SPÖ

Wessen Partei ist die Partei?

Während anderswo der “Dritte Weg” von Tony Blair und Gerhard Schröder in Trümmern liegt, wird in der Löwelstraße gerade fest daran gebastelt. Die SPÖ bereitet sich auf die nächsten Wahlen und eine Rückkehr in die Regierung vor. Das verspricht nichts Gutes.

Die Gedanken der SPÖ-Strategen kreisen um eine Frage: “Wie gewinnen wir Wahlen?” Sie bemühen Meinungsumfragen, testen potentielle WählerInnen nach Schlagworten und richten danach ihr politisches Geschäft. Ganz offensichtlich ist bei dieser empirischen Arbeit folgendes zu Tage gekommen: Befragt nach Sozialpolitik, erreicht die SPÖ – so komisch einem das auch anmuten mag – Spitzenwerte, doch wird ihr nur schwache Wirtschaftskompetenz zugetraut. Nun lautet die Formel, die in Ausschüssen und Vorständen vom Boden- bis zum Neusiedlersee getrommelt wird: Wirtschaftskompetenz muss her! Dann müssen noch die positiv assoziierten Begriffe wie “Heimat” und “Sicherheit” besetzt werden, unser Spitzenkandidat als legerer, fotogener Mann aus unserer Mitte präsentiert werden, und man ist wieder in Ministerwürden.

Die bessere Volkspartei

Gusenbauer und sein Team wollen aus der SPÖ eine zweite Volkspartei machen. Eine Partei, die “Allianzen zwischen zum Teil sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen bildet”, so der Vorsitzende. Daher wehrt man sich gegen eine “Re-Ideologisierung”, der man “säkulare Visionen” entgegenhält. Eine Politik jenseits von Klassengegensätzen wird erträumt, denn “es gibt nicht mehr eine homogene ArbeiterInnenklasse mit gemeinsamen Lebensbedingungen, Bedürfnissen und Interessen.” Das Kernstück der Sozialdemokratie bestünde darin, “möglichst hohe Lebensqualität für alle zu erreichen” und die Grundlage dafür sei, dass wir uns für eine “leistungsfähige Wirtschaft und funktionierende Märkte einsetzen.” Das ist die Essenz des sozialdemokratischen Programms “Chance rot-weiß-rot”, mit dem nach den für die SPÖ erfolgreichen Landtagswahlen in Oberösterreich und Tirol der Vorwahlkampf eröffnet wurde.

Die dabei anvisierten Verbesserungen des Lebensstandards (ehest mögliche Lohnsteuersenkung für mittlere und untere Einkommen, ausreichend Kinderbetreuungsplätze) relativieren sich angesichts einer programmatischen Zusammenschau, wenn gleichzeitig die Pensionskürzung der Regierung akzeptiert wird und die Kapitalbesteuerung ebenso gesenkt werden soll wie der Spitzensteuersatz. Den Lohnnebenkosten solls an den Kragen gehen und die Wertschöpfungsabgabe soll nur in “homöopatischer” Dosis und aufkommensneutral   “andiskutiert werden”. Man will das Kapital ja nicht vergrämen. Daneben soll der “investierenden Wirtschaft” noch mit 1,4 Mrd. € unter die Schultern gegriffen werden. Für den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur soll es “Partnerschaften mit privaten Geldgebern” geben – sprich weiter privatisiert werden. 

Vernünftige Alternative?

Gusenbauer steht also ganz klar für eine bürgerliche Politik. Jede Bezugnahme auf die historischen, aber immer noch existierenden Wurzeln der SPÖ als politischer Ausdruck der ArbeiterInnenbewegung wird als “ideologische Verhärtung” zurückgewiesen. Der grundsätzliche Widerspruch von Arbeit und Kapital wird geleugnet, die Sozialdemokratie müsse es allen recht machen. Und sie könne es auch, wird uns permanent gesagt. Im Grunde würde es nur der Sozialdemokratie bedürfen um die kapitalistische Verwertungskrise zu lösen: Die vernünftige Sozialdemokratie versus die unvernünftige schwarz-blaue Regierung.

In der Ruhe einer zweiten Legislaturperiode in Opposition bereitet die Löwelstraße die Partei darauf vor, dass sie für den Fall einer neuerlichen Regierungsbeteiligung wieder die Geschäfte des Kapitals erledigen wird. Nur eben “vernünftiger” als ÖVP und FPÖ, was dem Land auch wieder “sozialen Frieden” und Stabilität bringen würde.

Auch wenn man es ihm nicht ansieht, Gusenbauer ist der österreichische Tony Blair:  Programmatisches Andocken an das Nervenkostüm verunsicherter Bürgerlicher (sogenannte “Soft-Konservative”) sowie Verneinung von Klassengegensätzen und einer daraus abgeleiteten sozialistischen Politik (Umverteilung, Arbeitszeitverkürzung).

Erfolgsaussichten

Diese Politik ist in Großbritannien und Deutschland bereits gescheitert, noch bevor sie hier wieder aufgewärmt wird. Die Menschen haben die Nase voll von der visionären Vernunftpolitik des “Drittem Wegs”. Wer heute angesichts eines sich zuspitzenden Klassenkampfes in ganz Europa und nun auch in Österreich, die Existenz von sich unversöhnlich gegenüberstehenden Klassen verneint, dem fehlt jeder Realitätssinn. Wer glaubt, der rasenden Kapitaloffensive durch Appelle an die Vernunft Einhalt gebieten zu können, ist ein Scharlatan. Die Realität wird auch in der Löwelstraße Einzug halten, die Frage ist nur, wie viel Schaden die Führung der SPÖ für die ArbeiterInnenbewegung bis dahin verursacht haben wird.

Verständnis aber nicht mehr

Die SPÖ, jahrzehntelang weich in den Schoß der Sozialpartnerschaft eingebettet, sieht sich plötzlich mit einer erwachenden ArbeiterInnenklasse konfrontiert, die ihre Errungenschaften verteidigt und unerhörterweise auch Forderungen an die SPÖ stellt. Diese möge sich doch an der Verteidigung der Pensionen, der VOEST, der ÖBB und eines progressiven Steuersystems ernsthaft beteiligen und nicht nur heiße Luft im Parlament reden, so die Meinung vieler GewerkschafterInnen.

In Oberösterreich hat sich gezeigt, dass eine Politik, wo sich die SPÖ zum politischen Sprachrohr der ArbeiterInnen macht, die beste Garantie für Wahlerfolge wäre. Gusenbauer will davon aber nichts wissen. Anstatt das Parlament als Mittel zu nutzen, um den wahren Charakter der Regierung und ihrer “Reformen” bloßzulegen, die Verteidigungskämpfe der Gewerkschaftsbewegung zu unterstützen und ihnen eine politische Stoßrichtung zu geben, beschränkt sich die SPÖ-Spitze – aus ihrer ganzen Logik heraus – rein auf parlamentarische Arithmetik. Für die Streiks gegen die Pensionsreform und die Zerschlagung der Bahn hat man “Verständnis”, aber mehr kann man ihr in der Öffentlichkeit nicht entlocken. Klagen beim Verfassungsgerichtshof, dem “Bewahrer des Rechtsstaats”, sind das einzige was man der Arbeiterschaft anzubieten hat – und natürlich die Vertröstung auf die nächsten Wahlen, wo dann alles besser werden soll.

Schwache Beine

Je mehr sich die SPÖ jetzt aus den Klassenauseinandersetzungen heraus hält, desto einfacher nimmt sie in einer kommenden Koalitionsregierung mit einer der bürgerlichen Parteien Platz. Doch Gusenbauer wird hierbei noch auf etliche Hindernisse stoßen. Sie sind im Klassencharakter der SPÖ selbst angelegt. Die Diskussion auf der FSG-Konferenz hat gezeigt, dass eine nicht mehr zu übersehende Konfliktlinie durch die “sozialdemokratische Familie” geht.

Seit Jahren läuft alles auf eine Entfremdung zwischen der Parteispitze und dem Gewerkschaftsflügel, der FSG, hinaus. Mit dem Weg in die Mitte, für den auch Gusenbauer steht, können die meisten GewerkschafterInnen nichts anfangen. Dieser Riss zwischen Partei und FSG geht sogar bis hinauf in die Führungsetagen der Gewerkschaft, was die Medien als Konflikt „Gusenbauer gegen Sallmutter“ verkürzen.

Sowohl personell als auch finanziell ist die SPÖ von ihrem Gewerkschaftsflügel enorm abhängig. Angefangen von kleinen Ortsparteien über die Bezirke bis auf die Bundesebene: die SPÖ wird in vielen Bereichen von BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen getragen. Diese unterste Funktionärsebene rennt für die Partei, mobilisiert in den Betrieben für Wahlen und organisiert all jene Aktivitäten, die man unter dem Begriff “Lufthoheit über den Biertischen” versteht. Und all die aufwändigen Werbekampagnen der SPÖ werden nicht vom “big business“, sondern aus den Sondertöpfen der FSG und aus Mitgliedsbeiträgen finanziert.

Unter diesen Umständen wird das verschämt verschwiegene “Beiwagerl” Gewerkschaft nicht so einfach zu entsorgen sein. Die Partei kann aber nur dann wieder zum Sprachrohr der ArbeiterInnen werden, wenn sich diese die Partei aus den Fängen jener zurückholt, welche die Sozialdemokratie in ein Instrument bürgerlicher Politik verwandelt haben.

Emanuel Tomaselli