Die koloniale Revolution und der chinesisch-sowjetische Konflikt (August 1964)

Der Zweite Weltkrieg endete mit einer revolutionären Welle in Westeuropa, die der Kapitalismus dank der Hilfe von Stalinismus und Sozialdemokratie, überlebte. Der Stalinismus in der Sowjetunion wurde vorübergehend für eine ganze Geschichtsperiode gestärkt.

In der Geschichte der Gesellschaft hat es viele Methoden der Klassenherrschaft gegeben. Dies gilt besonders für die kapitalistische Gesellschaft, mit vielen eigenartigen und buntscheckigen Formen: Republik, Monarchie, Faschismus, Demokratie, bonapartistisch, zentralisiert und föderativ, um ein paar Beispiele zu geben.

In einer Periode, in der die Revolution (abgesehen von der Tschechoslowakei) in rückständigen oder unentwickelten Ländern stattgefunden hat, sind Verzerrungen, sogar ungeheure Verzerrungen im Charakter des Staates, der durch die Revolution geschaffen wurde, unvermeidlich, solange die lebenswichtigsten industrialisierten Bereiche der Welt unter der Kontrolle des Kapitals bleiben.

Eine entscheidende Ursache dieser Entwicklungen ist die bonapartistische Konterrevolution in der Sowjetunion. Die bösartige Macht des Staates und die unkontrollierte Herrschaft der privilegierten Schichten in der Sowjetunion haben als Modell für „Sozialismus“ in diesen Ländern gedient.

Bürgerlicher Bonapartismus spiegelt eine Gesellschaft in einem Zustand der Krise wider, in der sich der Staat über die Gesellschaft und die Klassen erhebt und eine verhältnismäßig unabhängige Rolle erlangt und nur in letzten Instanz direkt die Eigentümerklassen widerspiegelt, weil er das Privateigentum verteidigt, auf dem sie beruhen.

Das Proletariat ist keine „heilige Kuh“, dem entsprechende Prozesse nicht widerfahren können. Proletarischer Bonapartismus stellt die eigentümlichste Form der Arbeiterherrschaft dar. Widersprüche in einer weitgehend rückständigen Gesellschaft, in der das Proletariat eine kleine Minderheit darstellt, können, wie Lenin unterstrich, dazu führen, dass sich die Diktatur des Proletariats durch die Herrschaft einer Person ausdrückt.

Eine proletarische Form des Bonapartismus stellt ihrer ganzen Natur nach eine Karikatur der Arbeiterherrschaft dar. In einer Gesellschaft, in der Privateigentum abgeschafft worden ist und es keine Demokratie gibt, erlangt die Macht des Staats eine enorme Ausdehnung. Der Staat erhebt sich über Gesellschaft und wird in seinen verschiedenen Formen ein Werkzeug der Bürokratie: Militär, Polizei, Partei, „Gewerkschaft“ und Management. Dies sind die privilegierten Schichten innerhalb der Gesellschaft. Sie sind die alleinige befehlende Schicht. Im Übergang von der kapitalistischen Gesellschaft zum Sozialismus kann die Form der Wirtschaft nur Staatseigentum an den Produktionsmitteln mit der Organisation der Produktion auf der Grundlage eines Plans sein. Nur die demokratische Kontrolle der ArbeiterInnen und BäuerInnen kann solch einen Übergang garantieren. Deshalb ist politische Revolution in diesen Ländern unvermeidlich, bevor Arbeiterdemokratie als unentbehrliche Notwendigkeit eingerichtet ist, wenn der Staat „absterben soll“. Solche „Übergangsregime“ aber können nur Arbeiterstaaten — deformierte Arbeiterstaaten — sein, weil die Wirtschaft dieser Staaten auf Verstaatlichung der Produktionsmittel beruht, die wirtschaftliche Tätigkeit auf der Grundlage eines Plans.

Marx betrachtete nie das Problem Revolution in rückständigen Ländern, weil er dachte, die Revolution würde in die hochentwickelten kapitalistischen Länder zuerst kommen. Diese bonapartistischen Regime — Regime der Krise — spiegeln die ungelösten wirtschaftlichen und sozialen Probleme wider, sowohl auf der engen nationalen Ebene als auch international — Krisen, die nur durch Weltrevolution behoben werden können, besonders in den hochentwickelten Ländern.

Die Entwicklung der chinesischen Revolution, nach der russischen Revolution das „größte Ereignis in der menschlichen Geschichte“, wie die Dokumente der Revolutionary Communist Party im voraus verkündeten, fand mit einem mächtigen deformierten Arbeiterstaat im Rücken plus der Vereitelung der revolutionären Flut im Westen statt. Ohne das Bestehen des monströs deformierten Arbeiterstaates im Osten und der Lähmung der Hände des Imperialismus durch das Radikalisierung der ArbeiterInnen im Westen, hätte die chinesische Revolution nicht die Gestalt annehmen können, die sie annahm. Trotzki hatte in der Vorkriegsperiode das Problem aufgeworfen, was geschehen würde, wenn die chinesische „Rote Armee“ im Bürgerkrieg gegen Tschiang Kai-schek siegen würde. Er hatte versuchsweise vorhergesagt, dass die Spitzen der Roten Armee ihre bäuerliche Basis verraten würden, und in den Städten bei der Passivität des Proletariats, mit der Bourgeoisie verschmelzen würden, was zu einer klassischen kapitalistischen Entwicklung führen würde.

Dies fand nicht statt, weil es auf dem Weg der kapitalistischen Entwicklung keinen Weg vorwärts für China gab. Mit dem Modell Russland manövrierte die stalinistische Führung der Bauernarmeen zwischen den Klassen, stützte sich einmal auf die „nationalen“ Bourgeoisie oder die BäuerInnen, und ein andermal auf die Arbeiterklasse und schuf einen starken stalinistischen Staat nach dem Vorbild von Moskau. Zu keiner Zeit gab es eine Periode der Arbeiterherrschaft wie in Russland 1917, als die ArbeiterInnen durch ihre Sowjets den Staat und die Gesellschaft kontrollierten.

Wie der bürgerliche Bonapartismus beim Manövrieren zwischen den Klassen in der letzten Instanz die Grundlage der kapitalistischen Gesellschaft verteidigt, so beruht in der gleichen Weise der proletarische Bonapartismus in der letzten Instanz auf der Basis, die durch die Revolution geschaffen wird: die verstaatlichte Wirtschaft.

Die chinesische Revolution löste alle jene Probleme, die die bürgerliche Gesellschaft nicht lösen konnte. Die drei Jahrzehnte der Herrschaft von Tschiang Kai-schek, dem bonapartistischen Vertreter des Finanzkapitals, enthüllten die völlige Unfähigkeit der Bourgeoisie, China zu vereinigen, die Agrarrevolution durchzuführen, den Imperialismus zu stürzen. Er konnte nur eine neue Periode des Zerfalls für die chinesische Gesellschaft einleiten. Dies gab der Führung der Bauernarmeen den Antrieb zum Sturz der Bourgeoisie und, dank des Modells von Russland im Rücken, zur Schaffung eines Staat nach stalinistischem Modell.

Die Führung war ohne internationale oder marxistische Perspektiven. Die bewusste Rolle und die Führung des Proletariats, ohne die Sozialismus unmöglich ist, fehlten. Die stalinistische Führung nutzte bei der Eroberung der Städte die Passivität des Proletariats und wo Elemente der proletarischen Aktion spontan auftauchten, begegnete sie ihr mit der Hinrichtung der führenden TeilnehmerInnen.

Jedoch das Zusammenschweißen der atomisierten und getrennten Provinzen zu einen einzigen vereinheitlichten Nationalstaat nach modernen Prinzipien zum ersten Mal in der Geschichte von China; die Agrarrevolution; die Verstaatlichung der Produktionsmittel — all dies gab einen mächtigen Antrieb zur Entwicklung der Produktivkräfte. China machte Fortschritte, wie keine Kolonialwirtschaft seit Jahrzehnten Fortschritte gemacht hatte.

Die chinesische Bürokratie, wie alle Bürokratien eines ähnlichen Charakters, ist hauptsächlich interessiert, ihre eigene Macht, Privilegien, Einkommen und Prestige fördern. Sie verteidigt die Basis des verstaatlichten Eigentums, auf der sie beruht, weil dies die Grundlage ihres Einkommens und ihrer Macht ist.

Wie im voraus, bevor die chinesische Bürokratie an die Macht kam, vorausgesagt, war die Möglichkeit eines Konflikts zwischen ihr und der russischen Bürokratie in der Situation angelegt. Der Versuch der russischen Bürokratie, zu einer Verständigung mit dem amerikanischem Imperialismus zu kommen, ohne die Bedürfnisse und Interessen der chinesischen Bürokratie zu berücksichtigen, führte zur Spaltung zwischen den zwei Strömungen.

Die Rationalisierung der Spaltung durch „ideologische“ Erwägungen war Mittel, Unterstützung innerhalb der Kommunistischen Parteien, im Weltmaßstab zu gewinnen. Die Chinesen haben im Moment radikale Parolen als Mittel zur Mobilisierung von Unterstützung in der stalinistischen Weltbewegung gegen die Russen verwendet, besonders unter den Kolonialvölkern. Ihre offene Unterstützung für Stalin, die ArbeiterInnen in der Sowjetunion und im Westen abstößt, soll neben anderen Berechnungen, eine Linie von Blut und Verwirrung zwischen den kommunistischen ArbeiterInnen, die nach einer marxistischen Lösung suchen, und dem „Trotzkismus“, das heißt dem echten Marxismus-Leninismus ziehen.

Wegen ihrer gegenwärtigen radikalen Parolen sprechen die Chinesen die Kaderelemente in den stalinistischen Parteien an, die nach einem revolutionären Weg suchen. In diesem Sinn muss jede Nuance, jeder Riss von der marxistischen Tendenz genutzt werden mit dem Ziel einen Weg zu den aufrichtigen stalinistischen ArbeiterInnen zu finden.

Das wirkliche Gesicht des chinesischen Stalinismus enthüllt sich im Opportunismus der Führung in der kolonialen Welt, wo sie faule feudale, bürgerliche Oberschichten in vielen Ländern unterstützt haben. Die Unterstützung des Imam im Jemen, die Kredite an Afghanistan, an Sri Lanka, an Pakistan, Unterstützung von Sukarno in Indonesien usw. Ohne bei den Ressourcen konkurrieren zu können, haben sie die kleinen Mittel der chinesischen Wirtschaft in Konkurrenz zur russischen Bürokratie und zum Imperialismus verwendet. Ihre Ideologie, ihre Auffassungen, können sich nicht über die engen Staatsinteressen der chinesischen Bürokratie erheben.

Ihr „Internationalismus“ besteht im Versuch, ein ähnliches Instrument der Unterstützung aufzubauen wie es die russische stalinistische Bürokratie besitzt. Ihre Ideologie, Methoden und Haltung sind eine Fälschung des Marxismus, ebenso wie die der russischen Bürokratie, in den verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung.

Ihre Idealisierung des Stalinismus in seiner gröbsten und unterdrückerischsten Form ist aus dem obenerwähnten Grund notwendig, um jede mögliche Bewegungstendenz der kämpferischen ArbeiterInnen in Richtung zum „Trotzkismus“ zu verhindern, und wegen dem Charakter der chinesischen Wirtschaft. Wie die Russen vor ihm, kann solch ein Regime, auf der Grundlage der chinesischen Wirtschaft alleine, mit ihrer im Vergleich mit den Hunderten von Millionen BäuerInnen kleinen Basis in der Industrie, für Jahrzehnte aushalten. Nur die sozialistische Revolution im Westen oder die politische Revolution im Sowjetunion, könnten diese Perspektive ändern.

Die Bösartigkeit, mit dem die Bürokratie der Sowjetunion Indien im Konflikt mit China unterstützte, ihre TechnikerInnen abzog und Pläne und Blaupausen zerstörte in ihrem Bemühen, China zu schwächen, ist ein Zeichen für den wirklichen Charakter der Bürokratie in der Sowjetunion. Sie waren bereit zu großzügigen Krediten und Hilfen für die Bourgeoisie und die schmarotzerhaften Oberschichten der Kolonialländer, um diese Regime in Konkurrenz mit dem Imperialismus zu stützen. Aber als die Bürokratie eines anderen Arbeiterstaates in Konflikt mit ihnen kam, zeigten sie ihre selbstsüchtigen nationalen Ziele.

Ähnlich äfft China — wie mit dem diplomatischen Abkommen mit Pakistan und der Tour von Ministerpräsident Tschou En-lai in Afrika — die russische Bürokratie in ihrem Bemühen nach, Freunde zu finden. In Sansibar kamen sie zu einer Vereinbarung mit dem Sultan, bevor er gestürzt wurde; sie übten keine Kritik an den Regierungen von Tanganjika [inzwischen mit Sansibar zu Tansania vereinigt], Uganda und Kenia wegen der Bitte um britische Truppen gegen ihre eigenen meuternden Truppen.

Die chinesischen Stalinisten rieten den AlgerierInnen nicht versehentlich mit ihrer Revolution „langsam zu machen“. Dies lag an der bevorstehenden diplomatischen Vereinbarung mit dem französischen Imperialismus. Die grundlegenden Perspektiven des chinesischen Stalinismus werden durch ihre „nationalen“ Ziele bestimmt, einen Sitz in den Vereinten Nationen zu erlangen und, um den chinesischen Nationalstaat mit allem möglichen Mitteln zu stärken, Vereinbarungen mit dem Imperialismus für Handel usw. zu erlangen. Sie haben versucht, den afro-asiatischen Block damit und überhaupt nicht mit den internationalen Perspektiven von Sozialismus und der sozialen Revolution im Hinterkopf zu mobilisieren.

Die Spaltung zwischen Russland und China, wie die Spaltung zwischen Jugoslawien und Russland und jetzt die Entwicklung von neuem nationalem Stalinismus in den Ländern von Osteuropa, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei, Ungarn, usw., ist ein Symptom des stalinistischen Niedergangs und gleichzeitig der Schwäche der revolutionären Kräfte des Marxismus im Weltmaßstab gegenwärtig. Gäbe es mächtige marxistische revolutionäre Kräfte des Proletariats, die bewusst die Revolution in den industriell fortgeschrittenen Ländern der Welt vorbereiten würden, wäre solch ein Phänomen unmöglich gewesen. Wie zur Zeit der ungarischen politischen Revolution von 1956, angesichts der die Bürokratien dieser Länder zitterten und zum gegenseitigen Schutz und Unterstützung zusammengingen, hätte die chinesische Bürokratie nicht gewagt, die Kampagne gegen den russischen „Revisionismus“ zu beginnen. Alle diese Bürokratien stünden vor Zusammenbruch und Sturz.

Die Spaltung zwischen den stalinistischen Bürokratien entlang von nationalen Linien trägt weiter zur Verwirrung unter den breiten Massen weltweit bei. Sogar unter den Kadern schafft es zwar gewisse Gelegenheiten für die Ideen des Marxismus, erschwert aber weiter die Aufgabe des revolutionären Marxismus. Aber langfristig untergräbt sie vollständig den ehemaligen Monolithismus des Stalinismus und seinen Einfluss auf die Massen. Der Weg ist bereitet, dass aufgrund von großen Ereignissen, Zehn- und Hunderttausende ArbeiterInnen, die revolutionäre Bahn betreten. In den nächsten großen Umwälzungen sowohl im Osten als auch im Westen, der sozialen und politischen Revolutionen, deren Generalprobe die ungarische Revolution war, wird der Stalinismus zerbröckeln.

Dennoch ist eine der Grundaufgaben der Periode die Schulung der Kader, dass sie nicht durch der Varianten des Stalinismus angesteckt werden. Es gibt eine so große Kluft zwischen Stalinismus in seinen verschiedenen Formen, sowohl dem Staat als auch der Ideologie, und der wirklichen Arbeiterdemokratie und dem Marxismus wie zwischen dem Staat und der Ideologie des Bonapartismus und Faschismus und der bürgerlichen Demokratie.

Während wir die fortschrittlichen Aspekte der Wirtschaft in Russland, in China, auf Kuba und in Osteuropa verteidigen, müssen wir gleichzeitig eine grundlegende Unterscheidung zwischen der faulen nationalistischen bürokratischen Ideologie des Stalinismus und seinen Staaten und der bewussten Kontrolle der Wirtschaft und der Bewegung in Richtung zum Sozialismus durch die Arbeiterklasse zu machen, wie sie sich in den Methoden und Auffassungen des internationalen Sozialismus ausdrückt.

Die koloniale Revolution in Asien, Afrika und Lateinamerika

Nach dem Scheitern der revolutionären Nachkriegswelle im Westen schaffte es der Kapitalismus, sich für eine ganze Geschichtsepoche zu stabilisieren. Folgen wurden Ursachen. Eine neue Epoche des Wachstums größerer oder geringerer Stärke wurde für alle Metropolenländer eingeleitet. Die wachsende Macht der Sowjetunion mit ihrem viel schnelleren industriellen Wachstum zusammen mit dem Wachstum der Arbeiterstaaten und der Stabilisierung eines mächtigen China führte zu einem neuen Kräfteverhältnis im Weltmaßstab zwischen den kapitalistischen Kräften des Westen und den Arbeiterstaaten des Osten

Dies ist der Hintergrund, vor dem es in einem Land nach dem anderen einen ständigen Aufruhr des nationalen Aufstands und der Revolution gegen imperialistische Beherrschung und nationale Unterdrückung gab. Zu einer Zeit von rapidem Wachstum der Produktivkräfte in den Metropolenländern ist die Kluft zwischen den industriell entwickelten und den sogenannten „unentwickelten“ Regionen der Erde zweimal so groß wie vor dem Zweiten Weltkrieg geworden. Das mäßige Wachstum der Industrie in letzteren Ländern hat dort die sozialen Widersprüche verstärkt.

In allen diesen Ländern konnte das Problem der nationalen Revolution, der Agrarrevolution, der Beseitigung der feudalen und vorfeudalen Überbleibsel nicht auf der alten Grundlage gelöst werden. Dies war die Periode des nationalen Erwachens der unterdrückten Völker von Asien, Afrika, Lateinamerika.

Angesichts dieses Aufruhrs der kolonialen Massen waren die Imperialisten zum Rückzug gezwungen. Vor einem Jahrhundert erklärte Marx, dass nur der Mangel an nationalem Bewusstsein unter den Bauernmassen es den Imperialisten erlaubte, den Osten und Afrika zu erobern und zu beherrschen. Sobald sie aufgewacht waren, war es praktisch unmöglich, eine ganze Nation in Ketten zu halten. Trotzki beobachtete im Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg, dass die Aufgabe der „Befriedung“ der kolonialen Revolten viel teurer geworden sei als die Früchte der Ausbeutung der Kolonien. Und das war in einer Periode, in der die Kolonialaufstände in einem frühen Stadium waren.

Schon 1945 hatte Britannien die Schlussfolgerung aus der Revolte des indischen Volkes gezogen, dass es notwendig sei, irgend einen Kompromiss mit den indischen Kapitalisten und Großgrundbesitzern zu schließen. Das lag teils an der Unmöglichkeit, angesichts der radikalen Stimmung der Soldaten des alliierten Imperialismus und der Arbeiterklasse in Großbritannien einen groß angelegten Eroberungs- und Rückeroberungskrieg von Indien zu führen und teils an Furcht vor der Erhebung des indischen Volkes.

Der französische und niederländische Imperialismus mussten die Lektion lernen, nachdem sie in Indonesien, Indochina, Algerien etc. Blut und Vermögen verschwendet hatten. Die „Bourbonen“ von Portugal sind gerade dabei, die Lektion zu lernen.

So stieß die Verzögerung der Revolution in Europa und den anderen Metropolenländern die Revolution in die äußeren Regionen der kapitalistischen Welt, zu den schwächsten Gliedern der Kette des Kapitalismus. Die Entwicklung des Stalinismus in Russland und seine Ausdehnung nach China und Osteuropa, die Vereitelung der Revolution in den industriell entscheidenden Regionen der kapitalistischen Welt, bedeutete jedoch, dass die Entwicklung der permanenten Revolution in diesen unterentwickelten Ländern ein verzerrtes Muster annahm. Die Entartung der Russischen Revolution, die bonapartistische Form der Chinesischen Revolution bedeuten trotz ihres Glanzes, dass die Revolution in den kolonialen Ländern mit national begrenzten Perspektiven und mit grundlegenden Deformationen vom allerersten Anfang an beginnt.

Die Revolution in Russland begann als bürgerlich-demokratische Revolution und endete als proletarische Revolution in sehr klassischer Form, mit der führenden Rolle des Proletariats als der entscheidenden Hauptkraft der Revolution. Sie gipfelte im Oktoberaufstand der Arbeiterklasse, der sich durch und durch auf marxistische und internationalistische Perspektiven stützte. Die chinesische Bauernrevolte, die im Bauernkrieg 1944-4 gipfelte, leitete sich in gewisser Weise aus der besiegten Revolution von 1925-27 ab, war aber völlig verschieden von ihr in der Rolle der Arbeiterklasse. Sie war ein Bauernkrieg, der zuerst als Guerillakrieg geführt wurde und in der Eroberung der Städte durch die Bauernarmeen gipfelte.

Die sozialistische Revolution erfordert im Kontrast zu allen früheren Revolutionen die bewusste Teilnahme und Kontrolle durch die Arbeiterklasse. Ohne sie kann es keine Revolution geben, die zur Diktatur des Proletariats führt, so wie es Marx und Lenin verstanden haben, genauso wenig kann es einen Übergang in Richtung zum Sozialismus geben.

Eine Revolution, in der die Hauptkraft die Bauernschaft ist, kann sich nicht zur Höhe der Aufgabe erheben, die ihr von der Geschichte gestellt wird. Die Bauernschaft kann keine unabhängige Rolle spielen. Entweder unterstützt sie die Bourgeoisie oder das Proletariat. Wo das Proletariat keine führende Rolle in der Revolution spielt, kann die Bauernarmee angesichts der Sackgasse der bürgerlichen Gesellschaft und besonders wegen dem Vorhandensein von fertigen Modellen, verwendet werden für die Enteignung der bürgerlichen Gesellschaft durch bonapartistische Manöver zwischen den Klassen und für den Aufbau eines Staates nach dem Vorbild des stalinistischen Russlands.

Die Bourgeoisie der Kolonialgebiete ist zu spät auf die Weltbühne gekommen, um die fortschrittliche Rolle spielen zu können, die die westliche Bourgeoisie bei der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft spielte. Sie sind zu schwach, ihre Ressourcen sind zu begrenzt, um zu hoffen, mit den industriellen Wirtschaften des kapitalistischen Westen zu konkurrieren. Die Kluft zwischen den schwachen und unterentwickelten Wirtschaften der kolonialen Welt und der Metropolengebiete verringert sich keineswegs, sondern nimmt zu. Sie wurde durch den Aufschwung der kapitalistischer Volkswirtschaft in den Metropolengebieten der letzten zwei Jahrzehnten weiter hervorgehoben. Während in der kapitalistischen Wirtschaft im Westen der Lebensstandard der Massen absolut gestiegen ist, obwohl die Ausbeutungsrate sich erhöht hat, gab es einen absoluten Rückgang im Lebensstandard im Osten. Durch die eigenartige Dialektik der Revolution, hat die koloniale Revolution tatsächlich den Wirtschaften der Metropolenländer geholfen, indem sie einen Markt für Produktionsgüter schuf.

Die Imperialisten waren, mit Ausnahme der Portugiesen, gezwungen, die alten Methoden der direkten militärischen Beherrschung in Asien, Afrika und Lateinamerika aufzugeben. Ökonomische Vorherrschaft mit formell unabhängigen Staaten wurde die Norm.

Die Periode seit dem Zweiten Weltkrieg hat beispiellose Erhebungen in den kolonialen Regionen erlebt. Die Periode des nationalen Erwachens aller unterdrückten Völker fand in einem Umfang und auf eine Weise statt, dass militärische Mittel dagegen zum Scheitern verurteilt sind, wie es die Briten selbst auf einer so kleinen Insel wie Zypern erfuhren, die Franzosen in Algerien und morgen der Zusammenbruch des Versuchs, Angola zu unterwerfen, erfahren wird.

Alle diese Revolutionen und nationalen Erwachen haben bei einer Verspätung und Verzögerung der Revolution im Westen stattgefunden. Aber die größte Kraft für Änderung in der Gesellschaft, die von einer internationalistischen Perspektive betrachtet werden muss, liegt immer noch in den entscheidenden Gebieten von Westeuropa, Britannien, Japan und den Vereinigten Staaten in der kapitalistische Welt und von Russland und Osteuropa in den deformierten Arbeiterstaaten. Ein Jahrzehnt oder zwei in der Entwicklung der Gesellschaft sind zwar von grundlegender Bedeutung für RevolutionärInnen, die am tatsächlichen Kampf teilnehmen, aus dem Blickwinkel der Änderung von einer Gesellschaft in eine andere aber zweitrangig. Gerade das Wachstum der kapitalistischen Welt, gerade die Entwicklung der Wirtschaft in den unterentwickelten Gebieten der Welt, zieht die Fäden der Änderung im Weltmaßstab zusammen. Im Bemühen, mit den vorrückenden Wirtschaften der stalinistischen Länder zu konkurrieren, war der Kapitalismus gezwungen, einen großen Teil seiner gesellschaftlichen Reserven zu verwenden. Direkte Herrschaft und Kolonialtribut als Folge einer militärischen Oberhoheit sind verschwunden oder sind am Verschwinden.

Wirtschaftliche Herrschaft und das erdrückende Übergewicht der Metropolenwirtschaften über die gebrechlichen Wirtschaften der Kolonial- oder exkolonialen Staaten ist sogar größer als in der Vergangenheit und nimmt weiter zu. Gleichzeitig hat in den Metropolenländern selbst gerade das Wachstum des Produktionsapparats zu einer Lage geführt, wo sich die gesellschaftlichen Reserven der herrschenden Klasse verringern. Das Wachstum des Monopols, das Wachstum der Industrie, die Industrialisierung der Landwirtschaft, haben alle zum Schrumpfen der Bauernschaft und des Kleinbürgertums und zu einer weiteren Zunahme des entscheidenden Gewichts des Proletariats in der Gesellschaft geführt.

Aus dem Blickwinkel des Marxismus, konnte man sich keine günstigere Lage vorstellen. Die potenzielle Macht des Proletariats sowohl in den deformierten Arbeiterstaaten auf der einer Seite als auch den kapitalistischen Ländern auf der anderen, hat potenziell nie ein größeres Ausmaß als in der gegenwärtigen Epoche erreicht. Von diesem Blickwinkel öffnet sich eine ungeheuer optimistische Perspektive für die Zukunft. Die enorme Aufwallung der Produktivkräfte wird unvermeidlich sein Ende erreichen und zu einer neuen Periode der Lähmung und des Zerfalls wie der Zwischenkriegsperiode in den kapitalistischen Ländern führen. In der Sowjetunion und dem Osten wird die weitere Entwicklung der Produktivkräfte in zunehmendem Maße mit dem Würgegriff der bürokratischen Kontrolle zusammenstoßen. Die Bürokratie wird mit der Entwicklung der Gesellschaft immer unvereinbarer werden. Eine neue Periode der sozialen Revolution im Westen und der politischen Revolution im Osten wird sich eröffnen.

Wir müssen, wenn wir die koloniale Revolution in Asien, Afrika und Lateinamerika betrachten, diese Perspektive ständig im Kopf haben. Wäre Russland ein gesunder Arbeiterstaat, oder auch nur ein Staat mit den verhältnismäßig milden Deformationen der Ära von Lenin und Trotzki gewesen, dann hätte ohne Zweifel die Revolution in allen rückständigen Ländern höchstwahrscheinlich eine andere Gestalt angenommen haben. Wie Lenin optimistisch bei der ersten Welle des revolutionären Erwachens in den rückständigen Ländern der Welt erklärt hatte, wäre es sogar für Stammesgebiete von Afrika ohne jede [kapitalistische] Übergangsperiode möglich gewesen direkt „zum Kommunismus [zu] gelangen“ [Lenin Werke Band 31, S. 232]. Dies hätte selbstverständlich nur auf der Grundlage der Integration der Wirtschaften dieser Länder mit der der mächtigen Sowjetunion sein können; auf der Grundlage einer echten und geschwisterlichen Föderation zum Nutzen aller. Selbstverständlich hätte sich auf jeden Fall das Problem völlig anders gestellt; ein gesunder Arbeiterstaat in Russland hätte zum Sieg der Revolution in Europa und den industriell fortgeschrittenen Ländern der Welt geführt und hätte das Problem für unentwickelte Gebiete so auf eine völlig andere Weise gestellt. Das war das Modell von Marx, der gedacht hatte, mit der Vollendung der Revolution in Britannien, Frankreich und Deutschland wäre der Rest der Welt (mit dem erdrückenden industriellen Übergewicht dieser Gebiete damals) gezwungen, wohl oder übel zu folgen.

Die Erklärung für die Weise, wie sich die Revolution in den Kolonialländern entwickelt, liegt in der Verzögerung und in der Überreife der Revolution im Westen auf der einer Seite und in der Deformation der Revolution in Russland und China auf der anderen Seite. Gleichzeitig ist es unmöglich, in den alten Gleisen und nach den alten Mustern von Gesellschaftsbeziehungen fortzufahren. Wenn die Bourgeoisie aus einem historischen Blickwinkel ihre gesellschaftliche Rolle in den kapitalistischen Metropolenländern im gegenwärtigen Stadium der Weltgesellschaft erschöpft hat, ist sie noch unfähiger, sich zu den Aufgaben zu erheben, die von der Geschichte in den Kolonialgebieten der Welt gestellt werden.

Die verfaulte Bourgeoisie des Ostens und die junge Bourgeoisie Afrikas sind ziemlich unfähig, um sich auf die Höhe der Aufgaben zu erheben, die von der Bourgeoisie im Westen schon lange gelöst sind. Inzwischen können die bürgerlich-demokratische und die nationale Revolution in den kolonialen Gebieten nicht aufgehalten werden. Der Aufstieg des nationalen Bewusstseins in allen diesen Ländern verlangt gebieterisch eine Lösung der Aufgaben, die durch den Druck der entwickelteren Länder des Westens gestellt werden.

Der Niedergang des Weltimperialismus und der Aufstieg von zwei mächtigen stalinistischen Staaten, von Russland in Europa und China in Asien führte zu einem merkwürdigen weltweiten Kräfteverhältnis. Der Bourgeoisie und in einem gewissen Umfang dem nationalen Kleinbürgertum und den oberen Schichten der kolonialen Gesellschaft wurde eine Rolle zugebilligt, die ohne das weltweite Kräfteverhältnis, das sich als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs entwickelte, unmöglich gewesen wäre. Selbst die vergrößerte Rolle, die der afro-asiatische Block in den Vereinten Nationen spielt (allerdings in zweitrangigen Fragen – sie können nicht die gleiche Rolle spielen, wenn es um grundlegende Fragen geht) ist ein Anzeichen für diese Veränderung. Die Konkurrenz zwischen dem Westen und Russland – und jetzt China, Russland und dem Westen – für Hilfe und Unterstützung der herrschenden Zirkel in Afrika, Lateinamerika und Asien, ist ein Anzeichen für das Ergebnis dieses instabilen Kräfteverhältnisses.

Die Degeneration der russischen Revolution und die Stärkung des Stalinismus für eine ganze historische Epoche war der Hauptgrund, warum die Revolution in China von Anfang an nach bonapartistischen Prinzipien anfing. Dies wiederum hat bedeutet, dass die Revolution in anderen Ländern von Asien, Afrika und Lateinamerika ein fertiges bonapartistisches Modell hatte - das im Kopf der führenden Kreise der intellektuellen Schichten mit „Sozialismus“ verbunden ist. Während die chinesische Revolution weitgehend ein Bauernkrieg war und die Bauernarmee Werkzeug des proletarischen Bonapartismus, wurden in den späteren Stadien der Revolution, nach der Eroberung der Macht, mindestens Lippenbekenntnisse zur Herrschaft des Proletariats geleistet. Dies war auch auf Kuba der Fall, wo die Bauernarmee und der Guerillakrieg die vorherrschende Rolle in der Revolution spielten, bis zum Aufstand des Proletariats in Havanna. Nach der Umgestaltung der bürgerlich-demokratischen Revolution unter Führung Castros in einen Staat nach dem Modell von Jugoslawien, China und Russland, wurde auch eine vorherrschende Rolle des Proletariats zugestanden, aber wieder nur in den Wörtern.

Die ganze Geschichte hat gezeigt, dass die Bauernschaft ihrer ganzen Natur als Klasse nach nie die vorherrschende Rolle in der Gesellschaft spielen kann. Sie kann entweder das Proletariat oder die Bourgeoisie unterstützen. Unter modernen Bedingungen kann sie auch die proletarisch-bonapartistischen Führer oder Ex-Führer des Proletariats unterstützen. Aber wenn sie das macht, ist eine Verzerrung der Revolution unvermeidlich. Eine Verzerrung in der einen oder anderen Form nach den Prinzipien eines Militär- und Polizeistaats.

Jeder Marxist, der behauptet, sich auf die wissenschaftliche Theorie Marx und Engels mit ihrer Vertiefung und Ausdehnung in den Ideen von Lenin und Trotzki zu stützen, hat die notwendige Rolle des Proletariats — und in der Rolle des Proletariats die Rolle des sozialistischen Bewusstseins — als Triebkraft des Wechsels vom Kapitalismus in die neue Gesellschaft erklärt. Ohne sozialistisches Bewusstsein kann es keine sozialistische Revolution und keinen Übergang der Gesellschaft zum Sozialismus geben. MarxistInnen wie Lenin und Trotzki haben die Rolle von sozialistischem Bewusstseins und der bewussten Teilnahme des Proletariats im Verlauf der sozialistischen Revolution beim Sturz der alten Gesellschaft nicht aus idealistischen oder sentimentalen Gründen hervorgehoben, sondern weil ohne die Teilnahme des Proletariats an der sozialistischen Revolution (im Westen ist der Erfolg solch einer Revolution ohne die Mobilisierung aller Kräfte des Proletariats unmöglich) und seine bewusste Kontrolle und Organisation der Übergangsgesellschaft, eine Entwicklung in Richtung zum Sozialismus absolut unmöglich ist. Es gibt keinen Automatismus der Produktivkräfte ohne die Kontrolle des Staates durch die ArbeiterInnen — selbst in einem so hoch industrialisierten Staat wie Britannien oder Amerika wäre das bloße Bestehen eines Staates ein kapitalistisches Überbleibsel der Vergangenheit. Ohne bewusste Kontrolle von Seiten des Proletariats, dessen Diktatur alle Elemente des Staatszwangs in die Gesellschaft auflösen soll, gewinnt der Staat schnell wie in Russland und China einen unvermeidlich Schwung und eine eigene Bewegung.

Wenn in China die Bourgeoisie ihre völlige Unfähigkeit enthüllte, eine einzige der Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution zu lösen, werden die Ereignisse die noch größere Unfähigkeit der indischen Bourgeoisie zeigen, ganz zu schweigen von den anderen asiatischen und afrikanischen bürgerlichen Elementen, ein einziges der Probleme zu lösen, das diesen Ländern die Geschichte stellt.

Es ist die Unfähigkeit der Bourgeoisie, Halbbourgeoisie, der oberen Mittelschicht, der Großgrundbesitzer und des Kleinbürgertums, diese Aufgaben zu lösen, die das Problem der permanenten Revolution in einer verzerrten Weise aufwirft. Hätte es starke marxistische Parteien und Tendenzen in den Kolonialgebieten der Welt gegeben, das Problem der Macht hätte sich etwas anders gestellt. Es hätte sich mit einer internationalistischen Perspektive gestellt. Noch mehr als in den industriell entwickelten Ländern des Westens, ist Sozialismus in einem Lande oder, man könnte hinzufügen, in einer Reihe von rückständigen Ländern, ein unmögliches Hirngespinst. Dennoch stellen sich die Aufgaben der Entwicklung in diesen Ländern dringend. Beim Weltkräfteverhältnis, bei der Verzögerung der Revolution im Westen, beim Mangel an marxistischen Parteien in diesen Ländern und beim Kräfteverhältnis zwischen West und Ost, zwischen dem Imperialismus und diesen Ländern und zwischen den Gesellschaftsklassen in diesen Ländern selbst, sind neue und eigenartige Phänomene unvermeidlich. Zum Beispiel mit einer mächtigen chinesischen Revolution an seinen Grenzen, haben die Entwicklungen in Birma eine merkwürdige Form angenommen. Seit dem Ende des Krieges desorganisierte sich die birmanische Gesellschaft. Die nationalen Minderheiten haben einen ständigen Kampf für Selbstbestimmung und nationale Autonomie in ihren eigenen Staaten geführt (Kachin, Schans etc.) und gleichzeitig haben verschiedene Fraktionen der stalinistischen Partei einen kolossalen Guerillakrieg geführt. Eine Regierung folgte der anderen, aber jede war unfähig, die Probleme der birmanischen Gesellschaft zu lösen. Die schwache Bourgeoisie war unfähig, der Gesellschaft ihren Stempel aufzudrücken. Wie die chinesische Bourgeoisie vor ihr war sie unfähig die Gesellschaft zu vereinigen, ihr sozialen Zusammenhalt zu geben und den Landhunger der BäuerInnen zu befriedigen oder die wirtschaftliche Macht des Imperialismus zu brechen. Es ist ein schlagendes Symptom der neue Entwicklung in diesen rückständigen Ländern, dass alle Fraktionen in Birma behaupten, „sozialistisch“ zu sein. Der Imperialismus beherrschte die Wirtschaft durch sein weitgehendes Eigentum an dem, was es an Industrie gab, und den wirtschaftlichen Hauptkräften wie Teeplantagen, Öl und Transport.

Mit dem Vorbild von China an der Grenze wurde es den Oberschichten des Kleinbürgertums immer deutlicher, dass es auf dem Weg der bürgerlichen Gesellschaft keinen Weg vorwärts für Birma gab. Wie in China in den Jahrzehnten vor der Revolution war die Bourgeoisie unfähig, den Guerillakrieg zu beenden und die Entwicklung einer stabilen Gesellschaft und die Einleitung der Industrialisierung und die Schaffung eines modernen Staates sicherzustellen.

Jede aufeinander folgende Regierung machte nur die schwächsten Versuche, die Wirtschaft zu entwickeln. Die Schwäche des Imperialismus, das Kräfteverhältnis national und international, führten zu einer Lage, wo die Offizierskaste sich das Problem stellte, etwas Stabilität in der Gesellschaft zu finden. In all diesen Ländern ist die Entwicklung der bürgerlichen Revolution, eines bürgerlich-demokratischen Staats und eine Entwicklung hin zu einer modernen bürgerlichen Demokratie über einen längeren Zeitraum unmöglich wegen dem bestehenden Kräfteverhältnis der Klassen und Nationen und wegen dem Druck der Weltwirtschaft. Folglich war eine Form von Bonapartismus, eine Form von Militär- und Polizeistaat in Birma unvermeidlich. Die Kaste der Armeeoffiziere sah sich selbst in der Rolle der einzigen Schicht, die die Gesellschaft vor Zerfall und Zusammenbruch „retten“ konnte, da die schwächliche Bourgeoisie offensichtlich keine Lösung bot. Folglich entschied sich die Offizierskaste, die als eine der „sozialistischen“ Fraktionen teilgenommen hatte, dass der einzige Weg vorwärts nach dem Modell des „sozialistischen“ Chinas gehe, nannten es aber ein „birmanisches Modell“ des „Sozialismus“. Sie sind schnell nach vertrauten Prinzipien vorgegangen — ein totalitärer Einparteienstaat und die Verstaatlichung des ausländischen Vermögens, einschließlich Öl, Tropenholz, Transport etc. Sie haben mit der Enteignung der einheimischen Bourgeoisie begonnen. Sie drohten sogar mit der Verstaatlichung der keinen Läden. Sie stützten sich selbst auf die BäuerInnen und die Arbeiterklasse. Aber sie haben nicht das Modell des wissenschaftlichen Sozialismus, sondern ihr Programm ist im Gegenteil eins von „birmanisch-buddhistischem Sozialismus“.

So sehen wir den selben Prozess in diesem oder jenem Tempo in allen Kolonialländern. Im Moment wird der Prozess in den arabischen Ländern deutlich, die im letzten Jahrzehnt in einem Zustand der Gärung waren. In Ägypten wurde die Revolution gegen das ohnmächtige und korrupte Faruk-Regime, die Agentur des Imperialismus, von der Offizierskate geführt. Im Laufe der Zeit nahm Nasser die Politik des „arabischen Sozialismus“ an. Die Einförmigkeit, mit der solche Tendenzen in allen Ländern auftreten, ist verblüffend. Der große Assuan-Staudamm gehörte von Anfang an dem Staat. Unter dem Einfluss der Wirtschaftskrise im Weltmaßstab kann man vorhersagen, dass die herrschende Kaste mit der Unterstützung der ArbeiterInnen und BäuerInnen den Rest der Wirtschaft verstaatlichen wird. Die Bourgeoisie ist so schwach und ohnmächtig, dass sie unfähig zum Widerstand ist. Die Offizierskaste, die die Revolution durchführte, unleugbar mit der Unterstützung und Sympathie der Massen, machte das, weil es unter dem alten System keine Perspektive moderner Entwicklung für die Nation gab. Es gab keine Kräfte, die fähig gewesen wären, so einer Veränderung Widerstand zu leisten. Der Imperialismus ist zu schwach und hat aus dem Scheitern der Kriege gegen die nationalen Revolutionen in der Nachkriegsperiode gelernt. Mit dem Modell von Russland, China und jetzt einer ganzen Reihe von Staaten, mit dem Vorbild der Entwicklungen in Algerien, gibt es keinen Zweifel, dass die herrschende kleinbürgerliche Kaste (und auch die Basis, die das bonapartistische Regime von Nasser unter den ArbeiterInnen und BäuerInnen hat) die schrittweise völlige Verstaatlichung der Produktivkräfte unterstützen wird. Nur so kann der ägyptische Staat in die Weltentwicklungen eintreten. Es ist für diese Kaste leicht, diese Rolle zu spielen, weil ihre eigenen Privilegien und Einkommen, ihre gesellschaftliche Rolle, verstärkt und vergrößert werden können. Das bürgerliche System in diesen Gebieten ist so erschöpft und vorzeitig im Niedergang, dass es keine Entwicklungsperspektive bitten kann.

Die schlagendste Bestätigung dieser These sind die Ereignisse im Irak. Die Kommunistische Partei schaffte es — durch ihren feigen Opportunismus und wegen der Politik von Chruschtschow, den Imperialisten in dieser Region keinen Probleme zu machen — nicht, die revolutionäre Lage zu nutzen, die durch den Fall des alten Regimes hervorgerufen wurde. Der Stoß der Massen endete in Enttäuschung und Demobilisierung. Trotzdem bereitete das Kassem-Regime, während es einen Krieg gegen die KurdInnen führte, gleichzeitig Verstaatlichungsmaßnahmen vor. Der jüngste konterrevolutionäre Putsch der Armee fand statt, um diese Maßnahmen zu verhindern. Aber um sich jetzt an der Macht zu halten und angesichts der Hoffnungslosigkeit der Lage, hat genau die Kaste, die den reaktionären Krieg gegen das kurdische Volk führt und den blutigen konterrevolutionären Putsch gegen das auf Zeit spielende Regime unternahm, jetzt Verstaatlichungsmaßnahmen angekündigt, die alle wichtige Industrie und die Banken umfassen. Ein großer Teil von ihnen war in ausländischem Eigentum, aber trotzdem hat dieser Putsch stattgefunden. Wie in Algerien wurde die Ölindustrie vorläufig bei diesen Maßnahmen ausgespart, aus Angst vor Gegenmaßnahmen der mächtigen internationalen Ölkonzerne. Aber die Tendenz ist da und wird sich in der nächsten Periode weiter verstärken.

In Asien nähert sich der unbarmherzige Bauernbefreiungskrieg in Vietnam, der seit 20 Jahren ununterbrochen weitergegangen ist, dem Ende. Die amerikanische Stellung in Südvietnam und morgen in Südkorea wird unhaltbar. Der Versuch, den alten halbfeudalen Großgrundbesitzer-Kapitalisten-Staat zu stützen, ist zum Scheitern verurteilt, besonders mit dem Beispiel China in der nahen Nachbarschaft. Die weitsichtigsten Vertreter der Bourgeoisie sind sich dieses Prozesses wohl bewusst. De Gaulle hat nach seiner Erfahrung in Algerien dieses Problem klar verstanden und möchte daraus im nationalen Interesse Frankreichs Nutzen ziehen. Sie verstehen, dass der amerikanische Unterdrückungskrieg so hoffnungslos wie die französische Haltung in Algerien ist. Sie sehen, dass Kapitalismus und Großgrundbesitz in dieser Region dem Untergang geweiht sind. Wie mit diesem Problem klarkommen? Bei einem Bauernkrieg unter stalinistischer Führung und mit einer nur beschränkten nationalistischen Perspektive stellt sich die Frage revolutionärer Ansteckung im Westen nicht. Die Region ist auf alle Fälle nicht mehr zu halten. Warum dann nicht dafür sorgen, das der Sieg eines nationalistisch-stalinistischen Regimes in Vietnam und dem Rest von Indochina von China unabhängig ist, so wie Jugoslawien von Russland unabhängig ist? Sie wollen ein Vietnam — sobald das bedauerliche und unausweichliche Ende des Kapitalismus in der Region als Perspektive akzeptiert ist — das in der Frage von Hilfe und Unterstützung in Richtung Frankreich und sogar Amerika schauen würde, um es als von Rotchina unabhängige Macht zu stützen. Die Perspektive Amerikas in Bezug auf Jugoslawien, Polen und Rumänien ist ihre Perspektive für Südostasien. Sie betreiben eine Politik des kleineren Übels. Warum nicht aus einer schlechten Angelegenheit das Beste machen und die Widersprüche zwischen den nationalen stalinistischen Regimes nach Kräften nutzen? Schließlich stellen sie keine direkte soziale Bedrohung für die Metropolengebiete dar, nicht mehr als es Algerien unter nationalistischer Führung für Frankreich war.

In Afrika spricht Nkrumah in Ghana von „afrikanischem Sozialismus“. Unter dem Einfluss der Ereignisse ist es nicht ausgeschlossen, dass Ghana die gesamte Industrie übernehmen könnte. Dies wäre der Fall im Falle einer Wirtschaftskrise im Weltmaßstab.

Ein ähnlicher Prozess findet in der algerischen Revolution statt. Algerien hat mit einem nationalrevolutionären Krieg gegen koloniale Unterdrückung begonnen und befindet sich in einer Sackgasse. Entlang der Linien der kapitalistischen Gesellschaft kann es keine Lösung für seine Probleme geben, mit dem Ergebnis, dass Ben Bella und die FLN Schritt für Schritt in die Richtung einer „sozialistischen Lösung“ gedrängt werden.

Algerien hat gegenwärtig kein Industrieproletariat. Der Krieg wurde weitgehend von einer bäuerlichen Guerillaarmee, stark unterstützt von ländlichen ProletarierInnen und HalbproletarierInnen, geführt. Wenn sich die Führung des französischen Proletariats revolutionär verhalten hätte, hätte es eine Wirkung auf den algerischen Kampf gehabt, aber der Verrat der französischen Sozialistischen und Kommunistischen Parteien stieß den Kampf des algerischen Volkes durch die FLN wiederum auf eine rein nationalistische Grundlage. Dies wiederum führte zu einer Lage, wo die französischen ArbeiterInnen und TechnikerInnen in Algerien, kleine Siedler und Händler in die Arme der faschistischen OAS getrieben wurden. Die Elemente in Algerien, die die Sozialistischen und Kommunistischen Parteien unterstützten, liefen zur OAS über. Dies wiederum verschärfte den Konflikt. Der Sieg der Revolution führte zur Flucht der französischen TechnikerInnen, HandwerkerInnen und FacharbeiterInnen nach Frankreich, was außerordentliche Schwierigkeiten für den neuen algerischen Staat schuf. Von Anfang an war die Kontrolle in Algerien auf der Grundlage von Bonapartismus. In den frühen Stadien bestanden die Elemente von Arbeiterkontrolle in den Unternehmen und teilweise auf den vom Imperialismus enteigneten Gütern, aber sie können für die Zukunft keine entscheidende Bedeutung haben. Ohne ein industrielles Proletariat und ohne eine bewusste revolutionäre Partei, bei einer zur Hälfte arbeitslosen Bevölkerung, wird das Regime einen immer bonapartistischeren Charakter annehmen.

Die Geschichte wird zeigen, ob dies eine proletarische Form des Bonapartismus oder eine bürgerliche Variante von Bonapartismus sein wird.

Die Entwicklung der Ereignisse sollte die Führung der FLN und die Armee in die Richtung der Errichtung des Regimes von verstaatlichtem Eigentum und Staatseigentum führen. Mit der nationalistischen Perspektive der Führung, bei der sozialen Organisation von Algerien, bei dem Fehlen eines bewussten Proletariats und bei der gegenwärtigen Weltlage kann es nur eine stalinistische Diktatur nach dem gewohnten Modell sein — ein deformierter Arbeiterstaat.

Symptomatisch für den Prozess ist die Entwicklung der Ideologie, wie sie Ben Bella vertritt — algerischer „moslemischer“ Sozialismus. Dieser buddhistische Sozialismus, afrikanische Sozialismus, moslemische Sozialismus und verschiedene andere Verirrungen von ähnlichem Charakter fassen den Prozess zusammen, der in den rückständigen Ländern der Welt stattgefunden hat. Der Unterschied zwischen diesen Revolutionen und den proletarischen Revolutionen, wie sie sich Marx und Lenin vorgestellt haben, fasst sich in dem Unterschied zwischen „buddhistisch-moslemischem Sozialismus“ und bewusstem „wissenschaftlichem“ Sozialismus zusammen.

Natürlich würde jeder Revolutionär, der diesen Namen verdient, die Entwicklung der kolonialen Revolution selbst entlang von bürgerlichen Linien begeistert feiern; jeder Schlag gegen den Imperialismus, jede Aufhebung der Ketten der nationalen Unterdrückung stellt einen Schritt vorwärts im Kampf für Sozialismus dar und selbst das würde von allen aufgeklärten Elementen in der Gesellschaft begrüßt werden. So ist in den letzten 15 Jahren die Entwicklung der kolonialen Revolution egal in welcher Form ein enormer Schritt vorwärts für das Weltproletariat und für die Masse der Menschheit insgesamt. Sie bedeutet, dass Völker die Bühne der Geschichte betreten, die vom Imperialismus auf dem Niveau einer tierischen Existenz gehalten wurden; einer Existenz, die kaum wert war, menschlich genannt zu werden.

Wenn daher die revolutionäre Arbeiterklasse selbst in einer bürgerlichen Form den Sieg der kolonialen Revolution und nationale Unabhängigkeit als Schritt vorwärts feiern würde, stellt die Niederlage von Kapitalismus und Großgrundbesitz, die Zerstörung der Elemente der bürgerlichen und Großgrundbesitzergesellschaft offensichtlich im Fortschritt dieser Länder und im Fortschritt der Menschheit einen noch größeren Schritt vorwärts dar.

Im Prozess der permanenten Revolution stößt das Versagen der Bourgeoisie, die Probleme der kapitalistischen demokratischen Revolution unter den Bedingungen der kapitalistischen Gesellschaft der modernen Zeit zu lösen, zum revolutionären Sieg.

Selbst der Sieg einer marxistischen Partei mit dem Wissen und Verständnis des Prozesses der Deformation und Degeneration von Russland, China und anderen Ländern wäre angesichts des gegenwärtigen weltweiten Kräfteverhältnisses nicht ausreichend, die Deformation der Revolution entlang von stalinistischen Linien zu verhindern.

Ein revolutionärer Sieg in rückständigen Ländern wie Algerien muss unter den gegenwärtigen Bedingungen einfach entlang der Linien eines totalitären stalinistischen Staates sein, auch wenn er einen gewaltigen Sieg für die Weltrevolution und das Weltproletariat darstellt, den die Vorhut und das Weltproletariat begeistert unterstützten und bei dem sie helfen würde. Es würde zwar einen gewaltigen Schritt vorwärts aus dem Blickwinkel der Beendigung der Stagnation und Beschränkung der Produktivkräfte darstellen, die vom Imperialismus, Kapitalismus und Großgrundbesitz aufgezwungen werden und würde diese Länder auf den Weg einer modernen industrialisierten Gesellschaft bringen, kann die Probleme, vor denen diese Gesellschaften stehen, aber nicht lösen. Neue Widersprüche auf höherem Niveau werden sich unerbittlich stellen. Die Verzögerung der Revolution im Westen hat als Strafe für die Kolonialvölker, dass die Revolution gegen Imperialismus und Großgrundbesitz, wenn sie zur proletarischen Revolution vorrückt, auf der Grundlage von bonapartistischer Deformation stattfindet.

Es ist ein schlagendes Anzeichen für die Schwäche „marxistischer“ Theoretiker und ihren Mangel an Gewissenhaftigkeit gegenüber den Problemen der sozialistischen Revolution, dass die Probleme der verschiedenen Länder nirgends aus dem Blickwinkel der Weltrevolution und des Weltsozialismus betrachtet werden. Selbst in den Reihen der Vierten Internationale werden unter dem Druck des großen historischen Rückzugs bei Theorie und Ideen Wundermittelchen an die Stelle einer marxistischen Perspektive gestellt.

Von allen geschichtlichen Tendenzen begann allein die des Bolschewismus mit einer klaren internationalistischen Perspektive. Die russische Revolution wurde klar und bewusst als der Beginn der Revolution in Europa durchgeführt. Diese internationalistische Perspektive, eine unabdingbare notwendige Grundlage für die sozialistische Revolution, durchdrang nicht nur die führenden Kader sondern auch die Massen des Volkes, das von den Bolschewiki geführt wurde. Internationalismus wurde nicht als Feiertags- oder sentimentale Phrase gesehen, sondern als organischer Bestandteil der sozialistischen Revolution. Internationalismus ist eine Folge aus der Einheit der Weltwirtschaft, deren Entwicklung in ein einheitliches wirtschaftliches Ganzes die geschichtliche Aufgabe des Kapitalismus war. Wenn Russland mit all seinen ungeheuren Ressourcen und einem überaus bewussten Proletariat, mit der feinsten marxistischen Führung, seine Probleme trotz einer kontinentgroßen Basis und Ressourcen nicht lösen konnte, ist es lächerlich, wenn MarxistInnen auch nur denken, dass es in der gegenwärtigen Weltkonjunktur in einem dieser rückständigen Länder isoliert von irgend einem gesunden Arbeiterstaat möglich sein könne, etwas außer einem bonapartistischen Staat mit mehr oder weniger unterdrückerischem Charakter aufrechtzuerhalten.

Internationalismus und bewusste Führung — die zwei gehen zusammen — sind ein organischer Bestandteil des Marxismus. Ohne sie ist es unmöglich, die notwendigen Schritte in Richtung auf eine sozialistische Gesellschaft zu unternehmen. Keiner dieser Staaten ist im Verhältnis zur Bevölkerung auch nur so industriell entwickelt, wie es Russland zur Zeit der Revolution war. Industrielle Entwicklung einer rückständigen Wirtschaft mit dem Druck des Imperialismus und des sowjetischen und chinesischen Bonapartismus, dem Druck der inneren Widersprüche, das würde in einer sich entwickelnden Wirtschaft, die eine Knappheitswirtschaft ist, unausweichlich den Aufstieg privilegierter Schichten bedeuten. Die Unabhängigkeit des Staats von seiner Massenbasis, die alle diese Länder gemeinsam haben (selbst wo sie die entweder begeisterte oder passive Unterstützung durch die Massen hatten oder haben) — alles zeigt, dass es auf der Grundlage der Rückständigkeit unmöglich ist, den Prozess der Auflösung des Staats in die Gesellschaft zu beginnen. Der notwendige Abbau der vorübergehenden Staatsstrukturen, der in einer Gesellschaft mit wirklicher demokratischer Kontrolle und Beteiligung auf Seiten der Bevölkerung stattfinden würde, ist selbst eine unverzichtbare Vorbedingung für einen gesunden Übergang zum Sozialismus. So hängt die weitere Entwicklung dieser Staaten von der Entwicklung der Weltrevolution ab.

In jenen kolonialen oder exkolonialen Ländern, wo die Bourgeoisie vorübergehend in der Lage war, ein prekäres Gleichgewicht zu halten, wie in Indien und auf Sri Lanka, haben sie einen Schein von bürgerlicher Demokratie aufrecht erhalten. In vielen Staaten in Asien und Lateinamerika wurde die bürgerliche Demokratie in der einen oder anderen Form auf der Grundlage des wirtschaftlichen Aufschwungs aufrecht erhalten, der sich seit dem Krieg entwickelte. In Indien, das vielleicht die stärkste Bourgeoisie von allen exkolonialen Ländern hat, schaffte es dieses Regime, sich zu behaupten, aber die Bourgeoisie in der kolonialen Welt hat keine wirkliche Perspektive. So wird zu Beginn der ersten tiefen Wirtschaftskrise die Demokratie dem Untergang geweiht sein, wenn sich der Kapitalismus in Indien hält. Die Bourgeoisie wird den Weg des bürgerlichen Bonapartismus beschreiten, um sich zu halten. Der Prozess zeigte sich klar in Pakistan. In den anderen Ländern von Asien und praktisch in allen Ländern von Afrika konnten sich die Oberschichten der Gesellschaft nur auf der Grundlage eines bonapartistischen Einparteienstaats halten — Ghana, Ägypten etc. Auf einer bürgerlichen Grundlage werden solche Länder zu Verfall und Degeneration verurteilt sein. Wirtschaftlich, politisch, sozial kann die Bourgeoisie die Probleme nur entwickeln und verschärfen. In Indien hat die Bourgeoisie das Problem des Großgrundbesitzes, das nationale Problem oder auch nur das Kastenproblem nicht gelöst. Der Lebensstandard ist trotz der industriellen Entwicklung, die stattgefunden hat, tatsächlich im Verhältnis zur Bevölkerungszunahme zurückgegangen. Von allen diesen Staaten hatte die indische Bourgeoisie vielleicht die beste Gelegenheit, den Weg der Entwicklung einer modernen Wirtschaft und eines modernen Staates zu beschreiten.

Der Imperialismus half auf der einen Seite Indien und untergrub die Stellung der indischen Bourgeoisie auf der anderen Seite durch Terms of Trade und für Investitionen herausgepresste Tribute. Wenn es eine gewisse Entwicklung bei der Industrie gab, bestanden die Exporte solcher Länder in Leichtindustrieprodukten wie Textilien, während die Importe schwere Maschinen waren. Mit der enormen Entwicklung des Handels durch die Arbeitsteilung unter den Metropolenländern selbst, konnten sich die Imperialisten eine gewisse Großzügigkeit bei Importen von Leichtindustrieprodukten aus den Kolonialländern leisten. Aber die letzten Jahrzehnte waren die besten wirtschaftlichen Umstände, unter denen diese Länder innerhalb des Weltmarkts funktionieren konnten, an den sie gekettet sind wie Prometheus an den Felsen, und aus dem es kein Entkommen gibt. Selbst in der günstigsten Periode für den Kapitalismus insgesamt haben die Wirtschaften der Kolonialländer im Verhältnis zu denen der fortgeschrittenen Länder eine größere Verschlechterung erlitten als in der Periode der kolonialen Abhängigkeit in den Jahren vor dem Krieg. Wenn die mächtigen imperialistischen Staaten vor der Frage stehen, nach einem Ausweg zu suchen, um sich selbst aus der Krise zu retten, die der Wirtschaftsabschwung bringen wird, werden die „Zugeständnisse“, die sie den Kolonialländern aus Angst vor der Revolution in ihnen machen, enden, um die mächtige soziale Explosion zu verhindern, die in ihren eigenen Metropolengebieten droht. So werden sich neue Krämpfe und neue Stürme in den Metropolengebieten und gewiss in den Kolonialländern entwickeln.

Niemand, weder Marx noch Lenin noch Trotzki, konnte eine Blaupause für die Entwicklung der Gesellschaft zeichnen. Nur die grundlegenden und breiten Perspektiven konnten skizziert werden. Das Versagen der Revolution im Westen, die Degeneration des Stalinismus, das Scheitern der aufeinander folgenden Wellen der sozialen Revolution in Westeuropa, die Vereitelung der sozialen Revolution im Westen und die Ausdehnung und Festigung des Stalinismus im Osten waren der Welthintergrund, vor dem das revolutionäre Erwachen der Kolonialvölker stattgefunden hat.

In Asien hat die chinesische Revolution der Entwicklung der Ereignisse ihren Stempel aufgedrückt. Die Bemühungen des amerikanischen Imperialismus in Vietnam, in Südkorea und in anderen Anhängseln Chinas haben nur die morschen Gesellschaftsformationen der Vergangenheit gestützt. Sie haben versucht, in das Vakuum einzudringen, das durch die Vertreibung des anglo-französischen und japanischen Imperialismus aus diesen Gebieten erzeugt wurde. Die Militär- und Polizeistaaten in Südvietnam und Südkorea und anderen Gebieten in Südostasien können nur mit dem morschen Regime von Tschiang Kai-schek in der Periode vor dem Zweiten Weltkrieg verglichen werden. Die schwache Bourgeoisie in diesen Ländern kann die Probleme der bürgerlich-demokratischen Revolution nicht lösen. Ohne die Intervention von amerikanischen Truppen und Geld in Vietnam und Südkorea würden diese Regime über Nacht zusammenbrechen. Selbst mit der Unterstützung des amerikanischen Imperialismus wird der unerbittliche Bauernkrieg in Südvietnam, der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ununterbrochen weitergegangen ist, das Regime untergraben und den Sieg der Bauernarmeen langfristig gewiss machen. Vietnam ist so sehr eine Belastung wie es Tschiang Kai-schek war. Nur die Ressourcen des amerikanischen Imperialismus lassen es zu, Dollar in ein Fass ohne Boden zu schütten. In der unmittelbaren Nachkriegsperiode half nur die verräterische Politik des Stalinismus, vor allem der russischen Bürokratie, ein instabiles Kräftegleichgewicht in Asien zu bewahren — besonders im Südosten. Aber die Unmöglichkeit, einen Weg zur Entwicklung einer modernen Gesellschaft in diesen Gebieten zu finden, verurteilt diese Regime dazu, im Abfalleimer der Geschichte zu landen. Folglich ist der Zusammenbruch dieser Regime sicher, sobald der Druck des amerikanischen Imperialismus sich aus irgend welchen Gründen verringert.

Entwicklungen in Birma, in Laos, in Kambodscha sind alle Aneichen für den Weg, auf dem sich der Prozess entwickeln wird. Auf dem Weg des Kapitalismus gibt es für alle Länder von Asien keinen Weg vorwärts. In der einen oder anderen Form wird es einen Impuls in die Richtung der sozialen Revolution geben. In Indien und auf Sri Lanka, besonders in ersterem, mit einem entwickelten Proletariat, besteht die Möglichkeit, dass die bürgerlich-demokratische Revolution sich in eine sozialistische auf der Grundlage der klassischen Ideen der permanenten Revolution verwandeln könnte. Die Errichtung einer Arbeiterdemokratie wäre ihre krönende Errungenschaft, sobald die bürgerlich-demokratische Revolution verwirklicht wäre, bei der das Proletariat direkt durch eine revolutionäre Partei den Kampf um die Macht führt. Aber in diesen Ländern könnte selbst unter der Führung einer trotzkistischen Partei wie der Lanka Sama Samaja Party auf Sri Lanka die Eroberung der Macht durch das Proletariat und die feste Errichtung der Arbeiterdemokratie nur eine Episode sein, der die Deformation oder Konterrevolution in stalinistischer Form folgen würde, wenn ihr nicht innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeitperiode der Sieg der Revolution in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern folgen würde. Es wäre natürlich selbst als „Episode“ von ungeheurer geschichtlicher Bedeutung für das Proletariat der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder und auch für die Völker der unterentwickelten Gebiete der Welt. Aber selbst die größte revolutionäre Theorie kann das Problem ohne die notwendige materielle Basis nicht lösen. Nur die völlige Unfähigkeit des überlebten Kapitalismus, die Probleme in seinen Randgebieten zu lösen, könnte zur Machteroberung in diesen Ländern führen. Natürlich hätte der Sieg des Proletariats in einem Subkontinent wie Indien ungeheure Folgen in Britannien und auch anderen europäischen Ländern, wenn er sich entlang der Linien der Revolution in China 1925-27 entwickeln würde, bei der das Proletariat die entscheidende Rolle spielte. Auf der anderen Seite würde sich jede Entwicklung der Revolution entlang der Linien der chinesischen Revolution von 1944-49, bei der die Bauernschaft die entscheidende Rolle durch einen Guerillakrieg spielte, auf die selbe Weise wie die chinesische Revolution 1944-49 entfalten.

Aber die Entwicklung der Industrie in Indien, die verschiedenen Traditionen im Land geben dem Proletariat ein überwiegendes Gewicht im gesellschaftlichen Leben des Landes. Wenn die indischen MarxistInnen rechtzeitig eine revolutionäre Partei schaffen würden, könnten sie die Arbeiterklasse mit dem Ziel der Schaffung einer Arbeiterdemokratie an die Macht führen, mit dem Ziel, die Bauernschaft zum Sturz des Großgrundbesitzerregimes auf dem Lande zu führen; mit dem Ziel der Vereinigung des Landes als Schritt zur internationalen sozialistischen Revolution.

Das stalinistische China ist in seinem ganzen Erscheinungsbild, seinen Methoden, seiner Ideologie nicht zufällig mit dem engen Nationalismus einer Bürokratenkaste zufrieden. Wenn im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus eine ganze Mannigfaltigkeit von Regimes in allen Regenbogenfarben aufgetreten ist, liegt das daran, dass in diesem Prozess die Entwicklung der Produktivkräfte selbst eine gewisse Autonomie des Prozesses sichergestellt hat, sobald die entscheidende bürgerliche Revolution in Britannien, Frankreich und Amerika erreicht war.

Aus Gründen, die Trotzki in einer ganzen Reihe von Schriften und die britischen MarxistInnen in der Nach-Trotzki-Periode skizziert haben, war historisch, da sich die Revolution zuerst in den rückständigen und schwächsten Ländern entwickelte, dieser Faktor (das Zusammenbrechen des Kapitalismus in seinen schwächsten Kettengliedern) für eine vorübergehende Periode entscheidend bei der Entfaltung der Verzerrungen und Deformationen, mit denen sich die Revolution in diesen Ländern entwickelt.

Die nationalen Beschränkungen der chinesischen Stalinisten, ihre Beharren auf dem Streit mit den russischen Stalinisten, bei dem sie reaktionäre stalinistische Ideen der schlimmsten Art mit demagogischen antiimperialistischen Forderungen mischen, ist vor allem ein Anzeichen für ihre Unfähigkeit, die Probleme der Weltrevolution und ihre wirklichen Ziele und Interessen wirklich zu verstehen. Selbst die Lösung des nationalen Problems der „unentwickelten“ Gebiete der Welt nehmen sie nur als Teil der diplomatischen Manöver des chinesischen Staates wahr. Ihre Idee, dass jedes Land eine nationale Einheit bildet, um seine eigene Spielart des Sozialismus aufzubauen, ist durch und durch reaktionär. Aber die Idee des „Sozialismus in einem Lande“ ist nicht vom Himmel gefallen; sie spiegelte die Interessen der begrenzten bürokratischen Kaste in Russland und ähnlich in Jugoslawien, Albanien, Rumänien, Korea wider, diese Ideen spiegeln den selben Prozess und die selben Widersprüche wider. Vor mehr als anderthalb Jahrzehnten sagten die britischen TrotzkistInnen im Voraus den Sieg des chinesischen Stalinismus voraus und prophezeiten auch die Wahrscheinlichkeit, sogar die Unausweichlichkeit, dass diese nationalistische Clique mit ihren Moskauer Brüdern zusammenstößt und sich von ihnen abspaltet. Die Revolution in China hatte in diesem Sinne einen zweiseitigen, widersprüchlichen Charakter. Sie war ungeheuer fortschrittlich in ihrer Lösung des Problems der chinesischen Entwicklung und gab dem nationalen Erwachen von zwei Dritteln der Menschheit Anstoß, die in den sogenannten „unterentwickelten“ Gebieten der Welt zu Hunger und Elend verurteilt sind, gleichzeitig verstärkte sie die stalinistische Diktatur in Russland weiter und stärkte den Stalinismus auf der ganzen Welt. In den Metropolenzentren des Kapitalismus konnten sich die stalinistischen Parteien nicht nur im Mantel der russischen Revolution wärmen, den sie an sich gerissen hatten, sondern auch im Ruhmesglanz der großen chinesischen Revolution. Die Geschichte des chinesischen Stalinismus würde zeigen, dass er seit seinem Machtantritt sich nie über den engen nationalen Horizont erhob, und das, was den Charakter seiner Ideologie, Methoden und Perspektiven betraf, auch nie konnte.

Seine Methoden in Asien, selbst bei der Intervention im Koreakrieg, waren nicht von internationalistischen Erwägungen diktiert, sondern rein von den strategischen politischen und wirtschaftlichen Interessen des „chinesischen Staats“, das heißt der Bürokratie selbst. Sein opportunistisches Abkommen mit der Nehru-Regierung [von Indien], die Gesellschaftsbeziehungen des feudalen theokratischen Staats von Tibet nicht zu ändern, wurde von dem Versuch der Konterrevolution in Tibet vereitelt, der die Bürokratie zwang, sich auf die Leibeigenen und BäuerInnen zu stützen und die alte tibetische Gesellschaft zu zerstören. Selbst in dem Krieg mit Indien an der Grenze und der strategischen Straße zwischen Sinkiang (Xinjiang) und Tibet, wurde ihre Kriegführung nur von nationalistischen Erwägungen diktiert und nicht von der Hervorrufung von Klassenkampf innerhalb von Indien selbst. Ihre Kritik an Moskau und der opportunistischen Politik der französischen, italienischen und andren Kommunistischen Parteien im Westen ist mehr oder weniger nachgeschoben und ein Versuch, Unterstützung für die Politik und Methoden und Ideen des chinesischen Staats zu bekommen. Zu keiner Zeit warf sie die für den Marxismus grundlegende Idee einer Föderation von ganz Asien auf sozialistischer Grundlage auf.

Zu keiner Zeit warf sie das Problem einer russisch-chinesischen Föderation auf, die automatisch auf der Tagesordnung gestanden hätte, wenn es in China eine Revolution nach leninistischen Prinzipien und ein leninistisches Regime in der Sowjetunion gegeben hätte. So müssen das Proletariat und die BäuerInnen, die Völker dieser Länder, mit einer neuen Revolution zahlen, bevor die chinesische Revolution und die anderen Revolutionen in Asien auf den Weg des Übergangs zum Sozialismus gebracht werden können, diesmal keiner sozialen Revolution, sondern einer politischen Revolution zur Einführung von Arbeiterdemokratie.

Es ist, vielleicht unbewusst, die geschichtliche Aufgabe dieser Regime, die materiellen und gesellschaftlichen Kräfte (in gewissem Umfang die geschichtliche Aufgabe, die der Kapitalismus in diesen Ländern nicht im gleichen Umfang wie im Westen entwickeln konnte) des Proletariats und der Industrie zu bereiten, um die Grundlage für den Sozialismus zu bereiten. Der Sieg in den rückständigen Ländern von Asien, der sozialen Revolution in bastardisierter Form, ruft gerade mit dem Wachstum der Produktivkräfte innere Widersprüche hervor und, was die fortgeschrittenen ArbeiterInnen im Westen und das Proletariat als Ganzes betrifft, eine Verwirrung der Ideen bezüglich des Sozialismus und seiner Aufgaben.

Die russische Revolution erzeugte ein ungeheures revolutionäres Erwachen des Proletariats des Westens und Ostens. Sie hob das Bewusstseinsniveau des schlafenden Proletariats von Westeuropa in eine Höhe, die es in der Geschichte noch die gegeben hatte. Sie hob die Ideen der Theorie, des Verständnisses des Marxismus auf eine neue, höhere Ebene. Die Idee von Sowjets, der Arbeiterkontrolle, der Arbeiterdemokratie, der Übergangsgesellschaft wurden von breiten Schichten der fortgeschrittenen ArbeiterInnen im Westen verstanden. Diese Bewusstsein erwuchs auf der Grundlage der größten demokratischen und sozialen Massenbewegung in der ganzen Menschheitsgeschichte. In ihren befreienden Wirkungen, in ihren theoretischen Schlussfolgerungen, in ihrem Heben des Niveaus des Massenbewusstseins verblassten selbst die Pariser Kommune und die Lehren, die der Genius Marx aus ihnen zog, zur Bedeutungslosigkeit.

Hätte die Revolution 1925-27 in China Erfolg gehabt, hätte das nur mit einem ähnlichen Muster wie die Ereignisse von 1917 sein können. Deshalb schaute Trotzki damals zuversichtlich auf die Wirkungen, die die chinesische Revolution auf Russland haben würde, die zum Sturz der Sowjetbürokratie führen würden, weil sie mit ihrer revolutionären Hitze das sowjetische Proletariat wecken und mobilisieren würden. Gleichzeitig hätte sie eine Wirkung im Proletariat der kapitalistischen Länder des Westens gehabt und so die Revolution zu einem unlösbaren Knoten verbunden.

Trotzki schaute auf diese Entwicklung der „permanenten Revolution“ weil er die chinesische Revolution mit dem Hintergrund und der Perspektive des Weltsozialismus betrachtete.

Die Bürokratie in Russland betrachtete die Revolution 1949 bestenfalls mit lauwarmer Zustimmung (Stalin und die Bürokratie konnten nicht an die Möglichkeit eines revolutionären Sieges selbst in der karikierten Form, in der er stattfand, glauben), betrachte den Sieg einer bastardisierten bürokratischen Form aber nicht als Bedrohung für ihre Stellung oder, wenn man so will, eine unmittelbare Bedrohung für die Stellung der Bürokratie in der Sowjetunion. Sie konnte das auch nicht.

Es ist eine unbestreitbare geschichtliche Tatsache, die die britischen MarxistInnen vorhersahen und erklärten, dass iroischerweise die Ausdehnung der Revolution nach China, Osteuropa und in andere Länder von Asien, wo bonapartistische Regime errichtet wurden, zum Zusammenhalt, zum Selbstvertrauen und zur Macht der Bürokratie in der Sowjetunion für eine ganze Geschichtsperiode beitrugen.

Man muss nur die Revolution in einem rückständigen Land, Spanien (das Trotzki mit den Verhältnissen eines asiatischen Landes statt denen eines modernen europäischen Staates verglich) vergleichen, um den Unterschied zu sehen, den eine Revolution, in der das Proletariat die entscheidende und vorherrschende Rolle spielt, in ihren nationalen und internationalen Wirkungen machen muss. Wenn die Revolution 1931-37 in Spanien Erfolg gehabt hätte, wäre sie der Vorbote der Revolution in Frankreich, Deutschland und den andren Ländern von Westeuropa gewesen. Das Eingreifen des heroischen Proletariats von Spanien auf der geschichtlichen Bühne hätte auch die Stellung der Sowjetbürokratie untergraben. Die verzweifelte Unterstützung der Bürokratie für die bürgerliche Konterrevolution im sogenannten republikanischen Spanien wurde von ihrer wahnsinnigen Furcht vor der Erhebung des russischen Proletariats diktiert. Der Sieg in Spanien auf der Grundlage von einer Form von Arbeiterdemokratie hätte schnell zum Sieg der politischen Revolution in der Sowjetunion geführt. In dieser internationalen und nationalen Rolle des Proletariats in all diesen Revolutionen kann man den Unterschied zwischen der Zwitterform des Übergangs unter den gegenwärtigen Umständen, selbst wo die Revolution in rückständigen Ländern siegreich ist — und der proletarischen Revolution, wie sie sich Lenin und Trotzki vorstellten — sehen.

Noch einmal, es geht nicht um Gefühle oder Formalismus, sondern um die organische Vorstellung des Sozialismus mit der bewussten Beteiligung und Kontrolle der Arbeiterklasse.

Man muss nur die große chinesische Revolution mit der politischen Revolution in Ungarn [1956] vergleichen, um die Bedeutung und den Unterschied zwischen der Revolution in bonapartistischer Form und der politischen Revolution zu sehen. In Ungarn hatten wir die unmittelbare Beteiligung und die Erhebung der Arbeiterklasse als die vorherrschende Kraft in der Revolution, die unmittelbar ihre Organe der Meinungsäußerung, Demokratie und Kontrolle schuf. Nach 20 Jahren von faschistischem Terror, nach 10 Jahren von stalinistischem Terror enthüllten die ArbeiterInnen von Ungarn die gewaltige Hartnäckigkeit der Ideen des Sozialismus und der Arbeiterdemokratie als dem einzigen Mittel der Sicherung der Entwicklung einer künftigen Gesellschaft. Als hätten sie das von Trotzki ausgearbeitete Programm gelesen, brachten die ArbeiterInnen in jedem Detail die von Trotzki als Forderungen der ArbeiterInnen in einer politischen Revolution in Russland vertretenen Ideen vor (die die Ideen, Interessen und Bestrebungen des Proletariats widerspiegelten). Während die Revolutionen in Osteuropa und China von der Bürokratie als willkommene Ergänzung und Ausdehnung ihrer Macht, Privilegien und Interessen betrachtet worden waren, erfüllte die Revolution in Ungarn die Bürokraten von Peking über Moskau bis Belgrad mit Schrecken. Das Schicksal aller Regime Osteuropas war in der Schwebe. Seit der spanischen Revolution hatte es kein solches gesellschaftliches Erdbeben gegeben, das das Proletariat der Sowjetunion und anderer Arbeiterstaaten so wachrüttelte. Deshalb musste die Sowjetbürokratie, auf das verzweifelte Drängen von Mao Tse-tung und den anderen stalinistischen Führern, in Ungarn eingreifen und die Revolution im Blut ertränken, bevor das Proletariat im Feuer der Revolution die wie immer unter solchen Umständen notwendige marxistische Partei und Führung schaffen konnte. In der Weißglut der Revolution waren die proletarischen Truppen der russischen Besatzungsarmee völlig unzuverlässig. Sie mussten wieder abgezogen werden und nur die rückständigsten Truppen aus Sibirien, die in diesem Stadium von den revolutionären Ereignissen noch nicht berührt waren, konnten verwendet werden, um die Revolution im Blut zu ertränken.

Wie es die marxistische Theorie erwarten würde, war die Revolution in China als entferntes Ereignis erschienen, das vielleicht die Sympathie der fortgeschrittensten ArbeiterInnen im Proletariats Westeuropas hatte, sich aber auf das westeuropäische Proletariat in seinen eigenen Augen nicht als mit ihren Interessen und Bestrebungen direkt verbundenes Ereignis auswirkte. Die ungarische Revolution erweckte wie die spanische Revolution vor ihr unmittelbar das Interesse der Masse der Arbeiterklasse in Westeuropa. Abgesehen von ihren Rückwirkungen auf die Kommunistischen Parteien im Westen und unter den fortgeschrittenen Schichten, erzeugte sie auch ein Echo unter den breiten Massen in den Fabriken, in den Arbeitsstätten und wo immer die ArbeiterInnen in den Betrieben zusammen waren.

Der Unterschied zwischen der Wirkung der Revolution in den Kolonialländern gegenwärtig und den Revolutionen in rückständigen Ländern wie der von China 1925-27 lag darn, dass letztere nach dem Modell der Russischen Revolution war, was die Beteiligung der Gesellschaftsklassen betraf. Ähnlich mit der spanischen Revolution, auch einer Revolution in einem rückständigen Land. Wenn diese Revolutionen nicht zum Sieg über die Bürokratie führten, lag es direkt an der Führung des Proletariats. Das Proletariat versuchte mit aller Anstrengung, zu der diese Klasse fähig ist, eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft à la Russland durchzuführen. In China und den anderen Gebieten, wo die Revolution seit dem Zweiten Weltkrieg siegreich war, die in der Hauptsache alle rückständige Länder waren, spielte das Proletariat nicht die selbe Rolle wie in Spanien, in China 1925-27 und in der ungarischen Revolution.

Die GenossInnen, die die Bauernschaft und das Halbproletariat und selbst das Dorfproletariat als die revolutionäre Hauptkraft in diesen kolonialen Revolutionen neu entdeckt haben, haben die wirkliche Bedeutung der Rolle, die diese Klassen gespielt haben, nicht verstanden. Wo das Proletariat von einer bewussten revolutionären Partei geführt wird, kann das Kleinbürgertum in Stadt und Land unter der festen Führung des Proletariats den Sieg der Arbeiterklasse und die Errichtung ihrer revolutionären Diktatur unterstützen, das heißt im Sinne der Diktatur des Proletariats gemäß der Norm (nach Trotzkis Ausdruck). Selbst hier kann dies nur geschehen, wo die Revolution organisch, Schritt für Schritt mit der Aussicht und den Ideen der sozialistischen Revolution im Weltmaßstab verbunden ist. Trotzki zitiert in der „Geschichte der russischen Revolution“ einen Bauernsoldaten, der von der Propaganda und Agitation des Bolschewismus beeinflusst war und von der Weltrevolution als einziger Rettung für die Revolution sprach. So erzeugte die russische Revolution in einem rückständigen Land die „zehn Tage, die die Welt erschütterten“. Die Idee, sich auf die Bauernmassen zu stützen, auf die „revolutionären Elemente, die nichts zu verlieren haben“ und auf das Lumpenproletariat als die revolutionäre Gesellschaftskraft, die dem „gutgestellten Industrieproletariat“, das einen höheren Lebensstandard hat, als entscheidende Kraft in der Revolution überlegen sei, ist die Idee von Bakunin und nicht von Marx oder Trotzki. Es stimmt, dass diese Klassen unter dem Einfluss der revolutionären Führung des Proletariats — wieder abhängig von der revolutionären Rolle seiner Führung — eine wichtige Rolle in der Revolution spielen können, wie es die Bauernschaft in Russland machte; und in gewissem Umfang sammelte sich das Kleinbürgertum in den Städten auch auf der Seite des Bolschewismus. Aber wo diese Klassen die vorherrschende Rolle in einem Übergang spielten; wo sie auf machiavellistische Weise von einem stalinistischen Ex-Marxisten oder einer bonapartistischen Führung genutzt werden, muss das wegen dem Charakter dieser Klassen der Revolution einen entscheidenden Stempel aufdrücken. Solch eine Rolle für diese Klassen ist nur möglich wegen der Sackgasse des Weltkapitalismus und Imperialismus auf der einen Seite und dem Bestehen der mächtigen bonapartistischen deformierten Arbeiterstaaten. Aber wo diese Klassen die vorherrschende Rolle bei der Zerstörung des Kapitalismus in den rückständigen Ländern spielen, drücken sie der Entwicklung der Ereignisse ihren Stempel auf. Die revolutionären Bauernarmeen von China konnten mit den revolutionären Armeen von Cromwell [in der Englischen Revolution in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts] verglichen werden in dem Sinn, dass im Kampf Armee und Partei miteinander verschmolzen. Sie verwendeten zwar die Ausdrücke des Sozialismus, konnten aber wegen dem ganzen Charakter dieser Klasse nicht das selbe kollektive Bewusstsein des Sozialismus haben, das sich im Proletariat in der Industrie fast instinktiv entwickelt.

So können diese Klassen die Schlüsselrolle der Reservetruppen der Revolution, des Rammbocks spielen, aber die Speerspitze der Revolution kann nur das revolutionäre Bewusstsein der industriellen Arbeiterklasse sein. Aber der Umstand, dass Religion und alle anderen Vorurteile und Aberglaube, die sich über Jahrhunderte und sogar Jahrtausende aufgehäuft haben, immer noch eine wichtige und sogar entscheidende Rolle in der Ideologie dieser Staaten spielen und sich in der Ideologie und den öffentlichen Erklärungen der Führer dieser Bewegungen widerspiegeln, wie in Algerien, hat entscheidende Bedeutung für die Charakterisierung des Staatstyps, der sich in Revolutionen in diesen Ländern herausgebildet hat und herausbilden wird (ohne den Sieg des Proletariats in den Industrieländern des Westens). Diese Züge sind nicht zufällig. Solche Scheußlichkeiten durch eine marxistische Führung auch nur vorzuschlagen, wäre kriminell. Nur der Stalinismus und die Sozialdemokratie haben das revolutionäre Bewusstsein für diese Zwecke verdorben.. Natürlich ist für MarxistInnen die Bedeutung der sozialen Veränderung mit all ihren Makeln, Warzen und Defekten entscheidend. Ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten muss man doch, um die Kontinuität der marxistischen Ideen zu bewahren und den Weg zu einer richtigen Politik zu finden, die unausweichlichen Ergebnisse der Rolle und des Charakters dieser Revolutionen verstehen. Diese Klassen können keine unabhängige Rolle spielen. Wo sie durch die Führung von Ex-Marxisten oder intellektuellen Schichten des Kleinbürgertums in der einen der anderen Form organisiert sind — die Armeeoffiziere vor Birma, Ägypten, die Ex-Marxisten in China, die intellektuellen Schichten des Kleinbürgertums in Ghana und anderen Ländern — ist es unter den oben skizzierten Bedingungen bei einer schwachen und morschen Bourgeoisie oder sogar beim Fehlen jeder wirklichen Bourgeoisie möglich, dass ein Übergangsregime eines bonapartistischen Arbeiterstaats errichtet wird.

Wenn man sich die Verwirrung betrachtet, die in der Arbeiterbewegung vorherrscht und selbst die fortgeschrittenen Schichten der marxistischen Kader in diesen Fragen in Mitleidenschaft zieht, muss man nur an die kristallklaren Ideen von Lenin und Trotzki über die Rolle des Staats denken.

Selbst unter den günstigsten geschichtlichen Bedingungen, mit einem entwickelten Proletariat, das eine vorherrschende Rolle in der Gesellschaft spielt, haben sie vor der Gefahr gewarnt, die in der bloßen Existenz des Staates liegt, und darin die grundlegenden Ideen von Marx wiederholt. Der Staat, oder genauer: der Halb-Staat, stellt selbst in den fortgeschrittensten Ländern eine Gefahren- und Ansteckungsquelle dar, die nur das höchste revolutionäre Bewusstsein und Wachsamkeit auf Seiten des Proletariats und seiner Führung an Degeneration und Deformation hindern kann.

Der Aufstieg des Stalinismus in Russland war kein Zufall, sondern lag an der Isolation der Revolution von den fortgeschrittenen Ländern des Westens. Selbst ein proletarischer Sieg in einem fortgeschrittenen kapitalistischen Land, der sich nicht auf andere Länder ausbreiten würde, was unter dem gegenwärtigen weltweiten Kräfteverhältnis undenkbar ist, wäre über eine lange und historische Periode in Gefahr, zu degenerieren und zusammenzubrechen.

Aber das ganze Kräfteverhältnis im Weltmaßstab die ganze Entwicklung der Epoche, war so, dass ein einziger revolutionärer Sieg in Westeuropa, Japan, Britannien oder den USA ausreichen wird, die Weltbühne zu verändern. Er würde sich wie ein Steppenbrand ausbreiten, viel schneller und mit viel tiefgreifenderen Wirkungen als selbst die russische Revolution.

Gehen wir weiter und stellen wir das Problem, dass in einem Land wie Italien oder Frankreich, wo das Proletariat eine überwältigend entscheidende Rolle spielt und wo seine verborgene Macht durch die Entwicklung der Industrie weiter entwickelt wurde, die Stalinisten unter dem Einfluss der revolutionären Welle an die Macht gestoßen würden, was nicht theoretisch ausgeschlossen ist. Es stimmt, dass gegenwärtig diese beiden Parteien Verteidiger des bürgerlichen Staats in der Reserve sind, aber unter dem Einfluss einer revolutionären Welle würden sie ihr linkestes Gesicht aufsetzen. Wenn sie in die Richtung gestoßen würden, die Macht zu übernehmen, könnte es nur mit der Mobilisierung der vollen Ressourcen, revolutionären Energie und Organisations- und Kampffähigkeit auf Seiten des Proletariats sein. Solch ein Proletariat würde die Entwicklung von Bürokratie wie in den rückständigen Ländern, wo das Proletariat keine vorherrschende Rolle gespielt hat, nicht zulassen. Ohne die Mobilisierung des Proletariats bis zum Äußersten wie in Frankreich 1936, Deutschland 1918, Spanien 1936 und 1937 wäre ein Sieg über die Bourgeoisie nicht gesichert. Aber ein revolutionärer Sieg würde die Lage national und international umwandeln. Die stalinstische Partei würde an den Nähten aufreißen. Auf der anderen Seite kann man die zuversichtliche Prognose machen, dass die viel wahrscheinlichere Entwicklung der Ereignisse wäre, dass die neuen großen revolutionären Ereignisse eine unmittelbare Krise in den Reihen der stalinistischen Parteien in allen Industrieländern erzeugen würde, die sich auf die Länder des Ostblocks ausdehnen würde.

Die Ereignisse der letzten zwei Jahrzehnte fanden statt und wurden beeinflusst durch die stalinistische Syphilis. Gegenwärtig ist die Spaltung des Weltstalinismus, die Entwicklung nationalistischer Abweichungen auf Seiten der deformierten Arbeiterstaaten, die „unabhängige“ nationalistische Rolle der Kommunistischen Parteien in den kapitalistischen Ländern, der Übergang der entscheidenden Rolle bei gesellschaftlichen Umgestaltungen auf kleinbürgerliche Schichten von nationalistischen Intellektuellen auf Kuba, in Algerien, Ghana und anderen Ländern, eine historische Bestätigung der Rolle, die nach Trotzkis Vorhersage das Ende der Kommunistischen Internationale als revolutionärer Kraft kennzeichnen würde. Die Krise innerhalb des Weltstalinismus hat solch einen Charakter, dass die grundlegend gedankenlose Anhängerschaft, die blinde Loyalität, die ihm revolutionäre ArbeiterInnen und selbst die fortgeschrittenen Schichten gaben, geendet hat. Aber selbst dies nimmt eine dialektische Form an. Der Stalinist alten Stils war nach Bewusstsein und Verständnis viel revolutionärer als die gegenwärtigen Schichten innerhalb der Reihen der stalinistischen Partei, zumindest in den industriell fortgeschrittenen Ländern. Zwei Jahrzehnte von „friedlichen“ Gesellschaftsbeziehungen im Vergleich zu den Umwälzungen der Vorkriegszeit, seit dem Ende der revolutionären Erhebungen, die dem Zweiten Weltkrieg folgten, haben das Bewusstsein der fortgeschrittenen Schichten innerhalb der stalinistischen Bewegung abgestumpft.. Zwei Jahrzehnte von theoretischem und chauvinistischem Gift, die systematisch in den stalinistischen Parteien verbreitet wurden, haben das theoretische Niveau der stalinistischen Bewegung gesenkt. Das hat im Zusammentreffen mit der Periode von kapitalistischem Aufschwung und Wachstum und in Wechselwirkung mit ihr zur Senkung des theoretischen Niveaus der Basis der Bewegung geführt. Innerhalb der Reihen der Kommunistischen Parteien aber eröffnen die Schocks und Umwälzungen der stalinistischen Welt — der 20. Parteitag [der Kommunistischen Partei der Sowjetunion 1956], Ungarn, die neuen Spaltungen zwischen den stalinistischen Staaten, vor allem die Spaltung zwischen Russland und China — den Weg für entscheidende Veränderungen der Beziehungen innerhalb dieser Parteien in einem späteren Stadium. Die Basis wird nie wieder angesichts revolutionärer Ereignisse die konterrevolutionäre Rolle fraglos akzeptieren, die die Stalinisten in den kapitalistischen Massenländern in der vergangenen Epoche spielten.

Aber die Entwicklung entlang dieser Linien wird komplizierter sein als vorhergesehen werden konnte. Bei der Kritik am Programm der Kommunistischen Internationale in ihrem frühen Stadium hatte Trotzki vorhergesagt, dass die Theorie des „Sozialismus in einem Lande“ unausweichlich zur Degeneration der Parteien der Kommunistischen Internationale entlang von nationalistischen Linien führen würde. Auf eigentümliche historische Weise wurde dies ebenso durch die Ereignisse in den Ländern bestätigt, in denen die Stalinisten wegen der merkwürdigen Entwicklung der Geschichte an die Macht gekommen sind, wie in den kapitalistischen Ländern.

Die brillante Vorhersage von Trotzki hat trotzdem die Macht der marxistischen Vorhersage und Analyse bei der Behandlung grundlegender Prinzipien bestätigt, vielleicht auf eine Weise, die nicht vorhergesagt werden konnte. Diese Prinzipien ergeben sich aus den Klassenbeziehungen innerhalb der Gesellschaft. Jede Tendenz in der Arbeiterbewegung, die die Ereignisse nicht an jeder großen historischen Wendung aus diesem grundlegenden Blickwinkel überprüft, läuft Gefahr, unter den Einfluss feindseliger Klassen oder Strömungen in der Arbeiterbewegung wie Reformismus oder Stalinismus zu kommen. Möglicherweise ist dies unausweichlich.

Der deformierte Charakter der chinesischen Revolution, seine unausweichliche Widerspiegelung in den Bedürfnissen und Interessen der bürokratischen Elite, das Beiseitedrängen selbst der BäuerInnen bei der Herrschaft über den Staat, von den ArbeiterInnen ganz zu schweigen, drückt dem Erscheinungsbild der herrschenden chinesischen Clique unausweichlich den Stempel auf. Sie hat mehr mit dem Mandarinentum in der Tradition Chinas gemeinsam als mit einem gesunden Arbeiterstaat, in dem Sinne, dass eine herrschenden aristokratische, bürokratische Elite über den Staat durch herrscht. Ihre ganze Kritik an anderen Stalinisten wird beherrscht von nationalistischen Erwägungen, wie es natürlich bei der morschen stalinistischen Bürokratie von Russland der Fall ist. Ihre ganze Politik, sowohl in der Weltdiplomatie als auch in ihren Interventionen in der Arbeiterbewegung, wird von nationalistischen Erwägungen diktiert. Der bedeutsamste Aspekt ihres Kampfes gegen die russische Bürokratie ist ihre nationalistische Orientierung und Perspektive. Sie gehen sogar noch weiter als Stalin selbst, indem sie über „Jahrhunderte des Aufbaus des Sozialismus in China reden“.

Ihre Kritik am Opportunismus von Togliatti [in Italien], Thorez [in Frankreich] und den britischen und amerikanischen Kommunisten war mit der Idee verbunden, dass es „nicht ihre Angelegenheit“ sei, sie wollten sich nicht in die inneren Angelegenheiten dieser Parteien „einmischen“; nur die Kritik dieser Führungen an den Chinesen rief die Reaktion der Chinesen hervor. Es ist offensichtlich, dass die Chinesen nicht nach 15 Jahren Schlaf plötzlich die Werke von Marx und Lenin wiederentdeckt haben.

Ihre Kritik an der vorgeschlagenen Vereinbarung des Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe war beschränkter Nationalismus der schlimmsten Art.. Es stimmt, dass die Russen dies vorschlugen, um ihre Kontrolle und Herrschaft über diese Staaten zu verstärken. Aber die Lösung läge im Vorschlag einer Balkanföderation von Staaten, die durch eine Föderation mit Russland verbunden wäre. Dies wiederum sollte in einer mächtigen Föderation mit China verbunden werden. Aber dies ist bei der Herrschaft der Bürokratie all dieser Länder unmöglich.

Was die Politik von allen von ihnen bestimmt, sind die engen Cliqueninteressen der herrschenden Elite. Folglich müssen sie sich alle auf die reaktionärsten nationalistischen Vorurteile und auf Chauvinismus stützen. Nur eine Partei, die auf den wirklichen Interessen des Proletariats beruht, kann sich auf echten Internationalismus durch die wechselseitige Durchdringung der Wirtschaft dieser Länder zum wechselseitige Nutzen aller stützen. Das zwingende Bedürfnis der Weltwirtschaft, zu einer Einheit zu werden im Unterschied zur Verschwendung und der Krankhaftigkeit der Lokalborniertheit, wird von der Bourgeoisie selbst anerkannt, was der Gemeinsame Markt [Vorläufer der EU] und andere versuchte Vereinbarungen zeigen. Die Bourgeoisie kann dieses Problem nicht lösen, sondern kann nur Teilmaßnahmen ergreifen, die schließlich in das Gegenteil von „Internationalismus“ zusammenbrechen werden — heftigen Nationalismus und Zollmauern.

Trotzki betonte viele Male, dass die Zwillingsübel der modernen Epoche das Privateigentum und die hemmenden Beschränkungen des modernen Staats seien. Dies waren die Haupthindernisse der Entwicklung der Produktivkräfte in der modernen Epoche und der Grund, warum das kapitalistische System im Weltmaßstab reif und überreif für die soziale Revolution war.

In den rückständigen Ländern bleibt das Erringen des Nationalstaats durch die Vertreibung des Imperialismus für eine vorübergehende Geschichtsepoche eine mächtige und relativ fortschrittliche Macht.. Aber im Weltmaßstab stoßen diese Staaten sofort an die hemmende und überwältigende Herrschaft der fortgeschrittenen Wirtschaften.

Aber in den Ländern, wo das Proletariat an die Macht kommen würde, egal ob in fortgeschrittenen oder rückständigen Ländern, ist die internationale Perspektive entscheidend. Dies allein würde die überhebliche nationalistische Bürokratie dieser Länder verurteilen. Sie spielten zugleich eine fortschrittliche Rolle bezüglich der Verteidigung der Grundlagen des Regimes, das heißt des verstaatlichten Eigentums, und eine ungeheuer reaktionäre Rolle bei der Verteidigung ihrer Privilegien, die sich im engstirnigen Nationalismus zusammenfasst.

Es ist hier nicht wichtig, in die theoretischen Perspektiven der historischen Entwicklung und die verschiedenen Varianten, die Trotzki in seinen letzten Artikeln betrachtete, einzusteigen, die von Schachtman, Deutscher und Cliff so missverstanden und entstellt wurden. Aber was interessant ist, ist die Betonung, die Trotzki dem Umstand gibt, dass die historische Aufgabe nicht nur die Zerstörung des Kapitalismus ist, sondern die Beendigung der alten nationalen Wirtschaften, die die Entwicklung der Produktivkräfte beschränken und behindern. In der Tat gibt Trotzki der Frage der reaktionären Rolle des Nationalstaats entscheidende Bedeutung und zeigt, dass die Zerstörung des Privateigentums zwar von ungeheurer historischer Bedeutung ist, aber ohne die Zerstörung von ersterem trotzdem nur eine Episode.

Wenn die russischen ArbeiterInnen die Kontrolle über ihren Staat behalten hätten, hätten die Revolutionen in China und Osteuropa nicht ihren reaktionären nationalistischen Charakter annehmen können. Die Probleme, die die Entwicklung Sibiriens stellt, würden durch die begrüßte Auswanderung von zig Millionen chinesischen BäuerInnen nach Sibirien gelöst werden, wo sie von russischen TechnikerInnen ausgebildet würden und die Ressourcen dieser märchenhaft reichen Region zum Nutzen der beiden Völker und der Festigung der Föderation zwischen ihnen gemeinsam genutzt würden.

Statt diesem bescheiden praktischen Programm konnte weder die russische noch die chinesische Bürokratie, beschränkt durch ihre Kasteninteressen, die Probleme auf diese Weise stellen. Die Chinesen stellen aus ihrem Blickwinkel das Problem des „nationalen“ Sozialismus, bei dem jedes Land seine eigenen Ressourcen entwickelt, während die Russen sich als „Internationalisten“ ausgeben, das heißt die Macht ihrer industriellen Stellung zur Beherrschung schwächerer Wirtschaften der kleineren stalinistischen Staaten in Osteuropa nutzen. Die nationale Begrenztheit des chinesischen Stalinismus schreit einem auf jeder Seite ihrer Dokumente entgegen. In dieser Hinsicht kann man keine Wahl zwischen den beiden mächtigen stalinistischen Staaten treffen.

Es ist eine der ironischen Paradoxien der Geschichte, dass in den fortgeschrittenen Wirtschaften Westeuropas sich die degenerierten stalinistischen Führungen in die stinkenden Lumpen des überholten Nationalismus kleiden. Sie kritisieren von einem nationalistischen Standpunkt die hoffnungslosen Versuche der Bourgeoisie, das Hindernis des Nationalstaats zu überwinden, eine Aufgabe, zu der die moderne Bourgeoisie trotz ihrer lächerlichen und schwächlichen Versuche unfähig ist.

Für den marxistischen Flügel der Arbeiterbewegung muss jede Kritik an den einander bekämpfenden stalinistischen Fraktionen mit diesem Standpunkt beginnen. Keine Zugeständnisse können an den degenerierten Nationalismus aller Flügel des Stalinismus gemacht werden. Trotzki erklärte die Schwäche der Vierten Internationale unter anderem mit der Macht nationalistischer Ideen und Traditionen.

Jetzt sind die Stalinisten in den Metropolenländern des Westens teilweise eine zweite reformistische Agentur der Bourgeoisie geworden statt wie in der Vergangenheit ein gläubiges Werkzeug der Außenpolitik der russischen Bürokratie.

Der Kampf zwischen Russland und China gibt der Bürokratie der Kommunistischen Parteien eine gewisse Unabhängigkeit. Jahrzehnte von vergiftender chauvinistischer Propaganda haben die Oberschichten der Kommunistischen Parteien in den Metropolenländern verwirrt und sich auch auf die Basis ausgewirkt. Aber die große Mehrheit der Kaderelemente, die in einer besorgten Opposition sind und auf der Suche nach einer revolutionären Führung nach Peking schauen, werden für das Banner der Vierte Internationale nur gewonnen werden, wenn diese Aspekte des Internationalismus und der Theorie betont und hervorgehoben werden.

Die ganzen Kader der stalinistischen Parteien wurden in diesen Frage jahrzehntelang falsch geschult. Es ist unsere Aufgabe, an diese Kader heranzutreten, diese Probleme zu betonen. In der Morgenröte des Kampfes der Linken Opposition wurde dieses Problem von Trotzki betont, unterstrichen und hervorgehoben. Nicht umsonst schrieb Trotzki einen „Kritik des Programmentwurfs der Kommunistischen Internationale“ [1928] zu diesen Fragen. Seitdem sind Jahrzehnte vergangen — und was für Jahrzehnte — und jedes Ereignis hat die Richtigkeit dieser Herangehensweise gezeigt. Sie war immer zentral im Denken Trotzkis. Jene GenossInnen, die von einer „leichteren“ Herangehensweise träumen, täuschen sich selbst. Man darf sich auch nicht vorstellen, dass eine opportunistische Herangehensweise nach „heutigen“, „modernen“ Prinzipien Erfolg haben wird, bei der man die revolutionäre Herangehensweise im Schrank lässt.

Warum sollten Kader im russischen Flügel oder im chinesischen Flügel an die Vierte Internationale herantreten, wenn sie nichts zu bieten hat? Was haben wir in diesem Stadium zu bieten außer den Theorien der Meister, die durch die Erfahrung der letzten Jahrzehnte verstärkt und bereichert sind? Episodische Kritik wird diese Kader kritisch machen gegenüber dieser oder jener Seite. Was die Massen betrifft, haben wir bisher ihr Gehör noch nicht.

In gewissem Sinne hat die Krise des Stalinismus weitere Verwirrung in den Reihen der Kommunistischen Parteien gesät. Ihr Mangel an Schulung in den Grundlagen des Marxismus, die Degeneration des Stalinismus entlang von nationalistischen Linien, der scheinbare Glanz der revolutionären Siege in China und anderen Ländern, morgen der Sieg des Bauernguerillakrieges in Vietnam, haben ihre Reihen verwirrt. Aber die Streitereien aller nationalistischen stalinistischen Fraktionen, besonders die zwischen China und Russland, haben die Saat einer schrecklichen Krise in den stalinistischen Parteien besonders in den Metropolenländern gesät. In gewissem Sinne ist die unmittelbare Wirkung des russisch-chinesischen Konflikts, was die Massenmitgliedschaft der Kommunistischen Parteien betrifft, die Aufgabe der MarxistInnen schwieriger zu machen. Viele Kader, die durch den Opportunismus der Kommunistischen Parteien verbittert sind, haben begrüßt, was sie als „revolutionäre“ Wende der Chinesen wahrnehmen. Statt auf das mächtige Rußland schauen sie auf das mächtige Peking als revolutionäres Zentrum. Sie werden sich für Detailkritik nicht interessieren.

Trotzdem öffnet die Krise aus einem historischen Blickwinkel den Weg für eine völlige Umgestaltung der Weltbühne. Die Arbeiterbürokratie in Westeuropa hat seit langem die unkritische Begeisterung ihrer AnhängerInnen verloren. Die unkritische Anhängerschaft der Basis in der Kommunistischen Partei ist jetzt auch zu Ende. Es kann nicht mehr als ein Rom oder als einen Papst geben.

Auf der Grundlage der großen Ereignisse, die in den nächsten ein oder zwei Jahrzehnte bevorstehen, wird, wie Trotzki vorhersagte, (vielleicht mit einer gewissen Verspätung) von den alten „Internationalen“ kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Das veränderte Bewusstsein der Massen wird sich in den Kommunistischen Massenparteien besonders in Frankreich und Italien enthüllen. Die Mitgliedschaften der Kommunistischen Parteien werden nie wieder ohne mächtige Protestbewegungen den Ausverkauf und Verrat von 1936 in Frankreich und Spanien und 1944-47 in Frankreich und Italien dulden. Die Kommunistischen Parteien würden sich von oben bis unten spalten. Vor allem ist es notwendig, dass die Vierte Internationale eine unversöhnliche Kritik am Nationalismus sowohl der russischen als auch chinesischen Bürokratien übt. Für die Vierte Internationale in den Kolonialländern ist dieses Problem außerordentlich schwierig. Für Bauernmassen ist es nicht leicht, über den nationalen Horizont zu schauen. Ihr Weltbild ist sehr begrenzt. Sie können nur vom Proletariat und durch die konkrete Verbindung ihrer materiellen Interessen mit denen einer internationalen Perspektive in diese Richtung geführt werden.

Die Lehre von Marx, Lenin und Trotzki passt ihrem ganzen Charakter nach zum Weltbild des Proletariats auf einer gewissen Geschichtsstufe. Das Proletariat ist natürlich auch nicht unempfindlich für das nationalistische Gift. Deshalb ist es notwendig, an die Kader zu appellieren, das Problem einer internationalistischen Herangehensweise zu betonen und hervorzuheben, nicht nur in den fortgeschrittenen, sondern auch in den rückständigen Ländern. Wenn sie das nicht verstehen, werden die Kader verloren sein. In dieser Frage kann man keine Zugeständnisse an andere Tendenzen in der Bewegung machen.

Aus dem Blickwinkel der Weltpolitik bereitet die großartige Revolte der Kolonialvölker natürlich ein völlig neues Kräfteverhältnis im Weltmaßstab vor. Aber sobald die schweren Bataillone [der Arbeiterklasse] die Bühne der Geschichte in Westeuropa, Japan oder Amerika betreten, wird sich das ganze Kräfteverhältnis im Weltmaßstab ändern.

Trotzki warnte einmal vor der Möglichkeit, dass die Vierte Internationale verschwinden würde, wenn sie nicht den Weg zu den Massen finden würde. Dies kann durch eine weitere Warnung verstärkt werden. Wenn die Grundideen des Trotzkismus, die bereichert und entwickelt werden, aber grundlegend die selben sind, nicht betont und ins Bewusstsein der Kader gehämmert werden, kann die Internationale impressionistisch degenerieren und den Linksreformisten, chinesischen Stalinisten oder russischen Stalinisten hinterherlaufen. Es darf kein empirisches Nachgeben gegenüber den Ereignissen geben, die Grundfragen müssen immer wieder vorgebracht werden, besonders in den theoretischen Arbeiten und Zeitschriften der Internationale.

Das Problem muss scharf gestellt werden: entweder haben die kolonialen Revolutionen wegen der Verzögerung der Revolution in den fortgeschrittenen Ländern die besondere Form genommen, die sie genommen haben … oder es gibt keine Rolle für die Vierte Internationale außer als selbsternannte und wohlwollende Ratgeber für Castro, Mao und Ben Bella.

Es sollte hier klar gemacht werden, dass die Argumente von Plechanow und den Theoretikern des Menschewismus — dass Russland 1917 nicht reif für den Sozialismus gewesen sei — aus einem marxistischen Blickwinkel völlig korrekt waren … wenn man Russland isoliert von der Welt und den internationalistischen Perspektiven des Bolschewismus nimmt.

Alle anderen Tendenzen, Cliquen und Gruppen in der Arbeiterbewegung sind zu Sterilität und Zusammenbruch verurteilt, weil sie keine internationalistische Perspektive als Grundlage ihrer Arbeit haben. Die kolonialen Revolutionen stellen einen gigantischen Schritt vorwärts für alle exkolonialen Länder dar. Aber die endgültige Lösung der Probleme kann nur auf der internationalen Bühne und im Sieg der Arbeiterklasse in den fortgeschrittenen Ländern gefunden werden.

Die Bedingungen, unter denen die Revolution stattgefunden und sich in diesen Ländern entwickelt hat, verurteilt sie zu neuen politischen Revolutionen zum Zweck der Schaffung von Arbeiterdemokratie. Die Aufgabe des Marxismus besteht darin, zumindest die Vorhut mit dem Verständnis dieser Entwicklung und der Probleme, die sie stellen, zu bewaffnen.

Vor allen können die fortgeschrittenen Elemente in der KP auf einer festen Grundlage gewonnen werden, wenn sie nur diese grundlegende Herangehensweise verstehen. Eine eklektische Herangehensweise, dass die Chinesen mit diesem Argument Recht haben und die Russen mit jenem, wird kaum jemanden überzeugen. Es kann nur die Kader des Trotzkismus selbst durch Haarspalterei und Scholastik verwirren.

Der wirkliche Grund für den Konflikt zwischen Russland und China muss scharf herausgearbeitet werden. Für MarxistInnen kann dies nur in den nationalen Großmachtinteressen beider Bürokratien liegen, das heißt der Macht, den Privilegien, dem Einkommen und dem Prestige der herrschenden Schichten in beiden Ländern. Dies ist kein beiläufiger Punkt in der Argumentation, sondern muss das zentrale Thema sein. Es ist unmöglich, dieses Phänomen, ebenso wie das der Arbeiterbürokratie, anders zu erklären und immer noch zu beanspruchen, auf den Prinzipien des Marxismus zu stehen. Wir müssen uns nicht bloß mit den ideologischen Geistern und Rationalisierungen beschäftigen, sondern mit den wirklichen und stofflichen Interessen der Bürokratien.

Heute wie immer bleibt Marxismus die Wissenschaft von den Perspektiven. Ohne eine klare Perspektive wird die internationale Bewegung zu Degeneration und Zusammenbruch verurteilt sein.

Diese Ereignisse in der kolonialen Welt haben vor dem Hintergrund eines langgezogenen Wirtschaftsaufschwungs in den Metropolenländern stattgefunden. Sie sind die besten Bedingungen, die der Weltkapitalismus den Kolonialvölkern bieten kann. Was passiert bei dem unausweichlichen Abschwung?

Der Einparteienstaat, der aus diesen Revolutionen und kolonialen Befreiungen in vielen Gebieten entstanden ist, hat natürlich einen bonapartistischen Charakter. Die schwache Bourgeoisie wird, wo es sie gibt, zur Seite gestoßen, in vielen Ländern von Afrika und Asien gibt es nicht einmal eine Bourgeoisie. Es sind die Intellektuellen, Häuptlinge und kleinbürgerlichen Oberschichten, die an die Macht gestoßen wurden. Dies ist die Lage im Kongo, in Ghana und dem früheren Britisch-Ostafrika.

Unter den Bedingungen von schwerer Wirtschaftskrise wird es in Asien, Afrika und Lateinamerika regelrechte Erdrutsche in Richtung sozialer Revolution in dieser merkwürdigen Form geben. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es nur in Südafrika ein großes Industrieproletariat, das die entscheidende Rolle einnehmen kann, die das Proletariat in Russland und anderen Ländern spielte.

Das schlagendste Merkmal aller dieser Regime ist ihre Unfähigkeit, das Problem der veralteten nationalen Grenzen zu lösen. Nasser hat es nicht geschafft, die arabischen Staaten zu vereinigen. Kenyatta [in Kenia] hat mit seinem Manöver geprahlt, die Imperialisten überlistet und Unabhängigkeit erlangt zu haben, indem er so tat, als stimme er einer Ostafrikanischen Föderation zu! Der Versuch von Nkrumah [in Ghana], eine Gesamtafrikanische Föderation zu bilden, war bis heute fruchtlos. So sind sie alle ohnmächtig, diese grundlegende Frage zu lösen.

Der merkwürdige Charakter der Regime, die sich aus der kolonialen Revolution ergeben, liegt an der Verzögerung der Machtübernahme durch das Proletariat in den fortgeschrittenen Metropolenländern. Es ist eine weitere Verstärkung des Umstandes, dass der Kapitalismus bis zum Verfaulen reif für den Sozialismus geworden ist.

Wo eine Klasse verspätet auf die Bühne getreten ist und unfähig war, die historische Rolle zu spielen, die von ihr gefordert wurde, wird diese Aufgabe von andren Klassen und Gesellschaftskräften übernommen. Im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus, in Japan zum Beispiel, verwandelte der herrschende Adel sich in eine industrielle herrschende Klasse. Dies hat den japanischen Gesellschaftsbeziehungen bis heute seinen Stempel aufgedrückt. In Deutschland führte, worauf Marx und Engels hinwiesen, das Versagen oder die Unfähigkeit der Bourgeoisie dazu, dass die Junker die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution durchführten. Dies drückte den deutschen Gesellschaftsbeziehungen seinen Stempel auf und blieb eine entscheidende Tatsache für Deutschland für eine ganze Geschichtsepoche und ließ bis heute Spuren in den Gesellschaftsbeziehungen zurück.

In der gegenwärtigen Epoche ist es absurd zu glauben, dass ein bürgerlicher Staat nach „normalen“ Prinzipien sich auf Sri Lanka oder in Kenia oder im Irak zum Beispiel entwickeln kann. Sie sind zu spät auf die historische Bühne gekommen und es gibt keinen Raum für die Entwicklung einer Bourgeoisie wie der von Frankreich, Britannien oder Amerika. Sie können nicht hoffen, mit der mächtigen industriellen Infrastruktur der Metropolenländer zu konkurrieren. Sie können nicht Lieferanten von Rohstoffen und Nahrungsmittel als Gegenleistung für Industrieprodukte bleiben, sonst droht ihnen Zusammenbruch und Niedergang. Auf dem Weg des Kapitalismus kann es nur eine schwächliche industrielle Entwicklung geben. Sie müssen einen anderen Weg finden oder der Anarchie oder neuen Kräften Platz machen.

Sie haben ein fertiges Modell in der bonapartistischen Clique in Moskau. Nicht umsonst beobachtete Chruschtschow diesen Prozess, der sich bei den nationalistischen Regimes in Afrika entwickelt, bei seinem Besuch in Ägypten mit Befriedigung. Auf seine kritischen Bemerkungen zu Aref, dem irakischen Diktator, folgten die Verstaatlichungen im Irak und die freigebige russische Hilfe. Chruschtschow bemerkte, dass die nationalistischen Völker dem Weg zum „Sozialismus“ folgten, ohne auch nur „kommunistische“ Parteien zu haben, um ihn zu verwirklichen. So groß, sagte er, sei das Vorbild von Russland!

Es gibt im alten System dieser Länder keine Widerstandskräfte. So findet die großartige Bewegung der Geschichte an den schwachen Kettengliedern am Rand des kapitalistischen Systems statt. In gewissem Sinne zieht die ganze Menschheit aus diesen Veränderungen Nutzen. Aber es wäre ein schrecklicher Verrat, in diesen Regimes das authentische Gesicht des Sozialismus zu sehen. Unter diesen Bedingungen von Rückständigkeit müssen sie einfach schreckliche Karikaturen sein, besonders wo es keine unabhängige Bewegung des Proletariats gibt. Weder die Bourgeoisie noch die stalinistische Bürokratie betrachtet sie mit der Furcht, die sie sich für eine gesunde proletarische Revolution aufsparen würde.

Diese Kämpfe, so wichtig sie sind, sind nur die ersten Scharmützel der proletarischen Weltrevolution. Sie vergrößern ihre Reserven. Aber sie entwickeln eigene unlösbare Widersprüche auf einem höheren Niveau als früher.

Sobald der entscheidende Kampf in den Metropolenzentren beginnt, wird sich die Weltlage völlig ändern. Ein Sieg in Japan oder Britannien oder einer anderen hochentwickelten Metropolenregion würde die Weltlage völlig umgestalten. Die politische Revolution in Osteuropa und Russland ist natürlich nicht ausgeschlossen. Das wäre auch für die ganze Menschheit entscheidend. Ein Regime der Arbeiterdemokratie mit vollen Freiheiten und einem Halb-Staat statt totalitärer Kontrolle würde als Leuchtfeuer für die ganze Welt wirken. Die kapitalistischen Regime würden wie Kegel umfallen. Ein sozialistisches Europa, Japan und Amerika würde dann Asien, Afrika und Lateinamerika direkt zum Kommunismus in einer Weltföderation führen.

Dies ist die Perspektive, die hinter der Arbeit aller Kader in allen Ländern der Welt stehen muss. Außerhalb dieser Perspektive gibt es keinen Ausweg für die rückständigen Gebiete der Welt und in der Tat für die ganze Menschheit.