Prostitution
bzw. Sexarbeit wird als das „älteste Gewerbe der Welt“ bezeichnet. Ein Gewerbe,
das jedoch bestimmte Ursachen hat: In einer Klassengesellschaft, in der die
gesellschaftliche Unterdrückung von Frauen fest verankert ist, werden auch die
Sexualität und der weibliche Körper zur Ware.
Bis
heute wird Prostitution nicht als Erwerbstätigkeit angesehen, weder rechtlich
noch moralisch. In Österreich ist
Prostitution im Polizeistrafgesetz angesiedelt, Sexarbeit ist außerdem in der
(sichtbaren) Nähe von öffentlichen Orten verboten. Damit werden
Sexarbeiterinnen mehr und mehr in die gesellschaftliche Isolation getrieben.
Für
Sexarbeiterinnen gelten keine arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen, wie
Arbeitszeitregelungen, Krankengeld, Kündigungsschutz oder Mutterschutz. Es
besteht lediglich die Möglichkeit einer freiwilligen Selbstversicherung und
damit dann Anspruch auf Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherungsleistung.
Lässt sich eine Sexarbeiterin registrieren, verpflichtet sie sich zu
wöchentlichen Kontrollen beim Amtsarzt und zu Steuerleistungen je nach
Aussehen, Alter und Standplatz.
Sexarbeit
und Migration
Migrantinnen
in der Sexarbeit haben zumeist nicht einmal die Chance zu dieser Registrierung
– sie sind doppelt illegal: als illegale Migrantin im Land und als illegale
Sexarbeiterin arbeitend. Das führt dazu, dass sie keinerlei Zugang zu
Gesundheits- oder Sozialeinrichtungen haben und durch die Schulden, die sie dem
jeweiligen Schlepper oder Bordellbesitzer für Transport, Raummiete, Bettwäsche
oder Standplatz bezahlen müssen, in die völlige Abhängigkeit geraten. Die
Frauen bekommen oft gerade 10% bis 30% ihres Gehaltes. Profiteure sind
Vermieter, Zuhälter, Schlepper.
Dazu
kommt, dass ihnen meistens der Reisepass und die Papiere abgenommen werden, und
für Frauen ohne Papiere, die der Polizei in die Hände fallen, bedeutet das
Schubhaft und Abschiebung in das Herkunftsland, bevor es noch zu einem Prozess
kommen kann. Vorsichtige Schätzungen über die Zahl der Opfer des Frauenhandels
in Westeuropa beliefen sich 1998 auf 500.000. Das entspricht einem Anstieg von
über 80% im Vergleich zu zehn Jahren davor.
Zwar
sollte es durch einen Erlass des Innenministeriums vom Juni 2001 ausländischen
Showtänzerinnen und Sexarbeiterinnen ermöglicht werden, legal nach Österreich
zu kommen, doch auch das ist an Bedingungen geknüpft. Nötig zur Erhaltung
dieser Aufenthaltsbewilligung, die im Herkunftsland zu beantragen ist, sind
beispielsweise die Bestätigung des „Managers“, Krankenversicherung,
Steuernummer und Registrierung als Prostituierte. Außerdem läuft diese
Aufenthaltsbewilligung nach drei Monaten ab, und die Verlängerung um ein bis 24
Monate hängt von den Behörden ab und ist gebührenpflichtig. Sinnvoller wäre es,
den Frauen einen aufenthaltsrechtlichen Status und freien Zugang zum
Arbeitsmarkt uneingeschränkt zu ermöglichen, damit sie aus ihren
Abhängigkeitsverhältnissen herauskommen.
Ein
florierendes Geschäft
Die
Zahl der registrierten Sexarbeiterinnen nimmt von Jahr zu Jahr ab. 1913 waren
es in Wien noch 1879, 1993 711 und im Oktober 2000 nur noch 513, wovon 20%
Migrantinnen sind. Trotz dieser Zahlen ist die Anzahl der Kunden jedoch nicht
rapide gesunken. Laut Schätzungen gehen in Wien immerhin 15.000 Männer täglich
zu Sexarbeiterinnen. Wo sind nun all diese Prostituierten?
Ihre
tatsächliche Zahl wird auf 5.000 bis 7.000 geschätzt, wobei 85% Migrantinnen
sind und illegal arbeiten. Durch fehlende Schutzbestimmungen werden viele von
ihnen in die Abhängigkeit von Zuhältern getrieben, was sie weiter in die
Illegalität bringt, da sich nur selbstständige Sexarbeiterinnen registrieren
lassen können. Wer keine Chance hat, seine Rechte einzuklagen, muss sich
anderswo Schutz suchen.
Sexuelle
Selbstbestimmung statt Doppelmoral
Neben
der Anerkennung als Erwerbsarbeit ist eine andere Kernforderung der
Sexarbeiterinnen selbst die Enttabuisierung der Sexualität. In einer
Gesellschaft, in der die Wörter Sex oder sexuelle Befriedigung oft nur hinter
vorgehaltener Hand ausgesprochen werden, sollte die Doppelmoral aufgezeigt und
bekämpft werden. Männer wie Frauen sollten die Möglichkeit haben, sich sowohl
kulturell als auch sexuell entfalten zu können – ohne moralische
Verurteilungen. Dazu gehört auch die Anerkennung der Frau als sexuell handelndes
Subjekt.
Frauen
muss durch die Schaffung von wirtschaftlicher Absicherung der Druck genommen
werden, in die Prostitution zu gehen – das ist dann der Fall, wenn sie andere
Alternativen haben und wählen können. Dies ist jedoch nur in einer Gesellschaft
möglich, in der die Unterdrückung von Frauen auf allen Ebenen bekämpft wird,
auch die Prostitution.
Bewusstsein
statt Caritas
In
der Diskussion um Sexarbeit wird oft von den „armen Frauen“, den Objekten und
Opfern, gesprochen. Das ist die falsche Herangehensweise. Von Vereinen, die
sich mit der Problematik der Frauenarbeitsmigration und der Situation von
Sexarbeiterinnen befassen, wie zum Beispiel MAIZ oder LEFÖ, wird immer wieder
betont, wie wichtig es ist, Sexarbeiterinnen als denkende und handelnde Subjekte
zu begreifen und auch so zu behandeln.
Entkriminalisierung
und die Anerkennung als Erwerbsarbeit wären erste Schritte zur Verbesserung
ihrer Situation. Darüber hinaus muss man sich die Frage stellen, wie
Sexarbeiterinnen humanere Arbeitsbedingungen erreichen und vor allem auch sich
selbst erkämpfen können. In dieser Hinsicht ist die Möglichkeit einer
gewerkschaftlichen Organisierung von zentraler Bedeutung. Sexarbeiterinnen in
Österreich müssen sich im ÖGB organisieren können – auch Migrantinnen. Die Gewerkschaftsmitgliedschaft
sollte sowohl für Sexarbeiterinnen in Bars, Bordellen und Peep-Shows als auch
für selbstständig Arbeitende möglich sein.
Weiters
müssen für Sexarbeiterinnen reguläre Arbeitsverträge gelten, die nicht aufgrund
ihrer „Sittenwidrigkeit“ für ungültig erklärt werden können, und die darüber
hinaus kollektivvertraglich abgesichert sind. Die Etablissements, in denen die
Frauen arbeiten, kommen für arbeitsrechtliche Leistungen, wie Kranken- und
Pensionsversicherung, Urlaub oder Mutterschutz auf. Darüber hinaus müssen
hygienische Arbeitsbedingungen selbstverständlich sein.
Es
braucht ausreichende Angebote an kostenloser Gesundheitsversorgung, die allen
zugänglich ist. Sexarbeit muss aus dem Polizeistrafgesetz hinaus!
Sichergestellt
muss werden, dass Frauen nicht in die Hände von Zuhältern fallen. Bedingung
dafür ist, dass die Sexarbeit nicht in irgendwelchen dunklen Ecken abseits der
Öffentlichkeit ausgeübt wird, sondern in rechtlich abgesicherten Bordellen.
Weiters müssen Sexarbeiterinnen das Recht haben, Freier abzulehnen.
Um
den Ausstieg jederzeit zu ermöglichen, braucht es die Möglichkeit von
Weiterbildung und Ausstiegsprogrammen.
Migrantinnen
müssen rechtlich den österreichischen Sexarbeiterinnen gleichgestellt sein und
eine Aufenthaltsbewilligung und freien Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Sie
sollten die Möglichkeit haben, jederzeit aus der Sexarbeit in einen anderen
Beruf umzusteigen, ohne abgeschoben zu werden. Politische Bewusstseinsbildung
statt karitativer Arbeit!
Manu
Grabner