ländern erlaubte. Das ist in dem Dokument ‚Gegen die Theorie des Staatskapitalismus’ und ‚Die marxistische Staatstheorie’ erklärt, das wir jetzt wieder herausbringen und die allen GenossInnen zum Studium zur Verfügung stehen werden.

Weltkrise

In diesem Dokument wird der ganze Prozess klar in groben Zügen skizziert und die Irrtümer, die sich eingeschlichen haben, hätten vermieden werden können, wenn die GenossInnen in der ganzen Bewegung das Dokument studiert hätten. Zweifellos betrachtete es die Bürokratie als großes Geschenk, dass die Revolution in diesen rückständigen Ländern stattfand, wo als Folge die Revolution auf verzerrte Weise beginnen und sich nach dem Vorbild Moskaus entwickeln konnte, was wiederum die Moskauer Bürokratie stärkte.

Wie wir im Falle Ägyptens erklärt haben, ist es möglich, dass es schon 1967 eine Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Ägypten hätte geben können, aber die Moskauer Bürokratie verhinderte und sabotierte eine Entwicklung entlang dieser Linien praktisch, weil sie sich vor den Auswirkungen fürchtete, die dies auf den amerikanischen Imperialismus und die Imperialisten des Westens gehabt hätte.

Wenn sie in bezug auf Syrien gefragt worden wären, gibt es keinen Zweifel, dass die Antwort zur Zeit der syrischen Ereignisse genau die selbe gewesen wäre. Aber wegen der Schwächung der Macht des Imperialismus und der enormen Macht und Stärke, die die Sowjetbürokratie im dazwischen liegenden Jahrzehnt erlangt hat und der Paralyse der Politik des US-Imperialismus wegen der Opposition der amerikanischen ArbeiterInnen und des amerikanischen Volks, war es dam amerikanischen Imperialismus nicht möglich, bei den Ereignissen in Angola und Mozambique direkt einzugreifen. Daher gab die Moskauer Bürokratie diesen Prozessen ihren Segen und unterstützte sie sogar in gewissen Sinne, indem sie ihnen Waffen, Nachschub und so weiter lieferte und das Eingreifen Kubas zweifellos aktiv ermutigte und mit diesen Mitteln bei der Umgestaltung sowohl Mozambiques als auch Angolas half.

Die Imperialisten fürchten, dass mit der Hilfe, die die Moskauer Bürokratie den rhodesischen Befreiungsbewegungen gibt, dort und auch in Namibia der selbe Prozess stattfinden wird, wenn die Imperialisten keinen Weg zum Erreichen eines Kompromisses finden. Das erklärt die geänderte Linie der Imperialisten, was Afrika betrifft.

Der französische Imperialismus versuchte sich jetzt kurze Zeit in der Rolle eines Polizisten in Afrika, in der Sahara, im Tschad und natürlich mit der Intervention in Zaire, weil er sah, dass er nicht länger den Luxus hatte, dass die USA der Weltpolizist sind und die Drecksarbeit machen. Aber sie mussten sich sofort aus Zaire zurückziehen wegen dem Druck der Massen in Frankreich, wegen dem Druck sogar der Kommunistischen und Sozialistischen Partei und auch der Gaullisten, die sehr gut verstehen, dass die Rolle von offener Ausbeutung und Eingreifen in Afrika wiederum enorme Auswirkungen auf Westeuropa und auch auf die Vereinigten Staaten hätte.

Unter diesen Umständen können die Imperialisten nicht direkt in Afrika eingreifen, stehen aber vor einem Dilemma. Sie sind unfähig, die Produktivkräfte in diesen Ländern wirklich zu entwickeln, wenn sich die Entwicklung der Produktivkräfte in ihren eigenen Ländern verlangsamt und es die Möglichkeit einer schweren Wirtschaftskrise gibt. Auf der anderen Seite würde unter den gegenwärtigen Umständen ohne Hilfe und Unterstützung unausweichlich der Zusammenbruch des Regimes in Zaire, dem früheren Belgisch-Kongo, erfolgen. Andere Regime in Afrika würden schnell folgen. Das ist nur ein Anzeichen für die unlösbaren Probleme, vor denen der Imperialismus gegenwärtig steht.

Die Weltkrise der Produktivkräfte der unterentwickelten Länder, macht es völlig hoffnungslos, auf kapitalistischer Grundlage mit den riesigen Mächten konkurrieren zu können, besonders unter wirtschaftlichen Krisenbedingungen. Das macht es möglich, dass das, was in Mozambique, Angola, Äthiopien, Eritrea, Somalia, Südjemen und anderen Ländern passiert ist, auch in noch weitren Ländern Afrikas stattfinden kann. Der Prozess könnte sich möglicherweise auch weiter nach Asien ausweiten, wie er es in Vietnam, Kambodscha und Laos schon gemacht hat.

MarxistInnen sind sehr sorgfältig bei der Verwendung von Begriffen. Die lockere Weise, auf die der Begriff ‚Staatskapitalismus’ verwendet wurde, zeigt dass die GenossInnen beim Schreiben ihres Materials die Disziplin des Marxismus nicht gewohnt sind. Genauso ist das Reden von ‚Doppelherrschaft’ selbst in Anführungszeichen (und in diesem bestimmten Zusammenhang werden gar keine Anführungszeichen verwendet) zwischen den zwei verschiedenen Fraktionen in der Armee und der Regierung völlig falsch. Das Dokument schreibt zum Beispiel:

„Danach bestand ein Zustand der Doppelherrschaft innerhalb des Regimes. Die zwei Fraktionen teilten die Macht in Kabinett und Regierung und stützten sich auf die Armee oder Parteikader (je nachdem), gaben ihre eigenen Zeitungen heraus und führten den Kampf bis zum Ende. Assad bezog auch aus der City-Bourgeoisie und der Kaufmannsklasse außerhalb des Regimes Stärke, wegen seiner konservativeren Orientierung und den Versprechen wirtschaftlicher Zugeständnisse.“ (S. 46)

Konzessionen

Das heißt, den Begriff Doppelherrschaft in völlig falschem Sinn zu verwenden. Es stimmt, dass es in jedem kapitalistischen Regime oder jedem Regime des proletarischen Bonapartismus einen Kampf zwischen verschiedenen Fraktionen um die Kontrolle des Staats und die Kontrolle von Pfründen geben kann. Es kann Konflikte zwischen der ‚Gewerkschaftsfraktion’ und der ‚Parteifraktion’, zwischen der ‚Armeefraktion’ und der ‚Staatsfraktion’ und so weiter geben, aber all dies sind keine Zustände von Doppelherrschaft, sondern ein Kampf zwischen verschiedenen Gruppierungen innerhalb einer bestimmten Klasse oder Kaste, in diesem Fall der Kaste der herrschenden Bürokratie selbst. Wegen der besonderen Weise, wie der Prozess in Syrien stattfand hat die Militärkaste zweifellos eine stärkere Stellung als sie sie in der Sowjetunion je hatte, selbst nach der Entwicklung der stalinistischen Konterrevolution.

Wenn man den Prozess, der in Syrien und in anderen Ländern stattfindet, nimmt, ist es auf gleiche Weise völlig falsch, diese oder jene Konzession an die Kräfte des Kapitalismus zu berücksichtigen. Lenin wollte den ausländischen Unternehmern Konzessionen machen, Breschnew versucht, die selben Konzessionen für die gemeinsame Erschließung Sibiriens mit den europäischen, japanischen und amerikanischen Kapitalisten zu machen. Daraus zu folgern, dass die Sowjetunion ein kapitalistischer Staat sei, wäre genauso wenig richtig. In all diesen Fällen weigerte sich die Bourgeoisie, an der Entwicklung der Wirtschaft der Sowjetunion teilzunehmen, weil sie ganz genau verstand, dass die Macht in der Hand der Bürokratie bleiben würde. Obendrein konnten sie sehen, dass die Sowjetunion bei dem Handel besser wegkommen würde, in dem Sinne, dass es eine Entwicklung der Wirtschaft in größerem Tempo als früher geben würde und das ein großer Vorteil für die Sowjetunion und nur ein zweitrangiger Vorteil für die Unternehmer selbst wäre (im Sinne des Zugriffs auf Rohstoffe, möglicherweise Öl, und die anderen Reichtümer Sibiriens).

Aber da sie schon in anderen Teilen der Welt Zugriff auf diese Rohstoffe haben, zögerten sie, die Sowjetunion weiter zu entwickeln und ihre Macht und Stärke enorm zu vergrößern. Auf gleiche Weise bot Birma dem ausländischen Kapital große Konzessionen an, um sie zur Errichtung von Industrie in Birma zu verlocken. Aber weil die Kontrolle über den Staat in der Hand der birmanischen Bürokratie und Armee verblieb und sie keinerlei Absicht hatten, auf diese Kontrolle zu verzichten, lehnte die Bourgeoisie die sehr großzügigen Konzessionen ab, die ihr von der birmanischen Bürokratie angeboten wurden.

Ähnlich sieht es mit den Konzessionen aus, die von der syrischen Bürokratie angeboten wurden. Diese Konzessionen unterscheiden sich auf keine Weise von denen, die vom birmanischen, von den osteuropäischen Regimes und auch von der Sowjetunion angeboten wurden, sowohl unter Lenin, als sie ein verhältnismäßig gesunder Arbeiterstaat mit bloßen bürokratischen Deformationen war, als auch von der Sowjetbürokratie. Die Kapitalisten haben von keiner der Konzessionen Gebrauch gemacht, die ihnen angeboten wurden, denn die Sowjetunion ist zwar ungeheuer degeneriert, aber trotzdem bleibt das grundlegende System Staatseigentum, ein Plan und Außenhandelsmonopol – mit anderen Worten: sie ist ein gänzlich antikapitalistisches System. Sie hatten gedacht, dass sich der Einsatz nicht lohnte. Trotz der großzügigen Profite, die sie damit machen könnten, waren die Risiken zu groß.

Das Zitat von Tabitha Petran, das gegeben wird, beweist diesen Punkt bloß. Denn es zeigt, dass Assad, um Devisen zu bekommen, Emigranten Anreize bot, ihr Kapital wieder ins Land zurück zu schicken, obwohl es geschätzt wurde, dass die Grundbesitzer und Großunternehmen zwischen 2 und 5 Milliarden US$ wegen der Unsicherheit des Regimes verschwinden ließen. Kumar selbst gibt die Zahl von 1 Milliarde US$ von zwischen 3 und 5 Milliarden US$, die tatsächlich in Syrien reinvestiert wurden. Das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein und völlig unfähig, die Lage in Syrien umzugestalten. Auf jeden Fall, wie das Dokument selbst erklärt:

„Die für private Investitionen offenen Bereiche waren Bauwesen, Transport und Tourismus. Investitionen in der Industrie erfordern eine besondere Genehmigung.“ (S. 46)

Das spricht für sich. Es ist klar, dass die syrische Bürokratie, die Militärbürokratie und die zivile Bürokratie der Ba’ath-Partei keinerlei Absicht haben, zu irgend einer Form von Kapitalismus in Syrien zurückzukehren.

Bürokratische Reaktion

Die Konzessionen die gemacht wurden, waren vernachlässigbar im Vergleich zu der Kontrolle über die Wirtschaft, die im Staatssektor besteht und im Vergleich zu ähnlichen Ländern von Afrika, Asien und dem Nahen Osten so enorme Auswirkungen hat.

Dasselbe kann über Syriens Verhalten in der Außenpolitik gesagt werden. In dieser Hinsicht machen die GenossInnen den selben Fehler wie die Sekten, die sich in der Vergangenheit einbildeten, dass China ein gesunder Arbeiterstaat sei, dessen Außenpolitik fast einer leninistischen Regierung entspreche. Wir haben schon erklärt, wie jedes reaktionäre Regime von der chinesischen Bürokratie unterstützt wurde, das gute Beziehungen mit ihr wünschte. Jetzt ist die chinesische Bürokratie noch weiter gegangen und hat auf die abstoßendste und ekelhafteste Weise versucht, die EG (die kollektiv Afrika ausbeutet) zu festigen und hat selbst der monströsen Diktatur in Chile Kredite bewilligt. Sie stacheln die Imperialisten auf, gegen Russland vorzugehen. Sie unterstützen zusammen mit dem südafrikanischen und amerikanischen Imperialismus die FNLA in Angola gegen die MLPA. Zusammen mit dem französischen Imperialismus haben sie versucht, Mobutu in Zaire zu stärken.

Sie haben sogar eine Fußballerdelegation aus Chile als Zeichen der Freundschaft empfangen, genau zu der Zeit, wo Chile von den bürgerlichen Demokraten und natürlich von proletarischen Aktivistinnen in verschiedenen Teilen der Welt als Aussätziger betrachtet wird. Wenn selbst die USA ihre Beziehungen mit Chile sehr behutsam führen muss, sehen wir, dass sie von der chinesischen Bürokratie willkommen geheißen wurde. Auf die selben Weise hießen sie alle reaktionären Elemente in Großbritannien willkommen, vertreten durch Edward Heath, nachdem er in Konflikt mit der Arbeiterklasse in Großbritannien gekommen war, und Margaret Thatcher, die eine der bösartigsten reaktionären Führer ist, die die Tory-Partei in den letzten hundert Jahren hatte.

Dies ist völlig überflüssig, weil es absolut keine Notwendigkeit für die chinesische Bürokratie gibt, andere als formelle offizielle Beziehungen mit irgend einem der erwähnten Länder zu unterhalten. Und dennoch strengten sie sich besonders an, Heath zu begrüßen, während er in der Opposition war; seiner Nachfolgerin Thatcher, die auch in der Opposition ist, und selbst dem diskreditierten Nixon wurde ein Empfang mit rotem Teppich bereitet, als er nach Peking ging, trotz des Watergate-Skandals. Schließt man daher aus diesen Tatsachen, dass China aufgehört habe, ein Arbeiterstaat zu sein? Bedeutet das, dass der Kapitalismus in China wiederhergestellt wurde? Oder dass die Chinesen die kleinste Absicht haben, den Kapitalismus wiederherzustellen?

So ist die Tatsache von zweitrangiger Bedeutung, dass Syrien Beziehungen zu allen erwähnten reaktionären Regimes hat, Saudi Arabien, Jordanien, Marokko und Tunesien. Die Bürokratie in Syrien sehnt sich wie die Bürokratie aller anderen Ländern nicht nach revolutionären Entwicklungen und ist vollkommen unfähig, einer gesunden revolutionären Entwicklung in anderen Ländern zu unterstützen. Natürlich würden sie auf die selbe Weise wie die kubanischen und russischen Bürokratien Bewegungen mit Waffen, Nachschub, Ausbildung unterstützen, wenn es ihren eigenen Zwecken dient, aber sie selbst würden nie die Entwicklung einer Revolution anregen und unterstützen, besonders wenn die Revolution eine gesunde Linie einschlagen würde – wegen der Auswirkungen, die dies auf alle Länder des proletarischen Bonapartismus hätte.

Tendenz zur Verstaatlichung

Der Umstand, dass zwischen den ägyptischen und syrischen Führern dem Namen nach ein Abkommen über eine Union erreicht wurde, hat keine wirkliche Bedeutung. Zu der Zeit, als diese Union zum ersten Mal in den Zeitungen angekündigt wurde, hatten wir interessanterweise gerade eine Diskussion mit Leuten aus der IMG in Großbritannien. Sie verwiesen triumphierend auf diese Union und sagten: Wie kann Syrien ein Arbeiterstaat sein, wenn sie eine Union mit Ägypten haben werden? Damals wiesen wir darauf hin, dass es auf keiner Seite die ernsthafte Absicht zu solch einer Union gebe, dass es reine Demagogie sei und die Union nie vollzogen würde.

Dies war besonders der Fall wegen der früheren Union mit Ägypten, wie Kumar selbst in dem Material in seinem Dokument erklärt. Das brauchte man nicht ernst zu nehmen und, wie die Ereignisse gezeigt haben, wurde unsere Vorhersage bestätigt. Es ist klar, dass die Union bloß Propagandazwecken diente und ihre Durchführung nicht beabsichtigt war. Es stimmt, dass wir eine merkwürdige Beziehung zwischen Sansibar und Tansania haben, wo Sansibar eine völlige Verstaatlichung der Wirtschaft durchgeführt hat und dem Namen nach mit Tansania verbunden ist, auch wenn die tansanische Anweisung auf Sansibar nicht gilt. Das ist ein sehr merkwürdiger Zwitter, der sich nach marxistischen ‚Normen’ sehr schwer erklären ließe.

Kumar endet mit der Beschreibung all der verschiedenen Aspekte der reaktionären Politik des Regimes in Syrien. Wir haben erklärt, dass man für jedes der bürokratischen Regimes ähnliches Material zusammenstellen könnte, das anzeigen würde, dass einschließlich der Sowjetunion keiner dieser Staaten ein Arbeiterstaat ist, wenn das der einzige Bezugspunkt wäre, der darüber entscheidet, wie wir ein Regime charakterisieren. Kumar zieht die Schlussfolgerung:

„Jeder dieser oben beschriebenen Trends könnte vielleicht als Abweichung abgetan werden. Das Zusammenkommen aller dieser Trends jedoch ist genau das Rohmaterial, das die Natur des Regimes selbst und seine Entwicklungsrichtung bestimmt. Die Aufgaben, vor denen die syrische Arbeiterklasse steht, sind beträchtlich größer als die Aufgaben, die Trotzki in Verbindung mit dem unvollendeten Übergang zum Sozialismus in der Sowjetunion mit dem kurzen Etikett ‚politische Revolution’ versah.“ (S. 46)

Hier haben wir den Kern der Sache. Jedes der Dinge, die er beschrieben hat, sind für die Charakterisierung eines Regimes nicht von entscheidender Bedeutung. Vor langer Zeit erklärte Trotzki, was die Natur eines Regimes bestimmt. Zuallererst die Entwicklung, in die es sich bewegt. Zweitens ist die Hauptkomponente des Regimes die materielle Basis des Systems selbst. Um ein Zitat von Trotzki zu geben:

„Marx, der im Gegensatz zu Darwin ein bewusster Dialektiker ist, entdeckte die Grundlage für die wissenschaftliche Klassifizierung der menschlichen Gesellschaften in der Entwicklung ihrer Produktivkräfte und der Struktur der Eigentumsverhältnisse, die das Gerippe der Gesellschaft bilden.“ (‘Verteidigung des Marxismus’, S. 80)

In den Grundlagen ist die Anatomie der Gesellschaft in Syrien in keiner Weise von der Anatomie der Gesellschaft in Birma, auf Kuba, in Russland, Osteuropa, Mozambique, Angola oder in anderen Ländern verschieden, die wir jetzt als Länder des proletarischen Bonapartismus bezeichnen würden.

Weiter fährt Trotzki in der selben Arbeit (‚Eine kleinbürgerliche Opposition in der Socialist Workers Party’, geschrieben 1939 und veröffentlicht in ‚Verteidigung des Marxismus’) fort zu erklären:

„Dialektisches Training des Geistes, so notwendig für einen revolutionären Kämpfer wie Fingerübungen für einen Pianisten, verlangt, dass man an alle Probleme als an Prozesse herangeht und nicht als an bewegungslose Kategorien.“ (a.a.O., S. 84, Hervorhebung von Trotzki)

Weiterhin sagt er in der selben Arbeit:

„Eigentumsformen und Klassencharakters des Staates sind für ihn [das heißt Burnham – GE] gleichgültig bei der Untersuchung der Politik einer Regierung. Der Staat selbst erscheint ihm als geschlechtsloses Tier.“ (a.a.O., S. 185 — das Zitat ist tatsächlich aus der ebenfalls in ‘Verteidigung des Marxismus’ veröffentlichten Arbeit ‘Von einer Schramme — zur Gefahr der Knochenfäule’, die im Januar 1940 geschrieben wurde, und richtet sich gegen Shachtman und nicht gegen Burnham — der Übersetzer)

Hier haben wir das Wesen des Problems. Wie weit die bürokratischen Regime gehen können, wurde durch die Kämpfe zwischen Russland und China gezeigt, in denen vor ein paar Jahren Zehntausende getötet wurden. Jetzt gibt es einen Kampf zwischen Kambodscha und Vietnam. Dann hat es noch den Krieg zwischen Somalia und Eritrea auf der einen Seite und der nationalen Bürokratie von Äthiopien auf der anderen Seite gegeben. Würde das bedeuten, dass Äthiopien daher, wie die Hansenisten argumentieren, ein faschistischer Staat und kein bonapartistischer Arbeiterstaat ist? Klar, die GenossInnen würden argumentieren, dass das völliger Unsinn ist. Dies zeigt, dass wir keine episodischen Dinge als entscheidende Maßeinheit für die Charakterisierung der ablaufenden Prozesse und der bestehenden Staaten nehmen können, auch wenn sie wichtig sind und die Tiefe der Degeneration der Bürokratie zeigen, die in diesen Ländern die Kontrolle hat.

Vor langer Zeit hat Trotzki gezeigt, was den Prozess selbst bestimmt. Er erklärte zum Beispiel, dass in Russland 1917, als die Bolschewiki die Macht übernahmen, außer der Verstaatlichung der nationalen Banken Russlands und der Presse tatsächlich keine Verstaatlichungen stattfanden und wir deshalb einen Widerspruch hatten. Es gab einen Arbeiterstaat, in dem immer noch kapitalistische Produktionsverhältnisse vorherrschten. Wenn das für einen nennenswerten Zeitraum so geblieben wäre, hätte es natürlich unausweichlich eine Umgestaltung gegeben, der Arbeiterstaat wäre gestürzt worden und der Kapitalismus wäre in der Sowjetunion restauriert worden.

Trotzki sagt dann weiter, dass auf der anderen Seite, wenn es eine Konterrevolution in Russland gäbe und die Bourgeoisie in Russland erfolgreich an die Macht käme (etwas, wes jetzt durch die Entwicklung der Geschichte ausgeschlossen ist), man am Anfang 100% Verstaatlichung mit einem bürgerlichen Staat haben könnte, auch wenn das natürlich nicht über einen nennenswerten Zeitraum andauern könnte. Der bürgerliche Staat würde unausweichlich gestürzt werden, wenn sie nicht die Produktionsverhältnisse ändern würden. Er wies dann weiter darauf hin, dass in diesem Fall folgendes passieren würde: die Bourgeoisie würde mit der Entstaatlichung den Leichtindustrien beginnen und dann mit der Abschaffung des Staatseigentums in den Schwerindustrien fortfahren.

Der Verfall des kapitalistischen Systems im Weltmaßstab ist jedoch so groß gewesen, seitdem diese Worte geschrieben wurden, dass die Bourgeoisie es selbst in solchen Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder Italien äußerst schwierig findet, irgendwelche verstaatlichten Teile der Wirtschaft zu entstaatlichen, wegen der Auswirkungen, die das auf die Arbeiterklasse und die Klassenverhältnisse innerhalb dieser Länder hätte. Dazu kämen die verheerenden wirtschaftlichen folgen, die sich aus solch einer Entstaatlichung ergeben würden. Dies allein zeigt die Tendenz zur Verstaatlichung der Produktivkräfte an, die jetzt im Weltmaßstab vorhanden ist. Die Ereignisse in den Ländern, in denen der proletarische Bonapartismus die Macht übernommen hat, legen Zeugnis von diesem Prozess ab. Nach den Beweisen, die Kumar selbst liefert, hat die Bürokratie in Syrien klar keine Absicht, die entscheidenden Sektoren des Staatseigentums in der produzierenden Industrie abzubauen. Im Gegenteil, sie beschützen dieses Eigentum und haben keine Absicht, zum Privateigentum zurückzukehren. Es ist möglich, dass der Bourgeoisie Konzessionen gemacht werden, wie sie ihr in Jugoslawien gemacht wurden. Mandel verstand die Bedeutung dieser Konzessionen mal wieder auf impressionistische Weise als Wiedereinführung des Kapitalismus in Jugoslawien. Wir haben über diese konkrete Idee herzlich gelacht, als sie vor ein paar Jahren aufgestellt wurde.

Politische Revolution

Wir sagten voraus, dass auf der Grundlage entscheidender Kontrolle der Bürokratie über den Staat, auf der Grundlage der Verstaatlichung der Produktivkräfte, solch eine Position offensichtlich nicht leicht rückgängig gemacht werden könne. Es war nur ein Zickzack wegen der völligen Unfähigkeit der jugoslawischen Bürokratie, die Probleme der Wirtschaft auf bürokratischer Grundlage zu lösen. Wie wir vorhersagten machte Tito eine Kehrtwende und zerschlug diese Elemente so leicht, wie man eine Fliege mit der Fliegenklatsche erschlägt, als die Gefahr durch die Elemente von Kapitalismus, die in Jugoslawien eingeführt worden waren, deutlich wurde.

Die Aufgabe der Bourgeoisie in Syrien bestände in der Demontage des verstaatlichten Regimes und der Schaffung einer freien Bahn für den Großgrundbesitz auf dem Lande und die Bourgeoisie in den Städten. Sie könnten das nur mit den Mitteln einer Konterrevolution machen. Alle Aufgaben, die Genosse Kumar so peinlich genau erklärt hat, bestehen in allen Arbeiterstaaten ohne Ausnahme, aber damit ist nicht gesagt, dass die Revolution in diesen Ländern eine soziale Revolution sein wird. Denn die grundlegenden Aufgaben sind schon erfüllt worden. Die selben Überlegungen gelten auch für die Lage, die in Syrien besteht.

In Syrien häufen sich die Aufgaben wie in der Sowjetunion und könnten nur durch eine politische Revolution in Syrien gelöst werden. Was bestimmt, ob eine politische oder eine soziale Revolution benötigt wird?

Eine soziale Revolution ist ein grundlegender Wandel in den Eigentumsverhältnissen, wie das Trotzki-Zitat zeigt, das wir angeführt haben. Eine politische Revolution ist bloß ein Regimewechsel. Natürlich hätte eine politische Revolution ungeheure soziale Folgen; daran gibt es keine Zweifel. Aber trotzdem, trotz der nationalen Unterdrückung in der Sowjetunion, trotz der Privilegien der Bürokratie, trotz aller Konzessionen, die möglicherweise dem ausländischen Kapital gemacht werden könnten, stellt keines dieser Dinge eine grundlegende Änderung in der Klassennatur dieser Gesellschaften dar. Auch in Vietnam ist die Hauptaufgabe die politische Revolution, trotz des Bestehens von Kleineigentum, von kleinen Ladenbesitzern und selbst der mittleren Schicht der Bourgeoisie in den Städten und auf dem Land in Südvietnam.

Es stimmt natürlich, dass die Bürokratie in Vietnam mit dem Kapitalismus im Süden viel schneller aufräumen wird als das vielleicht in Syrien geschieht, weil ihre führende Schicht eine bewusstere Rolle spielt.

Wir können die Folgen vorhersagen, die sich aus dem Druck dieser kapitalistischen Elemente in Syrien auf die militärische und politische Bürokratie in Syrien und auf die Ba’ath-Partei (die sich von einer Partei des Kleinbürgertums in eine Partei der führenden Schichten, in eine Partei der Bürokratie, verwandelt hat) ergeben würden, sobald sich eine politische Krise entwickelt hat. In Syrien wären sie unter diesen Bedingungen gezwungen, bei den ersten Anzeichen eines Versuchs der Konterrevolution an die Massen der ArbeiterInnen und BäuerInnen zu appellieren, tätig zu werden.

Selbst das ist vielleicht nicht nötig. Ausschließlich durch die Reaktion des Staats mit der Sympathie und Unterstützung der Bevölkerung insgesamt könnten sie jeden Versuch zerschlagen, ein kapitalistisches Regime in Syrien zu organisieren. Daher ist die in Syrien bestehende grundlegende Situation genau die selbe wie in allen anderen Ländern des proletarischen Bonapartismus. Die entscheidenden Ähnlichkeiten sind viel wichtiger als die bedeutsamen Unterschiede, die zwischen allen diesen Regimes bestehen.

Die Schlussfolgerung, die Kumar zieht, zeigt die völlige Inkonsequenz der Position, die er im Verlauf des Arguments vertritt:

„Syrien, das vor 1946 keine frühere Existenz als Nationalstaat hatte, bildete sich als Land mit schwachen Staatsstrukturen, wenig Konsens über die Regierungsformen und wenig traditionell kultivierten politischen Praktiken heraus.“ (S. 46)

Mit anderen Worten: genau die Bedingungen der Instabilität, die die Entwicklung des proletarischen Bonapartismus zu so einer Möglichkeit machten. Er fährt fort mit der Erklärung dass

„die Allianz aus Bourgeoisie und Großgrundbesitzern, die die Macht erbte, eine schwache, unfähige Klasse war, die unfähig zur Modernisierung des Landes war, zur Erzeugung von Wirtschaftswachstum, für die Kriegsanstrengungen des Nahen Ostens oder zu einer kleinen Erfüllung der Erwartungen der Armen in Stadt und Land und der Bestrebungen der Mittelklassen. Auch die Arbeiterklasse war außerordentlich schwach, was die magere industrielle Entwicklung des Landes widerspiegelte. Im Vergleich zu Russland am Vorabend der Revolution von 1917 war die Arbeiterklasse in Syrien im Verhältnis zum Rest der Bevölkerung viel kleiner und weniger konzentriert, politisch und gewerkschaftlich weniger organisiert und ohne vergleichbare Geschichte an Kämpfen.“ (S. 47)

Wäre die Kommunistische Partei in Syrien eine unverfälschte bolschewistische Partei gewesen, dann wäre eine proletarische Revolution entlang der Linien der Ereignisse in Russland völlig möglich gewesen. Das gleiche gilt für den Irak, den Sudan und die anderen Länder des Nahen Ostens. Das Proletariat hätte die bürgerlich-demokratische Revolution bis zum Ende durchführen und dann zur Durchführung der sozialistischen Aufgaben weitergehen können. Die Besonderheit der Lage in dieser Epoche besteht darin, dass wegen der Sackgasse der Produktivkräfte unter dem Kapitalismus die Bauernschaft jetzt, unter dem Einfluss der Revolution in China und der Revolution in Russland, in Richtung ‚Sozialismus’ schaut als Lösung der unter dem Regime von Kapitalismus und Großgrundbesitz unlösbaren Probleme, vor denen sie stehen. Das hätte die Umgestaltung aller Länder der Dritten Welt sehr leicht gemacht.

Aber mit der Degeneration der Kommunistischen Parteien war dieser Weg nicht gangbar. Es war nicht die zahlenmäßige Schwäche der Arbeiterklasse, die ihre ohnmächtige Rolle in Syrien bestimmte, sondern genau die Rolle der Führung in Syrien. Die Basis der Kommunistischen Partei wäre zweifellos bereit gewesen, die Revolution entlang den von uns skizzierten Linien durchzuführen, aber in allen diesen Länder zog es die Führung (wie auf Kuba) vor, mit der sogenannten nationalen Bourgeoisie Abkommen zu treffen. Das lag an der stalinistisch-bucharinistischen Zwei-Etappen-Theorie der Entwicklung der Revolution.

Instabile Regime

Dies ist die Erklärung für den Prozess, der in diesen Ländern stattfindet. Aber wo es auf der Grundlage des Kapitalismus keinen Ausweg mehr gab (wie am Beginn dieses Dokuments erklärt), dort war die Entwicklung eines proletarischen Bonapartismus vollkommen möglich. Aus den selben Gründen, aus denen er sich in Äthiopien, Somalia und Eritrea und anderen Ländern entwickelte, konnte ein ähnlicher Prozess auch in Syrien stattfinden und fand statt. Angesichts des völligen Bankrotts des Bündnisses zwischen Bourgeoisie und Großgrundbesitz führten die Armeeoffiziere die Umgestaltung entlang der Linien durch, die wir skizziert haben, wobei sie sich auf die ArbeiterInnen und BäuerInnen stützten. Die Ereignisse haben dies unwiderleglich gezeigt.

In der modernen Welt ist das Überleben eines kleinbürgerlichen Regimes unmöglich. Unter modernen Bedingungen gibt es nur zwei Klassen, die in der einen oder anderen Form Kontrolle über den Staat haben können. Sogenannte kleinbürgerliche Regime enthüllen sich in den einen Fällen als Agenturen der Bourgeoisie, in den anderen Fällen als Agenturen des Proletariats – entweder bürgerlicher oder proletarischer Bonapartismus. Nirgends in der kolonialen Welt wurde ein stabiles bürgerlich-demokratisches Regime errichtet. Wir sehen in Indien, Pakistan, Sri Lanka und anderen Ländern, die bürgerliche Demokratie hatten (die in der Tat nur eine kleine Zahl von all den Ländern der Dritten Welt sind), dass diese Regime in der gegenwärtigen Zeit nicht überleben können. Ein kleinbürgerliches Regimes ist ein in sich widersprüchlicher Ausdruck. Es kann nur Regime geben entweder des bürgerlichen oder proletarischen Bonapartismus oder der bürgerlichen oder proletarischen Demokratie.

Das bedeutet nicht, dass in diesen Ländern ein anderer Ausweg unmöglich wäre. Wenn es die Organisation einer revolutionären Massenpartei gäbe, die zum Beispiel in Sri Lanka begonnen hat, dann könnte die Entwicklung der Ereignisse eine völlig andere Wendung nehmen. Es wäre völlig möglich, dass das Proletariat von Sri Lanka erfolgreich ein Regime der Arbeiterdemokratie errichtet, indem es das Kleinbürgertum in den Städten, die Bauernschaft auf dem Lande führt, die deklassierte Jugend an den Universitäten, das Lumpenproletariat zusammenruft.

Natürlich wäre so ein Regime nicht dauerhaft, so lange es keine Ausdehnung der Revolution auf benachbarte Länder wie Indien oder auf die fortgeschrittenen Länder des industrialisierten Kapitalismus oder politische Revolution in Osteuropa oder der Sowjetunion gäbe. Ähnliche Prozesse würden in Indien stattfinden, wenn es eine revolutionäre Massenpartei des Proletariats in Indien gäbe. In Indien wäre dann zweifellos eine Entwicklung der Revolution entlang von klassischen marxistischen Linien vollkommen möglich: wie im Fall von Russland 1917 würde das Proletariat alle Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution durchführen, wozu die Bourgeoisie völlig unfähig war, und sich dann den sozialistischen Aufgaben und der Verstaatlichung der Wirtschaft zuwenden.

Natürlich wäre es auch in Indien wegen der Rückständigkeit des Landes unmöglich, die Macht unter diesen Bedingungen über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, obwohl es nach den geschichtlichen Lehren möglich ist, dass die Macht für fünf oder zehn Jahre behauptet werden könnte. Auf jeden Fall würde die Entwicklung einer gesunden Revolution in einem Land wie Indien wiederum zweifellos eine Explosion gegen die Bürokratie von China und gegen die Bürokratie der Sowjetunion in Form von politischen Revolutionen hervorrufen.

Auf der anderen Seite gibt es bisher eine große Zahl von Möglichkeiten, was zum Beispiel Indien angeht, für den Fall, dass das Proletariat es nicht schafft, einen Ausweg zu zeigen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es eine Bewegung der Verzweiflung von Seiten der BäuerInnen geben würde, besonders im Zusammenhang mit einer neuen schweren Wirtschaftskrise, die tatsächlich Elend und wahrscheinlich Hungersnot für große Teile der bäuerlichen Bevölkerung bedeuten würde. Sie könnten Richtung Bauernkrieg gehen, wie er in China stattfand. Aber das scheint nicht wahrscheinlich, weil die Bourgeoisie und der Imperialismus bereit scheinen, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das im Keime zu ersticken, nicht zuzulassen, dass aus der Eichel ein Baum wird, und die Schaffung von ‚foci’ auf dem Lande nicht zuzulassen, ohne sie sofort zu zerstören. In diesem Sinne hat die Bourgeoisie die schmerzhaften Lehren den Erfahrungen von China und Kuba gelernt – schmerzhafte Lehren, die sie in Lateinamerika sehr erfolgreich umgesetzt hat. Aber natürlich kann so eine Entwicklung nicht theoretisch ausgeschlossen werden.

Rolle der Offizierskaste

Kumar erklärt im fünften Punkt seiner Zusammenfassung:

„Kurz gesagt, der radikale Kleinbürger stellte sich im Kostüm eines Befreiers vor die Massen. Die Geschichte ist voller Beispiele, selbst aus der Antike, dass aufstrebende Klassen sich diesen falschen Mantel umgehängt haben. Die Wirklichkeit der Dinge widersprach diesem Auftreten in Syrien schärfer als es gewöhnlich anderswo der Fall gewesen ist. Die Massen wurden ständig aus der Politik ausgeschlossen. Selbst in der vorübergehende Hitze des Gefechts fehlte die unabhängige Bewegung der Massen. Putsche und Intrigen waren die Hilfsmittel der Veränderung; Kungelrunden der Elite und Offiziersverschwörungen waren die Parteigänger der Veränderung.“ (S. 47)

Die Ereignisse in Syrien beantworten dieses Argument völlig. Die tatsächlichen Ereignisse haben zu einem Regime geführt, das jetzt schon mehr als 12 Jahre die Kontrolle hat. Die Bewegung der Massen ist in dem Artikel von PJ angemessen skizziert, deshalb halte ich es nicht für notwendig, sie hier zu wiederholen. Aber das ganze Wesen der Sache ist, dass unser Genosse die dinge auf den Kopf stellt. Statt die Bewegung der kleinbürgerlichen Offiziere als Widerspiegelung des Klassenkampfes, eines Kampfes unter den Massen und unter den Klassen für eine Aufteilung der Beute zu sehen, sieht er die Massen als Anhängsel der Offiziere.

Er sieht nicht, dass es ungeheure Anstrengungen erfordert, einen Berg zu entfernen, aber nur einen Stoß erfordert, einen morschen Baum zu entfernen. Wie er selbst skizziert, gab die völlige Fäulnis, die völlige Korruption, die völlige Degeneration und die völlige Unfähigkeit des Bündnisses aus Bourgeoisie und Großgrundbesitz in Syrien (die beiden waren wie in allen kolonialen Ländern eng verbunden) die Möglichkeit, dass die Kaste der Armeeoffiziere eine unabhängige oder halb-unabhängige Rolle zu spielen, indem sie sich auf die ArbeiterInnen und BäuerInnen stützte. Es ist kein Zufall, dass diese Fraktion der Offizierskaste den Weg des ‚Sozialismus’ nahm.

Punkt acht fasst die ganze Position aus Sicht des Genossen zusammen:

„Die Politik der aufeinander folgenden Ba’ath-Regimes ergab sich aus ‚geopolitischen’ Unüberwindlichkeiten, den aus der sozialen Herkunft der führenden Elemente des Regimes abgeleiteten ideologischen Triebkräften und den unentrinnbaren Zwängen des unmittelbaren Kampfes. Am entscheidendsten unter den unmittelbaren Zwängen waren die Verteidigungshandlungen gegen die Kapitalflucht und den Zusammenbruch der Wirtschaft als Folgen von jahrelanger politischer Unruhe. Die Bodenreform und die Verstaatlichungsmaßnahmen, der Kern der radikalen Reformen der Neo-Ba’ath entsprangen aus dem Zusammenwirken von inneren und äußeren Faktoren.“ (S. 47)

Das ist eine etwas verworrene Ausdrucksweise dafür, dass es auf dem Weg des Kapitalismus keinen Ausweg für Syrien gab und daher die radikalen Elemente der Offizierskaste – wegen dem Chaos, wegen der durch Großgrundbesitz und Kapitalismus geschaffenen unüberwindlichen Hindernisse – sich für den Weg der Abschaffung des Kapitalismus entschieden (auf der Grundlage des Aufruhrs, der Unruhe und des internationalen Rahmens, in dem sich Syrien fand). Kriege mit Israel und die ganze Lage in Syrien, die Lage im Nahen Osten und das weltweite Kräfteverhältnis hatten alle enorme Auswirkungen auf die innere Politik von Syrien selbst.

Die Tatsache, dass es die kleinbürgerliche Offizierskaste war, die diese Rolle spielte und sich dabei auf die ArbeiterInnen und BäuerInnen stützten, passt völlig zu unserem Konzept des proletarischen Bonapartismus. Bloß auf die soziale Herkunft der führenden Elemente in Syrien zu verweisen, bedeutet den selben Fehler zu machen, den die Healyisten in bezug auf Kuba machten. Ideologische Antriebe sind nach dem Standpunkt des Marxismus in letzter Instanz immer von den materiellen Interessen von Klassen, von Kasten und Gruppen innerhalb von Klassen in der Gesellschaft bestimmt. Wie Kumar im ersten Teil seines Dokuments erklärt, war es die Sackgasse des Landes und die Tatsache, dass die führenden Elemente der Armee unausweichlich die Interessen des Landes mit ihren eigenen Interessen identifizierten, was die Basis für den proletarischen Bonapartismus in Syrien legte. Diese ganze Entwicklung wäre natürlich völlig unmöglich gewesen, wenn die Revolution in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern nicht zurückgeblieben wäre, wenn es nicht die ausgedehnte Phase der Herrschaft der Bürokratie in Russland und natürlich die Entwicklungen in China gegeben hätte.

Alle in dem Hauptdokument erklärten Faktoren wirkten aufeinander ein; diese sind die Bedingungen, die die Grundlage für den proletarischen Bonapartismus legten.

Staatseigentum

„Diese selben Gründe erklären, warum diese radikalen Reformen trotzdem nicht auf eine revolutionäre Umgestaltung hinausliefen; warum die Wirtschaftsreformen begrenzt und ‚unvollendet’ waren und warum die soziokulturellen Veränderungen in bezug auf Recht, Religion, Frauen, Minderheiten etc. ziemlich winzig sind.

Kapitalismus und Merkantilismus wurden in den mittleren und unteren Ebenen der Wirtschaft zugelassen und wirkten dort und beteiligten sich am Außenhandel. Die Bodenreform war in der Praxis eine Anregung für bäuerliche Farmwirtschaft und kleine bis mittlere kapitalistische Landwirtschaft. Die nationale Grundlage des Kapitalismus wurde tatsächlich verbreitert und der Staat und ausländische Hilfe trugen die Hauptlast der Infrastrukturinvestitionen. Anscheinend hat sich im politischen Bereich der Brennpunkt der Macht zu einer kleinen Junta verengt. In Wirklichkeit wurde im wirtschaftlichen Bereich die Grundlage für die Entwicklung des Kapitalismus ausgedehnt.“ (S. 47, meine Hervorhebung – GE)

Diese Bemerkungen des Genossen Kumar stehen zum vorigen Absatz in völligem Widerspruch. Die Entwicklung des Kapitalismus wird durch die Entwicklung des Staatseigentums in dieser besonderen Form nicht unterstützt. Es stimmt, dass in der Morgendämmerung des Kapitalismus, als die Umgestaltung aus dem Mittelalter stattfand, der Staat selbst, der nicht mehr direkt den Feudaladel vertrat, sich in einem gewissen Umfang über die kämpfenden Klassen von Bourgeoisie und Feudaladel erhob und nur in letzter Instanz die Feudalherren vertrat. Zu jener Zeit errichtete der Staat die absolute Monarchie und wirkte als Treibhaus für die Entwicklung des Kapitalismus in seinen frühen Stadien. Aber für den altersschwachen Kapitalismus ist das völlig unrichtig. Es stimmt, dass auch im Fall der entwickelten Länder die Bourgeoisie gezwungen wurde, ein größeres Maß an Staatseigentum zuzulassen, wenn ihr System nicht völlig zusammenbrechen soll. Das liegt an der Krankheit des Kapitalismus und daran, dass selbst in diesen Ländern die Produktivkräfte nicht mehr in den Rahmen des Privateigentums gezwängt werden können.

In diesem Sinne sorgt das Staatseigentum, der ‚Staatskapitalismus’ für die Bedürfnisse des Rests des Privatsektors der Gesellschaft. Das meinte Engels, wenn er vom ‚Einfallen der sozialistischen Gesellschaft’ sprach. In den entwickelten Ländern des Kapitalismus, selbst in Amerika, gibt es die Möglichkeit von Staatseigentum als Mittel zur Stabilisierung des bürgerlichen Systems. Es ist wichtig, zu verstehen, dass dann solche Entwicklungen natürlich auch [in der neokolonialen Welt] stattfinden können.

Aber der Marxismus hat immer erklärt, dass Quantität in Qualität umschlägt. Wenn man eine Gesellschaft wie Syrien hat, wo 70-80% der Wirtschaft in Staatseigentum sind, wo die Bourgeoisie und die Grundbesitzer enteignet wurden, entweder ohne oder mit minimaler Entschädigung, dann hat sich die ganze Lage völlig verändert.

Wenn es auf einer bürgerlichen Grundlage die Möglichkeit der Entwicklung der Gesellschaft in rückständigen kolonialen Ländern geben würde, dann könnte das vom Genossen Kumar vorgelegte Schema eine gewisse Bedeutung und gewisse Auswirkungen haben. Die Tendenz im Weltmaßstab ist hin zur Verstaatlichung und wo das erreicht wurde, hat die Bourgeoisie es nie geschafft, das rückgängig zu machen. Deshalb hat die Führung der RCP schon 1945 erklärt, dass es keine Möglichkeit der Konterrevolution in der Sowjetunion im Sinne einer Wiederherstellung der Bourgeoisie mit allein inneren Mitteln gebe. Das könnte nur durch das Eingreifen von Seiten der Bourgeoisie von außen erreicht werden, und das ist jetzt wegen der ungeheuren Macht und Stärke der Sowjetunion ausgeschlossen. Deshalb ist es ziemlich unmöglich, dass eine bürgerliche Konterrevolution in der Sowjetunion stattfindet. Unsere Tendenz erklärte, dass nur militärische Intervention den Kapitalismus in den Ländern wiederherstellen können, wo er gestürzt wurde.

Es stimmt jetzt, dass wir im Falle von Portugal ein Fragezeichen über die weitere Entwicklung gemacht haben. Dort besteht die Möglichkeit der Konterrevolution, und darüber müssen wir uns klar sein, einer Konterrevolution, die große Teile der Industrie entstaatlichen könnte. Die Soares-Regierung versuchte die Entstaatlichung von Land und Industrie durchzuführen, ist aber damit bisher völlig gescheitert.

Nur eine faschistische Konterrevolution oder eine bonapartistische Machtübernahme durch die Armee könnten damit in Portugal Erfolg haben. Aber selbst wir können nicht ausreichend die ungeheure Macht der Arbeiterklasse und die Schwierigkeit betonen, ohne Bürgerkrieg Richtung Konterrevolution zu schreiten. Ähnliche Überlegungen gelten auch für Syrien. Damit die Bourgeoisie sich restaurieren und die verstaatlichten Industrien entstaatlichen könnte, wäre eine Konterrevolution erforderlich, um die Absichten der Bourgeoisie zu erreichen.

Aufgaben der Revolution

Kumar selbst hat ein Indiz dafür geliefert, als er die Reaktion der Arbeiterklasse auf den Versuch zeigte, die von Nasser verstaatlichten Industrien zu entstaatlichen – obwohl Nasser von den syrischen Massen als ausländischer Unterdrücker gesehen wurde. Das war nach der Lostrennung Syriens von der Vereinigten Arabischen Republik und der Errichtung der völligen Herrschaft der syrischen Großgrundbesitzer und Kapitalisten.

Eine ähnliche Operation in Syrien heute durchzuführen, nach allen, was im letzten Jahrzehnt stattgefunden hat, wäre völlig unmöglich, ohne den Widerstand der Arbeiterklasse und Bauernschaft zu zerschlagen. Die Bauernschaft würde klar verstehen, dass das Übergeben der Industrie nur ein Schritt vor dem Übergeben des Landes an die Grundbesitzer ist. Unter diesen Umständen wäre die Bauernschaft so unversöhnlich gegen einen Versuch der Wiedererrichtung von ‚Privateigentum’ wie die Arbeiterklasse selbst. Deshalb würde die Rückkehr der Bourgeoisie zur Macht eine Konterrevolution erfordern.

Was wäre auf der anderen Seite notwendig für die Errichtung einer Arbeiterdemokratie in Syrien? Die Grundaufgaben wären denen in China, auf Kuba und in Osteuropa ähnlich. Die Verstaatlichung der Industrie würde bleiben und würde natürlich auf die Bereiche ausgedehnt werden, wo das Privateigentum noch eine Rolle spielt. Aber die entscheidenden Teile der Industrie und der Banken sind verstaatlicht und würde von der Arbeiterklasse so beibehalten werden.

Was notwendig wäre, ist die Errichtung von Arbeiterklontrolle und –verwaltung von Industrie, Staat und Gesellschaft. Aber dies sind genau die Aufgaben, die für die politische Revolution aller Länder des proletarischen Bonapartismus bleiben. Sie sind nicht anders und daher sind die grundlegenden Aufgaben der Revolution nicht von denen verschieden, die wir für die politische Revolution in Russland skizzieren. Die entscheidenden Teile der Industrie und des Finanzwesens sind in den Händen des Staats, oder anders ausgedrückt: Die Kommandohöhen der Wirtschaft sind in den Händen des Staats und es wäre nicht notwendig, das zu ändern.

Selbst wenn man zubilligt, dass es in Syrien mehr Privatindustrie gibt als in Polen, Rumänien oder Jugoslawien, und dies ist keineswegs gewiss, würde das die grundlegenden Aufgaben der Revolution selbst nicht ändern. Es stimmt, dass wir in dieser oder jener Phase den Handel würden verstaatlichen müssen, der in den Händen der Kaufleute, kleinen Ladenbesitzer, Kleinunternehmer, Kulaken, reichen Bauern und kleinen Grundbesitzern ist, die es gegenwärtig auf dem Lande noch gibt. Aber dies würde von einem gesunden Arbeiterstaat, wenn er in Syrien an die Macht käme, nicht unmittelbar gemacht werden. Es wäre völlig falsch, den selben Fehler zu machen, den die Regime in Birma und in Syrien machten, nämlich alles zu verstaatlichen, weil das für ein rückständiges Land verheerend wäre.

Wenn daher ein gesunder Arbeiterstaat in Syrien über einen längeren Zeitraum isoliert bleiben würde, könnte er nur durch sehr schrittweise Maßnahmen und über eine ziemlich langgezogene Zeitperiode die Änderungen zu 100%igem Staatseigentum machen – und dies nur auf der Grundlage der Industrialisierung und der Entwicklung all dieser Prozesse unter der Kontrolle des Proletariats und der Bauernschaft.

Die Produktivkräfte in Syrien sind, trotz der gigantischen Schritte, die im Verlauf der letzten 12 Jahre gemacht wurden, für die Bewegung hin zum Sozialismus immer noch unzureichend. Selbst ein gesunder Arbeiterstaat hätte die Aufgabe, die Produktivkräfte aufzubauen und daher wäre es nicht möglich, sofort den Sozialismus aufzubauen. In Sri Lanka oder irgend einem anderen kolonialen oder neokolonialen Land wäre das auch nicht möglich. Im Gegenteil gäbe es eine ausgedehnte Periode, in der die syrischen ArbeiterInnen und BäuerInnen unter der Führung einer marxistischen Partei an die Arbeiterklasse der entwickelteren Länder und besonders die Arbeiterklasse von Ägypten und Israel appellieren würden, eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens zu errichten.

Abgesehen von der Beendigung der Korruption, abgesehen von der Beendigung der Vetternwirtschaft, abgesehen von der Beendigung der Privilegien der Offizierskaste und der Bürokratie würde sich an der Lage, die gegenwärtig in Syrien besteht, nicht viel ändern. Natürlich würde die wirtschaftliche Macht der Bourgeoisie in den Fabriken und Teilen des Handels, in denen Privateigentum noch vorherrscht, durch Arbeiterkontrolle kontrolliert werden – als Vorbereitung, um zur Arbeiterverwaltung der ganzen Wirtschaft vorzuschreiten.

Um die Begriffe beizubehalten, die er verwendet, muss Genosse Kumar Begriffe erfinden, die dem Marxismus völlig fremd sind. Zum Beispiel sagt er in den nächsten paar Absätzen:

„Der Privatsektor steigert offen sein spezifisches Gewicht in der wirtschaftlichen Tätigkeit der Nation. Die privilegiertesten Teile des einst aufsteigenden ländlichen Kleinbürgertums und sicher eine kleine Minderheit dieser ganzen Klasse hat sich jetzt in eine neue Mittelschicht mit dem Privatsektor und der Staatsbürokratie als Grundlage umgewandelt. Die bürokratische Bourgeoisie, die sich früher aus diesem Kleinbürgertum herausgebildet und die Staatsmacht monopolisiert hat, fließt über und verschmilzt mit der neu aufsteigenden ‚privaten’ Bourgeoisie und teilt mit ihr.“ (S. 47)

Unterschiedliche Bedingungen

Die vorherrschenden Teile de Wirtschaft sind zwar verstaatlicht, aber das gibt noch ein übertriebenes Bild der Macht des Privatsektors, der nach Kumar selbst auf bestimmte Bereiche beschränkt ist, in denen Kleinunternehmer sehr gut funktionieren können. Die Bereiche werden in dem Dokument von Kumar erwähnt und wurden oben erwähnt. Deshalb muss man nicht weiter ins Detail gehen.

Aber diese Vorstellung von einem Kleinbürgertum, das eine bürokratische Bourgeoisie wird, ist nicht völlig klar. Kumar hat in keiner Weise erklärt, wie sich diese Prozesse entwickeln werden. Es stimmt, dass es in der Periode zwischen 1923 und 1929 unter der stalinistischen Bürokratie in Russland als Folge der von Lenin und Trotzki selbst errichteten Neuen Ökonomischen Politik ein Wachstum der ländlichen Bourgeoisie und der Bourgeoisie in den Städten gab. Trotzki sah darin eine Gefahr der Restauration des Kapitalismus. Aber das war von mehr als einem halben Jahrhundert und die Bedingungen im Welt- und nationalen Maßstab sind völlig anders.

Das ganze weltweite Kräfteverhältnis hat sich geändert. Die Bourgeoisie findet es unmöglich, direkt mit militärischen Interventionen einzugreifen. Selbst die mächtigste von allen – die amerikanische Bourgeoisie – hat sich in Vietnam 15 Jahre lang die Finger verbrannt und fand es selbst in dieser Region unmöglich, die Bewegung der nationalen und sozialen Befreiung der Massen der ArbeiterInnen und vor allem der BäuerInnen in den kolonialen Ländern zu schlagen.

Man könnte sagen, dass die Intervention in Zaire zeigt, dass die Bourgeoisie bereit ist, aktiv zu werden. Aber zunächst einmal stellt das eine ausländische Intervention dar, und wir haben ja erklärt, dass die Möglichkeit der Restauration des Kapitalismus in Russland nur auf ausländischer Intervention beruhen könne; und zweitens war sie zum Zweck der Vorbeugung, um die Vollendung der Revolution oder die mögliche Vollendung der Revolution in Zaire zu verhindern – die mögliche Entwicklung einer Bewegung der Masse der ArbeiterInnen und BäuerInnen in Zaire in die Richtung der Entwicklung eines ebenfalls proletarisch-bonapartistischen Staates (nicht eines gesunden Arbeiterstaates).

Tatsächlich wird die ganze Politik der amerikanischen und britischen Bourgeoisie, des anglo-amerikanischen Imperialismus in bezug auf Rhodesien, Namibia und Südafrika von dieser Furcht diktiert. Sie haben nach der Erfahrung von Mozambique und Angola gelernt, dass bei einem Sieg der afrikanischen Guerillas in diesem Krieg der ‚Sieger alles kriegt’. Er würde nicht nur mit der weißen Herrschaft in diesen Ländern Schluss machen, sondern auch das Ende von Großgrundbesitz und Kapitalismus bedeuten.

Aus diesem Grund sind sie plötzlich an Reformen auch in Südafrika interessiert. Sie sehen die ungeheure Macht oder die potenzielle ungeheure Macht des schwarzen Proletariats in Südafrika und auch die unausweichliche Bewegung auf Seiten der Massen dort. Sie erkennen, dass Intervention völlig nutzlos sein wird, sobald diese Bewegung beginnt oder gar siegreich sein wird. Deshalb versuchen sie zu intervenieren und zu verhindern, dass dieser Prozess stattfindet.

Selbst in Zaire musste der französische Imperialismus abziehen, nachdem er nur ein paar Wochen interveniert hatte, und es wird nicht lange dauern, bis die belgischen Imperialisten auch aus Zaire abziehen, weil sie die Rückwirkungen im Rest von Afrika und die Rückwirkungen in der ganzen ‚Dritten Welt’ fürchten.

Es ist klar, dass die kommandierende Schicht, die in diesen Ländern des proletarischen Bonapartismus herrscht, genauso wenig Interesse wie in China oder in Osteuropa oder auf Kuba oder in Birma hat, die Macht an eine neue Bourgeoisie auszuhändigen. Sie würden die Macht verlieren, die sie kontrollieren, und mit dem Machtverlust würde der Verlust der Privilegien, der Vergünstigungen, der ungehemmten Macht, der legalen und illegalen Einkommen einhergehen, die diese Schicht besitzt. Sie würden die Macht verlieren. Sie befinden sich im Schlepptau der Bourgeoisie und daher ist es unter diesen Bedingungen äußerst unwahrscheinlich, das sie die Macht ohne eine Konterrevolution von Seiten der Bourgeoisie selbst an die Bourgeoisie aushändigen würden. Tatsächlich wäre es so gut wie unmöglich, dass dieser Prozess stattfindet, genauso wie in Portugal, wo es wahrscheinlich eine politische Konterrevolution und die Zerstörung der Organisationen der Arbeiterklasse erfordern würde, damit Entstaatlichungen im massiven Umfang stattfinden können. Es stimmt, dass in Portugal viele Elemente der Arbeiterdemokratie noch bestehen, im Sinne des Vorhandenseins von Gewerkschaften, des Vorhandenseins von Parteien und der neuen Rechte, die im Kampf der Arbeiterklasse im Verlauf der Revolution selbst errungen worden sind. Diese Rechte bestehen in Syrien gegenwärtig nicht, genauso wenig wie sie in irgend einem Land des proletarischen Bonapartismus bestehen. Aber auf der anderen Seite ist es klar, dass die Arbeiterklasse nie eine solche Änderung, solch eine Umgestaltung der Gesellschaftsverhältnisse dulden würde, ohne zu den Waffen zu greifen.

Unter diesen Bedingungen würde die Bourgeoisie einen Bürgerkrieg brauchen, um sich selbst in Syrien wieder festzusetzen. Und es ist nicht möglich, dass sich die Bürokratie dessen und der Unruhe, die jedem Versuch der Wiederherstellung des Kapitalismus folgen würde, nicht bewusst wäre.

In jedem Fall ist es zum Beispiel aus den Berichten zum Beispiel der Londoner Times (9. Juli 1978) klar, dass die Regierung zwar bereit ist, genauso wie die russische, chinesische, kubanische oder rumänische Bürokratie unter bestimmten Bedingungen ausländische Investitionen in Syrien zuzulassen, dass sie aber ein Herumpfuschen an der Grundlage des Regimes nicht zulassen würde – nämlich an der Verstaatlichung der Kommandohöhen, die als Folge der Umgestaltung Syriens auf Grund der Bewegung von 1964-65 stattgefunden hat.

Handel und Investitionen

So sind alle Versuche völlig gescheitert, die Bourgeoisie des Westens und die Ex-Bourgeoisie, die nach der Vollendung der Revolution aus Syrien floh, zu beruhigen und zu Investitionen in Syrien zu bewegen. Die einzigen Investitionen, die stattgefunden haben, waren im Ölsektor. Dies wäre angesichts der Verhältnisse in Syrien richtig. Sie haben keine ausreichenden Ressourcen, um ihre Ölvorkommen zu entwickeln, und daher wäre es richtig, dafür ein Übereinkommen mit den westlich-kapitalistischen Ländern zu treffen, weil die technischen Möglichkeiten der Sowjetunion fast vollständig für die Entwicklung der Ölvorkommen in Russland selbst und in Ostsibirien aufgebraucht werden. Abgesehen davon wäre die Technik des Westens wahrscheinlich für den Nahen Osten besser wegen der Erfahrung der amerikanischen Konzerne besonders bei der Errichtung von Ölbohreinrichtungen in den Wüsten von Saudi-Arabien und dem Golf.

Selbst die ‚Financial Times’ kommentiert die Stabilität des Regimes im Vergleich zur Instabilität aller früheren syrischen Regime. Diese Stabilität ist kein Zufall. Sie entspringt der sozialen Veränderung, die stattgefunden hat, der sozialen Revolution, die stattgefunden hat – zugegebenermaßen ohne die notwendige Kontrolle von Seiten der Arbeiterklasse. Dies macht es unausweichlich, dass die politische Revolution in Syrien stattfinden wird, ebenso wie in den anderen Arbeiterstaaten.

Der letzte Punkt, den wir kommentieren müssen, ist der in bezug auf den Außenhandel:

„Es gibt eine ständige Verschiebung nach rechts in der Außenpolitik und neue Muster des Außenhandels. Heute ist die Europäische Gemeinschaft der Haupthandelspartner Syriens, in die mehr als 35% der Exporte gehen.“ (S. 47)

Das Problem mit isolierten Argumenten dieses Charakters ist, dass man bei Jugoslawien, bei allen Ländern Osteuropas und natürlich China selbst darauf auch verweisen könnte. Sie alle haben ihren Handel mit dem Westen im letzten Jahrzehnt oder so ungeheuer ausgeweitet.

China zum Beispiel hat sich von einer Lage, wo der Großteil seines Handels mit Russland und Osteuropa war, zu einer Lage bewegt, wo heute der Großteil seines Handels mit westlichen kapitalistischen Mächten stattfindet. Mehr als 50% des Handels von Ungarn ist mit dem Westen. Für Rumänien haben wir keine Zahlen griffbereit, aber sie sind wahrscheinlich viel höher als die 35%, die vom Genossen Kumar für den Handel Syriens mit der EG erwähnt werden. Polen hat gegenwärtig auch ungeheuren Handel mit dem Westen, mindestens so hoch wie die angegebene Zahl. Natürlich kann Genosse Kumar sagen, dass die Haupthandelspartner dieser Länder neben Jugoslawien und China der Sowjetblock sind. Aber der Hinweis auf diesen besonderen Charakter ändert nichts Grundlegendes.

Es ist immer notwendig, uns zuerst die grundlegende Bewegung der gesellschaftlichen Kräfte, die stattfindet, klarzumachen und uns darauf zu stützen, nicht auf episodische und zweitrangige Dinge, Bewegungen des Handels, Entwicklung der Privatwirtschaft zum Beispiel in Polen oder in Jugoslawien, die Entwicklung von Kleinbetrieben in Ungarn oder die Entwicklung von KleinbäuerInnen in Jugoslawien und so weiter. Dies sind keine grundlegenden Dinge, sie können mehr oder weniger reaktionär sein, aber tatsächlich stellen sie in diesen bestimmten Bereichen paradoxerweise Fortschritte dar, wie die Neue Ökonomische Politik in Russland (obwohl sie nicht so weit gehen), denn es war völlig verfrüht, völlig falsch, völlig bürokratisch, die ganze Wirtschaft eines verhältnismäßig rückständigen Landes zu verstaatlichen, die Kleinunternehmer, kleinen Ladenbesitzer und KleinbäuerInnen zu 100% hinauszudrängen – selbst die, die im Interesse des Staatseigentums notwendig waren. Denn in allen diesen Ländern war die Entwicklung der Produktivkräfte für den Beginn der Bewegung hin zum Sozialismus unzureichend, abgesehen natürlich von der Sowjetunion selbst jetzt und der Tschechoslowakei und Ostdeutschland. Natürlich konnte diese Bewegung in letzteren Ländern nur mit einer politischen Revolution beginnen.

Der letzte von Kumar aufgeworfene Punkt lautet:

„Die offizielle Ideologie bewegt sich in konservative und aufklärungsfeindliche Richtungen.“ (S. 48)

Was würde er über die aufklärungsfeindliche Politik von Chinas Regime in bezug auf die Außenpolitik sagen, besonders jetzt, seitdem Mao tot und die ‚radikale’ ‚Viererbande’ besiegt ist?

Politik gegenüber den Nationalitäten, den Minderheiten in Russland, China und allen anderen Ländern, wo es Minderheiten gibt, hat einen ähnlich unterdrückerischen Charakter wie in bürgerlichen Ländern. Tatsächlich ähnelt sie den Ländern mit bürgerlicher Oligarchie und ist viel schlimmer als in Ländern mit bürgerlicher Demokratie, wo die Bourgeoisie durch die Arbeiterbewegung und die Rechte, die die Arbeiterklasse besitzt, wenigstens etwas eingeschränkt ist.

Die aufklärungsfeindlichen und konservativen Richtungen werden von Kumar nicht aufgeführt. Keine Beispiele werden dafür gegeben und sie können auf keinen Fall reaktionärer sein als die Versuche auf Seiten der polnischen Bürokratie, mit der katholischen Kirche zu einem Kompromiss zu gelangen, um ihre Herrschaft zu sichern, weil sich der Druck der politischen Revolution in Polen entwickelt.

Alle diese Faktoren sind zweitrangige Überlegungen gegenüber der entscheidenden Art und Weise, wie wir die Einordnung dieses oder jenes Regimes entscheiden. Erstens die Richtung, in die sich das Regime bewegt, zweitens die grundlegende Wirtschaftsstruktur des Regimes – das heißt die Eigentumsverhältnisse –und in Syrien sind das solche von Staatseigentum – ein stabiles Eigentum, das sich zwölf Jahre lang gehalten hat. Das ist ein ziemlich langer Zeitraum und bevor es eine Bewegung davon weg gebe würde, würde es solche Erhebungen und solche Bewegungen erfordern, dass die Bürokratie sich davor fürchten würde, solche Schritte zu ergreifen, selbst wenn sie es wünschte. Und natürlich wünscht die Bürokratie überhaupt nicht, die kommandierende Rolle aufzugeben, die sie in der Gesellschaft spielt, die kommandierende Rolle, die sie durch die Kontrolle über die Staatsmaschinerie ausübt.

Es ist ganz bedeutsam, dass das einzige Regime im Nahen Osten, das beim israelischen Vormarsch im Krieg 1967 und wieder im Krieg 1973 bereit war, die Massen zu bewaffnen, das syrische Regime war, das sich nicht fürchtete, Hunderttausende ArbeiterInnen und BäuerInnen zu bewaffnen, wenn die Israelis versucht hätten, nach Damaskus vorzurücken. Keines der anderen Regime konnte die Organisation einer Volksmiliz auf dieser Grundlage riskieren. Dies zeigt das Vertrauen der herrschenden Bürokratie, der herrschenden Elite in Syrien, dass sie die Lage völlig unter Kontrolle hatten. Sie fürchteten sich nicht, den Massen Waffen in die Hände zu geben – zumindest nicht für den begrenzten Zeitraum, bis sie sie wieder entwaffnen würden. Kuba entwaffnete die Arbeitermiliz auch nach einer gewissen Zeit. Die Waffen, die in Kuba für die Arbeitermiliz vorhanden sind, sind hinter Schloss und Riegel und die bürokratischen Kontrolleure Kubas haben die Schlüssel fest in der Hand.

Deshalb ist es nicht überraschend, dass sie die Massen für eine gewisse Zeit bewaffnet und zur Zerstörung der Macht der Großgrundbesitzer und Kapitalisten verwendet haben. Hier widerspricht sich Kumar völlig. Er verweist auf die Entwaffnung der Massen, die praktisch stattfand, nachdem ‚der Mohr seine Schuldigkeit getan hatte’. Aber was er nicht sieht, ist, dass selbst in Großbritannien während dem Zweiten Weltkrieg die Bourgeoisie nicht bereit war, die Massen zu bewaffnen, genauso wie die französische Bourgeoisie lieber vor Hitler kapitulierte als die Pariser Massen zu bewaffnen und Paris zu halten. Aber die russische Bürokratie hielt die Städte Moskau, Leningrad und Stalingrad, weil sie bereit war, die Massen zu bewaffnen. Die Syrer sind bereit, das zu machen, während die Bourgeoisie nicht mal in den entwickelten Demokratien bereit war, für einen einzigen Augenblick zu riskieren, dass die Waffen ohne Kontrolle von Seiten der Bourgeoisie selbst in den Händen der Bevölkerung sind.