Ted Grant
Gegen die Theorie des
Staatskapitalismus
Die Marxistische
Staatstheorie, angewandt auf die stalinistischen Staaten
1949
[nachgedruckt unter dem Titel ‘The Marxist Theory of the
State’, London August 1980, unter dem Titel ‘Against the Theory of State
Capitalismus’ in: ‘The Unbroken Thread — The Development of Trotskyism over 40
years’, London 1989, S. 197-246, die ausführlichen Titel der beiden
Teildokumente sind ‘Unbroken Thread’, S. 189 entnommen]
Inhalt:
Die Rolle des Geldes in Russland
Gab es vor 1928 Mehrwert? Cliffs
willkürliche Einteilung
Die Ökonomie des Übergangs vom
Kapitalismus zum Sozialismus
Die marxistische Staatstheorie,
angewandt auf die stalinistischen Staaten
Zwei Klassen - ein Staat — Cliffs
Widerspruch
Die dialektische Auffassung vom
Staat
Das Dokument des
Genossen Cliff mit dem Titel „die Natur des stalinistischen Russland“ gibt auf
den ersten Blick den Eindruck von Gelehrsamkeit und wissenschaftlicher Analyse.
Jedoch nach sorgfältiger Prüfung wird man sehen, dass nicht eines der Kapitel
eine ausgearbeitete These enthält. Die Methode ist eine Reihe von Parallelen,
die auf Zitaten beruhen, und seine grundlegende Schwäche zeigt sich darin, dass
Schlussfolgerungen nicht in der Analyse verwurzelt sind. Aus seiner
These kann man nicht folgern, ob das stalinistische Russland (trotz seiner
Deformationen) ein fortschrittliches System bleibt oder ob es für Cliff jetzt
die gleiche reaktionäre Rolle wie 'individueller' Kapitalismus oder Faschismus
angenommen hat. Die Schwäche wird durch die Tatsache scharf deutlich gemacht,
dass keine praktischen Schlussfolgerungen auftauchen. Muss man Russland
verteidigen oder ist die revolutionäre Partei defätistisch? Statt dass die
Antwort in der Analyse verwurzelt ist und sich aus ihr ergibt, muss sie im
Nachhinein ausgearbeitet werden.
Obwohl Genosse Cliff
behauptet, dass die stalinistische Bürokratie eine neue Klasse sei, wird
nirgendwo in seiner These eine wirkliche Analyse gemacht oder der Beweis
erbracht, warum und wie solch eine Klasse eine kapitalistische Klasse darstellt
und nicht eine Art neue Klasse ist.
Und dies ist kein
Zufall. Es ergibt sich aus der Methode. Ausgehend von der vorgefassten Idee des
Staatskapitalismus wird alles künstlich in diese Auffassung eingepasst. Statt
die theoretische Methode der marxistischen LehrerInnen auf die russische
Gesellschaft in ihrem Bewegungs- und Entwicklungsprozess anzuwenden, hat er die
Werke durchstöbert, um Zitate zu sammeln und versucht, sie in eine Theorie zu
pressen.
Nirgendwo in seinem
Dokument stellt Cliff das Hauptkriterium für MarxistInnen auf, wenn sie
Gesellschaftssysteme untersuchen: Führt die neue Formation zur Entwicklung
der Produktivkräfte? Die Theorie des Marxismus beruht auf der materiellen
Entwicklung der Produktionskräfte als der Triebkraft des geschichtlichen
Fortschritts. Der Übergang von einem System zu anderen wird nicht subjektiv
entschieden, sondern ist in den Notwendigkeiten der Produktion selbst
verwurzelt. Auf dieser Grundlage und nur dieser Grundlage wird der Überbau
errichtet: von Staat, Ideologie, Kunst, Wissenschaft. Es ist wahr, dass der
Überbau eine wichtige zusätzliche Wirkung auf die Produktion hat und innerhalb
bestimmter Grenzen, wie Engels erklärte, seine eigene unabhängige Bewegung
entwickelt. Aber letztlich ist die Entwicklung der Produktion entscheidend.
Marx erklärte die
historische Rechtfertigung des Kapitalismus — trotz der Schrecken der
industriellen Revolution, trotz der Sklaverei der Schwarzen in Afrika, trotz
der Kinderarbeit in den Fabriken, der Eroberungskriege auf dem ganzen Erdball —
durch die Tatsache, dass er eine notwendige Stufe in der Entwicklung der
Produktionskräfte war. Marx zeigte, dass ohne Sklaverei, nicht nur antike
Sklaverei, sondern auch Sklaverei in der Epoche der frühen Entwicklung von
Kapitalismus, die moderne Entwicklung der Produktion unmöglich gewesen wäre.
Ohne das hätte die materielle Grundlage für Kommunismus nie vorbereitet werden
können. Im ‘Elend der Philosophie’ schrieb Marx:
„Die direkte Sklaverei ist ebenso der
Angelpunkt der bürgerlichen Industrie wie Maschinen etc. Ohne Sklaverei keine
Baumwolle; ohne Baumwolle keine moderne Industrie. Nur die Sklaverei hat den
Kolonien ihren Wert gegeben; die Kolonien haben den Welthandel geschaffen; und
der Welthandel ist die Bedingung der Großindustrie. So ist die Sklaverei eine
ökonomische Kategorie von der höchsten Wichtigkeit.
Ohne die Sklaverei würde Nordamerika, das
vorgeschrittenste Land, sich in ein patriarchalisches Land verwandeln. Man
streiche Nordamerika von der Weltkarte, und man hat die Anarchie — den
vollständigen Verfall des Handels und der modernen Zivilisation." (Marx
Engels Werke, Band 4, S. 132)
Selbstverständlich
ist die Haltung von Marx gegenüber den Schrecken der Sklaverei und der
industriellen Revolution weithin bekannt. Es wäre eine grobe Verzerrung der
Haltung von Marx, zu argumentieren, dass er, weil er obiges schrieb, für
Sklaverei und Kinderarbeit gewesen wäre. Genauso wenig kann gegen die heutigen
MarxistInnen argumentiert werden, dass sie, weil sie Staatseigentum in der
UdSSR unterstützen, folglich die Sklavenlager und andere Verbrechen des
Stalin-Regimes rechtfertigen.
Marxens
Unterstützung von Bismarck im französisch-preussischen Krieg wurde durch
ähnliche Erwägungen vorgeschrieben. Trotz Bismarcks 'Blut-und-Eisen'-Politik
und dem reaktionären Charakter seines Regimes, gab Marx kritische Unterstützung
für den Krieg von Preußen gegen Frankreich, weil die Entwicklung der
Produktivkräfte durch die nationale Einigung Deutschlands erleichtert würde,.
Das grundlegende Kriterium war die Entwicklung der Produktivkräfte. Langfristig
würde sich alles andere daraus ergeben.
Jede Analyse der
russischen Gesellschaft muss von dieser Grundlage ausgehen. Sobald Cliff
zulässt, das der Kapitalismus zwar im Weltmaßstab niedergeht und verfällt, jedoch
in Russland eine fortschrittliche Rolle in Bezug auf die Entwicklung der
Produktivkräfte spielt, dann würde er logischerweise sagen müssen, dass
Staatskapitalismus die nächste Stufe vorwärts für die Gesellschaft ist, oder
zumindest für die rückständigen Länder. Im Widerspruch dazu zeigt er, dass die
russische Bourgeoisie nicht zum Erfüllen der Rolle fähig war, die die
Bourgeoisie im Westen erfüllte und folglich die proletarische Revolution
stattfand. Wenn wir Staatskapitalismus in Russland (eingeleitet durch eine
proletarische Revolution) haben, dann ist es klar, dass die Krise des
Kapitalismus, auf der wir uns während der letzten Jahrzehnten gestützt haben,
nicht unlösbar war, sondern lediglich Geburtswehen eines neuen und höheren
Stadiums des Kapitalismus. Die Zitate, die er selbst von Marx gibt — dass keine
Gesellschaft die Bühne verlässt, bis alle in ihr versteckten Möglichkeiten
erschöpft sind — würde bedeuten, dass, wenn sein Argument korrekt wäre, sich
eine neue Epoche, die Epoche des Staatskapitalismus, vor uns eröffnet. Dieses
würde die gesamte theoretische Grundlage der leninistisch-trotzkistischen
Bewegung erschüttern. Cliff sagt, ohne den Grund zu erklären, dass wir, wenn
wir an der Theorie der degenerierten Revolution festhalten, die Theorie der
permanenten Revolution aufgeben müssen. Er kann jedoch nicht sehen, dass (wenn
wir die Theorie des Staatskapitalismus akzeptieren), die Theorie der
Permanenten Revolution aufgeben müssen, die gerade auf der Idee beruht, dass
sich der Kapitalismus im Weltmaßstab erschöpft hat, dass er unfähig ist, auch
nur die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution in den rückständigen
Ländern durchzuführen. Denn in Osteuropa hätten 'die Staatskapitalisten’ die
Aufgaben der bürgerlichen Revolution auf dem Land usw. durchgeführt. Cliff
umschifft diese Frage der Agrarrevolution, die, wie Trotzki argumentierte, in
den rückständigen Ländern nur das Proletariat durchführen könne. Wenn die
'staatskapitalistischen’ Parteien der Stalinisten diese Aufgabe durchführen können,
muss nicht nur die Theorie der Permanenten Revolution aus dem Fenster geworfen
werden, sondern die Entwicklungsfähigkeit des neuen Staatskapitalismus in
historischem Sinne muss allen klar sein.
Wenn die These des
Genossen Cliff richtig ist, dass in Russland heute Staatskapitalismus besteht,
dann kann er nicht die Schlussfolgerung vermeiden, dass Staatskapitalismus seit
der Russische Revolution bestand und die Funktion der Revolution selbst die
Einführung dieses staatskapitalistischen Gesellschaftssystems war. Denn trotz
seine gewundenen Bemühungen, einen Strich zwischen die wirtschaftliche
Grundlage der russischen Gesellschaft vor und nach dem Jahr 1928 zu ziehen, ist
die die wirtschaftliche Grundlage der russischen Gesellschaft tatsächlich
unverändert geblieben.
Genosse Cliff
versucht zu beweisen, dass Trotzki sich auf die Position zu bewegte, dass die
Bürokratie eine neue herrschende Klasse sei. Zu diesem Zweck gibt er Zitate aus
dem Buch ‘Stalin’ und und dann ‘The Living Thought of Karl Marx’.
Cliff schreibt:
"In Trotzkis letzter Schrift ‘Stalin’
zeichnet sich ein deutlicher Schritt zur Neueinschätzung der Bürokratie als
einer herrschenden Klasse ab. Er schreibt:
‘Die Substanz des Thermidor war sozialen
Charakters und konnte nur sozialen Charakters sein. Sie war die
Kristallisierung einer neuen privilegierten Schicht, die Schöpfung eines neuen
Unterbaus für die ökonomisch herrschende Klasse. Zwei Anwärter für diese Rolle
waren vorhanden: das Kleinbürgertum und die Bürokratie selbst. Sie kämpften
Schulter an Schulter (in der Schlacht um die Brechung) des Widerstandes der
proletarischen Avantgarde. Als diese Aufgabe erfüllt war, brach ein wütender
Kampf zwischen ihnen los. Die Bürokratie in ihrer Isolierung und Trennung vom
Proletariat bekam Angst. Alleine war sie nicht imstande, weder den Kulaken
niederzuhalten noch das Kleinbürgertum, das auf der Basis der NEP gewachsen war
und weiter wuchs. Sie brauchte die Hilfe des Proletariats. Daher ihre
planmäßigen Anstrengungen, den Kampf mit dem Kleinbürgertum um das Überprodukt
und die Macht als der Kampf des Proletariats gegen die kapitalistischen
Restaurierungsversuche darzustellen.’“ [‘The Nature of Stalinist
Russia’, Juni 1948, S. 10, ähnlich in ‘Staatskapitalismus in Russland’,
Frankfurt am Main 1975, S. 184f. Das Trotzki-Zitat ist erschienen in Trotzki:
Stalin. Eine Biographie II, Reinbek 1971, S. 253]
Und Genosse Cliff
kommentiert:
„Die Bürokratie, sagt Trotzki, gab vor, gegen
die kapitalistische Restauration zu kämpfen, benutzte aber in der Wirklichkeit
das Proletariat nur, um die Kulaken zu vernichten, mit dem Ziel der
'Kristallisierung einer neuen privilegierten Schicht, (der) Schöpfung eines
neuen Unterbaus für die ökonomisch herrschende Klasse’. Einer der Thronbewerber
um die Position der ökonomisch herrschenden Klasse — sagt er — ist die
Bürokratie. Dieser Formulierung muss große Bedeutung beigemessen werden,
besonders wenn man seine Analyse des Kampfs zwischen der Bürokratie und den
Kulaken im Zusammenhang mit seiner Definition des Klassenkampfs sieht. Er
schreibt:
'Der Klassenkampf ist nichts anderes als der
Kampf um das Mehrprodukt. Wer das Mehrprodukt besitzt, ist Herr der Lage — er
besitzt Reichtum, ihm gehört der Staat, der Schlüssel zur Kirche, zu den Höfen,
zu Wissenschaften und Künsten liegt in seiner Hand.’", [‘The Nature of
Stalinist Russia’, S. 10, ‘Staatskapitalismus in Russland’, S. 185, das
Trotzki-Zitat ist aus ‘Marxism in our Time’, Trotzkis Vorwort zu ‘The Living
Thought of Karl Marx’, Abschnitt ‘Inequality and Exploitation’, London 1940, S.
9)
Und Cliff folgert:
„Der Kampf zwischen der Bürokratie und Kulaken
war deshalb nach Trotzkis letzter Schlussfolgerung ein 'Kampf… um das
Mehrprodukt’." [‘The Nature of Stalinist Russia’, leicht geändert in
‘Staatskapitalismus in Russland’, S 185]
Um die Weise zu
veranschaulichen, auf die Genosse Cliff seine Beweisführung konstruiert hat,
wollen wir diese Zitaten im Zusammenhang überprüfen und wir werden
sehen, dass die Schlussfolgerung, die sich ergibt, seiner Argumentation genau
entgegengesetzt ist:
„der Kulak arbeitete Hand in Hand mit dem
Kleinindustriellen, an der vollständigen Wiedererrichtung des Kapitalismus. So
begann der unversöhnliche Kampf um das Überprodukt der Volkswirtschaft. Wer
sollte in nächster Zukunft darüber verfügen, die neue Bourgeoisie oder die
Sowjetbürokratie? Das wurde die Hauptfrage, denn wer über das Überprodukt
verfügt, verfügt über den Staat. Das erzeugte den Konflikt zwischen dem
Kleinbürgertum, das der Bürokratie geholfen hatte, den Widerstand der
werktätigen Massen und ihres Wortführer, der linken Opposition, zu brechen und
der thermidorianischen Bürokratie selbst, die dem Kleinbürgertum geholfen
hatte, das Bauerntum zu beherrschen. Dieser Konflikt war ein direkter Kampf um
die Macht und um das Einkommen. Natürlich hatte die Bürokratie nicht die
proletarische Vorhut zerschmettert, hatte sie sich nicht den Anforderungen der
internationalen Revolution entzogen, hatte sie nicht die Philosophie der
Ungleichheit eingeführt, um vor der Bourgeoisie zu kapitulieren, ihr Diener zu
werden und von der Futterkrippe des Staats weggestoßen zu werden.",
(Trotzki, ‘Stalin’, a.a.O., S. 239, unsere Hervorhebung)
Cliff lässt Trotzki
dadurch, das er die zwei Zitate gegenüberstellt und damit anführt, dass Trotzki
seine Meinung über den Klassencharakter der Bürokratie geändert habe, als
widersprüchlich und damit töricht erscheinen. Ein paar Seiten später erklärt
Trotzki seine Idee. Er zeigt die organische Zerfallstendenz des Kapitalismus
überall. Nur auf dieser Grundlage wurden die verstaatlichten Produktivkräfte in
Russland beibehalten. Die ganze Tendenz der Wirtschaft in den letzten 50 Jahren
im Weltmaßstab ist in Richtung auf Verstaatlichung der Produktivkräfte gewesen.
Die Kapitalisten selbst haben teilweise gezwungenermaßen „die gesellschaftliche
Natur der modernen Produktivkräfte tatsächlich anerkannt“ (Engels
[‘Anti-Dührung’, Marx Engels Werke, Band 20, S. 260]). Tatsächlich ist dies der
Schlüssel zur Erklärung davon, warum Russland der Krieg überlebte. Die
Verwirrung der Bewegung, die in Cliffs Dokument ausgedrückt ist, liegt
weitgehend in dem Versagen, die Auswirkung dieser Tendenz zu verstehen. In
seinem Buch über Stalin wirft Trotzki die theoretische Möglichkeit auf, dass
die Bürokratie ihre Herrschaft für mehrere Jahrzehnte fortsetzt.
Ein paar Seiten nach
dem von Cliff gegeben Zitat sagt Trotzki:
„Die Konterrevolution installiert sich, wenn
sich der Knäuel der sozialen Eroberungen abzuwickeln beginnt. Es scheint dann,
dass das Abwickeln kein Ende nehmen wird. Ein Teil der revolutionären
Errungenschaften wird jedoch immer bewahrt. So bleibt trotz der monströsen
bürokratischen Entstellungen die Klassenbasis der UdSSR proletarisch. Vergessen
wir aber nicht, dass der Abwickelungsprozess noch nicht zu Ende und dass die
Zukunft Europas für die nächsten Jahrzehnte noch nicht entschieden ist. Der
russische Thermidor hätte sicher eine neue Ära der Herrschaft der Bourgeoisie
eröffnet, wenn die Herrschaft der Bourgeoisie nicht in der ganzen Welt
hinfällig geworden wäre. Auf jeden Fall haben der Kampf gegen die Gleichheit
und die Herstellung sehr tiefer sozialer Differenzierungen bis jetzt noch nicht
das sozialistische Bewusstsein der Massen auslöschen, noch die Nationalisierung
der Produktionsmittel und des Bodens beseitigen können, die die
Haupterrungenschaften der Revolution sind." (a.a.O., S. 250]
Wir glauben, dass
dies genügend zeigt, dass Cliff ein Zitat aus Trotzkis ‘Stalin’ aus dem
Zusammenhang genommen und etwas in es hineingelesen hat, was nicht da ist. In
seiner letzten Arbeit hatte Trotzki, wie in allen anderen zur russischen Frage,
ein gleichbleibendes Thema bei seiner Kennzeichnung des Sowjetunion. Es ist
nicht möglich, aus irgendeiner seiner Schriften die Schlussfolgerung zu ziehen,
dass er seine grundlegende Position änderte.
Das Überraschende
ist, dass Cliff selbst darauf hinweist, dass die Bürokratie Preise nicht
willkürlich bestimmt und bestimmen kann. Dass sie auch die zirkulierende
Geldmenge nicht willkürlich bestimmt und bestimmen kann. Und das ist so in
jeder Gesellschaft gewesen, in der Geld (erinnern wir uns: die Ware der Waren)
eine Rolle gespielt hat. Engels stellte bei der Behandlung dieses Problems
Dühring die wichtige Frage:
„Wenn der Degen die ihm von Herrn Dühring
zugeschriebene ökonomische Zaubermacht hat, warum hat dann keine Regierung es
fertigbringen können, schlechtem Geld auf die Dauer den ‘Verteilungswert’ von
gutem, oder Assignaten denjenigen von Gold aufzuzwingen?“ (‘Anti-Dühring’,
a.a.O., S. 177)
In der ‘Verratenen
Revolution’ erklärt Trotzki das Problem sehr klar: Er zeigt, dass die dem
Kapitalismus eigentümlichen wirtschaftlichen Kategorien, in der Diktatur des
Proletariats, der Übergangsgesellschaft zwischen Kapitalismus und Kommunismus,
immer noch bleiben. Hier liegt der Schlüsse: die Gesetze bleiben, werden aber abgewandelt.
Einige der Gesetze des Kapitalismus gelten, andere sind außer Kraft gesetzt.
Zum Beispiel argumentiert Trotzki:
„Die Rolle des Geldes in der Sowjetwirtschaft
ist nicht nur noch nicht ausgespielt, sondern soll sich, wie schon gesagt, erst
voll entfalten. Die Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Sozialismus
bedeutet, als Ganzes genommen, keine Verminderung, sondern umgekehrt eine
außerordentliche Ausdehnung des Warenumlaufs. Alle Industriezweige wandeln und
vergrößern sich, ständig entstehen neue, und alle sind gezwungen, ihre
gegenseitigen Verhältnisse quantitativ und qualitativ zu bestimmen. Die
gleichzeitige Liquidierung der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft und des
isolierten Familienhaushalts bedeuten, alle jene Arbeitsenergien in die Sprache
des gesellschaftlichen Verkehrs und damit des Geldumlaufs zu übertragen,
die bisher innerhalb der Grenzpfähle des Bauernhofs oder der Wände der
Privatwohnung verausgabt wurden. Alle Produkte und Dienstleistungen beginnen
sich nun, zum ersten Mal in der Geschichte, gegeneinander auszutauschen.“
(Trotzki, ‘Die verratene Revolution’, Schriften 1.2, Hamburg 1988, S. 761)
Was ist der
Schlüssel zu diesem Rätsel? Er kann nur in der Tatsache gefunden werden, dass
wir hier eine Übergangsgesellschaft haben. Der Staat kann jetzt regeln, aber
nicht willkürlich, nur innerhalb der Beschränkungen des Wertgesetzes. Jeder
Versuch, die durch die Entwicklung der Produktivkräfte selbst gesetzten
strengen Grenzen zu verletzen und zu überschreiten führt unmittelbar zur
Bestätigung der Herrschaft der Produktion über die ProduzentInnen. Das musste
Stalin in Bezug auf die Preise und das Geld entdecken, als die russische
Wirtschaft von der Krise der Inflation heimgesucht wurde, die den Plan völlig
verzerrte und störte. Das Wertgesetz ist nicht abgeschafft, sondern abgewandelt.
Das meinte Trotzki, als er sagte:
„Die Nationalisierung der Produktionsmittel
und des Kredits, die Vergesellschaftlichung oder Verstaatlichung des
Binnenhandels, das Außenhandelsmonopol, die Kollektivierung der Landwirtschaft
und die Erbgesetzgebung stecken der individuellen Geldakkumulation enge Grenzen
und erschweren die Umwandlung solchen Geldvermögens in privates (Wucher-,
Kaufmanns-, und Industrie-)kapital. Diese mit der Ausbeutung verknüpfte
Funktion des Geldes ist jedoch zu Beginn der proletarischen Revolution noch
nicht aufgehoben; sie geht vielmehr in veränderter Gestalt an den Staat über,
den universellen Kaufmann, Gläubiger und Industriellen. Zugleich bleiben die
elementaren Funktionen des Geldes als Wertmaßstab, Tausch- und
Zahlungsmittel nicht nur erhalten, sondern bekommen auch ein viel breiteres
Wirkungsfeld als unter dem Kapitalismus.“ [a.a.O., S. 760]
Man muss das Problem
nur auf diese Weise stellen, um zu sehen, dass eine Wirtschaftsanalyse einen zu
der Schlussfolgerung führen muss, dass wir hier eine Übergangsgesellschaft
haben, in der einige dem Sozialismus eigentümliche Gesetz gelten und einige dem
Kapitalismus eigentümliche. Das ist schließlich die Bedeutung von Übergang.
Obwohl Cliff das
nicht anerkennt, gibt er es tatsächlich zu. Denn wenn er sagt, dass die
Bürokratie die Investitionsrate, das Verhältnis zwischen Produktionsmitteln und
Konsumgütern, den Preis der Konsumgüter etc. (in gewissem Rahmen) bewusst
regulieren kann, beweist er, dass gewisse Grundgesetze des Kapitalismus
nicht gelten.
Gibt es in Russland
eine Umwandlung von Geld in Kapital? In der Polemik gegen Stalin beantwortete
Trotzki das, indem er zeigte, dass die Investitionen auf der Grundlage eines
Plans gemacht werden, aber dass trotzdem das, was investiert wird, der
von den Arbeitern produzierte Mehrwert ist. Hier zeigt Trotzki den grundlegenden
Fehler von Stalins Idee, dass der Staat ohne Bezug auf die Wirtschaft
entscheiden und regeln könne. Wir können hinzufügen, dass Stalin nie leugnete,
dass es Warenproduktion in Russland gab.
Trotz der Tatsache,
dass es nur einen ‘Arbeitgeber’ in Russland gibt, kauft der Staat trotzdem
Arbeitskraft. Es stimmt, dass wegen der Vollbeschäftigung, die normalerweise
den Verkäufer der Arbeitskraft in eine starke Position versetzen würde, der
Staat dem freien Verkauf der Arbeitskraft viele Beschränkungen auferlegt hat,
genau wie in einer Periode der Vollbeschäftigung unter dem Faschismus. Oder
selbst im Labour-regierten Großbritannien, wo die selbe Lage besteht, lassen
die Arbeitgeber den Staat durch Regelungen und Hilfsmittel eingreifen, um die
Vorteile auszugleichen, die sich aus dieser Lage für den Verkauf der
Arbeitskraft ergeben. Aber nur jemand, der in Abstraktionen argumentierte,
könnte argumentieren, dass dies die Arbeitskraft verneine.
Es stimmt, dass es
in der klassischen kapitalistischen Wirtschaft freien Verkauf der Arbeitskraft
gab. Marx hat jedoch im ‘Kapital’ selbst einen ganzen Abschnitt verwendet, um
die grimmigen Gesetze zu zeigen, die gegen das entstehende Proletariat
angewandt wurden, nachdem die Pest in England die Bevölkerung so gesenkt hatte,
dass die ProletarierInnen in einer günstigen Lage waren, um höhere Löhne zu
fordern. Hieß das, dass das grundlegende marxistische Gesetz nicht galt? Im
Gegenteil behandelte Marx einen ‘reinen’ Kapitalismus, den es nie gab, aus dem
er die grundlegenden Gesetze ableitete. Die Verzerrung dieses oder jenes
Elements wird das grundlegende Gesetz nicht ändern. Deshalb blieb
Nazi-Deutschland trotz vieler Perversionen grundlegend ein System der
kapitalistischen Wirtschaft, weil die Wirtschaft von Produktion auf der
Grundlage des Privateigentums beherrscht war.
Man muss nur die
Sklavenarbeiter in Sibirien mit dem Proletariat in den russischen Städten zu
vergleichen, um den Unterschied zu sehen. Der eine ist ein Sklave auf der
Grundlage von Sklavenarbeit, der andre ist ein Lohnsklave. Der eine verkauft
seine Arbeitskraft, der andere ist selbst ein reines Arbeitsinstrument. Es gibt
eine grundlegende Unterscheidung.
Es ist überhaupt
kein Zufall, dass das vom Staat verwendete ‘Geld’ notwendig die gleiche
Basis wie Geld in der kapitalistischen Gesellschaft hat. Nicht zufällig muss,
wie Trotzki erklärte, das einzige wirkliche Geld in Russland (oder in
irgendeiner Übergangswirtschaft — selbst einem idealen Arbeiterstaat) Gold
zur Grundlage haben. Die jüngste Rubelabwertung war an sich eine schlagende
Bestätigung der Tatsache, dass das Gesetz der Geldzirkulation, und also der
Warenzirkulation, seine Gültigkeit in Russland beibehält. In einer
Übergangswirtschaft müssen de wirtschaftlichen Kategorien des Geldes, Werts,
Mehrwerts etc. notwendig als Elemente der alten Gesellschaft innerhalb der
neuen weiterbestehen.
Cliff argumentiert,
dass „die wichtigste Quelle des Staatseinkommens eine Umsatzsteuer ist, die
eine indirekte Steuer ist.“ Er bringt interessantes Material, das die gewaltige
Belastung zeigt, die die Umsatzsteuer den Massen auferlegt.
Die Umsatzsteuer,
die er im Zusammenhang mit der Ausbeutung der Massen anführt, beweist jedoch
auf indirekte Weise, dass das Wertgesetz für de russische Gesellschaft gilt.
Cliff zeigt, wie die Umsatzsteuer in Russland gilt. Aber er sieht nicht,
dass die Steuer irgend eine Grundlage haben muss. Egal, wieviel der Staat dem
Preis hinzufügt, indem er eine zusätzliche Steuer auferlegt, der Preis muss
eine Grundlage haben: was anderes kann das sein als der Wert des Produkts, die
in ihm enthaltene gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit?
Engels macht
Dührings Steuer mit dem Degen lächerlich, aus der der Mehrwert entwickelt wird,
wenn er sagt:
„Oder aber, die angeblichen Besteuerungsaufschläge
repräsentieren eine wirkliche Wertsumme, nämlich diejenige, die von der
arbeitenden, werterzeugenden Klasse produziert, aber von der Monopolistenklasse
angeeignet wird, und dann besteht diese Wertsumme einfach aus unbezahlter
Arbeit; in diesem Fall kommen wir, trotz dem Mann mit dem Degen in der Hand,
trotz der angeblichen Besteuerungsaufschläge und dem behaupteten
Verteilungswert wieder an — bei der Marxschen Theorie vom Mehrwert.“
(‘Anti-Dührung’, a.a.O., S. 176, Hervorhebung im Original]
Die Umsatzsteuer in
Russland und die anderen Manipulationen der Bürokratie machen das Wertgesetz
auf keine Weise bedeutungslos. Was ist das Wesen des Wertgesetzes? Dass der
Wert des Produktes durch den durchschnittlichen Betrag von gesellschaftlich
notwendiger Arbeitszeit bestimmt ist. Das muss der Ausgangspunkt sein. Es
zeigt sich notwendigerweise durch Austausch. Marx widmete einen großen Teil
des ersten Bandes des ‘Kapitals’ der Erklärung der geschichtlichen Entwicklung
der Warenform vom zufälligen Austausch unter Wilden durch ihre Umgestaltungen
bis wir zur Warenproduktion par excellence, der kapitalistischen Produktion
kommen. Selbst in einer klassischen kapitalistischen Wirtschaft enthüllt sich
das Wertgesetz nicht direkt. Wie bekannt ist, werden Waren über oder unter
ihrem Wert verkauft. Nur zufällig würde eine Ware zu ihrem Wert verkauft
werden. Im dritten Band des ‘Kapital’ erklärt Marx die Produktionspreise der
Waren. Das heißt, dass der Kapitalist nur die Produktionskosten seiner Ware
plus die durchschnittliche Profitrate erhält. So werden manche Kapitalisten
unter der tatsächlichen Rate bezahlt werden, andere darüber. Wegen der
verschiedenen organischen Zusammensetzung der verschiedenen Kapitale enthüllt
sich das Wertgesetz nur in dieser komplizierten Weise. Das findet natürlich
durch die Konkurrenz statt. Monopole sind nur eine kompliziertere Entwicklung
des Wertgesetzes in der Gesellschaft. Wegen der Kontrollposition, die manche
Monopole einnehmen, können sie einen Preis über dem Wert der Waren herausschlagen,
aber nur dadurch, dass andere Waren unter ihrem Wert verkauft werden. Der durch
die Gesellschaft erzeugte Gesamtwert wäre immer noch der selbe.
In diesem
Zusammenhang ist Cliff überhaupt nicht konsequent. Shachtman argumentiert
wenigstens konsequent bei seinem Bemühen, zu leugnen, dass Russland eine
Übergangsgesellschaft ist, in der weiterhin kapitalistische Gesetze und ebenso
die Gesetze der künftigen Gesellschaft wirken. Er sagt, dass das Wertgesetz
nicht wirksam ist und folglich alle Gesetze, die aus ihm entspringen, auch
nicht wirksam sind. Es wird nicht Mehrwert produziert, sondern Mehrprodukt; die
ArbeiterInnen verkaufen keine Arbeitskraft, weil sie SklavInnen sind etc. etc.
Cliff gibt jedoch zu, dass die Warenproduktion weitergeht, Arbeitskraft und
Mehrwert bleiben. Aber sobald diese marxistischen Kategorien als für die
russische Gesellschaft als gültig akzeptiert werden, dann muss das Wertgesetz
klar im Innern wirken, oder die ganze Position wird unsinnig.
Der ganze
Widerspruch, ein Widerspruch innerhalb der Gesellschaft selbst, der nicht
willkürlich auferlegt wird — ist in der Vorstellung der Diktatur des
Proletariats selbst enthalten. Wen man die Probleme abstrakt betrachtet, kann
man sehen, dass dies ein widersprüchliches Phänomen ist: die Abschaffung des
Kapitalismus, aber das Fortbestehen von Klassen. Das Proletariat verschwindet
nicht. Es erhebt sich selbst in die Stellung der herrschenden Klasse und
schafft die kapitalistische Klasse ab. Aber in der Übergangszeit bleibt es die
Arbeiterklasse. Also wird ein Mehrprodukt in der Form von Mehrwert produziert.
Das ist heute der Fall, wie er es unter Lenin und Trotzki war. Wir müssen nur
das Problem aufwerfen: Was war der produzierte Mehrwert, als Russland noch
ein Arbeiterstaat war — wenn auch damals schon mit bürokratischen
Deformationen? Was war der Prozess, durch den etwas, was vor 1928 ein
Mehrprodukt war, nach 1928 auf mysteriöse Weise ein Mehrwert wurde? Was
war dieser merkwürdige unerklärte Prozess? Wir würden hier gerne eine Frage
stellen: Hatte das Vorhandensein von Kapitalismus außerhalb Russlands vor 1928
eine ähnliche Wirkung auf Russlands Wirtschaft? Natürlich hatte sie es. In der
Tat wegen der Schwäche der russischen Wirtschaft eine weit größere Wirkung.
Warum gab es dann keinen Kapitalismus in Russland?
Oder weiter: lassen
wir die Periode von 1917 bis 1923 beiseite — aber was war die Lage von 1923 bis
1928, als die stalinistische Bürokratie sich festigte? Es gab viel mehr tatsächliche
individualkapitalistische Elemente in der Wirtschaft des Landes als es heute
gab. Der Druck des Weltkapitalismus war aus einem wirtschaftlichen Blickwinkel
zweifellos viel größer. Das Problem auch nur zu stellen, zeigt die willkürliche
Methode.
Der Machtmißbrauch
und der legale und illegale Konsum des Mehrwerts durch de Bürokratie fand
notwendigerweise in den frühen Stadien der bürokratischen Kontrolle statt.
Genosse Cliff muss en lebloses Schema konstruieren, das keine Beziehung zur
Wirklichkeit hat, um eine Unterscheidung zwischen den zwei Perioden zu
erzeugen: die Periode, in der die Bürokratie einen degenerierten Arbeiterstaat
vertat, und der, in der die Bürokratie eine kapitalistische Klasse wurde. Was
ist laut Cliff der Unterschied? So unglaublich es auch scheinen mag: die
Bürokratie verdiente ihr Einkommen und erst von 1928 an konsumierte sie
Mehrwert. Cliff schreibt:
„Die Statistiken, die uns zur Verfügung
stehen, zeigen schlüssig, dass die Bürokratie in der dem Fünfjahresplan
vorausgehenden Periode zwar eine privilegierte Stellung hatte, es aber auf
keinen Fall gesagt werden kann, dass sie Mehrwert aus der Arbeit anderer
erhielt. Es kann genauso schlüssig gesagt werden, dass mit der Einführung des
Fünfjahresplans das Einkommen der Bürokratie zu einem großen Ausmaß aus
Mehrwert bestand.“ (Seite 45)
Das steht im
Widerspruch zu der Analyse, die damals nicht nur Trotzki, sondern auch andere
MarxistInnen zu diesem Problem machten. Zunächst einmal wird es auch im
idealsten Arbeiterstaat in der Übergangsperiode unausweichlich einen gewissen
Verbrauch von Mehrwert durch die Spezialisten und Bürokraten geben. Andernfalls
hätten wir de unmittelbare Einführung des Kommunismus ohne alle Ungleichheiten
oder die Fortsetzung der Spaltung zwischen geistiger und körperlicher Arbeit.
Es ist nur notwendig, sich hier auf de Linke Opposition zu diesem Problem zu
berufen. Schon 1927 kommentierte die Linke Opposition den großen Teil des
Mehrwerts, der vom bürokratischen Apparat verbraucht wurde. Sie protestierten
dagegen, dass der „angeschwollenene und privilegierte Verwaltungsapparat …
einen ganz beträchtlichen Teil unseres Mehrwerts verschlingt.“ ([Die Plattform
der Vereinigten Opposition (Die wirkliche Lage in Russland), nach: Die Linke
Opposition in der Sowjetunion 1923-28, Band V, S. 345], zitiert in: Verratene
Revolution, [Schriften 1.2, S. 834])
Es ist klar, dass
die Bürokratie seit 1920 einen großen Teil des Mehrwerts verbrauchte,
legitimer- oder illegitimerweise. Wie Marx erklärt, wird in einem Arbeiterstaat
in der Übergangsperiode der Mehrwert für den schnellen Aufbau der Industrie und
dadurch für den schnellstmöglichen Übergang zu Gleichheit und dann völligem
Kommunismus verwendet.
Wovon sonst sprach
Lenin 1920 und 1921, wenn er betonte, dass Russland gezwungen sei, einen
Schritt rückwärts zu machen, als sie die Spezialisten gemäß bürgerlichen
Standards und auf die alte ‘bürgerliche Weise’ bezahlten?
Das bedeutsamste bei
allen Strömungen, die Trotzkis Position in der russischen Frage zu revidieren
versuchen, ist, dass sie das Problem immer abstrakt stellen und nie
konkret die Gesetze der Übergangsgesellschaft zwischen Kapitalismus und
Sozialismus erklären und wie solch eine Gesellschaft funktionieren würde. Das
ist kein Zufall. Eine konkrete Überlegung würde sie zu der Schlussfolgerung
zwingen, dass die Wirtschaft in Russland grundlegend die selbe ist, die sie
unter Lenin war und nicht anders sein kann.
Der Keim der
kapitalistischen Produktionsweise, die unter dem Feudalismus durch die
Entwicklung der Warenproduktion begann, liegt in der Funktion der unabhängigen
Handwerker und Kaufleute. Wenn es eine gewisse Stufe erreicht, haben wir kapitalistische
Verhältnisse mit einem feudalen Überbau. Sie werden durch die Revolution
gesprengt und alle in der kapitalistischen Produktion versteckten Möglichkeiten
haben jetzt die freie Möglichkeit zur durch feudale Beschränkungen
unbehinderten Verwirklichung.
Das ganze Wesen der
(kapitalistischen und proletarischen) Revolution besteht in der Tatsache, dass
die alten Verhältnisse und alten Formen nicht mit den jetzt gereiften
Produktionsmethoden und -weisen übereinstimmen. Um sich von diesen
Beschränkungen zu befreien, müssen die Produktivkräfte auf einer anderen
Grundlage organisiert werden und die gesamte menschliche Geschichte und
Geschichtsbewegung besteht in der Entwicklung dieser Gegensätze auf ihren
verschiedenen Stufen verschiedener Gesellschaften.
Die bürgerliche
Revolution zerstört jedoch den Feudalismus nicht sofort mit einem Schlag.
Mächtige feudale Elemente bleiben immer noch und selbst in den
höchstentwickeltsten kapitalistischen Ländern bestehen bis heute die
Überbleibsel des Feudalismus.
Man kann von der
feudalen Produktionsweise im Sinne des Überbaus trotz der kapitalistischen
Basis sprechen, die sich unter ihm entwickelt hat. Oder sogar von der feudalen
Produktionsweise an ihrem Anfang, wo die Keime des Kapitalismus und die
Entwicklungsmöglichkeit des Kapitalismus schwach zu sehen waren.
Der grundlegende
Irrtum der ‘Staatskapitalismus’theorie und seiner Abstraktionen in Bezug auf
die Übergangsperiode liegt im Versagen bei der Unterscheidung zwischen
Produktionsweise und Aneignungsweise. In jeder Klassengesellschaft gibt es
Ausbeutung und ein Mehrprodukt, das von der ausbeutenden Klasse verwendet wird.
Aber für sich genommen sagen sie uns nicht über die Produktionsweise.
Zum Beispiel ist die
Produktionsweise im Kapitalismus gesellschaftlich, im Widerspruch zur
individuellen Aneignungsform. Wie Engels erklärte:
„Die Scheidung war vollzogen zwischen den in
den Händen der Kapitalisten konzentrierten Produktionsmitteln hier und den auf
den Besitz von nichts als ihrer Arbeitskraft reduzierten Produzenten dort. Der
Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer (also
individueller oder privater, wie Engels schon erklärt hat —EG) Aneignung
tritt an den Tag als Gegensatz von Proletariat und Bourgeoisie.“ (‘Anti-Dühring’,
a.a.O., S. 253)
Die
Übergangswirtschaft, die sich in verschiedenen Ländern zu verschiedenen Zeiten
und selbst im selben Land zu verschiedenen Zeiten ungeheuer unterscheiden wird,
wie Lenin betonte, hat auch eine gesellschaftliche Produktionsweise, aber mit staatlicher
Aneignung und nicht individueller Aneignung wie unter dem Kapitalismus.
Dies ist eine Form, die sowohl sozialistische als auch kapitalistische Merkmale
verbindet.
Unter dem
Kapitalismus, dem System der Warenproduktion par excellence, beherrscht das
Produkt völlig den Produzenten. Dies ergibt sich aus der Aneignungsform und dem
Widerspruch zwischen der Aneignungsform und der Produktionsweise; beide
Faktoren ergeben sich aus dem Privateigentum an den Produktionsmitteln.
Sobald Staatseigentum stattfindet, kann es kein Kapitalismus sein, weil der
Grundwiderspruch abgeschafft worden sein wird. Der anarchische Charakter der
gesellschaftlichen Produktion verschwindet mit der privaten Aneignung.
Unter dem
Sozialismus wird es auch eine gesellschaftliche Produktionsweise geben, aber
es wird eine gesellschaftliche Verteilungsweise geben. Zum ersten Mal
werden Produktion und Verteilung in Harmonie sein.
Daher ist es nicht
ausreichend, auf die kapitalistischen Merkmale in Russland heute hinzuweisen
(Lohnarbeit, Warenproduktion, dass die Bürokratie einen ungeheuren Teil des
Mehrwerts verbraucht), um uns den Charakter des Gesellschaftssystems zu sagen.
Auch hier ist eine allseitige Sicht notwendig. Man kann die gesellschaftlichen
Verhältnisse in der Sowjetunion nur verstehen, wenn man die Gesamtheit der
Verhältnisse nimmt. Schon seit dem Beginn der Revolution haben verschiedene
sektiererische Schulen als Ergebnis ihres Versagens bei solch einer Analyse die
unhaltbarsten Ideen erzeugt. Lenin fasste das Problem folgendermaßen zusammen:
„Aber was bedeutet das Wort Übergang? Bedeutet
es nicht in Anwendung auf die Wirtschaft, dass in der betreffenden
Gesellschaftsordnung Elemente, Teilchen, Stückchen sowohl des
Kapitalismus als auch des Sozialismus vorhanden sind. Jeder wird
zugeben, dass dem so ist. Aber nicht jeder, der das zugibt, macht sich Gedanken
darüber, welches denn nun die Elemente der verschiedenen gesellschaftlichen
Wirtschaftsformen sind, die es in Russland gibt. Das aber ist der ganze Kern
der Frage.“ (‘Über ‘linke’ Kinderei und über Kleinbürgerlichkeit’ [Mai 1918,
Lenin Werke Band 28, S. 328])
Von einer Seite zu
abstrahieren, muss zu einem Irrtum führen. Was bei dem russischen Phänomen
verblüffend ist, ist genau der widersprüchliche Charakter der
Wirtschaft. Dies wurde durch die Rückständigkeit und Isolation der Sowjetunion
weiter verschärft. Dies gipfelte in dem totalitären stalinistischen Regime und
führte dazu, dass die schlimmsten Merkmale des Kapitalismus an die Oberfläche
kamen — Beziehungen zwischen Managern und Beschäftigten, Akkordarbeit etc.
Statt diese Widersprüche zu analysieren, versucht Cliff, sie so weit wie
möglich in die Muster der ‘normalen’ Gesetze der kapitalistischen Produktion
einzupassen.
Zusätzlich kann die
Tendenz unter dem Kapitalismus, die Produktivkräfte nicht nur zu
zentralisieren, sondern auch gewisse Verstaatlichungsmaßnahmen einzuführen, zu
falschen Schlussfolgerungen führen. Cliff zitiert folgende Passage aus dem
‘Anti-Dühring’, um zu zeigen, dass der ‘Staatskapitalismus’ in Russland
letztlich das selbe wie der individuelle Kapitalismus ist und die selben
Gesetze hat:
„Je mehr Produktivkräfte er (der Staat — TC)
in sein Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist,
desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter,
Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf
die Spitze getrieben. Aber auf der Spitze schlägt es um. Das Staatseigentum an
den Produktionsmitteln ist nicht die Lösung der Konflikte, aber es birgt in
sich das formelle Mittel, die Handhabe der Lösung.“ (‘Anti-Dühring’,
a.a.O., S. 260)
Tatsächlich
argumentiert Engels genau entgegengesetzt. Schauen wir die Passagen noch einmal
an und sehen wir, wie wir andere Schlussfolgerungen ziehen:
„Wenn die Krisen die Unfähigkeit der
Bourgeoisie zur ferneren Verwaltung der modernen Produktivkräfte aufdeckten,
so zeigt die Verwandlung der großen Produktions- und Verkehrsanstalten in
Aktiengesellschaften und Staatseigentum die Entbehrlichkeit der Bourgeoisie für
jenen Zweck. Alle gesellschaftlichen Funktionen des Kapitalisten werden jetzt
von besoldeten Angestellten versehen. Der Kapitalist hat keine
gesellschaftliche Tätigkeit mehr außer Revenuen-Einstreichen, Kupon-Abschneiden
und Spielen an der Börse, wo die verschiedenen Kapitalisten untereinander sich
ihr Kapital abnehmen. Hat die kapitalistische Produktionsweise zuerst
Arbeiter verdrängt, so verdrängt sie jetzt die Kapitalisten, und verweist sie,
ganz wie die Arbeiter, in die überflüssige Bevölkerung, wenn auch zunächst noch
nicht in die industrielle Reservearmee.
Aber weder die Verwandlung in
Aktiengesellschaften noch die in Staatseigentum, hebt die Kapitaleigenschaft
der Produktivkräfte auf. Bei
den Aktiengesellschaften liegt dies auf der Hand. Und der moderne Staat ist
wieder nur die Organisation, welche sich die bürgerliche Gesellschaft gibt, um
die allgemeinen äußeren Bedingungen der kapitalistischen
Produktionsverhältnisse aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe sowohl der Arbeiter
wie der einzelnen Kapitalisten. Der moderne Staat, was auch seine Form, ist
eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle
Gesamtkapitalist. Je mehr Produktivkräfte er in sein Eigentum übernimmt, desto
mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, desto mehr Staatsbürger beutet er
aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis
wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben. Aber auf der
Spitze schlägt es um. Das Staatseigentum an den Produktionsmitteln ist nicht
die Lösung der Konflikte, aber es birgt in sich das formelle Mittel, die
Handhabe der Lösung.“ (a.a.O., S. 259f., unsere Hervorhebung — EG)
Sicherlich ist die
Idee im vorangegangenen Zitat klar. Insoweit die Produktionskräfte sich jetzt
über den Rahmen der kapitalistischen Verhältnisse hinaus entwickelt haben (das
heißt, der Keim des Widerspruchs ist jetzt zu einer bösartigen Krankheit des
Gesellschaftssystems angewachsen, die sich in den Krisen widerspiegelt) sind
die Kapitalisten zur ‘Sozialisierung’ riesiger Produktionsmittel gezwungen —
zuerst durch Aktiengesellschaften und dann später sogar zur Verstaatlichung von
Teilen der Produktivkräfte. Diese besondere Idee wurde von Lenin im
‘Imperialismus’ scharf betont, wo er zeigte, dass die Entwicklung von Monopolen
und Vergesellschaftung der Arbeit in der Tat Elemente eines neuen
Gesellschaftssystems innerhalb des alten waren.
Sobald die
Produktivkräfte diese Stufe erreichten, hatte der Kapitalismus schon seine
geschichtliche Mission erfüllt und deshalb wird die Bourgeoisie immer
überflüssiger. Aus einer Notwendigkeit für die Entwicklung der Produktivkräfte
werden sie jetzt ‘überflüssig’, ‘Schmarotzer’, ‘Kupon-Abschneider’. Auf diese
Weise werden sie auf die gleiche Weise und aus den gleichen Gründen zu
Schmarotzern verwandelt wie auch die Feudalherren ‘Schmarotzer’ wurden, sobald
ihre Mission erfüllt war.
Dies ist bloß ein
Aneichen für die Reife des Kapitalismus für die soziale Revolution. Im
‘Kapital’ hatte Marx gezeigt, dass Kredit und Aktiengesellschaften schon ein
Anzeichen dafür seien, dass die Produktivkräfte über das Privateigentum
hinausgewachsen waren. Engels hatte gezeigt, dass die gesellschaftlichen
Produktivkräfte sogar die Kapitalisten zur Anerkennung ihres Charakters als
gesellschaftlicher und nicht als individueller Produktivkräfte
zwangen.
Wo immer der
kapitalistische Staat gezwungen ist, diesen oder jener Wirtschaftszweig zu
übernehmen, verlieren die Produktivkräfte tatsächlich ihren Charakter als
Kapital nicht. Aber das ganze Wesen des Problems ist, dass Quantität zu
Qualität wird, wenn wir eine vollständige Verstaatlichung haben, der
Kapitalismus verwandelt sich in sein Gegenteil.
Wie soll man sonst
die Aussage von Engels erklären: „Aber auf der Spitze schlägt es [das
Kapitalverhältnis] um. Das Staatseigentum an den Produktionsmitteln ist
nicht die Lösung der Konflikte, aber es birgt in sich das formelle Mittel, die
Handhabe der Lösung.“?
Wenn man die Tatsache
in Betracht zieht, dass dies dem vorher zitierten Absatz im gleichen
Abschnitt folgt, in dem Engels kapitalistische Produktionsweise definiert
(als gesellschaftliche Produktion, individuelle Aneignung), müssen wir folgern,
dass Engels sich hoffnungslos widerspricht, wenn wir Cliffs Schlussfolgerungen
akzeptieren. Aber aus dem Zusammenhang ist Engels’ Bedeutung klar. Er erklärt,
dass die Lösung für die Widersprüche des Kapitalismus in der Anerkennung des
gesellschaftlichen Charakters der modernen Produktivkräfte liegt: „dass also
die Produktions-, Aneignungs- und Austauschweise in Einklang gesetzt wird mit
den gesellschaftlichen Charakter der Produktionsmittel.“ [a.a.O., S. 260] Aber
er zeigt, dass diese 'Anerkennung' genau in der bewussten Organisation und
Planung besteht, statt des blinden Spiels der Marktkräfte auf der Grundlage von
individuellem Eigentum. Dies kann jedoch nicht auf einem Schlag getan werden.
Nur 'schrittweise' kann gesellschaftliche Kontrolle völlig durchgesetzt werden.
Die Übergangsform dahin ist Staatseigentum. Aber völliges Staatseigentum
schafft nicht sofort alle Merkmale des Kapitalismus ab, andernfalls würde
sofort gesellschaftliches Eigentum, das heißt Sozialismus eingeführt werden.
Aber genau wie wir
in der Gesellschaftsentwicklung das Neue innerhalb des alten Systems haben,
haben wir auch in der Übergangsgesellschaft noch das Alte innerhalb des
Neuen. Völlige Verstaatlichung stellt die äußerste Grenze des Kapitals dar.
Das kapitalistische Verhältnis wird in sein Gegenteil umgewandelt. Die Elemente
der neuen Gesellschaft, die innerhalb der alten heranwuchsen, werden jetzt
vorherrschend.
Was den Konflikt
innerhalb des Kapitalismus verursacht, ist die Tatsache, dass die Gesetze blind
wirksam werden. Aber, sobald die ganze Industrie verstaatlicht wird, können zum
ersten Mal Kontrolle und Planung durch die Produzenten bewusst
angewandt werden. Kontrolle und Planung werden jedoch in den ersten Stadien
innerhalb gewisser Grenzen statt finden. Diese Grenzen werden durch das Niveau
der Technik bestimmt, wenn die neue Gesellschaftsordnung an die Macht kommt.
Die Gesellschaft
kann nicht über Nacht vom Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit
treten. Nur auf der Grundlage einer grenzenlose Entwicklung der Produktivkräfte
wird Freiheit in ihrem vollsten Sinne Wirklichkeit werden. Die Stufe wird
erreicht werden, auf der wir die 'Verwaltung von Sachwerten’ erleben werden.
Bevor solch eine
Stufe erreicht wird, muss die Gesellschaft die Übergangsperiode durchqueren.
Aber insofern sofort nach dem Abschaffen des Privateigentums Kontrolle und
Planung zum ersten Mal eine Möglichkeit werden, wird zum ersten Mal auch der
Reich der Notwendigkeit hinter sich gelassen. Aber während es jetzt möglich
ist, von 'Freiheit’ zu sprechen, ist dies nur in dem Sinne so, dass die
Notwendigkeit bewusst erkannt ist. Auf dieser Stufe (der Übergangsperiode),
unterstrich Engels:
„Damit wird der gesellschaftliche Charakter
der Produktionsmittel und Produkte (…) von den Produzenten in vollem
Bewusstsein zur Geltung gebracht und verwandelt sich aus einer Ursache der
Störung und des periodischen Zusammenbruchs in den mächtigsten Hebel der
Produktion selbst.
Die gesellschaftlich wirksamen Kräfte wirken
ganz wie die Naturkräfte: blindlings, gewaltsam, zerstörend, solange wir sie
nicht erkennen und nicht mit ihnen rechnen. Haben wir sie aber einmal erkannt,
ihre Tätigkeit, ihre Richtungen, ihre Wirkungen begriffen, so hängt es nur ab, sie
mehr und mehr unsrem Willen zu unterwerfen und vermittelst ihrer unsre
Zwecke zu erreichen. Und ganz besonders gilt dies von den heutigen gewaltigen
Produktivkräften.“ (a.a.O., S. 260f., unsere Hervorhebung)
Engels fasste [Hegel
zitierend] weiter die Beziehungen zwischen Freiheit, Notwendigkeit und der
Übergangsperiode so zusammen:
„Freiheit [ist] die Einsicht in die
Notwendigkeit. ‘Blind ist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbe
nicht begriffen wird.’ [a.a.O., S. 106, Zitat aus Hegel, ‘Enzyklopädie,
§147, Zusatz, kursiv von Engels]
Marx und Engels
berührten nur den widersprüchlichen Charakter der Übergangsperiode. Sie
überließen seine Ausarbeitung den folgenden Generationen und legten nur die
allgemeinen Gesetze nieder. Aber sie zeigten klar die Notwendigkeit von Staatseigentum
als notwendigem Übergangszustand für die Entwicklung der Produktivkräfte.
Engels erklärte die Notwendigkeit eines Staat während dieses Stadiums aus zwei
Gründen:
1. um Maßnahmen
gegen die alte herrschende Klasse zu ergreifen.
2. Weil die
Übergangsgesellschaft nicht sofort genug für alle garantieren kann.
Die Logik der These
von Cliff ist, dass in der Übergangsgesellschaft keine Überreste des
Kapitalismus in der inneren Wirtschaft gibt. Während Genosse Cliff vehement
argumentieren kann, dass er mit der Notwendigkeit eines Staats in der
Übergangsperiode einverstanden ist, ist es offensichtlich, dass er nicht die
wirtschaftlichen Gründe durchdacht hat, die den Staat notwendig machen und
welchen Charakter die Wirtschaft in dieser Periode annimmt. Bevor
Sozialismus eingeführt werden kann, muss es notwendigerweise eine enorme
Entwicklung der Produktionskräfte geben, weit über das unter dem Kapitalismus
erreichte hinaus. Wie Trotzki erklärt, gibt es selbst in Amerika noch nicht
genügend Produktion, um die sofortige Einführung des Sozialismus zu
garantieren. Folglich wird man immer noch eine Zwischenperiode haben, in der
kapitalistische Gesetze in geänderter Form funktionieren. Selbstverständlich
würde dies in Amerika von kurzer Dauer sein. Aber es ist nicht möglich, dieses
Stadium völlig zu überspringen. Was sind die kapitalistische Gesetze, die
bleiben? Genosse Cliff kann dies nicht nur nicht beantworten; er fällt in die
Falle des bürokratischen Kollektivismus, indem er nicht erkennt, dass Geld,
Arbeitskraft, das Bestehen der Arbeiterklasse, Mehrwert usw. alle Überbleibsel
des alten kapitalistischen Systems sind, die sogar unter dem Regime von
Lenin fortgeführt wurden. Es ist unmöglich, sofort direkte gesellschaftliche
Produktion und Verteilung einzuführen. Das war besonders im rückständigem
Russland der Fall.
In einem Brief an
Konrad Schmidt von 1890 gab Engels ein ausgezeichnetes Beispiel für die
zutiefst materialistische Herangehensweise an das Problem der
Übergangswirtschaft vom Kapitalismus zum Sozialismus. Er schrieb:
„Da ist auch in der ‘*Volks-Trib[üne]’ eine
Diskussion gewesen über die Verteilung der Produkte in der künftigen
Gesellschaft, ob das nach dem Arbeitsquantum geschieht oder anders. Man hat die
Sache auch sehr ‘materialistisch’ aufgefasst gegen gewisse idealistische
Gerechtigkeitsredensarten. Abe sonderbarerweise ist es niemandem eingefallen,
dass der Verteilungsmodus doch wesentlich davon abhängt, wieviel zu
verteilen ist, und dass dies doch mit den Fortschritten der Produktion und der
gesellschaftlichen Organisation sich ändert, also wohl auch der
Verteilungsmodus sich ändern dürfte. Aber bei allen Beteiligten erscheint die
‘Sozialistische Gesellschaft’ nicht als ein in fortwährender Veränderung und
Fortschritt begriffenes, sondern als ein stabiles, ein für allemal fixes Ding,
das also auch einen ein für allemal fixierten Verteilungsmodus haben soll.
Vernünftigerweise aber kann man doch nur 1. versuchen, den Verteilungsmodus zu
entdecken, mit dem angefangen wird und 2. suchen, die allgemeine
Tendenz zu finden, worin sich die Weiterentwicklung bewegt. Davon aber
finde ich kein Wort in der ganzen Debatte.“ (Engels an Conrad Schmidt, 5.
August 1890, Marx Engels Werke, Band 37, S. 436, Hervorhebung von Engels)
Im ‘Anti-Dührung’
(S. 288) weist Engels darauf hin:
„Die unmittelbare gesellschaftliche Produktion
wie die direkte Verteilung schließen allen Warenaustausch aus, also auch
die Verwandlung der Produkte in waren (wenigstens innerhalb der Gemeinde) und
damit auch ihre Verwandlung in Werte.“ (Fettdruck von uns, kursiv von
Engels)
Aber nur der Sozialismus
könnte dies verwirklichen. In der Übergangsperiode bleibt Verteilung weiterhin indirekt
— nur stufenweise gewinnt die Gesellschaft völlige Kontrolle über das
Produkt — und folglich muss notwendigerweise Warenproduktion und Austausches
zwischen den verschiedenen Produktionssektoren stattfinden. Das Wertgesetz gilt
und muss gelten bis es direkten Zugriff der ProduzentInnen auf das Produkt
gibt. Dies kann nur auf der Grundlage von völliger Kontrolle über die
gesellschaftliche Produktion und gesellschaftliche Verteilung stattfinden,
nämlich dass alle Individuen nehmen, was sie brauchen. Marx behandelt dieses
Problem im Vorbeigehen im Dritten Band des ‘Kapital’ (Kapitel 49), wo er das
Problem kapitalistischen Produktion als Ganzes behandelt:
„Demgemäß dient ein Teil des Profits, also des
Mehrwerts und daher auch des Mehrprodukts, worin sich (dem Wert nach
betrachtet) nur neu zugesetzte Arbeit darstellt, als Assekuranzfonds
[Versicherungsfonds]. (…) es ist dies auch der einzige Teil des Mehrwerts und
Mehrprodukts, also der Mehrarbeit, der dem Teil, der zur Akkumulation, also zur
Erweiterung des Reproduktionsprozesses dient, auch nach Aufhebung der
kapitalistischen Produktionsweise fortexistieren müsste. (…) und der
Umstand, dass alles neue Kapital aus Profit, Rente und andren Formen der
Revenue, d.h. der Mehrarbeit entspringt…" [Marx Engels Werke, Band 25, S.
855, 856]
In diesem Kapitel
behandelt Marx, in einer Analyse des Produktionsprozesses in seinen eigenen
Worten „den Wert des jährlichen Gesamtprodukts der Arbeit (…), also des
Produkts des gesellschaftlichen Gesamtkapitals.“ [a.a.O., S. 840]
Er wiederholte dies
im gleichen Kapitel in einer Antwort auf Storch, einen bürgerlichen
Wissenschaftler, und erklärte:
„Es ist erstens eine falsche Abstraktion, eine
Nation, deren Produktionsweise auf dem Wert beruht, weiter kapitalistisch
organisiert ist, als einen bloß für die nationalen Bedürfnisse arbeitenden
Gesamtkörper zu betrachten.
Zweitens bleibt, nach Aufhebung der
kapitalistischen Produktionsweise, aber mit Beibehaltung der gesellschaftlichen
Produktion, die Wertbestimmung vorherrschend in dem Sinn, dass die
Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter
die verschiedenen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber, wesentlicher
denn je wird.“ [a.a.O., S. 859, Hervorhebung von uns]
Dies stimmt mit den
verstreuten Bemerkungen von Marx und von Engels zu den verschiedenen Zeiten bei
der Behandlung der Übergangsperiode überein: wo Engels erklärt, dass unter dem
Kapitalismus Aktiengesellschaften und Staatseigentum genau gesagt jenseits des
Rahmens der kapitalistischen Produktion sind; wo Marx bereits unterstrich, dass
auch Kredit die Produktion über ihren Rahmen hinaus ausdehnte, sogar vor dem
Übergang zur Diktatur des Proletariats. Wonach, wie Marx meinte (wie die
obigen Passagen und auch die ‘Kritik des Gothaer Programms’ zeigen)
bürgerliches Gesetz, bürgerliche Verteilung und in diesem Sinne ein bürgerlicher
Staat weiterhin bleiben.
Bei der Diskussion
der Rolle des Geldes und des Staates in der Übergangsperiode, entwickelte
Trotzki diese Idee noch weiter:
„Beide Probleme, Staat und Geld, weisen
eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf, denn sie führen letzten Endes beide auf das
Problem aller Probleme zurück: auf die Arbeitsproduktivität. Der staatliche wie
der Geldzwang sind ein Erbe der Klassengesellschaft, die die Beziehungen
zwischen den Menschen unter die Gewalt kirchlicher oder weltlicher Fetische bringt
und zu ihrem Schutz den fürchterlichsten aller Fetische mit dem großen Messer
zwischen den Zähnen eingesetzt hat: der Staat. In der kommunistischen
Gesellschaft werden Staat und Geld verschwunden sein. Ihr allmähliches
Absterben muss also schon unter dem Sozialismus beginnen. Von einem
tatsächlichen Sieg des Sozialismus wird man erst in dem geschichtlichen
Augenblick sprechen können, wenn der Staat nur noch halb ein Staat ist und das
Geld seine magische Kraft einzubüßen beginnt. Unter dem Sozialismus, der sich
der kapitalistischen Fetische entledigt, werden sich zwischen den Menschen
freiere, würdigere Beziehungen herstellen.
Für den Anarchismus charakteristische
Forderungen wie die ‘Abschaffung’ des Geldes, die ‘Abschaffung’ des
Arbeitslohns oder die ‘Aufhebung’ des Staates und der Familie können nur als
Musterbeispiele von mechanischem Denken Interesse beanspruchen. Das Geld kann
man nicht willkürlich ‘abschaffen’ und den Staat oder die traditionelle Familie
nicht ‘aufheben’; sie müssen ihre historische Mission erfüllen, kraftlos werden
und vergehen. Der Geldfetischismus erfährt erst auf jener Stufe der
gesellschaftlichen Entwicklung den Todesstoß, auf der ein unaufhörliches
Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums den Zweifüßlern das Geizen um jede Minute
Mehrarbeit und die demütigende Angst um die Größe ihrer Ration abgewöhnt hat.
Mit dem Verlust seiner Fähigkeit, Glück zu bringen oder in den Staub zu werfen,
wird sich das Geld in einfache Rechnungsbelege zur Erleichterung der Statistik
und der Planungen verwandeln. Noch später wird es wahrscheinlich auch solcher
Quittungen nicht mehr bedürfen. Doch diese Sorge können wir getrost unseren
Nachkommen überlassen, die klüger sein werden als wir.
Die Nationalisierung der Produktionsmittel und
des Kredits, die Vergesellschaftlichung oder Verstaatlichung des Binnenhandels,
das Außenhandelsmonopol, die Kollektivierung der Landwirtschaft und die
Erbgesetzgebung stecken der individuellen Geldakkumulation und erschweren die
Umwandlung solchen Geldvermögens in privates (Wucher-, Kaufmanns-, und
Industrie-)kapital. Diese mit der Ausbeutung verknüpfte Funktion des Geldes ist
jedoch zu Beginn der proletarischen Revolution noch nicht aufgehoben; sie geht
vielmehr in veränderter Gestalt an den Staat über, den universellen Kaufmann,
Gläubiger und Industriellen. Zugleich bleiben die elementaren Funktionen des
Geldes als Wertmaßstab, Tausch- und Zahlungsmittel nicht nur erhalten,
sondern bekommen auch ein viel breiteres Wirkungsfeld als unter dem
Kapitalismus.“ [Trotzki, ‘Verratene Revolution’, Schriften 1.2, S. 757-760,
Hervorhebung im Original]
Fassen wir zusammen.
Während vor der Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln der
Markt über den Menschen herrscht, der gegenüber den Gesetzen der Wirtschaft
hilflos ist, die er selbst geschaffen hat, fängt er nach dessen Abschaffung zum
ersten Mal an, Kontrolle bewusst auszuüben. Aber Bewusstsein bedeutet hier bloß
die Anerkennung des Gesetzes, nicht die Aufhebung des Gesetzes. Dies ist
die Besonderheit der Übergangsperiode, dass der Mensch jetzt den Charakter der
Produktivkräfte versteht und in diesem Umfang Kontrolle über sie ausüben kann.
Aber er kann nicht die Grenzen der gegebenen Entwicklung der Produktivkräfte
überschreiten. Nachdem jetzt die Produktivkräfte von den Hemmnissen der
individualkapitalistischen Produktion befreit sind, können sie jedoch mit solch
einem Tempo und mit solch einem Wachstum entwickelt werden, dass sie sehr
schnell vom Staatseigentum als Zwischenform in gesellschaftliches Eigentum durch
die Gesellschaft umgewandelt werden können. Sobald dieses Stadium (Sozialismus)
erreicht worden ist, gibt es zum ersten Mal wirkliche gesellschaftliche
Produktion und Verteilung. Geld stirbt ab, das Wertgesetz stirbt ab, der Staat
stirbt ab. Mit anderen Worten, alle Beschränkungskräfte, die eine notwendige
Widerspiegelung der Begrenzungen der Technik und der Entwicklung der Produktion
im jeweiligen Stadium sind, verschwinden jetzt mit dem Verschwinden der
Arbeitsteilung. Bis dahin werden alle oben aufgeführten Merkmale, aus der alten
kapitalistische Gesellschaft mitgeschleppten kapitalistischen Merkmale sich in
der Übergangsperiode halten.
Die Position des
Genossen Cliff, wie bei Shachtman und allen, die Trotzkis Position zu Russland
revidiert haben, bleibt, für die Übergangsperiode ein weißer Fleck. Und aus
einem sehr triftigen Grund. Wenn man die Theorie des Übergangsstadiums im
Lichte der russischen Erfahrung betrachtet, gibt es nur eine von zwei
Schlussfolgerungen: entweder Russland ist heute noch in einem Übergangsstadium,
das schreckliche Verzerrungen angenommen hat, oder Russland war vom allerersten
Anfang an nie ein Arbeiterstaat. Es gibt keine andere Alternative.
Im ersten Kapitel
seiner Arbeit versucht Genosse Cliff zu zeigen, dass Trotzkis Analyse des
russischen Staates der von Marx entwickelten und durch Lenin ausgearbeiteten
Staatstheorie widerspricht.
Das erste Kapitel
enthält ein ausgearbeitetes Schema, das zu zeigen versucht, dass nicht zwei
Klassen eine Staatsmaschine benutzen können. Hier glaubt Cliff, einen
grundlegenden Fehler bei Trotzki gefunden zu haben. Er nimmt zu verschiedenen
Zeiten und unter verschiedenen Umständen vom Alten entwickelt Ideen und stellt
sie einander gegenüber. Er nimmt z.B. ein Zitat von Trotzki aus dem frühen
Stadien der Degeneration der Bürokratie und dem Ausschluss der linken
Opposition, als er für die Reform des sowjetischen Staates argumentierte
und, beiläufig, auch für die Reform der Bolschewistischen Partei, die den Staat
kontrollierte. (Es war in dieser Phase, dass Trotzki den Brief an das ZK der
KPdSU schrieb, der die Entfernung Stalins forderte.), Wer kann leugnen, dass es
theoretisch möglich gewesen wäre, dass die Bolschewistische Partei die
Bürokratie hätte ausspeien und einen gesunden Arbeiterstaat wiederherstellen
können, wenn die internationalen Ereignisse anders gewesen wären?
Cliff stellt dem ein
Zitat aus der ‘Verratenen Revolution’ entgegen, in dem Trotzki sagt, dass wenn
die russischen ArbeiterInnen an die Macht kommen, sie den Staatsapparat säubern
werden; und wenn die Bourgeoisie an die Macht kommt, wäre eine „Säuberung
des Staatsapparates (…) natürlich auch in diesem Fall erforderlich, doch
brauchte die bürgerliche Restauration wahrscheinlich weniger Leute zu entfernen
als eine revolutionäre Partei.“ (Zitiert in Cliff, Staatskapitalismus in
Russland, S. 179, vgl. Schriften 1.2, S. 956]
Cliffs Antwort
darauf ist:
„Gleichgültig, ob man davon ausgeht, dass das
Proletariat bei seiner Machtübernahme die bestehende Staatsmaschine zerschlagen
muss, während die Bourgeoisie sie in ihren Dienst stellen kann, oder dass weder
Proletariat noch Bourgeoisie den bestehenden Staatsapparat benutzen können
(weil dessen Säuberung so tiefgreifend ist, dass er sich qualitativ verändert),
die Schlussfolgerung ist in beiden Fällen dieselbe: Russland ist kein
Arbeiterstaat. Anzunehmen, Proletariat und Bourgeoisie könnten den gleichen
Staatsapparat als Herrschaftsinstrument verwenden, wäre gleichbedeutend mit
einer Bestätigung der theoretischen Grundlage der Sozialdemokratie und der
Ablehnung des revolutionären Staatsvorstellung, wie sie Marx, Engels, Lenin und
Trotzki ausdrückten. Anzunehmen, dass verschiedene Schichten, Gruppen oder
Parteien ein und der selben Klasse sich nicht auf die selbe Staatsmaschine
gründen können, ist gleichfalls eine Zurückweisung der revolutionären
Staatsvorstellung." (Cliff, ‘The Nature of Stalinist Russia, S. 4, [der
Anfang des Zitats auch in ‘Staatskapitalismus in Russland, S. 180])
Diese ganze
formalistische Methode ist die tödliche Schwäche von Cliffs Argumentation. Es
würde für Trotzki im frühen Stadium unmöglich gewesen sein, das Problem
abstrakt zu behandeln. Er musste sich mit der konkreten Lage befassen und eine
konkrete Antwort geben. Aber die weitere Degeneration warf das Problem in einer
völlig anderen Weise auf. Sobald es klar war, dass es unmöglich war, die
stalinistische Partei zu reformieren, dass es unmöglich war, den sowjetischen
Staat zu reformieren (wir nehmen an, dass Cliff auch glaubt, dass dies die
Aufgabe war, denn er sagt dass Russland bis 1928 ein degenerierter
Arbeiterstaat war), dann musste die Frage in einem etwas anderen Licht gesehen
werden. Es ist der marxistischen Methode fremd, nach (wirklichen oder
scheinbaren) isolierten Widersprüchen zu suchen. Erforderlich ist eine Prüfung
der Theorie in ihrer breiten allgemeinen Entwicklung, in ihrer Bewegung und
ihren Widersprüchen.
Aber überprüfen wir
Cliffs eigene Denkprozesse zu diesem Thema. Er kann auch die Falle nicht
vermeiden, die er Trotzki zu stellen versucht. Kapitel 1 (nicht weniger als
achtzehn Seiten) ist dem Beweis der Unmöglichkeit gewidmet, dass zwei Klassen
einem Staat benützen. Aber siehe da, Kapitel 4 vollbringt das Wunder! Der
unmögliche Abgrund wird überbrückt! Sowohl die Kapitalistenklasse als auch
das Proletariat von Russland haben genau die gleiche Staatsmaschine benutzt.
Warum? Weil mehr Mehrwert produziert wurde! Weil er dies Dilemma erkennt, muss
Cliff etwas vorbringen, was in der Bewegung wirklich neu und einzigartig ist:
dass die Bürokratie vor 1928 keinen Mehrwert konsumierte. Und dass sich durch
die Einführung des Fünfjahresplans der Staat aus einem Arbeiterstaat in einen
kapitalistischen Staat verwandelte. (Jeder Feind der Vierten Internationale
könnte sofort erwidern, dass der Staat Stalins auf dieser Grundlage lediglich
eine Erweiterung und Vertiefung des Staats Lenins ist. Denn im wirtschaftlichen
Sinne hat sich nichts grundlegend geändert. Wir haben dies in den
vorhergehenden Kapiteln behandelt. Bemerkenswerterweise vertritt Cliff seine
Theorie nur mit ökonomischer Argumentation — und dies ist erstaunlich Trotz des
Titels seinem ersten Kapitel 'Eine Untersuchung der Definition von Russland als
degeneriertem Arbeiterstaat' behandelt er weder hier noch in einem anderen
Kapitel die politische Frage. Cliff sieht die Transformation von einem
Arbeiterstaat in einen kapitalistischen Staat folgendermaßen:
Die Statistiken, die uns zur Verfügung stehen,
zeigen schlüssig, dass die Bürokratie in der dem Fünfjahresplan vorausgehenden
Periode zwar eine privilegierte Stellung hatte, es aber auf keinen Fall gesagt
werden kann, dass sie Mehrwert aus der Arbeit anderer erhielt. Es kann genauso
schlüssig gesagt werden, dass mit der Einführung des Fünfjahresplans das
Einkommen der Bürokratie zu einem großen Ausmaß aus Mehrwert bestand.“ (Seite
45)
Mit anderen Worten
sieht Cliff den Übergang von einem System zum anderen, nicht im Zerschlagen der
Staatsmaschine. Wie passt dies in sein Schema in Kapitel 1?
Cliffs Versuch, eine
künstliche Brücke zwischen dem Arbeiterstaat und dem kapitalistischen Staat
herzustellen, weil er das Zerschlagen der Maschine des Arbeiterstaats nicht
finden konnte, führte ihn zur Suche nach wirtschaftlichen Unterschieden
zwischen den zwei Perioden— vor 1928 und nach 1928. Dabei fällt er in die
formalistischsten und abstraktesten Auffassungen des Arbeiterstaats, wie er vor
1928 bestand. Wie wir in den vorhergehenden Kapiteln gezeigt haben, muss selbst
im gesündesten Arbeiterstaat sind, nach Marx, notwendigerweise Mehrwert
produziert werden, um die Industrie zu dem Punkt zu entwickeln, wo Staat, Geld
und das Proletariat selbst und alle andere Überbleibsel des Kapitalismus
verschwunden sein werden. Solange die Arbeiterklasse als Klasse existiert, wird
Mehrwert produziert. Eine Erklärung der linken Opposition von 1927 unterstrich,
dass die Bürokratie einen enormen Teil des Mehrwerts verbrauchte.
Cliffs Methode zur Einführung
dieses Themas ist total falsch. Statt sich die Aufgabe zu stellen, eine These
zu beweisen, stellt er einfach Behauptungen auf und betrachtet sie als
bewiesen. Dass Kapitel 4 allem in Kapitel 1 widerspricht, ist eine andere
Sache! Man untersuche einfach das Schema, mit dem Genosse Cliff selbst dieses
Kapitel 4 zusammenfasst, in dem er gerade behauptet, dass ein Übergang ohne
eine Revolution erzielt worden ist und ohne Zerschlagung der Staatsmaschine.
Nach mehr als 20 Jahren kommen wir schließlich bei dem Unterkapitel an: ‘Von
einem Arbeiterstaat mit bürokratischen Deformationen zur vollständigen
Befreiung der Bürokratie von der Volkskontrolle’; [dieser Satz fehlt in der
Fassung in ‘Unbroken Thread’ — der Übersetzer]
Er fängt an:
„In diesem Kapitel werden wir die
Transformation des Klassencharakters des russischen Staates von einem Arbeiter-
in einen kapitalistischen Staat beschreiben. Wir tun dies, indem wir die
folgenden Punkte behandeln… ", (Cliff, Seite 33)
Er fährt darauf
fort, eine Anzahl von wirtschaftlichen Änderungen genau zu schildern, die
nichts mit Struktur oder der Transformation der Staatsmacht zu tun haben, und
endet mit dem Unterabschnitt [Punkt 18] 'Warum der Fünfjahresplan die
Transformation der Bürokratie in eine herrschende Klasse bedeutet.' Alle
wirtschaftlichen Argumente in diesem Kapitel haben nichts mit dem Staat oder
seinem Umsturz zu tun.
Cliff behandelt
ausführlich die Differenzierung in der Armee, die Einführung der Privilegien
für die Offiziere, militärische Disziplin usw. Er wiederholt hier bloß, was
Trotzki tausendmal über die Transformation der Bürokratie in eine
unkontrollierte Kaste sagte. Aber schauen wir seine Schlussfolgerungen an. Er
schreibt:
„Wieder kennzeichnet der Fünfjahresplan einen
Wendepunkt. Damals fingen die Organisation und die Struktur der Armee an, sich
grundlegend zu ändern. Von einem Arbeiterarmee mit bürokratischen Deformationen
wurde es das bewaffnete Organ der Bürokratie als herrschender Klasse… "
(Seite 59)
Schauen wir jetzt,
ob das, was eine schrittweise soziale Revolution ausschließt, eine schrittweise
Konterrevolution ausschließt.
„Kämpfen Soldaten in einer hierarchisch
aufgebauten Armee um die Macht in dieser Armee, stoßen sie sofort auf den
Widerstand des Offizierskaste. Die Ausschaltung dieser Kaste kann nur mit Hilfe
revolutionärer Gewalt erfolgen. Wenn dagegen die Offiziere einer Volksmiliz
immer weniger unter der Kontrolle der Soldaten stehen und auf keine
institutionalisierte Bürokratie stoßen, kann ihre Verwandlung in eine vom Willen
der Soldaten unabhängige Offizierskaste allmählich erfolgen. Der Übergang eines
stehenden Heeres in eine Volksmiliz wird immer von einem ungeheuren Ausbruch
revolutionärer Gewalt begleitet sein; auf der anderen Seite kann und muss der
Übergang von einer Volksmiliz in ein stehendes Heer, wenn er das Resultat von
Tendenzen innerhalb der Miliz selbst ist, allmählich vor sich gehen. Der
Widerstand der Soldaten gegen die aufsteigende Bürokratie kann dazu
führen, dass die Offiziere mit Gewalt gegen die Soldaten vorgehen. Aber das
muss nicht so sein. Was für die Armee gilt, trifft auch für den Staat zu.
Ein Staat ohne Bürokratie oder mit einer schwachen Bürokratie, die vom Willen
der Massen abhängig ist, kann sich allmählich in einen Staat verwandeln, in dem
die Bürokratie von jeder Arbeiterkontrolle befreit ist."(Cliff, ‘The
Nature of Stalinist Russia’, S. 82, [‘Staatskapitalismus in Russland, S.
167f.,] unsere Hervorhebung)
Und Cliff beendet
sein Kapitel, in dem er jetzt zu beweisen versucht, dass es einen schrittweisen
Übergang von einem Arbeiterstaat in einen kapitalistischen Staat geben kann,
indem er ein Zitat von keinen anderen als Trotzki bringt … den er in seinem
Kapitel 1 in dieser Frage so streng diskreditiert hat. Cliff schreibt:
„Die Moskauer Prozesse*
waren der Bürgerkrieg der Bürokratie gegen die Massen, ein Krieg, in dem nur
eine Seite bewaffnet und organisiert war. Sie legten Zeugnis davon ab, dass die
Bürokratie sich endgültig von jeder Kontrolle durch die Massen befreit hatte.
Trotzki, der glaubte, die Moskauer Prozesse und die 'Verfassung' seien Schritte
in Richtung auf eine Restauration des Privatkapitalismus mit legalen Mitteln,
zog jetzt sein Argument zurück, es hieße nur den „Film des Reformismus
rückwärts abspulen“, wenn man von der allmählichen Umwandlung des
proletarischen Staats in einen bürgerlichen spreche. Er schrieb:
'In Wirklichkeit, gibt die neue Verfassung
… der Bürokratie die Möglichkeit, auf ‘legale’ Weise die ökonomische
Konterrevolution durchzuführen, das heißt, den Kapitalismus auf kaltem Wege
wiederherzustellen’. (IV. Internationale und die UdSSR, auf der Ersten
Internationalen Konferenz für die IV. Internationale angenomme These, Genf,
Juli 1936.)" (Cliff, ‘The Nature of Stalinist Russia’ [Staatskapitalismus
in Russland, S. 168, das Trotzki-Zitat vgl. Schriften 1.1, Hamburg 1988, S.
675])
Hier sehen wir
Cliffs These und seine falsche Methode in vollem Licht. Er beginnt mit der
These, dass Trotzki kein Marxist sei, weil er sagt, dass zwei Klassen eine
Staatsmaschine benutzen können. Cliff endet, indem er genau das sagt und als
seine Autorität den selben Trotzki verwendet.
Verstaatlichung
und Arbeiterstaat
Auf Seite 2 seiner
Arbeit bringt Cliff ein Zitat aus der ‘Verratenen Revolution’:
„Die Verstaatlichung von Grund und Boden,
industriellen Produktionsmitteln, Transport und Verkehr, bilden mitsamt dem
Außenhandelsmonopol in der UdSSR die Grundlagen der Gesellschaftsordnung. Diese
von der proletarischen Revolution geschaffenen Verhältnisse bestimmen für uns
im Wesentlichen den Charakter der UdSSR als den eines proletarischen
Staates." [siehe Cliff, ‘Staatskapitalismus in Russland’, S. 178, vgl
Trotzki, Schriften 1.2, S. 952)
Und eine seiner
Schlussfolgerungen ist, dass in diesem Fall „weder die Pariser Kommune noch die
Diktatur der Bolschewiki Arbeiterstaaten waren, denn die Pariser Kommune
verstaatlichte die Produktionsmittel überhaupt nicht, und die Bolschewiki taten
es erst nach einiger Zeit.“ [a.a.O.]
Hier sehen wir, dass
Cliff seine Argumentation darauf gründet, ob die Arbeiterklasse Kontrolle über
die Staatsmaschine hat oder nicht. Wir werden uns mit der Frage der
Arbeiterkontrolle in einem späteren Kapitel beschäftigen. Aber hier wollen wir
Cliffs Methode der Trennung der wirtschaftlichen Basis eines Arbeiterstaat von
der Frage der Arbeiterkontrolle der Staatsmaschine überprüfen.
Für eine
vorübergehende Periode von kürzerer oder längerer Dauer, wäre es dem
Proletariat möglich, politisch die Macht zu übernehmen und zugleich nicht mit
der wirtschaftlichen Umwandlung der Gesellschaft fortfahren,. Dies war die Lage
in Russland, wo das Proletariat im Oktober 1917 die Macht übernahm, aber keine
größeren Verstaatlichungen vornahm, bis sie ihm 1918 aufgezwungen wurden. Aber
wenn das Proletariat nicht mit der Durchführung der wirtschaftlichen
Umgestaltung weitergemacht hätte, dann wäre das proletarische Regime
unvermeidlich zum Zusammenbruch verurteilt gewesen. Die Gesetze der Wirtschaft
werden sich schließlich immer durchsetzen. Entweder würde das Proletariat mit
der Verstaatlichung der gesamten Wirtschaft fortfahren oder das kapitalistische
System würde unvermeidlich zur Vorherrschaft kommen. Cliff kann nicht
zeigen, wie die Grundformen der russischen Wirtschaft sich unter einem der
gesunden Arbeiterstaat unterscheiden würden. Er hat im von der Bürokratie
verbrauchten Mehrwert Zuflucht genommen, aber dies weicht der grundlegenden
Frage aus.
Cliff Argumentation
auf der Grundlage der Erfahrung des Pariser Kommune und des ersten Stadiums der
russischen Revolution ist nicht besser. Für sie würde das selbe wie das vorher
erwähnte zutreffen. Diese Regime waren ein Übergang zur völligen wirtschaftlichen
Herrschaft des Proletariats. Solche Übergänge sind beim Übergang von einer
Gesellschaft zu einer anderen mehr oder weniger unvermeidlich. Sowohl im Fall
der Kommune als auch im Fall der russischen Revolution, konnten sie nicht
dauerhaft sein, wenn das Proletariat nicht mit der Verstaatlichung der
Industrie weitermachte. Hat Cliff vergessen, dass eine der Hauptlehren, die
Marx lehrte und die Bolschewiki eifrig lernten, war, dass das französische
Proletariat bei der Verstaatlichung der Bank von Frankreich versagte? So sehen
wir, dass ein Staat ein proletarischer Staat auf der Grundlage von politische
Macht sein kann oder er kann ein proletarischer Staat auf der Grundlage der
Wirtschaft sein; oder er kann ein Übergang zu beiden sein, wie wir zeigen
werden.
Die gleichen Gesetze
würden für die Konterrevolution von seiten der Bourgeoisie gelten. Der Alte
argumentierte richtig, dass im Falle einer bürgerlichen Konterrevolution in
Russland die Bourgeoisie für eine Weile sogar das Staatseigentum beibehalten
könnte, bevor sie es zerschlägt und dem Privateigentum ausliefert. Einem
gelehrten Pedanten würde es dann scheinen, dass man einen Arbeiterstaat und
einen bürgerlicher Staat auf der Grundlage von Staatseigentum haben kann; oder
man kann einen Arbeiterstaat oder einen bürgerlicher Staat auf der Grundlage
von Privateigentum haben.
Aber natürlich kann
man nur bei dieser Argumentationsweise landen, wenn man nicht die Bewegung der
Gesellschaft in die eine oder die andere Richtung berücksichtigt.
Nicht nur das,
sondern alle Arten von unvorhergesehenen Verhältnissen können sich wegen der
Klassenstruktur der Gesellschaft und des Staates entwickeln. Um das Beispiel
von Russland zu nehmen. Von 1917 bis zur Übernahme der Kontrolle der Sowjets
durch das Bolschewiki hatten wir die Lage, die von Trotzki in der ‘Geschichte
der Russischen Revolution’ skizziert wurde, in der, wegen der menschewistischen
Mehrheit in gewissem Sinne die Bourgeoisie durch die Sowjets herrschte — die
Organe der Arbeiterherrschaft par excellence! Wie könnte dies nach
Cliffs Schema denn geschehen? Wenn natürlich die Bolschewiki nicht die Macht
genommen hätten, hätte die Bourgeoisie unter Verwendung der Menschewiki und
durch sie die Sowjets in der Übergangsperiode abgeschafft, wie sie es in
Deutschland nach 1918 machte.
Im Übergang von
einer Gesellschaft zu anderen, ist es klar, dass es keine unüberbrückbare Kluft
gibt. Es ist keine dialektische Methode, in fertigen Kategorien zu denken;
Arbeiterstaat oder kapitalistischer Staat und der Teufel soll jeden möglichen
Übergang oder Bewegung zwischen den beiden holen. Es ist klar, dass Marx, als
er in Beziehung auf die Kommune vom Zerschlagen der alten Staatsform sprach, es
für selbstverständlich hielt, dass die Wirtschaft mit größerer oder kleinerer
Geschwindigkeit umgewandelt würde und in Übereinstimmung mit den politischen
Formen gebracht würde. Wir werden später in bezug auf Osteuropa sehen , dass
Cliff die gleiche formalistische Methode anwendet.
Es kann angebracht
sein, uns hier mit dem Charakter des Staats zu beschäftigen. Nach Ansicht der
MarxistInnen entsteht der Staat als das notwendige Instrument für die
Unterdrückung einer Klasse durch eine andere Klasse. Der Staat besteht
letztlich, wie Marx und Lenin erklärten, aus bewaffneten Körperschaften von
Menschen und ihrer Anhängseln. Das ist das Wesentliche der marxistischen
Definition. Man muss jedoch vorsichtig sein, wenn man ihre breiten
marxistischen Verallgemeinerungen verwendet, die zweifellos absolut genommen
richtig sind. Wahrheit ist immer konkret. Und wenn man nicht die besonderen
Verzweigungen und konkreten Umstände analysiert, muss man unvermeidlich in
Abstraktionen und in Fehler fallen. Seht die vorsichtige Weise, in der Engels
die Frage behandelt, selbst wenn er verallgemeinert. Im ‘Ursprung der Familie,
des Privateigentums und des Staates’ schrieb Engels:
„Damit aber diese Gegensätze, Klassen mit
widerstreitenden ökonomischen Interessen nicht sich und die Gesellschaft im
fruchtlosen Kampf verzehrten, ist eine scheinbar über der Gesellschaft stehend
Macht nötig geworden, die den Konflikt dämpfen, innerhalb der Schranken der
‘Ordnung’ halten soll; und diese, aus der Gesellschaft hervorgegangene, aber
sich über sie stellende, sich ihr mehr und mehr entfremdende Macht ist der
Staat.“ [Marx Engels Werke, Band 21, S. 165]
Auf der nächsten
Seite zeigt er weiter:
"… man sehe sich nur unser heutiges
Europa an, wo Klassenkampf und Eroberungskonkurrenz die öffentliche Macht auf
eine Höhe emporgeschraubt haben, auf der sie die ganze Gesellschaft und selbst
den Staat zu verschlingen droht.“ [a.a.O., S. 166]
Engels zeigt weiter,
dass der Staat, wenn er einmal entstanden ist, innerhalb bestimmter Grenzen,
eine eigene unabhängige Bewegung entwickelt und unter den gegebenen Bedingungen
notwendigerweise entwickeln muss:
„Im Besitz der öffentlichen Gewalt und des
Rechts der Steuereintreibung, stehen die Beamten nun da als Organe der
Gesellschaft über der Gesellschaft.“ [a.a.O., Hervorhebung im Original]
Im Gegensatz zu
Cliffs Auffassung, dass der Staat eine direkte Rolle spielt, kann man die große
Sorgfalt sehen, mit der Engels die Frage der unabhängigen (der relativen
natürlich) Rolle des Staates gegenüber der Gesellschaft, behandelt. Im ganzen
Material von Cliff wird die Tatsache vergessen, dass der Staat unter bestimmten
Umständen eine verhältnismäßig unabhängige Rolle im Kampf zwischen den Klassen
spielen kann und spielt. Er hat ein 'logisches' Schema: entweder es ist ein
Arbeiterstaat, direkt kontrolliert von den ArbeiterInnen, oder es muss ein
kapitalistischen Staat sein. In Cliffs Methode gibt es keinen Raum für das Wechselspiel
der Kräfte. Man vergleiche das wieder mit Engels:
„Da der Staat entstanden ist aus dem
Bedürfnis, Klassengegensätze im Zaum zu halten, da er aber gleichzeitig mitten
im Konflikt dieser Klassen entstanden ist, so ist er in der Regel der
Staat der mächtigsten, ökonomisch herrschenden Klasse, die vermittels seiner
auch politische herrschenden Klasse wird und so neue Mittel erwirbt zur
Niederhaltung und Ausbeutung der unterdrückten Klasse … Ausnahmsweise indes
kommen Perioden vor, wo die kämpfenden Klassen einander so nahe das
Gleichgewicht halten, dass die Staatsgewalt, als scheinbare Vermittlerin
momentan eine gewisse Selbständigkeit gegenüber beiden erhält…" (a.a.O., S.
167f.)
Auf Seite 170f.
schrieb Engels wieder:
„Die Zusammenfassung der zivilisierten
Gesellschaft ist der Staat, der in allen mustergültigen Perioden ausnahmslos
der Staat der herrschenden Klasse ist und in allen Fällen wesentlich Maschine
zur Niederhaltung der unterdrückten, ausgebeuteten Klasse bleibt…“ (Hervorhebung
von uns]
Man beachte den
Unterschied zwischen Cliffs Schwarz-Weiß-Formeln und Engels vorsichtigen
Formulierungen … 'in der Regel', 'in allen mustergültigen Perioden’ usw.
Woran liegt es, dass
das Proletariat nicht die fertige Staatsmaschine übernehmen kann? Nicht aus
mystischen Gründen, sondern wegen bestimmter sehr konkreter Tatsachen. Im
modernen Staat sind alle Schlüsselstellungen in den Händen von Leuten, die
unter der Kontrolle der herrschende Klasse sind: sie wurden durch Ausbildung, Erscheindungsbild
und Lebensbedingungen besonders ausgewählt, um den Interessen der Bourgeoisie
zu dienen. Die Armeeoffiziere, besonders die höheren Ränge, die Staatsbeamten
und in den verstaatlichten Industrien heute die führenden Techniker werden in
ihren Ideen und Erscheinungsbild geformt, um den Interessen der
Kapitalistenklasse zu dienen. Alle Kommandopositionen in der Gesellschaft
werden in die Hände von Leuten gelegt, denen die Bourgeoisie vertrauen kann.
Das ist der Grund, warum die Staatsmaschine ein Werkzeug in den Händen der
Bourgeoisie ist, das nicht vom Proletariat benutzt werden kann und von ihm
zerschlagen werden muss. Was bedeutet jetzt Zerschlagen der Staatsmaschine? Um
das mindeste zu sagen, scheinen Cliffs Ideen in dieser Frage sehr neblig zu
sein.
Es ist möglich, dass
viele, möglicherweise sogar die Mehrheit der Beamten des bürgerlichen Staates,
vom Proletariat verwendet werden wird, sobald es die Macht übernimmt. Aber sie
werden den Arbeiterkomitees und -organisationen unterstellt sein. Z.B. in der
Sowjetunion wurde in den frühen Tagen nach der Auflösung der zaristische Armee
die Rote Armee von den ex-zaristischen Offizieren geführt. Ebenso war es im
Staatsapparat, in dem ein Teil der Beamten die gleichen ex-zaristischen Beamten
waren. Nicht umsonst nannte Lenin den sowjetischen Staat „vom Zarismus
übernommen und nur ganz leicht mit Sowjetöl gesalbt (…) ein
bürgerlich-zaristisches Gemisch“*
[Zur Frage der Nationalitäten oder der ‘Autonomisierung', 30. 12. 1922, Lenin
Werke, Band 36, S. 591] Wegen den ungünstigen geschichtlichen Faktoren spielte
dies später eine wichtige Rolle bei der Degeneration des russischen Regimes.
[Dieser Satz fehlt in ‘Unbroken Thread’ — der Übersetzer
Nach dem klassischen
Konzept zerschlägt das Proletariat die alte Staatsmaschine und fährt mit der
Schaffung eines Halbstaates fort. Dennoch ist es gezwungen, die alten
Techniker zu verwenden. Aber der Staat bleibt selbst unter den besten
Bedingungen, sagen wir in einem hochentwickelten Land mit einem gebildeten
Proletariat, ein bürgerliches Instrument und deshalb ist die Möglichkeit der
Degeneration in ihm enthalten. Aus diesem Grund bestehen MarxistInnen auf der
Kontrolle der Massen, um sicherzugehen dass sich der Staat nicht zu einer
unabhängigen Kraft entwickeln kann. So schnell wie möglich sollte er in die
Gesellschaft aufgelöst werden.
Aus genau diesen
Gründen gewinnt unter bestimmten Bedingungen, der Staat eine gewisse
Unabhängigkeit von der Basis, die er ursprünglich vertrat. Engels erklärte,
dass der Überbau zwar von der wirtschaftlichen Basis abhängig ist, aber
trotzdem eine eigene unabhängige Bewegung hat. Während ziemlich langer Perioden
kann es einen Konflikt zwischen dem Staat und der Klasse geben, die dieser
Staat vertritt. Deshalb sagt Engels dass der Staat 'in der Regel' oder 'in
allen mustergültigen Perioden’ direkt die herrschende Klasse vertritt. Die
großen marxistischen LehrerInnen analysieren das Phänomen des Bonapartismus,
auf den sich Engels hier bezieht. Im ‘Achtzehnten Brumaire’ unterstrich Marx,
wie die betrunkene Soldateska von Louis Napoleon, im Namen 'von Gesetz, Ordnung
und Familie' die Bourgeoisie niederschoss, die sie mutmaßlich vertrat.
So kann man die
Klassengesellschaft nur verstehen, wenn man die vielseitige dialektische
Wechselwirkung und die Gegensätze aller Faktoren in ihr berücksichtigt.
Formalisten verlieren normalerweise die eine oder andere Seite des Problems.
Zum Beispiel kann Cliff schreiben:
„Man braucht schon ein hohes Maß an
Gehirnakrobatik, um zu denken, dass Mikolajcik* und
seinesgleichen, die ins Ausland fliehen, oder in den Gefängnissen schmachten,
die Herrscher von Polen seien, oder zu meinen, dass die Sklavenarbeiter in
Sibirien die Herrscher von Russland seien." (Cliff, ‘The Nature of
Stalinist Russia’, S. 13)
War die Bourgeoisie
unter Louis Napoleon die herrschende Klasse? Es braucht kein hohes Maß an
Gehirnakrobatik, um das zu beantworten.
Wenn man die
Entwicklung der Gesellschaft betrachtet, muss die Wirtschaft als
vorherrschender Faktor gelten. Der Überbau, der sich auf dieser
ökonomischen Basis entwickelt, trennt sich von der Basis und tritt in Gegensatz
zu ihr. Schließlich ist das Wesen der marxistischen Theorie der Revolution,
dass mit den schrittweisen Änderungen in der Produktion unter dem Embryo der
alten Form, das heißt dem Überbau von Eigentum und Staat, ein Widerspruch
entwickelt, der nur durch die Abschaffung des Überbau und die Reorganisierung
der Gesellschaft auf der Grundlage des neuen Produktionsweise gelöst werden
kann, die sich innerhalb der alten entwickelt. Wirtschaft ist langfristig
entscheidend. Und deshalb muss langfristig der Überbau in Übereinstimmung mit
ihr kommen, was zu erklären alle marxistischen LehrerInnen sehr bedacht waren.
Sobald, man das Kriterium der grundlegenden Wirtschaftsstruktur der
Gesellschaft aufgegeben hat, werden alle Arten von oberflächlichen und
willkürlichen Konstruktionen möglich. Man verliert sich unvermeidlich im
Labyrinth der Geschichte, wie sich Perseus in der Mythologie des antiken
Griechenland im Palast des Minos verirrte, aber ohne einen Faden, der einen
herausführt. Der Faden der Geschichte ist die grundlegende Wirtschaftsstruktur
der Gesellschaft oder die Eigentumsform, ihre gesetzliche Widerspiegelung.
Nehmen wir einen
Fall, der äußerst reich an Beispielen ist, die Geschichte Frankreichs. Die
bürgerliche Revolution fand 1789 statt. 1793 übernahmen die Jakobiner die
völlige Macht. Wie Marx und Engels unterstrichen, gingen sie über den Rahmen
der bürgerlichen Verhältnisse hinaus und führten deshalb eine nützliche
geschichtliche Aufgabe durch, indem sie in einigen Monaten vollendeten, wofür
die Bourgeoisie Jahrzehnte oder Generationen gebraucht hätte: die völlige
Säuberung Frankreichs von allen Spuren des Feudalismus. Dennoch blieb dieses
Regime auf der Grundlage der bürgerlichen Eigentumsformen. Ihm folgte der
französische Thermidor und die Herrschaft des Direktoriums, worauf die
klassische Diktatur von Napoleon Bonaparte folgte. Napoleon führte viele feudale
Formen wieder ein, krönte sich selbst zum Kaiser und konzentrierte höchste
Macht in seinen Händen. Aber wir nennen dieses Regime immer noch bürgerlich.
Mit der Restauration von Ludwig XVIII blieb das Regime weiterhin kapitalistisch
… und dann hatten wir nicht eine sondern zwei Revolutionen — 1830 und 1848.
Diese Revolutionen hatten wichtige gesellschaftliche Folgen. Sie führten sogar
zu bedeutenden Änderungen im Personal des Staates selbst. Dennoch kennzeichnen
wir sie alle als bürgerliche Revolutionen, in denen es keine Änderung in der
Klasse gab, die die Macht hatte. Gehen wir weiter Nach den Pariser Kommune von
1871 und der Erschütterung der Verhältnisse, die sie mit sich brachte, hatten
wir die Organisation der dritten Republik mit bürgerlicher Demokratie, die
Jahrzehnte dauerte. Dem folgte Petain, dann das Regime von De Gaulle und
Stalinisten und jetzt die Regierung Quielle. Man überprüfe für einen Moment die
erstaunliche Verschiedenartigkeit dieser Regime. Für einen Nichtmarxisten
schiene es absurd, zum Beispiel das Regime von Robespierre und das von Petain
in der gleichen Klasse einzuordnen Dennoch definieren MarxistInnen sie als
grundlegend das gleiche — bürgerliche Regime. Was ist das Kriterium? Nur die
eine Sache: die Eigentumsform, das Privateigentum an den Produktionsmittel.
Genau so kann man
die Verschiedenartigkeit von Regimen in der moderneren Zeit nehmen, um die
extremen Unterschiede im Überbau auf der gleichen ökonomischen Basis zu sehen.
Man vergleiche zum Beispiel das Regime von Nazi-Deutschland mit dem der
britischen Sozialdemokratie. Sie sind im Überbau so grundlegend
unterschiedlich, dass viele Theoretiker der nichtmarxistischen oder
ex-marxistischen Schule neue Klassenstrukturen und ein neues
Gesellschaftssystem gefunden haben. Warum sagen wir, dass sie die gleiche
Klasse und das gleiche Regime darstellen? Trotz der Unterschiede im Überbau
blieb die ökonomische Basis der jeweiligen Gesellschaften die selbe.
Wenn wir die
Geschichte der modernen Gesellschaft nehmen, erhalten wir viele Beispiele, wo
die Bourgeoisie politisch enteignet ist und doch die herrschende Klasse
bleibt . Trotzki beschreibt das Regime des Bonapartismus oder, wie Marx es
nennt, 'nackte Herrschaft des Schwerts über die Gesellschaft'.
Schaut, was in China
geschah, nachdem Tschiang Kai-Schek mit dem Abschaum der Schanghai-Banden die
Schanghaier Arbeiterklasse zerschlagen hatte. Die Bankiers wollten ihm Bankette
geben und ihm als dem Wohltäter und Retter der Zivilisation applaudieren.
Aber Tschiang wollte
etwas Materielleres als das Lob seiner Herren. Unzeremoniell steckte er alle
reichen Industriellen und Bankiers von Schanghai ins Gefängnis und nahm ihnen
ein Lösegeld von Millionen ab, bevor er sie frei ließ. Er hatte die Arbeit für
sie erledigt und verlangte jetzt den Preis. Er hatte die Schanghaier
ArbeiterInnen nicht zugunsten der Kapitalisten zerschlagen sondern für das, was
es für ihn und seine Schlägerbande an Macht und Einkommen bedeutete. Aber wer
will sich anmaßen, zu sagen, dass die Bankiers, die im Gefängnis waren, nicht
weiterhin die herrschende Klasse waren, auch wenn sie nicht die politische
Macht innehatten? Die chinesische Bourgeoisie (keine MarxistInnen!) müssen
traurig über die Kompliziertheit der Gesellschaft nachgedacht haben, als ein
guter Teil der Beute an Mehrwert, der aus den ArbeiterInnen herausgepresst
wurde, an ihre eigenen Wachhunde gehen musste, und wo viele aus ihrer Klasse im
Gefängnis schmachteten.
Die Bourgeoisie ist
unter solchen Bedingungen politisch enteignet; nackte Gewalt beherrscht die
Gesellschaft. Ein enormes Teil des Mehrwerts wird durch die führenden
Militaristen und Bürokraten verbraucht. Aber es ist im Interesse dieser
Bürokraten, dass die kapitalistische Ausbeutung der ArbeiterInnen weitergeht
und folglich pressen sie zwar so viel wie möglich aus der Bourgeoisie heraus,
verteidigen jedoch das Privateigentum. Deshalb ist die Bourgeoisie weiterhin
die herrschende Klasse.
Hier liegt die
Antwort auf die, die behaupten, es sei bloße Gehirnakrobatik, zu behaupten,
dass eine Arbeiterklasse eine herrschende Klasse sein kann, wenn ein großer
Teil von ihr im Gefängnis oder in Sibirien ist. Wenn wir nicht von den
grundlegenden Eigentumsformen der Gesellschaft geleitet werden, verlieren wir
den marxistischen Weg. Viele Beispiele könnten in der Geschichte gegeben werden
für die Weise, wie ein Teil der herrschende Klasse andere Teile angegriffen
hat. Z.B. in den Rosenkriegen in Großbritannien löschten die zwei Fraktionen
der regierenden Barone einander praktisch aus. In der Geschichte waren immer
wieder große Teile der herrschende Klasse entweder im Gefängnis oder wurden
hingerichtet. Man muss nur an Hitlers Behandlung seiner bürgerlichen Gegner
denken. Sie verloren nicht nur ihr Eigentum sondern außerdem ihre Leben.
Bei der Behandlung
der Rolle des Staates ist die wichtigste Frage, die beantwortet werden muss und
die Cliff nicht beantworten kann: der Staat muss ein Instrument einer Klasse
sein — welche Klasse vertritt er in Russland und Osteuropa? Er kann nicht die
Kapitalistenklasse vertreten, weil sie enteignet wurde. Man kann nicht
argumentieren, dass er die Interessen der Bauernklasse, der Kleineigentümer in
den Städten vertritt. Unter einem faschistischen oder bonapartistischen Regime
gehen die Gangster der Bourgeoisie vielleicht an die Kehle, dennoch gibt es
eine Kapitalistenklasse in deren Interessen die Wirtschaft als Ganzes
funktioniert und an der diese Schmarotzer-Wucherung hängt. Wenn sie das
Proletariat vertreten, wie Trotzki sagte, als besondere Form des Bonapartismus
in dem Sinne, dass sie die Verstaatlichung der Produktionsmittel, Planung und
das Außenhandelsmonopol verteidigen, wen vertreten die stalinistischen
Bürokraten dann? Cliffs Antwort ist, dass die Bürokratie die neue herrschende
Klasse bildet, die Kapitalistenklasse von Russland. Aber ernste Überlegungen
dazu würden zeigen, dass dies nicht der Fall sein kann. Was er sagt, ist, dass
der Staat eine Klasse ist. Der Bürokratie gehört der Staat, dem Staat
gehören die Produktionsmittel, folglich ist die Bürokratie eine Klasse. Das
weicht der Frage aus. Er sagt in Wirklichkeit, dass der Staat dem Staat gehört.
Laut Lenin war der
Staat:
"… immer ein bestimmter Apparat, der sich
aus der Gesellschaft heraushob und aus einer Gruppe von Menschen bestand, die
sich nur oder fast nur oder doch hauptsächlich damit beschäftigen, zu regieren.
Die Menschen teilten sich Regierte und in Spezialisten im Regieren, die sich
über die Gesellschaft erheben und die man Herrschende, Vertreter des Staates
nennt. Dieser Apparat, diese Gruppe von Menschen, die andere regieren,
bemächtigt sich stets einer bestimmten Einrichtung zur Ausübung von Zwang, von
physischer Gewalt — gleichviel, ob diese Gewalt über die Menschen ihren
Ausdruck findet im Knüttel des Urmenschen oder, in der Epoche der Sklaverei, in
einer vervollkommneteren Art der Bewaffnung oder in der Feuerwaffe, die im
Mittelalter aufkam, oder schließlich in den modernen Waffen, die im 20.
Jahrhundert zu technischen Wunderwerken geworden sind und ganz auf den letzten
Errungenschaften der modernen Technik beruhen.
Die Methoden der Gewalt änderten sich, doch
existierte stets, insofern es einen Staat gab, in jeder Gesellschaft ein Gruppe
von Personen, die regierten, die kommandierten, die herrschten und zur
Aufrechterhaltung ihrer Macht einen Apparat zur Ausübung von physischem Zwang,
einen Gewaltapparat in Händen hatten, ausgerüstet mit denjenigen Waffen, die
dem technischen Niveau der jeweiligen Epoche entsprachen. Und nur wenn wir in
diese allgemeinen Erscheinungen Einblick gewinnen, wenn wir uns die Frage
vorlegen, warum kein Staat da war, solange es keine Klassen gab, solange es
keine Ausbeuter und Ausgebeuteten gab, und warum er ins Leben trat, als die
Klassen entstanden, nur dann finden wir eine bestimmte Antwort auf die Frage
nach dem Wesen des Staates und seiner Bedeutung.
Der Staat ist eine Maschine zur
Aufrechterhaltung der Herrschaft einer Klasse über eine andere.“ [‘Über den
Staat, Juli 1919, Lenin Werke, Band 29, S. 408f.]
Der Staat besteht seiner Natur nach aus Bürokratie,
Offizieren, Generälen, Polizeichefs etc. Aber diese stellen keine Klasse dar;
sie sind das Instrument einer Klasse, selbst wenn sie im Gegensatz zu dieser
Klasse sein können. Sie können nicht selbst eine Klasse sein.
Wir müssen Cliff
fragen: Welchem Teil der Bürokratie gehört der Staat? Es können nicht alle
Bürokraten sein, weil sie, die Bürokratie, selbst hierarchisch geteilt ist. Der
kleine Staatsbeamte ist ebenso ein Teil der Bürokratie wie die großen
Bürokraten. Ist es dann die kommandierende Schicht der Sowjetgesellschaft? Dies
haut klar nicht hin. In der kapitalistische Gesellschaft oder in irgendeiner
Klassengesellschaft, übt die Spitze, egal wie privilegiert sie ist, das
Schutzinstrument für die herrschende Klasse aus, die ein direktes Verhältnis zu
den Produktionsmitteln hat, das heißt im Sinne ihres Eigentums. Wir wissen, wen
Napoleon vertrat. Wir wissen, wen Louis Napoleon, Bismarck, Tschiang Kai-Schek,
Hitler, Churchill und Attlee vertraten. Aber wen vertreten die Bürokraten: die
Bürokraten? Dies ist offenbar falsch. In einem anderen Teil haben wir gezeigt,
dass das Verhältnis der Bürokratie zu den Produktionsmitteln notwendigerweise
ein schmarotzerhaftes ist und das gleiche Schmarotzertum wie die
Nazibürokratie praktiziert. Sie sind nicht eine notwendige und unvermeidliche
Kategorie für die bestimmte Produktionsweise. Bestenfalls haben sie
Anspruch auf Gehälter für Oberaufsicht. Wenn sie mehr nehmen, ist es genauso
wie bei der Nazibürokratie, die einen Teil des Mehrwerts verbrauchte, der von
den Arbeitern produziert wurde. Aber sie waren keine Klasse.
Unzählbare Quellen
könnten angegeben werden, um zu zeigen, dass ein kapitalistischer Staat
Privateigentum voraussetzt, individuelles Eigentum an den Produktionsmittel.
Der Staat ist der Herrschaftsapparat: er kann nicht selbst die
herrschende Klasse sein. Die Bürokratie ist bloß Teil des Staatsapparats. Sie
kann den Staat ‘besitzen’, in dem Sinne, dass sie sich über die Gesellschaft
erhebt und von der wirtschaftlich vorherrschenden, das heißt herrschenden
Klasse, verhältnismäßig unabhängig wird. Das war der Fall in Nazi-Deutschland,
wo die Bürokratie den Kapitalisten zu Kriegszwecken vorschrieb, was sie
produzieren sollten, wie sie es produzieren sollten usw. So schrieb in der
Kriegswirtschaft von Großbritannien, den USA und anderswo der Staat den
Kapitalisten vor, was und wie sie produzieren sollten. Dies wandelte sie nicht
in eine herrschende Klasse um. Warum? Weil es zur Verteidigung des
Privateigentums war.
Cliff argumentiert,
dass die Bürokratie die Industrie managt und plant. Völlig richtig. Wessen
Industrie managt und plant sie? In der kapitalistische Gesellschaft planen und
managen die Manager die Industrie in individuellen Unternehmen und Trusts. Aber
das macht sie nicht zu Eigentümern jener Unternehmen und Trusts. Die Bürokratie
managt die gesamte Industrie. In diesem Sinne stimmt es, dass sie mehr
Unabhängigkeit von ihrer wirtschaftlichen Basis als jede andere Bürokratie oder
Staatsmaschine in der ganzen menschlichen Geschichte hat. Aber wie Engels
betonte und wir nochmals betonen müssen, ist letztlich die ökonomische Basis
entscheidend. Wenn Cliff argumentieren wird, dass es die Bürokraten in ihrer
Funktion als Manager die herrschende Klasse sind, dann gibt er offenbar keine
marxistische Definition einer Kapitalistenklasse. Er nennt die russische
Bürokratie eine Klasse, aber er muss eine Theorie ausarbeiten, was für eine
Klasse dies ist. Shachtmans Theorie des bürokratischen Kollektivismus ist viel
konsequenter. [Dieser Satz fehlt in der Fassung in ‘Unbroken Thread’ — der
Übersetzer]
Der Staat ist das
Instrument der Klassenherrschaft, des Zwangs, ein glorifizierter Polizist. Aber
der Polizist ist nicht die herrschende Klasse. Die Polizei kann außer Kontrolle
geraten, kann zu Banditen werden, aber das verwandelt sie nicht in eine
kapitalistische, feudale oder sklavenhaltende Klasse.
Die Ereignisse in
Osteuropa und der Charakter der Staaten, die entstanden sind, können nur durch
die marxistisch-leninistische Theorie des Staates erklärt werden und nur die
Auffassungen Trotzkis können die Ereignisse in Osteuropa aus diesem Blickwinkel
erklären.
Zuerst ist es
notwendig, zu verstehen, was in Osteuropa mit dem Vorrücken der Roten Armee
stattfand. Niemand kann leugnen, dass (wenn wir die Frage von Deutschland für
einen Moment beiseite lassen) das Vorrücken der Roten Armee in allem Balkan-
und osteuropäischen Ländern eine revolutionäre Bewegung nicht nur unter den
ArbeiterInnen, sondern auch unter den BäuerInnen herbeiführte. Der Grund dafür
lag im ganzen Hintergrund dieser Staaten, in denen vor dem Krieg (abgesehen von
der Tschechoslowakei) der Kapitalismus sehr schwach war. Wir hatten hier
niedergehende feudal-militärisch-kapitalistische Diktaturen deren Regime völlig
unfähig zur Weiterentwicklung der Produktivkräfte der Länder waren. Die
allgemeine Weltkrise des Kapitalismus wurde besonders verschärft durch die
Rückständigkeit und künstliche Aufspaltung der Region, die dem Ersten Weltkrieg
folgte. Der Ausdruck Balkanisierung leitet sich ja gerade von diesem
Teil Europas ab. Diese in kleine schwache Staaten aufgespaltene Region mit
überwiegend landwirtschaftlichem Charakter mit sehr schwacher Industrie musste
fast unvermeidlich zu Halbkolonien der großen Mächte werden. Frankreich,
Großbritannien und bis zu einem gewissen Grad Italien, dann Deutschland, wurden
die vorherrschenden Mächte in dieser Region. Durch seine Handelsbeziehungen
beherrschte die deutsche Industrie die rückständigen Volkswirtschaften von
Osteuropa und dem Balkan. In allen diesen Ländern spielte Auslandskapital eine
wichtige Rolle. In die meisten von ihnen, beherrschten Auslandsinvestitionen
die wenig vorhandene Industrie.
Mit der Besetzung
dieser Länder durch Hitler wurde nicht nur das ‘nichtarische’ Kapital
enteignet, sondern auch die einheimischen Kapitalisten wurden zu einem großen
Teil herausgedrängt und durch deutsche Banken und Konzerne ersetzt. Das
deutsche Kapital nahm sich den entscheidenden Platz — Alle Schlüsselstellungen und
-bereiche der Wirtschaft. Das Kapital, das blieb, war weitgehend Eigentum von
Kollaborateuren und Quislingen und blieb dem deutschen Kapital untergeordnet.
Die Regime bestanden
aus Qusilingen, die von der Unterstützung durch die deutschen Bajonette abhingen.
Die geringe Unterstützung, die die Vorkriegsregime besaßen — Militär- und
Polizeidiktaturen — verschwand im Verlauf des Krieges. Mit dem Zusammenbruch
der Macht des deutschen Imperialismus und dem Sieg der Roten Armee, wurde der
sozialistischen Revolution zweifellos ein Impuls gegeben. In Bulgarien gab es
zum Beispiel 1944 in Sofia und anderen großen Städten einen Aufstand in dem
Moment, in dem die Rote Armee die Grenze überschritt. Die Massen begannen die
Organisation von Sowjets oder Arbeiterkomitees. Soldaten und BäuerInnen
organisierten Komitees und ArbeiterInnen übernahmen die Fabriken.
Ähnliche Bewegungen
fanden in allen Ländern Osteuropas außer Deutschland statt. Schauen wir uns an,
was in der Tschechoslowakei passierte. Auch hier folgten dem Vormarsch der
Roten Armee ein Aufstand in Prag, die Übernahme der Fabriken durch
ArbeiterInnen und von Land durch BäuerInnen. Auch hier gab es an den Grenzten
von Böhmen und Mähren Verbrüderung zwischen den tschechischen und
sudetendeutschen Massen.
Den Elementen der
proletarischen Revolution folgte schnell die stalinistische Konterrevolution.
Das Problem mit Cliff ist, dass er die Elemente der proletarischen Revolution
nicht von denen der stalinistischen Konterrevolution auseinanderhalten kann,
die schnell folgte.
Nehmen wir zwei
Beispiele: Bulgarien und die Tschechoslowakei. In Bulgarien hatten wir eine
Lage, die sich in der tragischen Geschichte der arbeitenden Massen immer wieder
entwickelte. De bürgerliche Staat war zerschlagen. Wie? Die Deutschen waren
gegangen; die Offiziere hatten nicht länger Kontrolle über die Soldaten; die
Polizei hatte sich versteckt; die Großgrundbesitzer und Kapitalisten hatten
keine Kontrolle. Es gab ein Vakuum; eine klassische Periode der
Doppelherrschaft, in der die Massen nicht bewusst genug waren, um ihre eigene
Macht zu organisieren und die Bourgeoisie zu schwach, um ihre Herrschaft wieder
zu festigen.
Dies ist keine Lage,
die für MarxistInnen nicht vertraut wäre: Deutschland 1918, Russland 1917,
Spanien 1936. Vielleicht wäre ein Vergleich mit Spanien hilfreich. Hier
besetzten die Massen auch die Fabriken und das Land in Katalonien und Aragon.
Die bürgerliche ‘Regierung’ hing in der Luft. Die Massen zerschlugen Polizei
und Armee völlig. Es gab nur eine bewaffnete Kraft: die Arbeitermilizen. Alles
was notwendig gewesen wäre, wäre die Organisation von Sowjets oder Komitees
durch die Massen und das Wegfegen der Phantomregierung und die Machtübernahme
gewesen. Es ist hinreichend bekannt, was stattfand. Die Stalinisten bildeten
eine Koalition nicht mit der Bourgeoisie — die Fabrikbesitzer und Bourgeois
waren als Folge des Massenaufstands auf die Seite von Franco geflohen — sondern
mit dem ‘Schatten der Bourgeoisie’ Die Stalinisten machten dies in Spanien mit
dem ausdrücklichen Zweck der Zerstörung der sozialistischen Revolution, aus
Angst vor den Rückwirkungen in Russland und natürlich wegen der internationalen
Konstellation und ihrer Sehnsucht, den britischen und französischen
Imperialisten zu zeigen, dass sie nichts zu fürchten hatten. In Spanien halfen
sie daher dem Schatten der Bourgeoisie, allmählich einen materiellen Körper zu
erlangen. Schrittweise stellten sie die unter der Kontrolle der
kapitalistischen Klasse stehende kapitalistische Armee und kapitalistische
Polizei wieder her. Sobald dies vollendet war, wurde das Land den
Großgrundbesitzern und die Fabriken den Kapitalisten zurückgegeben. Die Folge
davon war gegen Ende des Bürgerkriegs sichtbar, als der bürgerliche Staat — de
bürgerliche Militärmaschine, bei deren Schaffung sie geholfen hatten — einen
Staatsstreich machte und auf dem republikanischen Gebiet eine Militärdiktatur
errichtete, die sofort die Kommunistische Partei selbst verbot.
In Bulgarien machten
die Stalinisten wie in allen anderen Ländern Osteuropas die Stalinisten
Abkommen mit dem Schatten der Bourgeoisie. Die sozialistische Revolution
hatte begonnen und es bestand die Gefahr dass sie vollendet würde. Das
fürchteten die Stalinisten natürlich. Aber auf der anderen Seite wollten sie
auch nicht, dass die Macht an die Bourgeoisie übergehen würde. Sie ließen
die sozialistische Revolution entgleisen, indem sie die sogenannte
Vaterländische Front in Bulgarien organisierten und lenkten die Bewegung der
Massen durch chauvinistische und anti-deutsche Slogans ab. Verbrüderung wurde
in Bulgarien schnell strafbar, die in der Armee gebildeten Sowjets wurde
aufgelöst, die Arbeiter- und Bauernkomitees wurden entmachtet. Sie bildeten
eine Front der ’nationalen Einheit’, die Union der ganzen Nation. Aber der
Unterschied zu Spanien war, dass die Schlüsselpositionen in dieser
sogenannten Koalition fest in stalinistischen Händen blieben, während der
Schatten der Bourgeoisie keine Macht besaß. Sie übernahmen die Polizei und
Armee. Sie wählten das Schlüssel- und Kommandopersonal aus. Alle
Schlüsselstellungen im Staatsapparat wurden gehorsamen Werkzeugen in die Hand
gegeben. Hinter den Kulissen der nationalen Einheit, konzentrierten sie klar
die wirkliche Staatsmacht in ihren Händen. Sie hatten ein Instrument nach ihrem
eigenen Bild geschaffen — eine Staatsmaschine nach dem Modell Moskaus.
Der Prozess war im
Fall der Tschechoslowakei kristallklar. Als die Stalinisten das Land betraten,
gab es keine Regierung. Die Deutschen mit ihrem Quislingen und Kollaborateuren
waren geflohen. Die von den Massen gebildeten Komitees hatten Kontrolle über
die Industrieunternehmen und den Boden. Die Stalinisten brachten die Benes*-Regierung aus Moskau. Die wirkliche Macht, die
Schlüsselposten, waren fest in ihren Händen; sie behielten den materiellen
Körper und gaben der Bourgeoisie den Schatten. Teils um die sozialistische
Revolution zu zerstören, teils um zu einem Kompromiss mit dem amerikanischem
Imperialismus zu kommen, ließen sie bestimmte Sektoren der Wirtschaft in den
Händen der Privatunternehmen. Aber die entscheidende Macht, das heißt, bewaffnete
Körperschaften von Menschen, wurden von ihnen und unter ihrer Kontrolle
organisiert. Dies war nicht die selbe Staatsmaschine wie vorher. Es war eine
völlig neue Staatsmaschine ihrer eigenen Schöpfung.
Um die Revolution
zum Entgleisen zu bringen, nutzten die Stalinisten den Chauvinismus und
versetzten durch die Vertreibung der Sudetendeutschen dem Land einen
schrecklichen Schlag. Der ursprüngliche Instinkt der Massen ging in eine
internationalistische Richtung. Berichte aus der Tschechoslowakei zeigen, dass
es dort am Anfang Verbrüderung zwischen TschechInnen und Sudetendeutschen gab.
Wir sehen, wie Cliff das Element der Konterrevolution, die Tätigkeit der
Bürokratie zur Zerstörung der Revolution und die Revolution selbst nicht sieht.
Natürlich konnte der
Versuch der Stalinisten, einen Kompromiß mit der Bourgeoisie beizubehalten —
nicht zu vergessen, mit ihrer Kontrolle und ihrer Staatsmacht— nicht unbegrenzt
weitergehen. Schatten können einen materiellen Körper bekommen. Der Versuch des
amerikanischen Bourgeoisie, sich mit der Marshallplanhilfe als Keil auf ihre
Unterstützungspunkte in Osteuropa in Form der Reste des Bourgeoisie und jener
Sektoren der Wirtschaft, die sie kontrollierten, zu stützen, war das
Gefahrensignal. Mit jäher Geschwindigkeit handelte die Bürokratie und befahl
allen osteuropäischen Staaten, die Marshallplanhilfe abzulehnen. Die ganze
Geschichte hat die Unmöglichkeit gezeigt zwei gegensätzliche Eigentumsformen
beizubehalten. Obgleich die Bourgeoisie sehr schwach waren, hatte sie
angefangen, eine gewisse Basis durch ihrer Kontrolle über einen guten Teil der
Leichtindustrie zu gewinnen. Der wachsende Gegensatz gegen Amerika, die
Unmöglichkeit, sich auf die Bourgeoisie zu verlassen, ihre Unverträglichkeit
mit einem proletarischen Staat mit der Macht in den Händen der Bürokratie zwang
letztere, Maßnahmen zu ergreifen, den Prozess zu vollenden. Hier konnten wir
hinzufügen, dass Trotzki in der Ausdehnung des verstaatlichten Eigentum in die
Bereiche unter stalinistischer Herrschaft einen Beweis für die Tatsache sah,
dass Russland ein Arbeiterstaat war. Die Februarereignisse, die im Brennpunkt
der Weltaufmerksamkeit standen, verdeutlichten auf drastische Art und Weise
einen Prozess, der in allem stalinistisch beherrschten Bereichen stattfindet.
Der entscheidende Faktor war, dass die Stalinisten die Unterstützung der
ArbeiterInnen und BäuerInnen bei den Verstaatlichungen und der Aufteilung des
Landes hatten. Alles was Cliff sah, war, dass die Staatsmaschine angeblich die
selbe blieb die sie unter den Deutschen war. Kein Zweifel, die Bourgeoisie
wünschte, dass es so wäre!
Nach Ansicht aller
Beobachter hätten die Stalinisten wegen ihrer Kompromisse und Desillusionierung
der Massen in den Fabriken vermutlich Stimmen bei den bevorstehenden Wahlen
verloren. Die bürgerlichen Elemente gewannen Stärke und stützten sich auf das
Kleinbürgertum in den Städten und auf ernüchterte ArbeiterInnen und BäuerInnen.
Die Bourgeoisie hoffte, schrittweise Kontrolle über den Staat zu gewinnen und
eine Konterrevolution mit Hilfe des Anglo-Amerikanischen Imperialismus zu
organisieren. Die Bürokratie hatte zwar Kontrolle über die Staatsmaschine,
diese war aber aufgrund der Weise, in der es erreicht worden war, unsicher.
Um den Prozess zu
vollenden, war die Bürokratie, wie Trotzki, vorausgesehen hatte, jedoch gezwungen,
an die Massen zu appellieren (allerdings vorsichtig). Sie machten einen
Aufruf für Aktionskomitees, die an der Spitze bürokratisch kontrolliert waren,
aber dennoch an der Basis verhältnismäßig demokratisch waren. Die Stalinisten
bewaffneten die ArbeiterInnen, das heißt, organisierten eine Arbeitermiliz der.
Die Begeisterung der Massen wurde unter diesen Bedingungen, natürlich
offensichtlich. Sogar die sozialdemokratischen ArbeiterInnen, die den
Stalinisten misstrauten und sie hassten, nahmen begeistert an diesen Maßnahmen
gegen die Bourgeoisie teil. Trotzki, sagte einmal, dass man gegen eine Löwen
ein Gewehr benutzt, gegen einen Floh einen Fingernagel. Angesichts des
stalinistischen Staatsapparat und mit der Massenbewegung als Drohung war die
Bourgeoisie machtlos.
Jedoch die Bildung
der Aktionskomitees, die Bewaffnung der ArbeiterInnen, bedeuteten
notwendigerweise, dass sich ein Embryo eines neues Sowjetregimes bildete.
Selbstverständlich machte die Bürokratie schnell weiter, die Unabhängigkeit der
Massen zu zerschlagen und das Regime zu totalitarisieren. Neue Wahlen wurden
schnell nach Moskauer Vorbild mit einer Liste und strenger Überwachung
organisiert. Angesichts dieser Ereignisse fragt Cliff:
„Wie steht es dann um die Zukunft der Vierten
Internationale, worin besteht dann noch ihre historische Legitimation? Die
stalinistischen Parteien sind der Vierten Internationale in jeder Hinsicht
überlegen — sie verfügen über Staatsapparate, Massenorganisationen, Geld usw.
Das einzige, was ihnen fehlt, ist das internationalistische Klassenbewusstsein…
Wenn in den osteuropäischen Ländern eine
soziale Revolution ohne eine revolutionäre proletarische Führung stattgefunden
hat, dann müssen wir daraus schließen, dass in den zukünftigen — wie in den
vergangenen — sozialen Revolutionen die Massen die Kampfbataillone stellen,
aber nicht die politischen Ziele bestimmen.
In allen Kämpfen der Bourgeoisie kämpfte nicht
die Bourgeoisie selbst, sondern die Massen, die glaubten, es sei in ihrem
Interesse. Die Sansculotten der Französischen Revolution kämpften für Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit, während das wirkliche Ziel der Bewegung die
Einführung der Herrschaft der Bourgeoisie war. Dies war zu einer Zeit der Fall,
als die Bourgeoisie fortschrittlich war. In den reaktionären imperialistischen
Kriegen sind die Massen, die das Kanonenfutter sind, um so bessere Soldaten, je
weniger sie die Kriegsziele kennen. Wer behauptet, die ‘neuen Demokratien’
seien Arbeiterstaaten, akzeptiert damit, dass die proletarische Revolution
genau wie die bürgerlichen Kriege auf Volksbetrug beruht…,
Wenn diese Länder Arbeiterstaaten sind, was
soll dann Marxismus, was eine Vierte Internationale? Wir könnten von den Massen
nur als Abenteurer angesehen werden oder bestenfalls als ungeduldige
Revolutionäre, deren Unterschiede zu den Stalinisten bloß sind taktisch." (Cliff,
‘Nature of Stalinist Russia’, S. 14f. [Vgl. ‘Staatskapitalismus in Russland’, S. 188])
Cliff hat die Fragen
den falschen Leuten gestellt. In Wirklichkeit sollte er diese Fragen sich
stellen und beantworten. Wenn seine Theorie richtig ist, dann wird die ganze
Theorie von Marx eine Utopie. Cliff denkt, dass, wenn er dem Phänomen Stalinismus
das Etikett 'Staatskapitalismus' verpasst, er sein Gewissen beschwichtigt und
die 'verlorene' Rolle der Vierten Internationale zu seiner eigenen
Zufriedenheit wiederhergestellt hat. Hier sehen wir den Fetischismus, von dem
Marx sprach und der sogar die revolutionäre Bewegung beeinflußt: ändere den
Namen der Sache und Du änderst ihr Wesen.
Es ist nicht
möglich, die geschichtlichen Klassenfäden der gegenwärtigen Tagesentwicklungen
ohne das Bestehen und die Degeneration des Arbeiterstaat in Russland zu erklären
oder zu verfolgen. Man kann die Ereignisse in Osteuropa nur zur
Oktoberrevolution von 1917 zurückverfolgen. Es ist nutzlos, wenn Cliff,
argumentiert, dass die Bürokratie die Massen in der Tschechoslowakei benutzte,
ohne sich die Frage zu stellen, wer 1917 benutzt wurde. Folgte nicht der
Oktoberrevolution der Sieg des Stalinismus? Um die guten Absichten oder
subjektiven Wünsche der Führung der Bolschewiki oder der Arbeiterklasse geht es
nicht. Nach der Theorie von Marx, verlässt keine Gesellschaft die Bühne, bis
sie alle in ihr enthaltenen Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Wenn eine neue
Periode von Staatskapitalismus bevorsteht — und dies folgt notwendigerweise aus
Cliffs Theorie, weil es keine wirtschaftliche Grenze für die Entwicklung der
Produktion unter diesem sogenannten Staatskapitalismus geben kann — dann wird
aus dem Reden, wir seien in einer Periode des Zerfalls des Weltkapitalismus,
bloßen Phrasendrescherei. Wir haben die Absurdität einer neuen Revolution —
einer proletarische Revolution 1917, die die Wirtschaft organisch in …
Staatskapitalismus ändert. Wir haben auch die nicht geringere Absurdität einer
Revolution in Osteuropa, wo der gesamte Kapitalistenklasse enteignet wird … um
was einzuführen? Kapitalismus! Ein Moment ernstes Nachdenken würde zeigen, dass
es für Cliff nicht möglich ist, diese Position in bezug auf ein Osteuropa
beizubehalten, ohne das gleiche Argument auch auf Russland selbst zu
übertragen.
Cliff selbst weist
auf die Tatsache hin, dass in der bürgerlichen Revolution die Massen kämpften
und die Bourgeois die Früchte erntete. Die Massen wussten nicht, wofür sie
kämpften, aber sie kämpften in Wirklichkeit für die Herrschaft der Bourgeoisie.
Nehmen wir die Französische Revolution. Sie wurde vorbereitet und hatte ihre
Ideologie in den Arbeiten der Philosophen der Aufklärung, Voltaire, Rousseau
usw. Sie glaubten jedoch wirklich an die Idealisierung der bürgerlichen
Gesellschaft. Sie glaubten an die Lehren von Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit, die sie predigten. Wie weithin bekannt ist und wofür Cliff
selbst Marx als Beleg zitiert, ging die Französische Revolution über ihre
gesellschaftliche Basis hinaus. Sie führte zur revolutionären Diktatur der
Sansculotten, die über den Grenzen der bürgerlichen Gesellschaft hinaus gingen.
Wie Marx erklärte, hatte dies die heilsame Wirkung, dass in einigen Monaten
durchgeführt wurde, wozu die Bourgeoisie sonst Jahrzehnte gebraucht hätte. Die
Führer des revolutionären Flügels des Kleinbürgertum, das diese Diktatur
ausübte — Robespierre, Danton, usw. — glaubten aufrichtig an die Lehren der
Philosophen und versuchten, sie in die Tat umzusetzen. Sie konnten das nicht
machen, weil es unmöglich war, über die ökonomische Basis der gegebenen
Gesellschaft hinauszugehen. Sie mussten unvermeidlich die Macht verlieren und
bereiteten bloß den Weg für die bürgerlichen Gesellschaft. Wenn Cliffs Argument
richtig ist, könnte man nur folgern, dass mit der Russischen Revolution die
gleiche Sache wie mit der Französischen geschah. Marx war der Prophet des neuen
Staatskapitalismus. Lenin und Trotzki waren das Robespierres und das Carnots
der russischen Revolution. Die Tatsache, dass Lenin und Trotzki gute Absichten
hatten, ist so unwichtig wie die guten Absichten der Führer der bürgerlichen
Revolution. Sie bereiteten bloß den Weg für die Herrschaft der neuen
staatskapitalistischen Klasse.
Wenn also die
Bürokratie die Massen der Tschechoslowakei benutzte und dies den
Staatskapitalismus beweist dann benutzte die russische Bürokratie das
Proletariat in der Revolution 1917 genauso. Jedoch kann diese Theorie niemanden
befriedigen. Die Tatsache, dass die Bürokratie Osteuropa wirtschaftlich
angepasst hat, weil Russland ein Arbeiterstaat mit all seiner Degeneration ist,
und gleichzeitig die sich entwickelnde sozialistische Revolution erdrosselte,
bedeutet, dass sie gleichzeitig zur sozialistischen Revolution einen Prozess
durchgeführt haben, der sich in Russland über viele Jahre erstreckte. Sie haben
die Ereignisse in Russland im Zeitraffer wiederholt. So viel sollte klar sein.
Ohne das Vorhandensein eines starken degenerierten Arbeiterstaats, der diesen
Ländern nahe benachbart ist, wären diese Entwicklungen unmöglich gewesen.
Entweder hätte das Proletariat mit einer gesunden Revolution nach klassischen
Muster gesiegt und die Revolution verbreitet, oder der Imperialismus hätte sie
zerschlagen.
Bedeutet das, dass
die Stalinisten die Revolution vollbracht haben und es daher keine
Notwendigkeit für die Vierte Internationale gibt? Wir stehen oft in der
Geschichte vor komplizierten Lagen. Zum Beispiel kamen in der Februarrevolution
in Russland mit der Vollendung der einen Aufgabe, dem Sturz des Zaren, die
Massen unter den Einfluss der Menschewiki und Sozialrevolutionäre. Dies hieß,
dass die Massen, die die den Sturz des Zaren — eine politische Revolution —
vollbracht hatten, ein neues Hindernis auf ihrem Weg schufen und dafür mit
einer zweiten Revolution zahlen mussten — einer sozialen Revolution in der Form
des Oktober. Die Tatsachen, dass die Massen die grundlegende soziale Revolution
in Osteuropa nur vollbracht haben, um diese Revolution sofort durch die
thermidorianische Bürokratie bürokratisieren zu lassen, bedeutet, dass sie
jetzt mit einer zweiten Revolution zahlen müssen — einer politischen Revolution.
Cliff muss nur die
Frage stellen: Was sind die Aufgaben der Vierten Internationale in Russland?
Sie sind identisch mit denen in Osteuropa. Um den Sozialismus zu erreichen,
müssen die Massen die Staatsverwaltung kontrollieren. Das können die
Stalinisten ihnen nie geben. Es kann nur durch eine neue Revolution erreicht
werden. Es kann nur durch den Sturz der Bürokratie in Osteuropa wie in Russland
erreicht werden. Die Aufgaben der Vierten Internationale sind klar: Kampf für
die politische Revolution zur Errichtung einer Arbeiterdemokratie — einem
Halbstaat und dann schneller Übergang zum Sozialismus auf der Grundlage von
Gleichheit. Die Eigentumsformen werden sich nicht ändern. Der Umstand, dass
Cliff es eine soziale Revolution nennt, ändert daran nichts.
Wo Trotzki den
Beweis für das Vorhandensein eines Arbeiterstaats in Form der Ausdehnung der
Eigentumsverhältnisse fand, findet Cliff den Beweis für das Gegenteil.
Cliff kann
argumentieren, wie Shachtman das zu machen versucht, dass es kein Arbeiterstaat
sein kann, wenn die Arbeiterklasse nicht die direkte Kontrolle hat. In diesem
Fall müssen wir die Idee zurückweisen, dass es in Russland einen Arbeiterstaat
gab außer vielleicht in den ersten paar Monaten. Selbst hier ist es notwendig,
zu wiederholen, dass die Diktatur des Proletariats durch das Hilfsmittel der
Vorhut der Klasse, das heißt der Partei, und in der Partei durch die
Parteiführung verwirklicht wird. Unter den besten Bedingungen wird dies mit der
größten Demokratie innerhalb des Staats und innerhalb der Partei umgesetzt. Aber
schon das Vorhandensein der Diktatur, die Notwendigkeit, die Änderungen im
Gesellschaftssystem zu erreichen beweisen schon tiefgreifende gesellschaftliche
Widersprüche, die sich unter ungünstigen geschichtlichen Umständen in Staat und
in der Partei widerspiegeln werden. Die Partei kann nicht mehr als der Staat
automatisch und direkt die Klasseninteressen widerspiegeln. Nicht umsonst
betrachtete Lenin die Gewerkschaften als einen zur Verteidigung der Arbeiter gegen
ihren Staat notwendigen Faktor, ebenso wie das Bollwerk zur Verteidigung
ihres Staats.
Wenn es für die
Partei der Arbeiterklasse (die Sozialdemokratie) besonders durch ihre Führung
möglich war, zu degenerieren und die Interessen der Klasse vor dem Umsturz der
Klasse nicht mehr direkt widerzuspiegeln, warum ist es unmöglich, dass der von
den ArbeiterInnen errichtete Staat einem ähnlichen Muster folgt? Warum kann
nicht der Staat Unabhängigkeit von der Klasse erlangen und an ihr schmarotzen,
während er gleichzeitig (in seinem eigenen Interesse) die von der Revolution
geschaffenen neuen Wirtschaftsformen verteidigt? Wie wir früher gezeigt haben,
versucht Cliff eine Unterscheidung zu treffen, indem er 1928 eine metaphysische
Linie zieht, vor der seiner Meinung nach von der Bürokratie kein Mehrwert verbraucht
wurde, während er das nachher wurde. Das ist nicht nur sachlich unrichtig,
sondern auch eine einzigartig leblose Weise, das Phänomen zu untersuchen.
In Wirklichkeit
erwies sich der Übergang von einer Gesellschaft zu einer anderen als viel
komplexer als es die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus voraussehen
konnten. Der Arbeiterklasse wurde genauso wenig wie irgend einer Klasse oder
Gesellschaftsformation das Privileg eines glatten Wegs beim Übergang zu seiner
Herrschaft und dann zu seinem schmerzlosen und stillen Verschwinden in der
Gesellschaft (also zum Sozialismus) gegeben. Das war eine mögliche Variante.
Aber die Degeneration sowohl der Sozialdemokratie als auch des Sowjetstaats
waren unter den gegebenen Umständen überhaupt nicht zufällig. Sie spiegelten in
gewissem Sinne die komplexen Beziehungen zwischen einer Klasse und ihren
VertreterInnen und ihrem Staat wider, die mehr als einmal in der Geschichte der
herrschenden Klasse (bürgerlich, feudal und Sklavenhalter-) Kummer bereiteten.
Mit anderen Worten spiegelt es die Vielfältigkeit der geschichtlichen Faktoren
wider, die den Hintergrund für den entscheidenden Faktor bieten: die Wirtschaft
Man vergleiche die
breite Sicht Lenins mit der mechanistischen Sicht von Cliff. Lenin betonte
immer wieder die Notwendigkeit, die Übergangsperioden der vergangenen Epochen
zu studieren, besonders vom Feudalismus zum Kapitalismus, um die Gesetze des
Übergangs im Russland zu verstehen. Er hätte die Vorstellung zurückgewiesen,
dass der Staat, der dem Oktober entsprang, einer vorgefertigten Norm folgen
müsse oder aufhören würde, ein Arbeiterstaat zu sein.
Lenin wusste, dass
das Proletariat und seine Führung keine gottgegebene Macht haben, die sie ohne
Widersprüche sanft zu Sozialismus führen würde, sobald der Kapitalismus
gestützt ist. Und das ist notwendigerweise die einzige Schlussfolgerung, die
aus den von Cliff festgelegten kantianischen Normen ergibt. Deshalb betonte
Lenin im Voraus, dass die Diktatur des Proletariats in verschiedenen Ländern
und unter verschiedenen Bedingungen sich gewaltig unterscheiden würde.
Lenin betonte jedoch
den Punkt, dass beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus die Diktatur der
aufsteigenden Bourgeoisie sich in der Diktatur eines Mannes widerspiegelte.
Eine Klasse konnte durch die persönliche Herrschaft eines Mannes herrschen.
Nachträglich sind Shachtman und Cliff gern bereit, diese Vorstellung zu
akzeptieren, soweit sie die Bourgeoisie betrifft. Aber man konnte aus ihren Argumenten
nur folgern, dass so etwas im Falle des Proletariats unmöglich wäre. Denn die
Herrschaft eines Mannes bedeutet Absolutismus, einem einzelnen Individuum
verliehene willkürliche Diktatur ohne politische Rechte für die herrschende
Klasse, deren Interessen er letztlich vertritt. Aber Lenin kommentierte das
nur, um zu zeigen, dass unter gewissen Bedingungen die Diktatur des
Proletariats auch durch die Diktatur eines Menschen verwirklicht werden können.
Lenin entwickelte diese Vorstellung nicht. Aber heute können wir das im Licht
der Erfahrung von Russland und Osteuropa und mit den Entwicklungen in China
vertiefen und nicht nur die Gegenwart, sondern auch vergangene Entwicklungen
der Gesellschaft verstehen.
Während die Diktatur
des Proletariats durch die Diktatur eines Menschen verwirklicht werden kann,
bedeutet es auch, dass der Staatsapparat fast unausweichlich dazu neigen wird,
von seiner Basis unabhängig zu werden, weil das die Trennung des Staats von der
Klasse bedeutet, die er vertritt. Er wird so eigene Interessen entwickeln, die
der Klasse, die er vertritt, selbst feindlich und fremd sind, wie im Fall des
stalinistischen Russlands. Wenn wir die Entwicklung der bürgerlichen
Gesellschaft studieren, sehen wir, dass die Autokratie eines Individuum angesichts
der gesellschaftlichen Widersprüche den Bedürfnissen der Entwicklung jener
Gesellschaft dient. Das zeigt sich klar durch die Herrschaft von Cromwell und
Napoleon. Aber obwohl beide auf einer bürgerlichen Grundlage standen, wurde auf
einer gewissen Stufe die bürgerliche Autokratie von einem günstigen Faktor für
die kapitalistische Gesellschaft zu einem Hindernis für die volle und freie
Entwicklung der bürgerlichen Produktion. Die Diktatur des Absolutismus stirbt
dann jedoch nicht schmerzlos ab. In Frankreich und England erforderte es
zusätzliche politische Revolutionen, bevor die bürgerliche Autokratie in die
bürgerliche Demokratie geändert wurde. Aber ohne bürgerliche Demokratie wäre
eine freie und volle Entwicklung der Produktivkräfte bis zu den Grenzen unter
dem Kapitalismus unmöglich gewesen.
Wenn dies für die
geschichtliche Entwicklung der Bourgeoisie gilt, um wie viel mehr dann für das
Proletariat in einem rückständigen und isolierten Land, wo die Diktatur des
Proletariats zur Diktatur eines Mannes degeneriert ist?
Damit das
Proletariat den Weg zum Sozialismus beschreiten kann, ist eine neue Revolution,
eine ergänzende politische Revolution notwendig, die den
bonapartistischen proletarischen Staat in eine Arbeiterdemokratie verwandelt.
Solch eine Vorstellung passt zur Erfahrung der Vergangenheit. Genau wie der
Kapitalismus durch viele stürmische widersprüchliche Phasen ging (unsere Epoche
legt Zeugnis davon ab, dass sie noch keineswegs beendet sind) so muss es die
Herrschaft des Proletariats in Russland unter den gegebenen geschichtlichen
Bedingungen. Genauso gehen Osteuropa und China durch eine wechselseitige
Reaktion durch diese bonapartistische Phase, was unausweichlich zu neuen
politischen Revolutionen in diesen Ländern führen wird, um Arbeiterdemokratie
als Vorbedingung für den Übergang zum Sozialismus einzuführen.
In dieser Wechselwirkung zwischen der Klasse und dem Staat
unter geschichtlichen Bedingungen finden wir die Erklärung für die
stalinistische Degeneration, nicht in der mystischen Idee, dass der
Arbeiterstaat unter allen Bedingungen eine perfekte Arbeiterdemokratie sein
muss oder der Staat verwandelt sich sonst selbst in eine Klasse. Langfristig
wird sich der wirtschaftliche Faktor wie in der bürgerlichen Gesellschaft nach
vielen Erhebungen und Katastrophen als siegreich erweisen. Die Arbeiterklasse,
die durch die geschichtliche Erfahrung bereichert sein wird und von ihr
profitieren wird, wird den stalinistischen Absolutismus siegreich stürzen und
eine gesunde Arbeiterdemokratie auf höherem Niveau organisieren Dann wird der
Staat mehr oder weniger der von Marx und Lenin ausgearbeiteten idealen Norm
entsprechen.
* Stalins monströse Schauprozesse ggen ehemalige führende Bolschewiki
* Übrigens ist diese ehrliche Kennzeichnung sehr weit vom idealisierten und falschen Bild des Staates unter Lenin und Trotzki weg, das Cliff zeichnet. Es wäre schwer zu verstehen, wie der Prozess der Degeneration bei dem von Cliff gemalten idyllischen Bild stattgefunden haben könnte, Jedoch wird dies in späteren Abschntten behandelt werden. [Diese Passage steht in ‘Unbroken Thread’ eingeklammert im Text — der Übersetzer]
* Stanislaw Mikolajcik, Chef der Polnischen Bauernpartei und der ‘Exilregierung’ in London nach 1943, später wurde die Partei von den Stalnisten unterdrückt
* Edvard Benes von der Sozialnationalistischen Partei war 1935-38 Präsident, 1941 Chef der Exilregierung in London, 1945-48 Chef der provisorischen Regierung