Die
Habsburg-Connection: Österreichs Konservative bald in der Kapuzinergruft
vereint?
Karl I., der letzte österreichische Kaiser der Habsburg-Dynastie, soll selig gesprochen werden. Dies gab die vatikanische Kongregation in Anwesenheit von Papst Johannes Paul per Dekret bekannt. Mit dabei eine große Delegation der Familie Habsburg „unter Führung des Familienchefs Otto von Habsburg“ so eine katholische Postille. Der Vatikan: Kaiser Karl habe „seinem Volk mit Gerechtigkeit und Liebe gedient“.
Der kranke Papst in Rom reiht einen um den anderen Reaktionär in die verehrungswürdige Ahnengalerie der Katholischen Kirche: Antikommunistisch-rechtsextrem-prokapitalisisch so schaut der Heilige des 21. Jahrhunderts aus.
Politischer Katholizismus
Die brutalen Attacken auf die ArbeiterInnenbewegung und ihre Errungenschaften sollen einmal mehr mittels des Katholizismus ideologisch ummantelt werden. Was im Jahr 2000 noch als schlechter Scherz wahrgenommen werden konnte, als eine Bundesregierung auf Pilgerreise zur Götzenfigur in Mariazell, nimmt immer systematischere Form an: Ministerien in die Kapellen gebaut werden, Parlamentspräsidenten, die ohne das „heilige Buch“ nie außer Haus gehen, Regierungsvorlagen, die von der Kanzel gepredigt werden, Gott als Grundstein der Bundesverfassung... was schlechthin mit Saudi-Arabien, Afghanistan oder dem Iran in Zusammenhang gebracht wird, ist im vierten Jahr von Schwarz-blau österreichische Realität und das kann der ArbeiterInnenbewegung nicht egal sein.
Das österreichische Bürgertum ist historisch schwach und musste sich immer „Bündnispartner“ suchen: Kleingewerbetreibende, Bauern und die Ministerialbeamtenschaft sind die wichtigsten gesellschaftlichen Stützen des österreichischen Kapitals. Dies spiegelt sich in der bündlerischen Struktur der ÖVP wider. Dass dieses Bündnis nie friktionsfrei war und ist, lesen wir wöchentlich in den Zeitungen, wenn sich wieder mal ein Landeshauptmann, ein Obmann, eine VP-Landesorganisation querstellt. Dieses in sich widersprüchliche Bündnis bedarf einer verbindlichen ideologischen Fundierung, die traditionell der Katholizismus war.
„Christlich-sozial“ ist nicht mehr nur ein historischer Begriff des
politischen Katholizismus, sondern das Selbstverständnis wichtiger
Repräsentanten der regierenden ÖVP. „Wir genieren uns nicht für unsere christlich-sozialen Wurzeln", bekennt Schüssel. Die Regierung gedenkt in
der Kapelle des Kanzleramts Engelbert Dollfuss, dem Arbeitermörder und Exekutor
der parlamentarischen Demokratie. Während der Streiks gegen die Pensionsreform
wechselt Kardinal Schönborn im Stephansdom in die Rolle des Zuhörers und lässt
den Bundeskanzler für den Sozialabbau predigen. Dafür darf der Erzbischof mal
im Parlament ans Rednerpult.
Sozialabbau wird mit der
christlichen Dogmatik begründet: „Das Sozialsystem zu überlasten, ist
unchristlich", so Kohl. Dass bis zum 15.Januar keine
Flüchtlinge auf die Straße gesetzt werden, wird vom Innenminister breitmündig
proklamiert. Weihnachten ist dann endgültig vorbei, und als gläubiger Christ
muss man dann nicht mehr fürchten, Herbergssuchende abzuweisen. Im Januar kann
man sicher sein, dass man es nur mit ordinären Asyl-Suchenden zu tun hat.
Mit dem Anknüpfen an die
„christlich-soziale“ Bewegung nimmt die ÖVP deren autoritäres politisches Erbe
in Kauf: Antisemitismus, Monarchienostalgie und offene Diktatur des Kapitals,
Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. Galt es in der Ersten Republik den „revolutionären
Schutt wegzuräumen“ wird heute allerorts daran gegangen die Spuren von „dreißig
Jahre sozialistischer Politik“ zu bewältigen. Um die historische Parallele
hier brechen zu lassen: Schüssel und Co. planen keine offene Diktatur des
Kapitals. Ihnen geht es nicht darum die ArbeiterInnenbewegung völlig zu
liquidieren. Auf dem heutigen Fahrplan stehen einmal die nachhaltige Schwächung
und Zurückdrängung der ArbeiterInnenbewegung.
Dass dabei eine schlampige Haltung
zum Parlamentarismus (Stichwort: „speed kills“) zum Vorschein kommt, darf nicht
überraschen: Die Haltung zum Parlament und bürgerlicher Demokratie im
allgemeinen wurde den kaisertreuen Bürgerlichen nicht in die Wiege gelegt. Der
Bruch mit dem politischen Katholizismus erfolgte auch nach 1945 nur
oberflächlich. Die führenden Funktionäre der ÖVP der ersten Nachkriegsjahre
begannen ihre politische Karriere allesamt im Austrofaschismus. Die Lebenslüge,
dass Österreich das erste Opfer des Faschismus sei, machte es Figl & Co.
leicht ihre austro-faschistische Vergangenheit vergessen zu machen.
Heute knüpft die ÖVP wieder an
dieser Tradition an. Demokratieabbau und das soziale Auseinanderdriften
zwischen Arm und Reich verlangen nach ideologischer Untermauerung. Im
katholischen Kernland Österreich liegt der Griff zu Weihrauchfass und Kruzifix
nahe.
Seltsame
Blüten
Die von Schüssel verordnete
Frömmigkeit treibt auch seltsame Blüten und geht mit einer kräftigen Portion
Scheinheiligkeit schwanger. Stichwort: Eheannullierung. Leider sind die
katholischen Gerichte zu diskret, als dass die Öffentlichkeit erfahren könnte,
ob Rauch-Kallat und Ferrero-Waldner nun auf „Zwang“, „nicht-vollzogene Ehe“
oder „geistige Umnachtung“ plädiert haben. Nachdem die Außenministerin auf zwei
stolze erwachsene Kinder blicken kann, bleibt diese Spekulation der
Öffentlichkeit überlassen. Der Umstand, dass Rauch-Kallat dann einen adeligen
Waffenschieber heiratete, passt in das Gesamtbild. Dass parlamentarische
Hinterbänkler dann gleich den „Dreifältigen Gott“ in die Verfassung fordern,
zeugt von der besonderen Einfältigkeit des Rechtskatholizismus, denn diese
Forderung würde nicht mal eine 50-prozentige Mehrheit in einem
durchschnittlichen Pfarrgemeinderat bekommen.
Selige
Kriegsverbrecher
Vor Gott sind bekanntlich alle
gleich. Einige haben aber auch eine gute weltliche Lobby, dazu gehört auch der
gestürzte Kaiser Karl. „Die Kaiser Karl Gebetsliga“ hat etwa 5.000 Mitglieder.
Da von diesen großzügige Spenden erwartet werden, kann man davon ausgehen, dass
die betenden Fußvolkkatholiken nur in einer Minderheit sind. An der Spitze
dieser katholischen Liga ist ein alter Bekannter: Bischof Krenn. Dann folgen
zugleich amtierende Hofräte (von der ÖVP könnte man nun annehmen). Dass die
Familie Habsburg auch daran interessiert ist, dass einer ihrer Ahnherrn zur
öffentlichen Verehrung freigegeben wird, ist wohl kaum zu bezweifeln. Und da hätten
wir schon alle Zutaten für den Heiligen-Schein. Nur - das Wunder fehlt! Nachdem
die Soldaten Kaiser Karls Senfgasangriff am Isonzo nicht überlebt haben, müssen
halt andere - ästhetische - Wunder
herhalten. Was passt da besser in unsere Zeit, als eine wundersame Heilung von
Krampfadern. Wo die Schulmedizin scheitert,
da springt unser seliger Kaiser ein. Ach du alte Kaiserherrlichkeit! Als
die Sozis noch verboten und der 1. Mai dem adeligen Frühlingsfest reserviert
war! Als Frauen noch nicht wählen durften und die Slawen noch dort waren, wo
sie heute wieder hin sollen – unters Joch Österreichs!
Die Gebetsliga beschränkt sich nicht
aufs Theologische. In ihrem Selbstverständnis wird festgehalten:
„Die Kaiser Karl Gebetsliga für den Völkerfrieden, deren erste Ursprünge
bis in die Kindheit des Dieners Gottes zurückreichen, umfaßt mittlerweile immer
mehr Menschen in mehreren Ländern und Kontinenten, die sich mindestens einmal
im Monat verpflichten, ihr Gebet, die Hl.Messe und die Hl.Kommunion, das
Tagewerk, ein besonderes Opfer oder Sühneleiden aufzuopfern:
1. zur Sühne für alles Unrecht gegen göttliche und menschliche Autorität und
für die Erlangung des Friedens unter den Völkern;
2. für die baldige Seligsprechung des Dieners Gottes KARL aus dem HAUSE ÖSTERREICH.“
Punkt Zwei liegt nun in Reichweite. Es wird spannend wie die österreichische Bundesregierung agieren wird. Die österreichische Politprominenz gemeinsam mit der Familie Habsburg am Petersplatz und im Gedenkgottesdienst für den Monarchen? Was passiert mit den Gebeinen (nun Reliquien) Karls? Eine Überführung nach Österreich ist von der Gebetsliga gewünscht und die ÖVP wird sich hier ins Zeug legen. Was ihm lebend verwehrt wurde, soll nun dem Knochen-Charles gelingen: die Heimkehr nach Österreich. Allein: die Insel Madeira ziert sich den Toten herauszurücken. Eine Trennung der Gebeine hält Krenn für einen gangbaren Weg. Nichts ist den Konservativen zu blöd um ihre Offensive ideologisch zu untermauern: „Heiliger Karl von Österreich zu Kapuzinergruft und König von Madeira“.
Diese identitätsstiftenden Maßnahmen werden zelebriert werden: so war schon der 90. Geburtstag von „Kaiser-Sohn“ Otto Anlass genug, dass sich die Bundesregierung im strengbewachten Stephansdom versammelte. Anschließend durfte Otto in der Hofburg zelebrieren. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner assistierte beim Kongress von Habsburgs monarchistischer Pan-Europa-Bewegung. Adeliger Leichengeruch scheint für Österreichs Konservative ein unwiderstehlicher Duft zu sein.