Islamischer Fundamentalismus: Vorwärts in die Barbarei
Jedes Kind kennt mittlerweile Osama bin Laden, den berühmt berüchtigten, islamischen Terrorprofi und Chefideologe eines internationalen Netzwerks in über 50 Staaten, die Al Quaida. Die gesamte Weltöffentlichkeit blickt plötzlich auf den islamischen Fundamentalismus, das neue Feindbild der "westlichen Zivilisation".
Der Zusammenbruch der Sowjetunion vor genau 10 Jahren läutete für die gesamte ex-koloniale Welt eine turbulente Entwicklung ein, die geprägt war von ökonomischen, sozialen und politischen Krisen. Eine der Reaktionen auf diese wachsende Instabilität ist zweifelsohne das Phänomen des islamischen Fundamentalismus, der in nahezu allen Ländern der islamischen Welt das Haupt erhebt.
Werkzeug des Westens
Die Entwicklung dieser Strömungen ist nur im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Brüchen und Veränderungen in der islamischen Welt zu verstehen. Die unter dem Einfluss des Imperialismus ablaufende Zerstörung der traditionellen Strukturen in der Landwirtschaft und die Herausbildung erster industrieller Zentren ließ nach dem Zweiten Weltkrieg die sozialen Widersprüche in diesen Gesellschaften offen zu Tage treten. Unter kapitalistischen Verhältnissen konnten die Menschen ihre grundlegenden Bedürfnisse (Trinkwasser, Gesundheit, Bildung,...) einfach nicht befriedigen. Dies führte in den 50ern und 60ern in nahezu allen Ländern der Region zu gewaltigen sozialen Explosionen, die jedoch in mehreren Ländern (Sudan, Irak, Indonesien) in blutigen Niederlagen endeten. Das dadurch in der Gesellschaft entstandene Vakuum wurde von allen nur denkbaren reaktionären Gesellschaftsmodellen gefüllt.
Einen wesentlichen Beitrag zur Zerschlagung der Linken in der Region hatten eben islamisch fundamentalistische Gruppen. Sie wurden von den USA ganz bewußt finanziert, um pro-sowjetische Regime zu destabilisieren und Linke einzuschüchtern. Von Indonesien über Syrien, Ägypten bis zu Bangladesh und Pakistan übernahmen sie - ähnlich den Nazis - die Rolle eines verlängerten Arms der CIA und lokaler Militärdiktatoren, mit dem Ziel, die Arbeiterbewegung zu zerschlagen.
Krieg um Afghanistan
Trauriger Höhepunkt dieser Strategie war der "heilige Krieg" gegen die Sowjetunion in Afghanistan. Nach der Machtübernahme durch linke Offiziere und der Unterstützung durch die Sowjets ging das neue Regime in Kabul ab 1978 an die Überwindung der alten Gesellschaftsstrukturen im völlig rückständigen Afghanistan. Dies konnten die USA natürlich nicht so ohne weiteres hinnehmen und finanzierten konterrevolutionäre Truppen. 32 Mrd. $ flossen an islamische Fundamentalisten, unter ihnen Osama bin Laden. In einem Interview mit der AFP aus dem Jahr 1998 sagt bin Laden: "Mein erstes Ausbildungslager hatte ich in Pakistan errichtet, dort wurden Freiwillige von pakistanischen und amerikanischen Offizieren trainiert. Die Waffen kamen von den Amerikanern, das Geld von den Saudis."
Seit dem Abzug der Roten Armee ist Afghanistan eine Hochburg des islamischen Fundamentalismus. Zur weiteren Finanzierung des Krieges gewährten die USA den Mujaheedin den Einstieg in die Produktion und den Handel von Heroin. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Opiumproduktion in Zentralasien lediglich auf kleine regionale Märkte konzentriert. Es gab keine traditionelle Heroinproduktion. In Pakistan gab es bis 1979 de facto keine Heroinabhängigen. 1985 waren es plötzlich 1,2 Millionen, heute ungefähr 5 Millionen! In den von den Mujaheedin "befreiten" Gebieten wurde die ländliche Bevölkerung angehalten, nun Opium anzubauen, um so den "heiligen Krieg" zu finanzieren. Diese Entwicklung wurde die ganze Zeit vom pakistanischen Geheimdienst ISI in enger Kooperation mit der CIA gedeckt. Der damalige CIA-Verantwortliche für Afghanistan, Charles Cogan, gab 1995 zu, dass die CIA den "Krieg gegen die Drogen" gegenüber dem Kalten Krieg geopfert habe. Hauptsache war, man könne die Rote Armee vertreiben.
Die Profite aus dem Drogen- und Waffenhandel sind eine wesentliche Stütze dieser Gruppen. Das damit errichtete Finanzimperium, das jenen mafiöser Organisationen gleicht, ist auch die Basis, auf der man die islamisch fundamentalistischen Gruppen in Pakistan und anderen Ländern aufbaut. Und wieder füllen sie dabei ein durch die imperialistische Politik eröffnetes Vakuum.
Ausweg aus der Krise
Seit Jahren machen IWF und Weltbank auf Länder wie Pakistan enormen Druck, ihre Finanzkrise durch Privatisierungen und den Rückzug aus der sozialen Verantwortung gegenüber der Bevölkerung zu bekämpfen. Während Militär und Geheimdienst weiter aufgerüstet werden, liegen das Gesundheits- und Bildungswesen am Boden. Die islamischen Fundamentalisten bieten mit ihren Frontorganisationen im Jugendbereich, ihren religiösen Schulen und anderen Einrichtungen eine gewisse Alternative zum Elend der kapitalistischen Verhältnisse. Gerade diese Madrassas (religiöse Hochschulen), die in den letzten jahrzehnten wie die Pilze aus dem Boden schossen, sind Rekrutierungsfeld für radikale Gruppen, wie die Taliban.
Die soziale Perspektivlosigkeit treibt die Massen in die Hände dieser Kräfte, die teilweise mit einer stark antikapitalistischen Rhetorik auftreten. Der islamische Fundamentalismus ist somit nichts anderes als ein Nebenprodukt der kapitalistischen Krise in dieser Region und wenden sich nun gegen ihre einstigen Schützlinge im Westen.