Ted Grant

Der Nahe Osten (aus "Die kommende Weltrevolution", 1984)

Übersetzung von Wolfram Klein

 

1. Der Nahe Osten ist jetzt ein brodelnder Kessel der Widersprüche. Er ist eine verkleinerte Spiegelung der Probleme der kolonialen Welt. Er ist strategisch, wirtschaftlich und politisch gesehen ein wichtiges, wenn nicht entscheidendes Gebiet. Öl ist der Schlüssel dazu. Es ist dieses schwarze Gold, das lebenswichtig für die Volkswirtschaften der EG, Japans und der USA ist.


2. Dieses ist der Punkt, der die Politik Großbritanniens, Frankreichs und vor allem die des US-Imperialismus, der den Nahen Osten für ein lebenswichtiges Gebiet hält, diktiert. In der Vergangenheit waren Großbritannien und Frankreich vorherrschend in dieser Region. Nun betrachtet der US-Imperialismus sie als lebenswichtigen Verkehrsknotenpunkt und sichere Öllieferanten.


3. Wie absolut künstlich die Kampagne des US-Imperialismus gegen den sogenannten

„Expansionsdrang der sowjetischen Bürokratie ist, zeigt sich darin, dass Russland den Golf in drei Stunden besetzen könnte. Aber wenn sie dies täten, hätte es einen Atomkrieg zur Folge und deswegen hat die Bürokratie keine Absicht, dies zu tun. Tatsächlich war es die Moskauer Bürokratie, die den Umsturz des Kapitalismus in Ägypten 1967 verhindert hat, gerade aus Angst vor den sozialen Folgen im ganzen Nahen Osten und ihren Rückwirkungen auf die Beziehungen zwischen sowjetischer Bürokratie und US-Imperialismus.


4. Die explosiven Widersprüche in diesem Gebiet werden von dem Krieg zwischen Iran und Irak - entfacht durch den Irak -bestimmt. Aufgrund der Widersprüche in der irakischen Gesellschaft, wo eine große Mehrheit der Bevölkerung nominell der schiitischen Sekte des Islam angehört, ist Saddam Hussein im Iran einmarschiert. Er hKhomeinisst vor der aufklärungsfeindlichen Bewegung, die von Khomeinis Mullah-Kaste geleitet, im Zuge der iranischen Revolution die Macht ergriffen hat.


5. Diese reaktionär-religiöse Kaste, verwurzelt in mittelalterlichem Denken, hat in Wirklichkeit eine sozialistische Revolution zerschlagen. Die iranische Revolution war eigentlich eine Bewegung des Proletariats, ein spontaner Aufstand - wie im Februar 1917 in Russland. Doch weil eine marxistische Führung fehlte, wurde sie auf die Bahnen einer religiösen Verschleierung gelenkt.


6. Beginnend mit demokratischen und sozialistischen Zielen bewegten sich die Massen in Richtung auf eine Veränderung der Gesellschaft. Aber weil dem Proletariat eine marxistische Führung gefehlt hat, konnten die Mullahs eine Diktatur errichten, die sogar noch wahnsinniger und mörderischer ist als das Schah-Regime. So wurde die Revolution zu einer merkwürdigen Abart des instabilen bürgerlichen Bonapartismus deformiert. Der Krieg resultiert in einer Stärkung des Militärs. Die Armee ist eigentlich immer noch intakt, weil sie die gefährlichsten Kämpfe den „Revolutionsgarden' überlässt. Wenn der religiöse Wahnsinn abstirbt, wird es vielleicht - nach oder sogar noch vor dem Tod Khomeinis - durch die Sackgasse, in der sich das Regime befindet, zu einem Militärputsch kommen durch den eine neue, „klassische“ Militärdiktatur errichtet wird. Die lmperialisten, besonders Großbritannien und die USA, streben dieses Ziel an. Auf der anderen Seite gibt es eine Anhäufung von Unzufriedenheit bei der Arbeiterklasse, die sich in Richtung auf eine neue Revolution zubewegen kann.


7. Die katastrophalen Konsequenzen der stalinistischen Politik können im ganzen Nahen Osten beobachtet werde. In den 50er und 60er Jahrepasstete sich die Tudeh (KP), gemäß der Außenpolitik der sowjetischen Bürokratie, zuerst den Nationalisten und sogar der Diktatur des Schahs an. Zu diesem Zeitpunkt hatten die revolutionären Bewegungen in den meisten dieser Länder einen weltlichen Charakter. Aber das Versagen der Stalinisten - besessen von der Etappen-Theorie - zuerst eine bürgerlich- demokratische Revolution und dann in der dunklen und fernen Zukunft Sozialismus - führte dazu, dass diese Revolutionen im Sinne der Großgrundbesitzer Kapitalisten und Händler verzerrt und verdreht worden sind. Denn hinter dieser „Ideologie" des religiösen Wahnsinns lauern die Interessen dieser Klassen.


8. Husseins Versuch, einen schnellen militärischen Sieg im irakisch-iranischen Konflikt zu erreichen, misslang. Die iranischen Massen kamen in Scharen zur Verteidigung ihrer Revolution und Nation gegen fremde Invasoren. Nationalgefühle sind immer noch grundlegend vorhanden in allen Ländern der Erde. So verkalkulierte sich Hussein, und die irakischen Armeen wurden hinter die eigenen Grenzen zurückgedrängt.


9. Wie die meisten Länder in dieser Gegend ist der Irak beherrscht von einer Militärdiktatur, die in sich selbst instabil, von Widersprüchen zerrüttet wird. Die schiitische Mehrheit der Bevölkerung umfasst die ärmste Schicht. Sogar in ihrer verzerrten Form war die iranische Revolution eine tödliche Bedrohung für das irakische Regime. Das ist der fundamentale Grund für Husseins militärisches Abenteuer.


10. Hussein ging davon aus, dass die Revolution den Iran ins Chaos versetzt und die Armee untergraben habe. So rechnete er mit einem schnellen Sieg. Er hat den Effekt, den die Revolution auf das Bewusstsein und die Moral der Massen hatte, völlig übersehen. Er hat es nicht einmal geschafft, die arabische Bevölkerung im Iran zu gewinnen. Die arabischen IranerInnen scharten sich auch gegen die ausländischen Eindringlinge zusammen. So war wieder der nationale Faktor ausschlaggebend.


11. Nachdem sie die lrakis vertrieben hatten, fuhren die Ajatollahs damit fort, die gleichen Fehler zu machen. Die irakischen Schiiten gingen den für sie ausländischen Eroberern nicht auf den Leim. Trotz ihres Hasses auf Hussein verteidigten sie ihr Land, weil die „Alternative“ sie nicht begeistern konnte.


12. Die totale Überlegenheit des Iran an Menschenmaterial wurde durch die überlegene Ausrüstung des lrak ausgeglichen, sowie dadurch, dass Khomeini keine besondere Bedeutung für die Massen im Irak hat. Die Großmächte sahen selbstgefällig zu, wie Iran und Irak bis zum Stillstand kämpften und begrüßten insgeheim die Tatsache, dass der Konflikt beide Seiten schwächte. Sie standen den Hunderttausenden Verlusten und den enormen Zerstörungen in Iran und Irak gleichgültig gegenüber. Sie verhielten sich wie Zuschauer, solange wie ihre eigenen Interessen nicht direkt betroffen waren.

13. Der Krieg wurde zum Zermürbungskrieg, bei dem es sehr unwahrscheinlich ist, dass eine Seite den Durchbruch erlangen wird. Im Moment führt der Irak einen Verteidigungskrieg. Als verzweifelter Versuch, eine Intervention der Großmächte zu provozieren, hat der Irak angedroht, die iranischen Ölhäfen im Golf zu bombardieren. Als Antwort darauf haben die Mullahs gedroht, das ganze Gebiet in einen Götterdämmerungs-artigen Großbrand zu versetzen, indem sie die Attacken auf Schiffe in iranischen Häfen mit Attacken auf Schiffe mit Kurs auf Saudi Arabien und Kuwait rächen wollen. Das droht, die ganze Region in den Krieg zu verwickeln.


14. Die Ajatollahs sind wütend, weil die feudal-reaktionären Regime am Golf den irakischen Krieg finanzieren. Diese Regime führen so durch Stellvertreter einen Krieg mit dem Iran, und aus einer Entfernung, die alles andere als bequem ist.


15. Das irakische Regime kann den Krieg nicht gewinnen und will Frieden, um den Konflikt beizulegen. Die imperialistischen Mächte haben sich als unfähig erwiesen, Druck auf den Iran mit dem Ziel eines Kompromisses auszuüben, und deswegen versucht Bagdad, sie in den Krieg zu verwickeln.


16. Die Interessen des französischen Imperialismus liegen im irakischen Sieg oder zumindest darin, eine Niederlage zu verhindern, vor allem wegen ihrer Investitionen und Projekte dort und der Absprachen im Bezug auf das Ölgeschäft. Blutrünstig stellt Paris Bagdad moderne Waffen wie die ,,Exocet“-Raketen zur Verfügung. Auch die Sowjetunion hat, nach einigem Zögern, den Irak mit Schiffsladungen neuer Waffen unterstützt.


17. Ein Angriff auf Saudi-Arabien, Kuwait und die anderen Golfstaaten oder Oman würde sofort Frankreich, Großbritannien und die USA auf den Plan rufen. Obwohl Frankreich und Großbritannien es vorzögen, die USA die Drecksarbeit machen zu lassen, würden sie keine andere Möglichkeit als die Teilnahme an diesem Krieg haben. Zu Beginn würde dies ein Krieg der Marine und der Luftwaffe sein, doch in fortgeschrittenem Stadium würden Bodentruppen unvermeidbar erscheinen.


18. Die Großmächte versuchen, dies zu verhindern, vor allem wegen der unvorhersehbaren Konsequenzen, die so etwas auf die Massen - besonders in der kolonialen Welt, beginnend mit Nahen Osten - aber genauso in Frankreich, Großbritannien und den USA haben würde.


19 Sogar noch besorgter sind die feudalen Herrschenden in den Golf-Staaten und in Saudi-Arabien. Die soziale Struktur dieser Länder ist immer noch feudal. Wie im Iran werden Gesetze aus dem Mittelalter immer noch angewandt: Steinigung für Ehebruch, Abhacken von Gliedmaßen für Diebstahl. Trotz des fabelhaften Wohlstandes durch Öl herrscht die Barbarei. Der Ölreichtum hat ein paar Scheich-Cliquen zu Multi-Millionären gemacht. Aus Angst vor der Reaktion der Massen haben sie einige Reformen im Wohnungs- Bildungs- und Sozialwesen durchgeführt, doch die soziale Struktur bleibt grundlegend so, wie sie im Mittelalter war.


20 Der Reichtum erwuchs aus den steigenden Ölpreisen in den Jahren 73-74. Der Preis vervierfachte sich. Aber sogar dieses brachte keinen Ausgleich im Austausch der Waren der Imperialisten und ihrer Opfer. Trotz allen gequälten Jammerns von damals hat sich der Preis für lndustriegüter in den letzten Jahren verfünffacht. Neokoloniale Ausbeutung durch die EG, Japan und die USA wird durch Handelsbedingungen vorangetrieben, die den Gegenwert von weniger Arbeit für mehr Arbeit austauschen. Die Proteste dieser Wucherer, wenn der Preis eines Produktes aus der kolonialen Welt sich dem Preis ihrer Exporte anzunähern begann, waren reine Heuchelei. Genauso wie der Versuch, die Verantwortung für die folgende Krise auf die „gierigen Araber“ zu schieben, ohne Grundlage war.


21. Die Auswirkung des Golf-Krieges kann sich ausbreiten und Unruhen bei den Massen in Saudi-Arabien und den Golfstaaten produzieren. Diese Staaten sind abhängig von der Arbeit von Immigranten, die weniger Rechte als die Einheimischen haben, wobei auch letztere in Wirklichkeit keine Rechte haben. Als Resultat der Veränderung der wirtschaftlichen Situation ist die Revolution unvermeidbar und könnte jederzeit ausbrechen - obwohl eine gewisse Verzögerung möglich ist. Die feudalen Cliquen in diesen Ländern haben Angst vor den sozialen Konsequenzen, wenn sie in diesen Krieg verwickelt werden. Sogar ein Sieg könnte zu einer Revolution führen. Die explosive Unzufriedenheit der Massen könnte durch eine Beteiligung am Krieg ausgelöst werden.


22. Aus Angst, sich auf die eigenen Truppen verlassen zu müssen, die sie in einen Staatsstreich à la Nasser verwickeln könnten, bezahlt die feudale Clique in Saudi-Arabien enorme Summen an das Gangsterregime in Pakistan, um sich ihre Palastwächter zu sichern. Diese Söldner geben die Leibwächter ab, die die Herrschenden vor ihrer eigenen Bevölkerung schützen sollen.


23. Die Imperialisten hoffen wie die Golfstaaten auf eine Niederlage des Iran. Aber die letzteren haben viel mehr Angst vor einer US-Intervention, wegen der unvorhersehbaren Auswirkungen, die sie auf die eigene Bevölkerung, die die Imperialisten hasst, haben würde. Die Imperialisten wollen selbst nicht eingreifen

- nur als letzte Möglichkeit. Sie fürchten Beeinträchtigungen der Öllieferungen und die Rückwirkungen auf die ganze Welt. Aber trotz alledem werden sie gezwungen sein, einzumarschieren, wenn es zu einem Großangriff auf Saudi-Arabien und die Golfstaaten kommt.


24. Die Auswirkungen einer direkten militärischen Verwicklung der US-Armeen in der kolonialen Welt sind den Imperialisten nicht gleichgültig. Die Stimmung der Massen in den USA ist nach den bitteren Erfahrungen mit Vietnam gegen eine solche Verwicklung. Diese könnte auch eine doppelte Verstrickung der USA bedeuten, denn auch in Mittelamerika stehen entscheidende US-Interessen auf dem Spiel.


25. Im Falle einer neuen iranischen Offensive hat der Irak mit einem Vernichtungsangriff auf die Kharg-Insel, den Haupt-Ölstützpunkt des lran, gedroht. Daraus werden sich eine ganze Reihe von Konsequenzen ergeben. Die Iraner werden damit reagieren, die Golfstaaten anzugreifen und das wird die lmperialisten auf den Plan rufen. Öl ist das Lebensblut für den Westen. Es ist heutzutage wahrscheinlich der lebenswichtigste Faktor von allen. Jetzt, wo ihre Überlebensinteressen bedroht sind, üben die westlichen Mächte wahnsinnigen Druck aus, dieses zu verhindern. Jedenfalls ist die Angst vor der Reaktion der iranischen Massen im Falle einer militärischen Niederlage, wenn sie keinen Durchbruch schaffen, das einzige, das die Mullahs aufhalten könnte. Wenn die Imperialisten in den Krieg verwickelt würden, wären die Auswirkungen für den Nahen Osten - sogar für die ganze Welt - unberechenbar. Es würde den Weg bereiten für neue Revolutionen im ganzen Nahen Osten.


26. Die lmperialisten planen, nur einen kleinen Küstenstreifen in Saudi-Arabien und am Golf zu besetzen, dort, wo die Ölquellen sind. Sogar dieses würde Störungen in der ganzen Region provozieren und Auswirkungen auf die ganze koloniale Welt haben.


27. Der Nahe Osten ist ein Gebiet kontinentaler Dimension, das sich von Afrika bis Asien

ausdehnt. Durch das Verschulden des Imperialismus und des Monopolkapitalismus wurden seine landwirtschaftliche und industrielle Entwicklung am Wachstum gehindert und die verrotteten feudalen Regime der Vergangenheit gestützt.


28. Die lmperialisten teilten die arabische Welt durch künstliche Grenzen. Aber sie bleibt immer noch zum größten Teil durch gemeinsam gesprochene und geschriebene Sprache (obwohl wichtige Minderheiten eigene Dialekte benutzen), gemeinsame Kultur, Geschichte und sogar Religion vereint. Es ist eine Nation, geteilt in künstliche Nationalstaaten. Genauso wie Deutschland und Italien früher in Kleinstaaten aufgeteilt waren. In Wirklichkeit ist der Unterschied zwischen ÄgypterInnen, SyrerInnen, IrakerInnen, Saudis, TunesierInnen, MarokkanerInnen usw. nicht größer als der zwischen SächsInnen, BayerInnen, PreußInnen, SchwäbInnen und RheinländerInnen früher oder sogar jetzt.


29. Trotz der unaufhörlichen und frommen Beteuerung der arabischen Einheit und dem Bedürfnis nach Vereinigung ist es absolut unmöglich, dieses auf der Basis der derzeitigen Großgrundbesitzer- und Kapitalistenregimes zu erreichen. Alle Versuche, dieses zu tun, sind im Voraus zum Scheitern verurteilt.


30. Ghaddafis Versuche, Föderationen Libyens mit Ägypten, dem Sudan und dem Tschad zu organisieren, sind immer fehlgeschlagen. Sogar die Maghreb-Länder (Algerien, Tunesien,

Marokko) waren nicht fähig, sich zu vereinigen. Der Krieg in der Sahara und der künstliche Staat Mauretanien zeigen an, dass es unmöglich ist, sogar dieses Gebiet auf der Grundlage der derzeitigen Regime zu vereinigen. wegen der Eigeninteressen der kapitalistischen, Großgrundbesitzer-, feudalen und bürokratischen Cliquen.


31. Das ganze Gebiet ist vergiftet durch den arabisch-israelischen Konflikt. Der Zionismus dient als bösartiger Vorposten des Imperialismus - besonders des US-Imperialismus. Es gibt eine dialektische Ironie in der Rolle, die die JüdInnen spielen. In der Vergangenheit haben viele jüdische Intellektuelle aufgrund der Verfolgung eine radikale, progressive und revolutionäre Rolle gespielt. Die Mehrheit der jüdischen ArbeiterInnen war dem Sozialismus und der revolutionären Sache gegenüber aufgeschlossen. Nun wird die reaktionäre Rolle des zionistischen Militärstaats, der stärksten militärischen Macht im Nahen Osten und des Verbündeten und Werkzeugs des US-Imperialismus, klar aufgedeckt.


32. Die Israelis unterstützen jedes reaktionäre Regime in der Welt - den Schah, Pinochet, das rassistische südafrikanische System, Mobutu in Zaire und alle die brutalen Diktaturen in Afrika, Asien und Südamerika. Zur gleichen Zeit versprechen sie allen JüdInnen Wohlstand und Frieden in einem eigenen „sicheren“ Land. Inzwischen ist aus dem „gelobten Land“ ein Albtraum geworden. Aus „Frieden“ wurden endlose Kriege - sechs in 40 Jahren. Die Rüstung schluckt 1/3 des Haushalts. Trotzki warnte vor dem Zweiten Weltkrieg, dass die Errichtung eines israelischen Staates ein brutaler Trick auf Kosten der JüdInnen sei. Seine Warnung ist bis ins Kleinste wahr geworden. Das zionistische Paradies auf Erden hat sich in eine Hölle verwandelt.


33. Die Wurzeln des Konfliktes lagen in dem Versuch der jüdischen SiedlerInnen, die arabischen BäuerInnen von ihrem Land in Palästina zu vertreiben. Die Unfähigkeit der arabischen Armeen, die JüdInnen zu besiegen und die Gründung Israels 1948 zu verhindern, hat die Saat der Revolution in Ägypten und anderen Ländern gesät.


34. Der Imperialismus musste sich aus Ägypten, Syrien, dem Irak, Palästina, Algerien und Marokko zurückziehen, doch er hat ein Vermächtnis der nationalen Trennung der arabischen Bevölkerung zurückgelassen. Die PalästinenserInnen wurden in eine neue arabische „Diaspora“ getrieben, verstreut über den ganzen Nahen Osten.


35. Dies begründet die versuchte Rache der AraberInnen gegen Israel, ausgedrückt in fünf Kriegen. Jedes Mal wurden die AraberInnen geschlagen, aufgrund der sozialen Widersprüche in ihren eigenen Ländern und wegen einer Massenmobilisierung (einer Art Volk in Waffen oder Bürgerarmee) der ganzen Bevölkerung in Israel.


36. Die Kriege stellten sich als ein paar Tage lange gigantische Schlachten heraus, die Israel immer gewann. Der US-Imperialismus übte Druck auf Ägypten aus, sodass nach dem Tod von Nasser und dem Krieg 1973 Sadat nach rechts ging und einen Friedensvertrag mit Israel auf der Grundlage von Ägyptens Wiedererlangung des Sinai abschloss.


37. Die Deutschen, die nach 1945 aus Osteuropa vertrieben worden sind, wurden im Westen integriert. Hingegen wurden die PalästinenserInnen nicht in die arabischen Staaten eingegliedert. Einerseits wegen des sehr niedrigen wirtschaftlichen Standes und der vorherrschenden Armut; andererseits, weil das Elend der palästinensischen Flüchtlinge von den innerpolitischen Schwierigkeiten der Herrschenden ablenkte und der Zionismus zu einem außenpolitischen Feindbild aufgebaut werden konnte.

38. Als Ergebnis der Sackgasse, in der sich die PalästinenserInnen befanden, wuchs die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) und radikalisierte sich nach dem Krieg 1967. Sie hätte eine wichtige Rolle in der Zusammenfassung der Kräfte der arabischen Revolution spielen und auch die Befreiung der Massen in Palästina erreichen können, wenn sie eine marxistische Politik und Taktik angewandt hätte. Aber sie war gelähmt durch die Guerilla-Kriegsführung, und sogar noch schlimmer - durch individuellen Terrorismus. Sie warf nicht die Klassenf rage auf, weder in Bezug auf Israel noch innerhalb der arabischen Staaten oder in Bezug auf die PalästinenserInnen, sondern bleiben auch innerhalb der Zwangsjacke der nationalistischen und stalinistischen Ideen.


39. Anfangs spielte sie sogar mit der Idee, „die Israelis ins Meer zu treiben“, obwohl diese Linie später weitaus weniger betont wurde. Aber die Taktik des individuellen Terrors - wahllose Morde und Bombenattentate, von einer kleinen - nach Israel eingeschmuggelten Gruppe durchgeführt, die sich gegen Israelis und sogar gegen einzelne JüdInnen im Ausland richtete, waren nichts anderes als zerstörerisch.


40. Sie entfremdete sich völlig von den israelischen Massen und trieb so diese in die Arme ihrer eigenen Regierung. Es war in jedem Falle eine nutzlose Illusion, zu glauben, dass es möglich sei, die mächtigste und standfesteste Militärmaschinerie in der gesamten Region mit Nadelstichen dieser Art, die viel mehr Wasser auf die Mühlen der zionistischen herrschenden Klasse gossen, angreifen zu können.


41. Die PLO hoffte, auf den Panzern der arabischen Herrschenden in einem militärischen Sieg über Israel ins Land zu kommen. Dieses war doppelt falsch, weil die US-Imperialisten niemals die Niederlage ihres wichtigsten Verbündeten in dieser Region erlaubt hätten. Ein völliger militärischer Sieg über Israel war somit ausgeschlossen.


42. Um diese Taktik durchzuführen, ordnete sich die PLO Bündnissen mit all den arabischen herrschenden Klassen unter, indem sie Unterstützung von den reaktionärsten Regierungen Saudi Arabiens und der Golfstaaten annahmen. Und wes' Brot ich ess, des' Lied ich sing. Die PalästinenserInnen wurden darauf festgelegt, nur noch mit bürgerlich-demokratischen Schlagworten zu kämpfen. Sie konnten daher den Kampf der arabischen Arbeiter und Bauern in den anderen Ländern des Nahen Ostens nicht unterstützen oder sich damit verbinden.


43. So waren die bewaffneten PalästinenserInnen in Jordanien, dessen Bevölkerung zum größten Teil aus PalästinenserInnen und nicht aus BeduinInnen besteht, stärker als die Armee des Staates. Sie hätten König Hussein stürzen und die Macht ergreifen können. Wenn die PalästinenserInnen bereit gewesen wären, die Macht in Jordanien zu übernehmen und dann einen revolutionären Klassenappell an den Rest der arabischen Welt und die israelischen Massen zu richten, hätten sie den ganzen Nahen Osten verändern können. Stattdessen erlaubten sie Hussein, seine Kräfte zu sammeln und ausgerüstet von den lmperialisten, die PLO 1970 mit einem Massaker aus Jordanien zu vertreiben.


44. Es war diese Atmosphäre, in der die „Schwarze September"-Organisation gebildet wurde, die den blutigsten und nutzlosesten Terror praktizierte.


45. Nach dem Zusammenbruch in Jordanien ging die PLO in den Libanon, wo derselbe Prozess wiederholt wurde. Die Existenz einer ausgezeichneten Armee im Libanon, die tatsächlich eine palästinensische Armee darstellte, gab der maronitischen Reaktion den Vorwand, einen Kampf zu beginnen, der in einem Bürgerkrieg ausartete. Wieder einmal gab es die Möglichkeit eines Sieges für die linken Kräfte, die mit dem Programm der sozialistischen Revolution die ganze Situation im Nahen Osten hätten umwandeln können.


46. Aber wegen ihrer Verbindung zu bürgerlichen und feudal-reaktionären Staaten hatte die Führung der PLO nicht die Perspektive der sozialistischen Revolution. Ihre Bindungen an die sowjetische und syrische Bürokratie bestärkten sie nur in ihrer Blindheit. Ihre Politik führte in eine Sackgasse. Die Konsequenzen sind der nicht enden wollende Alptraum des Bürgerkrieges, ausländische Militärinterventionen und die Zerstörung des Libanons. Das Auseinanderbrechen des Landes und die Intervention Syriens in dieser Situation haben, kombiniert mit neuen Akten individuellen Terrors in Israel, den Vorwand für die Invasion in den Libanon gegeben.


47. Das Land ist eigentlich aufgeteilt zwischen drusischen, schiitischen, sunnitischen und christlichen Ghettos, wobei Syrien und Israel jeweils große Landstriche jenseits ihrer Grenzen im Libanon besetzt halten. Die Kräfte der PLO wurden verstreut und die Organisation gespalten.


48. So führte die Nahost-Politik der PLO von einer Katastrophe zur anderen.


49. Die Politik der herrschenden Araber, geblendet von ihren Eigeninteressen, war genauso katastrophal. Nach der Katastrophe 1948/49 erzwangen sie die Auswanderung von einer Million arabischer JüdInnen (die vorher keine Zionisten gewesen waren) und lieferten sie den zionistischen Reaktionären aus. Trotz ihres zweitrangigen Status in Israel haben die arabischen JüdInnen für eine Stärkung der extremen Rechten in Israel gesorgt.


50. Die PLO, untergeordnet unter die feudalen Bourgeoisien der arabischen Welt, hatte somit niemals die Gelegenheit, Unterstützung bei diesen oder anderen JüdInnen zu gewinnen. Aus dem selben Grund konnte sie keine revolutionäre Bewegung innerhalb der arabischen Massen mobilisieren.


51. Die arabische herrschende Klasse benutzt nicht nur die Palästinenserfrage als Blitzableiter zur Ablenkung von den sozialen Spannungen im eigenen Land: sie hat außerdem ihre Unterstützung für die PLO als Deckmantel für ihre eigenen Verbrechen benutzt. Genau so gut benutzen die arabischen Herrschenden die nationalistische Politik der PLO - vor allem um die palästinensischen ArbeiterInnen und BäuerInnen von ihren Klassenbrüdern und -schwestern zu trennen. Wenn die PalästinenserInnen in anderen arabischen Ländern arbeiten, sind sie in anderen Gewerkschaften organisiert als die ArbeiterInnen in den jeweiligen Ländern.


52. Die einzige Alternative zu dieser Politik wäre eine marxistische internationalistische Politik, basierend auf der Verbindung des Befreiungskampfes der PalästinenserInnen gegen die zionistische und imperialistische Unterdrückung mit der arabischen Revolution im ganzen Nahen Osten. Einen erfolgreichen Krieg gegen Israel zu führen, würde bedeuten, den Kampf auf sozialer Basis zu führen. Wenn es ein rein nationaler Krieg bliebe, würde er nur dazu dienen, die israelischen Massen hinter ihre herrschende Klasse zu treiben.


53. Die israelischen Herrschenden wurden sehr viel stärker von der Massenbewegung im Westjordanland 1982 erschüttert, als von allen „militärischen Aktionen“ der PLO zusammengenommen.


54. Die brutale Politik Israels auf der Westbank ist geprägt von imperialistischer Aneignung. Indem sie die religiöse Aufklärungsfeindlichkeit extremer, jüdisch-orthodoxer Sekten benutzten, haben sie Siedler auf dem Boden angesiedelt, den sie jetzt als zu Israel gehörig betrachten, weil da vor 2000 Jahren der jüdische Staat war. So wurden die israelischen Massen immer mehr in die imperialistische Politik verwickelt.


55. Die einzige sinnvolle Politik und Perspektive für die PLO wäre, basierend auf der Organisierung und Bewaffnung der arabischen Massen auf der Westbank und der PalästinenserInnen in Israel, einen Klassenappell an die ArbeiterInnen in Israel und im ganzen Nahen Osten zu schicken.


56. Anstatt geduldig und systematisch zu arbeiten, um den Kampf so vorzubereiten, führte die „pragmatische“ Politik der PLO zu Katastrophen und Zerstörungen, zuerst eine Niederlage durch die israelische Armee, dann durch die Spaltung der PLO als solche, vorangetrieben durch ihre syrischen „Verbündeten“, die darauf hinarbeiten, die PLO in ein gehorsames Werkzeug der syrischen Außenpolitik umzuformen.


57. Arafat, der mit einer unversöhnlichen Kritik des US-Imperialismus startete - und der sich trotzdem von den Zahlungen der Agenten der USA im Nahen Osten abhängig gemacht hat- ging weiter mit einer 180-Grad-Drehung. Er versuchte ein Abkommen mit König Hussein zu schließen, dem Urheber des Massakers an den PalästinenserInnen im Jahre 1970. Selbst wenn dieses erfolgreich gewesen wäre, was nahezu undenkbar ist, hätte es zur Einsetzung eines Marionetten-Staates auf der Westbank geführt, der Jordanien oder Israel oder den USA oder allen dreien untergeordnet wäre. Er wäre völlig instabil gewesen und hätte nicht eines der Palästinenserprobleme lösen können.


58. Es ist klar, dass die Israelis eine tatsächliche Aneignung der Westbank betreiben und dass der US-Imperialismus, wenn auch nur zögernd verpflichtet sein wird, Israel als eigenen starken Anker im Nahen Osten den Rücken zu stärken. Wer auch immer die nächsten Wahlen in Israel gewinnen wird - die Aneignungspolitik wird weitergehen. Der einzige Unterschied ist, dass sie einen eher schleichenden Charakter annehmen könnte. Ob mit oder ohne Annexion sind Arafats Manöver totgeboren, weil sie sofort vom palästinensischen Nationalrat abgelehnt worden sind. Dies gab Syrien die Möglichkeit, einzumarschieren und Nutzen aus der Spaltung der Kräfte zu ziehen und die, die loyal zu Arafat im Libanon geblieben sind, zu zerschlagen.


59. Die PLO hat nun keine bewaffnete Basis im Nahen Osten mehr und ist nun als ernstzunehmende Kampfkraft völlig gestorben. Die Überreste im Libanon sind nur syrische Instrumente, fest in der Hand ihrer Befehlshaber. Selbst die ‚jordanische Lösung“ ist weggefallen. Die USA hat einmal mehr ihre Politik geändert. Hussein hat Angst, zu stark auf dieser Front vorzupreschen, da er sich selbst in Jordanien unsicher fühlt. Inzwischen haben sich all diese Katastrophen demoralisierend auf die Palästinenser auf der Westbank, in Jordanien, im Gaza-Streifen und in Israel ausgewirkt. Das ist das Ergebnis der „pragmatischen“ begrenzten Politik des Nationalismus und des Stalinismus im Gegensatz zu der sogenannten „utopischen und unpraktikablen“ Politik, welche die MarxistInnen vertreten!

60. Die Bewegung der Massen in den Ländern des Nahen Ostens hat viele revolutionäre Chancen in der Vergangenheit geliefert und wird auch viele solche in der Zukunft ermöglichen. Eine siegreiche Revolution, die zu einer Arbeiterdemokratie in irgendeinem wichtigen Land dieser Region führt, würde die herrschenden Zionisten Israels völlig in die Defensive gegenüber der palästinensischen und israelischen Arbeiterklasse drängen. Die ArbeiterInnen Ägyptens, Saudi Arabiens, Algeriens, Syriens, des Iraks usw. haben den Schlüssel zum Nahen Osten in ihren Händen. Die israelische Arbeiterklasse ist ein weiterer Schlüssel. Aber es ist unmöglich, an irgendwelche ArbeiterInnen - besonders an die israelischen - nationalistisch zu appellieren.


61. Das Argument, dass die israelischen ArbeiterInnen völlig reaktionär seien, stellt sich als falsch heraus, wenn man die Opposition, die sich gegen die Invasion in den Libanon bildete und die letzte Streikwelle betrachtet. Massendemonstrationen, Forderungen nach Frieden und Rückzug aus dem Libanon usw. zeigen, dass die israelische Arbeiterklasse sich nicht grundlegend von anderen Arbeiterklassen unterscheidet.

62. Die einzige völlig fortschrittliche Klasse im Nahen Osten ist wie überall die Arbeiterklasse. In kolonialen, halbkolonialen und exkolonialen Ländern können die Aufgaben der nationalen bürgerlich-demokratischen Revolution nur durch die Arbeiterklasse gelöst werden.


63. Die Bourgeoisie ist unfähig, eine grundlegende Verwandlung durchzuführen oder die Überreste des Feudalismus abzuschaffen. Auch kann sie keinen ernsthaften Kampf gegen den Imperialismus führen. Aber nicht nur das: der Nationalstaat ist überholt und reaktionär. Obwohl das Erlangen der Unabhängigkeit durch die früheren Kolonien ein großer Schritt vorwärts war, ist dies ein leerer Gewinn aufgrund der wirtschaftlichen Vorherrschaft der imperialistischen Großmächte und der multinationalen Monopole auf Weltebene. All diese Staaten, groß und klein, sind wirtschaftlich mit dem Weltmarkt verbunden, der sie versklavt.


64. Kein Land des Nahen Ostens kann seine Probleme alleine lösen. Sogar die nationale Vereinigung des Nahen Ostens zu einer sozialistischen Föderation, die eine enorme geschichtliche Eroberung darstellen und die Entwicklung der Produktivkräfte immens vorantreiben würde, wäre keine vollständige Lösung. Nur eine sozialistische Weltrevolution könnte schließlich die Probleme lösen.


65. Die eigentliche Teilung des Libanon zwischen Syrien, Israel und den verschiedenen religiösen Gruppen und Milizen zeigt genau, dass nominelle Unabhängigkeit nur ein Trugschluss ist, wenn die Überlebensinteressen der großen und sogar weniger großen Mächte betroffen sind. Trotzdem sind die nationalen Gefühle in diesen Gebieten so stark, dass Israel (zum Teil unter Druck der eigenen Bevölkerung) gezwungen wurde, einen teilweisen Rückzug anzutreten. Gleichzeitig markieren die Ereignisse im Libanon eine Teilniederlage des Imperialismus. Die USA und andere lmperialisten wurden gezwungen, einen blamablen Rückzug anzutreten. Doch Beirut und der Rest des Libanons liegt in Trümmern. Es ist ein erschreckendes Bild der Verwüstung des modernen Krieges, sogar wenn er mit konventionellen Waffen geführt wird.


66. Die Wiederaufnahme des Klassenkampfes durch die Arbeiterklasse wurde durch die letzten Ereignisse in Marokko, Tunesien und Ägypten gezeigt. Es gab mächtige revolutionäre Bewegungen des Proletariats in den Ländern des Nahen Ostens in der Vergangenheit. Saddam Hussein und seine Clique konnte nur die Macht im Irak ergreifen, weil die Stalinisten (die damals die Führer des Proletariats waren) es versäumten, die demokratische Revolution bis zum Ende zu führen - die unabwendbar in einem Übergang zur sozialistischen Revolution gemündet hätte. Derselbe Prozess fand im Sudan statt.


67. Dass es keinen Mittelweg zwischen der sozialistischen Revolution und der barbarischen Reaktion gibt, wird im Sudan klar gezeigt. Die Folge des Versäumnisses, die sozialistische Revolution durchzuführen, ist, dass Numeri die Reaktion bis zu dem Punkt durchgezogen hat, der die schlimmsten Vorbilder der religiösen aufklärungsfeindlichen Fundamentalisten in Zias Pakistan und Khomeinis Iran nachäfft.


68. Die schwarze Bevölkerung im Sudan hat gegen die katastrophale Politik des Regimes protestiert, was den Sudan in einen Bürgerkrieg verwickelt hat, der mit dem Auseinanderbrechen des Landes enden kann. Numeiris Regime ist zum Scheitern verurteilt. Es kann gut vor dem Untergang von Khomeini oder Zia zusammenbrechen.


69. Für die Länder des Nahen Ostens besteht die Gefahr, unter dem Druck des Imperialismus

auseinanderzubrechen. Aufgrund der rücksichtslosen wirtschaftlichen Ausbeutung durch die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder fällt der Lebensstandard. Es ist dieselbe Krise, die die ganze koloniale Welt befällt: die totale Unfähigkeit, die Krise auf Grundlage des Kapitalismus zu lösen.


70. Hand in Hand mit der Unfähigkeit der Bourgeoisie geht die Unfähigkeit der stalinistischen Parteien, einen Ausweg aufzuzeigen. Ein weiterer Faktor ist die Angst der sowjetischen Bürokratie, ihre Beziehungen zu den lmperialisten zu gefährden, wenn mehr Länder des Nahen Ostens den Weg des proletarischen Bonapartismus - wie Syrien - auch nur einschlagen würde. Nach der Niederlage im Sechstagekrieg 1967 mit Israel erwog Nasser, die ägyptische Gesellschaft total umzuwandeln. Podgorny wurde aus Moskau geschickt, um dies zu verhindern. Ein solcher Wandel hätte die zerbrechlichen Beziehungen zwischen Moskau und Washington gefährdet. Ohne die Perspektive der Weltrevolution trat die Bürokratie den Rückzug an und ebnete so den Weg für die Reaktion Sadats und Mubaraks. Ein weiterer Beweis dafür, dass es keinen Mittelweg zwischen Revolution und Reaktion gibt.


71. Ohne die Perspektive einer sozialistischen Weltrevolution kann es keine marxistische Politik auf nationaler Ebene geben. Stattdessen gibt es die nationale und reformistische Entartung der „kommunistischen“ Parteien, nicht nur in den westlichen Industrienationen, sondern auch in der kolonialen und exkolonialen Welt. Die Konsequenz dieser versteckten nationalen, sozialen und religiösen Widersprüche ist die Spaltung und die Verrottung der ganzen Region.


72. Die Massen in Ägypten, im Sudan, in Marokko und Tunesien sind total verarmt - quasi in der ganzen Region. Der gesamte Nahe Osten ist mit revolutionärem Sprengstoff angefüllt. Die Gefahr von revolutionären Explosionen wie im Iran schwebt wie eine Wolke über allen Ländern dieser Region. Die Widersprüche häufen sich. In den Jahrzehnten der Unabhängigkeit ist nicht ein einziges der grundlegenden Probleme gelöst worden. Die einzige Lösung liegt in Trotzkis Theorie der permanenten Revolution.


73. Die Vereinigung der arabischen Nation kann nur durch die Machtübernahme des Proletariats in allen diesen Ländern erreicht werden. Das wäre die Perspektive nach dem Sieg des Proletariats in irgendeinem Schlüsselland dieser Region und der Errichtung einer demokratischen sozialistischen Gesellschaft, wie der in Russland im Oktober 1917. Die Lösung liegt in einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens mit Autonomie für die KurdInnen, libanesischen ChristInnen, die Schwarzen im südlichen Sudan, die BewohnInner der Sahara und auch für Israel im Rahmen des Zusammenschluss. In solch einem Rahmen würden die PalästinenserInnen das Recht zur Rückkehr nach Israel und auf die Westbank haben, wenn sie dies wollten. Die Bevölkerung der Westbank und Jordaniens würde als autonomer Staat der Föderation, mit den anderen PalästinenserInnen in Jordanien wiedervereinigt und wirtschaftlich und sozial durch partnerschaftliche Übereinstimmung mit Israel verbunden.