Ted Grant

Der Imperialismus bleckt seine Zähne (August 1990)

[Militant, 17. August 1990]

 

Übersetzung von Wolfram Klein

 

Die US-Imperialisten haben ein sehr riskantes Abenteuer begonnen, indem sie Truppen, Schiffe und Luftwaffe nach Saudi-Arabien geschickt haben.

Sie haben eine mächtige Flotte um den Golf und das Mittelmeer zusammengezogen, mit symbolischen Seestreitkräften aus Britannien, Frankreich, Kanada, Spanien, Italien und anderen Ländern.

Wenn alles zusammengezogen ist, wird das der größte Militäraufmarsch seit dem Zweiten Weltkrieg sein. Schon die bloße Konzentration einer so mächtigen Kriegsmaschine macht die Aussicht auf einen umfassenden bewaffneten Zusammenstoß wahrscheinlicher.

Aber ihre Intervention schafft ungeheure Instabilität in der ganzen Region. Denn es muss nicht nur der Irak berücksichtigt werden. Die arabischen Massen aller Länder des Nahen Ostens werden durch diese direkte Intervention der imperialistischen Mächte zum Handeln getrieben.

Es war der Imperialismus, besonders der britische und französische, der die arabische Nation - eine Nation, die eine Sprache spricht und eine gemeinsame Kultur hat - zu seinem Vorteil und Profit grausam in verschiedene Länder teilte. Besonders hätschelten sie die reaktionären Scheichtümer auf der arabischen Halbinsel.

Diese halbfeudalen Autokratien waren nicht in der Lage, sich ohne imperialistische Unterstützung zu halten, so wie die indischen Fürsten verschwanden, sobald der britische Imperialismus abziehen musste.

Jetzt hat Saddam Hussein den westlichen Bluff auffliegen lassen. Er hat angeboten, sich aus Kuwait zurückzuziehen wenn sich Israel erst aus den besetzten Gebieten zurückzieht und als Dreingabe Syrien sich aus dem Libanon zurückzieht! Er hat gefordert, dass arabische Streitkräfte unter Kontrolle der Vereinten Nationen die US-Kräfte ersetzen.

Er weiß sehr gut, genauso wie die Massen in der arabischen Welt, dass die USA nichts machten, als Israel Gaza und die Westbank 1967 besetzten. Es hält das palästinensische Volk da ohne demokratische Rechte in Unterwerfung.

Amerikas heuchlerische Haltung gegen „Aggression“ ist bloß ein dürftiger Deckmantel für die Verteidigung kapitalistischer Interessen.

Öl, Profite und strategische Interessen sind alles, woran sie interessiert sind. Sie nutzen die Vereinten Nationen und alle Rhetorik über die Rechte kleiner Nationen und das Aufstehen gegen Aggressoren als Nebelschleier, um ihre wirklichen Ziele zu verdecken.

Zum ersten Mal gab es in den Vereinten Nationen Einmütigkeit im Sicherheitsrat, was dazu führte, dass Amerika eine Resolution für ein totales Embargo des Irak durchbekam - Öl wird nicht herauskommen, Importe (außer Nahrungsmitteln) werden nicht hineingelassen.

Gorbatschow akzeptierte demütig, seinen Verbündeten Irak aufzugeben. Er dachte wahrscheinlich, dass dies entscheidend wäre, um für seine Bewegung zum Kapitalismus Wirtschafts- und Finanzhilfe zu kriegen.

China ist daran interessiert, irgend ein Abkommen mit dem Imperialismus zu kriegen, und stimmte für die Resolution.

In allen grundlegenden Fragen waren die Vereinten Nationen unfähig, irgend etwas zu lösen. Die Vereinten Nationen, eine Sammlung aller verschiedenen imperialistischen (und stalinistischen) Mächte mit verschiedenen Interessen, können nicht mehr als einzelne kapitalistische Länder die Probleme der ArbeiterInnen, die Probleme von Frieden und Wohlstand lösen oder die Interessen der arbeitenden Massen verteidigen.

Aber die Bedrohung durch Saddam an der Gurgel des westlichen Kapitalismus hat beispiellose Zusammenarbeit im Sicherheitsrat bedeutet.

Wenn diese Sanktionen halten könnten, würde die irakische Wirtschaft nach einer Weile auf die Knie gezwungen. Saddam wäre gedemütigt und stünde schließlich vor wachsender Opposition oder sogar Sturz zu Hause.

Dies kann jetzt durchaus der US-Plan sein. Der „Observer“ kommentiert: „Das wirkliche Ziel der Übung ist die Entfernung Saddams von der Macht.“

Sie haben ihn zwar während dem Krieg gegen den Iran finanziert und die Augen vor seiner brutalen Diktatur verschlossen, aber jetzt hat er es gewagt, den grundlegenden Interessen Amerikas - der Ölversorgung - in die Quere zu kommen und man muss ihm eine Lektion erteilen.

Bush versucht jetzt, mit einer Seeblockade den Irak gewaltsam weiter zu quetschen. Die anderen westlichen Mächte sind vorsichtiger, sie wollen den „Schutz“ der UN-Genehmigung zur Verschärfung der Aktion. Selbst die Thatcher-Regierung will nur Schiffe stoppen und durchsuchen, wenn sie die Sanktionen verletzen, und dann der UNO darüber berichten.

Gorbatschow fordert auch, dass die USA keine einseitigen bewaffneten Aktionen unternehmen, dass ohne eine weitere Abstimmung des Sicherheitsrats nichts zur Erzwingung der Sanktionen gemacht wird. Das würde in gewissem Umfang die amerikanischen Hände binden, während Bush völlige Freiheit will, zu entscheiden, was der US-Imperialismus braucht, ohne auch nur die kleinste Beschränkung.

Wenn der US-Imperialismus entscheidet, dass seine Interessen nur durch einen Krieg verteidigt werden könnten, dann würden sie einen Zwischenfall fabrizieren, egal ob Saddam in Saudi-Arabien einmarschiert oder nicht. Das haben sie in der Bucht von Tonkin gemacht, was den Vorwand für ihre massive Intervention in Vietnam gab, von der sie sich schließlich nach 13 Jahren besiegt zurückziehen mussten.

Sie sollten gewarnt sein - westliche Intervention im Hexenkessel des Nahen Ostens wird nicht aussichtsreicher sein. Britannien und Frankreich mussten sich 1956 wegen der Reaktion der arabischen Massen und einer Spaltung mit dem US-Imperialismus ruhmlos von Suez zurückziehen.

Frankreich und die USA mussten ihre Streitkräfte angesichts des Widerstands der Massen aus dem Libanon abziehen.

Ein Krieg jetzt wäre eine schrecklich blutige Angelegenheit, möglicherweise schlimmer als die Hölle von Vietnam und überhaupt kein leichter Sieg wie auf den Falklands.

Diese christlichen Herren und Damen der westlichen Länder bluten die unterentwickelten Länder um 50 Milliarden Dollar im Jahr aus. Sie legen die Regeln fest, bekommen Rohstoffe und Nahrungsmittel billig im Vergleich zu den Industrieprodukten und Maschinen die sie an die Dritte Welt verkaufen.

Einer der Gründe, warum sie in den letzten paar Jahren eine schwere Wirtschaftskrise vermieden haben, ist die Superausbeutung der exkolonialen Völker. Deshalb haben die USA und andere Imperialisten mit solcher Raserei auf die Bedrohung der Ölpreise und -versorgung reagiert.

Ihre Wirtschaften rutschen Richtung Rezession. Ein Ölpreisanstieg könnte sie zum Kippen bringen. Sie sind entschlossen, billiges Öl zu behalten und darum intervenieren sie.

Aber im Nahen Osten hat der Imperialismus eine offenkundige Schwäche. Sich auf die Strategie der Sanktionen zu stützen, könnte eine Weile dauern und die vielen Millionen der arabischen Massen beginnen, sich zu bewegen.

Saddam spielt wahrscheinlich auf Zeit. Wenn er je beabsichtigte nach Saudi-Arabien zu gehen, würde ihn die gewaltige Feuerkraft, die die USA und andere Nationen aufgehäuft haben, wahrscheinlich abschrecken. Stattdessen setzt er auf die arabischen Massen, die durch die bewaffnete Präsenz des Imperialismus erbost sind, und sich gegen die arabischen Führer wenden, die sie akzeptiert haben. Er glaubt, dass Revolte in der arabischen Welt seine Verhandlungsposition stärken würde.

Die halbfeudalen Autokratien von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Oman werden von den arabischen Massen gehasst, besonders in ihren eigenen Lehen und Königreichen. Ohne die Unterstützung des Imperialismus würden sie fallen.

Der „Observer“ berichtet, dass die Intervention „gezähmte Konflikte zwischen Reichen und Armen, die aufgestaute Wut auf die amerikanische Unterstützung für Israel“ entflammt „und die Ablehnung der Teilung der arabischen Welt in kleinere Nationalstaaten wiedererweckt hat.“

Es ist komisch, dass der Korrespondent des „Observer“ kommentiert: „Die irakische Besetzung ist unendlich gemeiner als jede israelische Besetzung, weil sich die Südirakis in Aussehen und Akzent nicht von den kuwaitischen Arabern unterscheiden lassen.“ Das ist nicht überraschend, weil sie zu einem Volk gehören!

Die ägyptischen, jordanischen, tunesischen, marokkanischen und anderen Herrscher werden wie die arabischen Autokraten zittern. Die Aktion der Vereinigten Staaten könnte in den kommenden Monaten und Jahren eine mächtige Bewegung der arabischen Völker auslösen.

Trotz dem brutalen Charakter der Saddam-Diktatur könnte er eine ungeheure Bewegung unter den arabischen Völkern im ganzen Nahen Osten lostreten.

Wenn Feindseligkeiten ausbrechen würden, könnte Ägyptens Präsident Mubarak den Tag bereuen, an dem er die Entsendung von Alibiabteilungen von Truppen arabischer Länder anstieß. Klar steckten seine US-Wohltäter dahinter. Denn Ägypten ist als zweitgrößter Empfänger von US-Hilfe nach Israel ebenso ein amerikanischer Klientenstaat.

Würden die arabischen Truppen loyal bleiben, wenn der Krieg im Golf ausbricht, wenn ihre Brüder zu Hause dagegen demonstrieren werden oder sich selbst als Freiwillige für die irakische Seite melden?

In Jordanien haben schon 40.000 ihre Bereitschaft erklärt, sich Saddams Kräften anzuschließen. Säkulare arabische Nationalisten und islamische Fundamentalisten haben gemeinsam demonstriert und US- und britische Flaggen verbrannt.

Der reaktionäre König Hussein von Jordanien könnte einer der gefährdetsten arabischen Führer sein. Arbeitslosigkeit liegt schon bei 16 Prozent und die Wirtschaft ist eng mit der des Irak verbunden. Er ist ihr größter Handelspartner und Jordanien hängt von Zuwendungen von Jordaniern ab, die in Kuwait und Irak arbeiten, die mit den Sanktionen heimkehren könnten.

Hussein hat sich geweigert, den Einmarsch in Kuwait zu verurteilen und hat seine Grenze zum Irak für Waren offen gehalten. Aber das wird vielleicht nicht genug sein, ihn vor dem Grimm seines eigenen Volks zu retten.

Freiwillige für den Irak stehen auch im Gazastreifen und den Palästinenserlagern des Libanon bereit. Anti-US-Proteste wurden von Mauretanien in Nordwestafrika bis Jemen an der Südspitze der arabischen Halbinsel berichtet.

Bush ist ein ungeheures Risiko eingegangen, aber aus dem Blickwinkel des Imperialismus musste er einfach handeln.

Klassenbewusste ArbeiterInnen in Britannien und auf der ganzen Welt geben kein Jota ihrer Kritik an der scheußlichen irakischen Diktatur auf, würden aber eine Bewegung der arabischen ArbeiterInnen zum Sturz aller verfaulten, korrupten diktatorischen Regime und für Einheit in der ganzen arabischen Welt unterstützen.

Wenn das mit einer Bewegung hin zum Sozialismus verbunden wäre, könnte es die Revolution in ganz Afrika und der kolonialen Welt entfachen, was die Einleitung des Zusammenbruchs der kapitalistischen imperialistischen Mächte beginnen könnte.

Die Arbeiterklasse des Iraks muss mit dem Saddam-Regime fertigwerden, nicht die westlichen Regierungen, die in ihren eigenen schmutzigen Interessen handeln.

Die Regierungen von Britannien, Amerika und den anderen westlichen Mächten spiegeln einfach die Interessen des Großkapitals und der Millionäre wider. Außenpolitik ist eine Fortsetzung der Innenpolitik und umgekehrt.

Thatcher unterdrückt die Arbeiterklasse zu Hause mit der Poll Tax, Angriffen auf den staatlichen Gesundheitsdienst, Angriffen auf die Armen im Interesse der Reichen. Ihre Regierung vertritt die Interessen der Arbeiterklasse weder zu Hause noch im Ausland und auch nicht die kolonialen Massen, am wenigsten im Nahen Osten.

Wo war die geheuchelte Entrüstung der westlichen Regierungen über den „Aggressor“, als die Vereinigten Staaten, Grenada, Libyen und Panama angriffen und allein in Panama mindestens 7000 Menschen töteten? Sie klatschten Bush als „starkem Mann“ Beifall, der nicht länger ein „Waschlappen“ sei.

Grenada war ein Commonwealth-Land, aber Thatcher hob nie einen Finger oder sagte ein Wort! Im Gegenteil gab sie den Aktionen des US-Imperialismus warme Unterstützung.

Der panamesische Diktator Noriega war ursprünglich ein Werkzeug der CIA und des US-Imperialismus. Die CIA half ihm sogar bei seinem Drogenhandel mit den Vereinigten Staaten! Er war ein zuverlässiges Werkzeug. Erst als er mit einer unabhängigen Politik begann, genau wie Saddam, beschuldigten sie ihn des Drogenhandels, stürzten ihn und setzten einen zuverlässigeren Agenten ein.

Der US-Imperialismus verschwor sich mit Pinochet in Chile, um seine Diktatur zu errichten und Allende zu stürzen, weil sie fürchteten, Allendes Unidad-Popular-Regierung würde zu weit in Richtung Sozialismus gehen.

Sie haben jede reaktionäre Diktatur in der ganzen Welt unterstützt, wie sie es mit den feudalen Autokratien im Nahen Osten machen, aber nie demokratische Wahlen in Saudi-Arabien oder anderen Golf-Staaten gefordert.

Sie reden von Saddam Hussein als neuem Hitler - aber sie bewaffneten, organisierten und unterstützten Hitler als Bollwerk gegen den „Bolschewismus“, als er die Arbeiterbewegung zerstörte. Sie wandten sich nur gegen ihn, als er ihre imperialistischen Interessen und das Kräftegleichgewicht bedrohte.

Alle diese kapitalistischen Regierungen vertreten die Interessen ihrer Klasse. ArbeiterInnen können sich bei der Verteidigung ihrer Interessen nur auf ihre eigenen Organisationen und ihre eigene Stärke verlassen. Das bedeutet den Kampf gegen Kapitalismus und den Kampf für Sozialismus national und international.