Wenn der Postmann niemals klingelt
Die "Wildcat"-Streiks der englischen PostarbeiterInnen

In den letzten Wochen gab es immer wieder Streikaktionen in London und Großbritannien. Der Streik der PostarbeiterInnen verdient dabei besondere Beachtung.

In den letzten Monaten gab es im Großraum London eine Serie von offiziellen Streiks der PostarbeiterInnen, welche eine zusätzliche Pauschale für in London beschäftigte ArbeiterInnen forderten. Dies wurde deshalb gefordert, weil man mit den normalen Löhnen mittlerweile ein Leben im teuren London nicht mehr finanzieren kann. Die Geschäftsleitung versuchte die während des Streiks liegengebliebene Arbeit auf die ArbeiterInnen abzuwälzen. Nachdem eine gewerkschaftliche Urabstimmung über Streikaktionen gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und Löhne im September negativ ausgefallen war, glaubte das Management der Post stark genug für weitere Provokationen zu sein.

Der Beginn des Streiks

Als sich am 17. Oktober in Southall (West-London) 16 FahrerInnen weigerten unbezahlte Zusatzarbeit zu leisten, wurden sie vom Management kurzerhand suspendiert. Als diese Arbeit dann an das nahegelegene Postamt in Greenford weitergegeben wurde, weigerten sich auch dort die ArbeiterInnen die Arbeit zu verrichten. Auch sie wurden suspendiert. Das Management glaubte, dass es einfach wäre die einzelnen ArbeiterInnen untereinander zu isolieren und der Gewerkschaft so einen bedeutenden Schlag zu versetzen (viele der Suspendierten waren gewerkschaftlich organisiert), doch dem war nicht so. Neben den suspendierten ArbeiterInnen traten immer mehr Postämter in einen Solidaritätsstreik.
Von Tag zu Tag weitete sich der Streik aus, und erfasste neben weiten Teilen Londons auch andere Städte in Großbritannien (Coventry, Warrington, Hatfield, Chelmsford u.a.). Am Höhepunkt des wilden Streiks waren mehr als 25.000 PostarbeiterInnen im Ausstand. In London wurde zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein Großteil der 20.000 Briefkästen versiegelt, weil sie sonst vor Briefen übergegangen wären. Mehr als 10 Millionen Briefe waren vom Streik betroffen.

Die Einigung

Das Management der Post reagierte mit blanker Repression. Entlassungen und gerichtliche Verfahren wurden angedroht. Die Manager der Royal Mail wurden angewiesen ihre MitarbeiterInnen, die am Streik teilnehmen, zu bespitzeln, führende Steikende ausfindig zu machen und zu melden. (The Guardian, 1. November 2003) Doch all dies half nichts, die Geschäftsleitung kam immer mehr unter Druck.
Am 3. November kam es schließlich zu einer Einigung zwischen der Gewerkschaft (CWU / Communication Worker Union) und dem Post-Management: Alle suspendierten und entlassenen ArbeiterInnen wurden wieder in den Dienst aufgenommen, die angefallene Arbeit während dieses Streiks und der vorhergehenden Streiks wird durch bezahlte Überstunden abgetragen und niemand wird wegen des Streiks gerichtlich verfolgt.

Die Lehren des Streiks

Bemerkenswert bei diesem Streik war vor allem, dass er rein "legal" nicht möglich gewesen wäre. Die "Anti-Gewerkschafts"-Gesetze aus der Ära der Tory-Regierungen in den 1980er Jahren verunmöglichen nahezu jede Streikaktion. Offizielle Streiks benötigen eine dreiwöchige Vorlauffrist, in der sich die Unternehmen auf die Streiks einstellen können. Die britischen PostarbeiterInnen haben jedoch gezeigt, dass Gesetze nicht dass Papier wert sind auf dem sie gedruckt sind, wenn die ArbeiterInnen zusammenstehen. Trotz all der Drohungen von Seiten des Managements trugen sie einen beeindruckenden Sieg davon, der auch auf die anderen Sektoren der Wirtschaft Eindruck machte.

Unser Korrespondent aus London