Aufstand der Vernunft

Dass Bildung und Wissenschaft nicht im luftleeren Raum stattfinden, zeigt das krasse Beispiel der Besetzung der österreichischen Uniräte: Mehr als ein Viertel kommt aus Wirtschaft und Industrie, die Bandbreite reicht von Franz Humer, dem Generaldirektor des Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche bis zu ehrenwerten Doktoren wie Friedrich Stefan, strammer Burschenschafter der "Olympia".
Der "Weg zurück in die Zwischenkriegszeit", wie Verwaltungsgerichtshofs-Präsident Jabloner meint? Eher der Weg in die Zukunft: Gemeinsam mit der Umsetzung des GATS in Österreich sind rechte und unternehmerfreundliche Uniräte ein weiterer Puzzlestein in einem Prozess, mit dem das Bildungssytem und die Forschung der kapitalistischen Normalität angepasst werden sollen.

Unter den Bedingungen einer schweren wirtschaftlichen Krise des kapitalistischen Systems und weltweiter politischer Instabilität dient
Wissenschaft heute kaum mehr dem gesellschaftlichen Fortschritt: Unsummen werden etwa für Kriegstechnologie und "treffsichere" smart bombs ausgegeben, die jetzt im Irak getestet werden sollen.Wie sich diese gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf wissenschaftliche Theorien selbst auswirken, zeigen Alan Woods und Ted Grant in ihrem Buch "Aufstand der Vernunft. Marxistische Philosophie und moderne Wissenschaft". Von materialistischen Anschauungen ist die Forschung teilweise weit entfernt, wenn Schöpfungsmythen wie die Urknalltheorie als wissenschaftliche Wahrheit präsentiert werden. Die Autoren untersuchen detailliert, wie eng verbunden Wissenschaft und Politik sind, wenn "Forschungsergebnisse" aus Wissenschaftsbereichen wie der Gentechnik oder der Intelligenzforschung zur sozialen Selektion benutzt werden.


Aufstand der Vernunft. Marxistische Philosophie und moderne Wissenschaft,
Promedia Verlag, Wien 2002, ISBN 3-85371-197-9.

Das Buch ist im Promedia Verlag erschienen und seit Oktober bei uns erhältlich unter der.funke@jugendkaempft.com

Zur Website des Promedia-Verlags.

Seit dem Fall der Berliner Mauer befindet sich die Linke in einer Defensivposition, die sowohl auf politischer, sozialer wie auch auf ideologischer Ebene zu weitreichenden Rückschlägen geführt hat. In Österreich wurde dieser Prozess mit dem Regierungsantritt von Schwarz-Blau noch beschleunigt.

Vor diesem Hintergrund haben wir beschlossen, in Wien Alsergrund eine Themesektion mit dem Titel "Materialismus und kritische Wissenschaft" zu gründen. Unser erstes großes Projekt war die Übersetzung des zum 100. Todestag von Friedrich Engels erstmals erschienen Buches der britischen Marxisten Ted Grant und Alan Wood "Reason in Revolt". Dieses Buch ist ein Werkzeug für den ideologischen Kampf gegen den bürgerlichen Mainstream, der nur allzuoft in den Obskurantismus und die Apologetik der herrschenden Verhältnisse abdriftet.

Zum Buch:

Alan Woods und Ted Grant legen mit ihrem Buch „Aufstand der Vernunft“ eine kritische Bestandsaufnahme der modernen Naturwissenschaft vor. Die Debatten um die Bedeutung der Gene – sind sie gar für Kriminalität verantwortlich? – oder um den angeblichen Ursprung des Kosmos, wo nicht selten Gott eine triumphale Wiedereinsetzung auf einen Thron aus mathematischen Formeln feiert, beweisen nur: Die Wissenschaft agiert in keinem gesellschaftlichen Vakuum, sie muss vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher, ökonomischer und ideologischer Machtverhältnisse betrachtet werden.

Gerade in den letzten 15 Jahren haben sich diese Machtverhältnisse so verändert, dass die Behauptung, die Lebenssituation der Menschen ist keine Folge der gesellschaftlichen, sondern der genetischen Konstellationen, wie gerufen zu kommen scheint. Die (parallel zu Arbeitsteilung in der Ökonomie) enorm gesteigerte Spezialisierung in der Naturwissenschaft leistet dabei der (oft ungewollten) ideologischen Interpretation durch andere Vorschub.

In ihrem aktualisierten Vorwort weisen die Autoren darauf hin, dass die jüngsten Erkenntnisse über das menschliche Genom, den Argumenten der englischen Erstausgabe Recht geben und jedem genetischen Determinismus die Grundlage entziehen.

Die Analyse der Autoren beschränkt sich jedoch nicht auf die gesellschaftliche Einbettung der Wissenschaft. Ihr zweites Augenmerk gilt deren philosophischen und methodologischen Grundlagen. Sie nehmen dabei Bezug auf jene Ideen, die Friedrich Engels vor über 160 Jahren mit seiner „Dialektik der Natur“ präzisierte. In der Dialektik – als Logik der Bewegung, des Prozesses, der Interaktion und des Widerspruchs – fand er dabei den Schlüssel für die Erklärung von Kosmos, Natur und Gesellschaft.

Gerade die erst Ende des 20. Jahrhunderts entstandenen Forschungsinteressen der Chaos- und Komplexitätstheorie scheinen eine Renaissance, ja Untermauerung der Grundbehauptungen der Dialektik zu bedeuten. Mit dem Buch „Der Aufstand der Vernunft“ wird der detaillierte Versuch unternommen, die Ergebnisse dieser neuen Forschungszweige mit der dialektischen Philosophie in Bezug zu setzen.

Weitere Themen und Wissenschaftsbereiche, die auf ihren ideologischen Gehalt und auf die Leistungsfähigkeit der dialektischen Methode hin untersucht werden sind: Kosmologie und Urknalltheroie, Atomphysik und „Kopenhager Interpretation“, Genetik, Mathematik, Geologie sowie die Evolutionstheorie.

Mit ihrer Arbeit appellieren Alan Woods und Ted Grant dafür, der enormen Spezialisierung in der Wissenschaft eine verstärkte Interdisziplinarität und Universität entgegenzusetzen sowie die modernen Naturwissenschaften mit einer materialistischen und dialektischen Philosophie zu verknüpfen.


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