Die Bedeutung der Bundespräsidentenwahl

 

Heinz Fischer ist der neue Bundespräsident. In der Sozialdemokratie herrscht Jubelstimmung vor. Und mit Benita Ferrero-Waldner dürfte schön langsam dem gesamten bürgerlichen Lager das Lächeln einfrieren. Über die Bedeutung dieser Bundespräsidentenwahl und die Perspektiven eines neuen sozialdemokratischen Frühlings.

 

Von der ersten Hochrechnung an war klar, dass Heinz Fischer zum neuen Bundespräsidenten gewählt wurde. Je mehr Wahlergebnisse aus Wien einlangten desto deutlicher wurde sein Sieg. Das Endergebnis lautet: Heinz Fischer 52,41% gegen Ferrero-Waldner 47,59%.

Erstmals seit zwei Jahrzehnten hat die Sozialdemokratie somit bei einer Wahl auf Bundesebene eine absolute Mehrheit erzielen können. Verdanken kann sie diesen Wahlsieg ihren traditionellen Hochburgen, den Arbeiterbezirken und den Industriestädten. Hier lag Fischer weit voran. In Wien, wo er in den Arbeiterbezirken Favoriten, Simmering, Floridsdorf usw. überall die Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten hat, wurde dieser Erfolg abgesichert.

Ferrero-Waldner hingegen konnte nur in den tief schwarzen Regionen punkten. Und selbst da gelang es der ÖVP nur äußerst mangelhaft ihre Basis an die Wahlurne zu mobilisieren.

 

Konservativ gegen modern?

 

Kurt Bergmann, Licht ins Dunkel-Erfinder und lakaienhafter Benita-Wahlkämpfer, versuchte diese Wahl als eine zwischen „konservativ“ und „modern“ darzustellen. Wie nicht anders zu erwarten, handelte es sich auch hier um eine dreiste Umdeutung politischer Begrifflichkeiten. Anhänger einer zu tiefst konservativen Weltanschauung, wie eben ein Kurt Bergmann, wollten uns weismachen, dass die ÖVP-Kandidatin der Garant für Modernität und Fortschritt sei. Jung, dynamisch, flexibel seien ihre Attribute.

Mit ihrem Projekt „Benita hilft“, d.h. dem Versuch für ein paar ausgewählte sozial Bedürftige Almosen zu verteilen, mit ihrem antiemazipatorischen Frauenbild, ja mit ihrem ganzen persönlichen Auftreten als abgehobene High Society-Dame war Ferrero-Waldner jedoch die Ausgeburt eines vormodernen, rückwärtsgewandten Bürgertums, das in Österreich schon immer jeglichen Fortschritt bekämpft hat.

Ein Blick auf die Wahlergebnisse zeigt auch, wo Ferrero-Waldner in Wirklichkeit punkten konnte. Abgesehen von der Wiener Innenstadt nur in den ländlichen Gebieten in West- und Südösterreich, dort wo die bürgerliche Reaktion schon immer ihre soziale Basis hatte. Die teilweise niedrige Wahlbeteiligung (z.B. in Vorarlberg) und die Tatsache, dass viele potentielle ÖVP-WählerInnen diesmal daheim geblieben sind, zeigt, dass jedoch selbst konservativen Kreisen diese Kandidatin zu „over the top“ war.

Ferrero-Waldners Niederlage ist alleine deshalb schon positiv zu bewerten, weil die Außenministerin Sinnbild für die schlimmsten Ausformungen der österreichischen Reaktion ist. Die WählerInnen haben hier einem rechtskonservativen Weltbild die Unterstützung versagt, und das ist in einem Land, in dem der Rechtspopulismus über 15 Jahre von einem Erfolg zu nächsten jagen konnte, in dem es trotz massivem Sozialabbau und Angriffen auf die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in den letzten 4 Jahren eine deutliche schwarz-blaue Mehrheit gegeben hat.

 

Wofür steht Heinz Fischer?

 

Einer der Wahlkampfmanager Ferrero-Waldners prägte in einer TV-Diskussion das Bild vom Heinz Fischer, der für das „alte Österreich“ steht. Gemeint hat er damit das Österreich der Sozialpartnerschaft, des sozialen Ausgleichs, des über die historischen politischen Lager reichenden Klassenkompromisses.

Wir können ihm mit dieser Analyse nur recht geben. Heinz Fischer, der selbst noch in dieser „goldenen Ära“ des österreichischen Kapitalismus politisch gereift war und schon unter Bruno Kreisky wichtige Funktionen in der SPÖ ausübte, ist das lebendige Gedächtnis an diese Zeit. Wir haben in einer Reihe von Artikeln und Dokumenten schon erklärt, dass diese Epoche unwiederbringlich zu Ende ist. Die globale Krise des Kapitalismus in den letzten Jahrzehnten hat diesem politischen Modell die materielle Basis entzogen.

Die Mehrheit der Bürgerlichen haben das längst erkannt. Schwarz-Blau ist ihre Antwort darauf. Ein Wahlsieg für Ferrero-Waldner hätte die prolongierte Zustimmung der ÖsterreicherInnen zu dieser Wende bedeutet.

Gerade die ArbeitnehmerInnen und v.a. die organisierte ArbeiterInnenbewegung sahen in dieser Wahl eine Möglichkeit der Regierung einen weiteren Denkzettel zu verpassen. Heinz Fischers Sieg symbolisiert die Hoffnung großer Teile der Bevölkerung, nicht zuletzt der ArbeitnehmerInnen, es gäbe ein Zurück zu dieser „guten, alten Zeit“. In der SPÖ und den Gewerkschaften ist dieser Wunsch noch tief verankert. Heinz Fischer stand und steht für dieses Bewusstsein. Sein ganzes Politikverständnis ist davon geprägt. Seine Wahlkampfslogans von „Fairness, Gewissen, Ehrlichkeit, zuhören“ und sein Plädoyer für die Neutralität, auch wenn dieses bei genauerem Hinhören auch bei ihm nicht so „immerwährend“ ist wie es viele gerne hätten, sprachen den meisten SP-AktivistInnen aus der Seele.

Mit Heinz Fischers Sieg lebt noch einmal die Illusion der Sozialpartnerschaft, des Interessensausgleichs, des Klassenkompromisses auf. So langsam und beschaulich wie Fischer nachdenkt und redet, so langsam solle sich auch das politische Geschehen in Österreich entwickeln. Die tatsächliche Geschwindigkeit des Kapitalismus und die Heftigkeit der ökonomischen, sozialen, politischen Krise des Systems weltweit werden diesen Wunschtraum jedoch wie eine Seifenblase zerplatzen lassen.

 

Die Rolle des Bundespräsidenten

 

Heinz Fischer versprach bei den Wahlfeiern vor der SP-Löwelstraße ein Bundespräsident für „alle ÖsterreicherInnen“ sein zu wollen. Vor dem Hintergrund einer Klassengesellschaft, wo der Verteilungskampf um das gesellschaftliche Mehrprodukt immer heftiger geführt wird, wird er dieses Versprechen aber nur schwer einhalten können. Die Funktion des Bundespräsidenten ist natürlich unter normalen Umständen derart unbedeutend, dass sich Heinz Fischer als „Gewissen der Nation“, das zwischen den Klassen zu lavieren und bei seinen Neujahrsansprachen alle Interessen unter einen Hut zu bekommen versucht, etablieren kann. In Krisenzeiten wird er jedoch mit dem Druck von zwei Seiten konfrontiert sein, die völlig unterschiedliche Interessen haben. Dann wird er sich entscheiden müssen – am besten für diejenigen, denen er tatsächlich für seinen Wahlsieg dankbar sein muss, nämlich den ArbeitnehmerInnen.

Rein prinzipiell vertreten MarxistInnen den Standpunkt, dass das Amt des Bundespräsidenten in der österreichischen Verfassung einen absolut reaktionären Charakter hat. Für Krisensituationen ist darin ein bonapartistisches Ausstiegsszenario aus den Spielregeln der bürgerlichen Demokratie angelegt. Deshalb treten wir eigentlich für die Abschaffung dieses Amtes ein. Also: Sparen, aber richtig!

 

Za’wos?

 

Der Autor dieser Zeilen durfte als Wahlbeisitzer in einem Wiener Arbeiterbezirk selbst erleben, mit wie wenig Begeisterung die Menschen ihr Wahlrecht in Anspruch nahmen. Die geringe Wahlbeteiligung und die relativ hohe Zahl an ungültigen Stimmen zeigen wie sehr das Vertrauen in dieses politische System und die Parteien bereits erodiert ist.

Abgesehen von der – wenn auch nicht gerade irrelevanten – Schicht von in der Sozialdemokratie und der Gewerkschaft organisierten und aktiven ArbeitnehmerInnen, die mit Heinz Fischer, wie bereits erklärt, gewisse Hoffnungen verbinden, kann wohl kaum von einem großen Enthusiasmus für dem SP-Kandidaten gesprochen werden. Je jünger die WählerInnnen desto schwächer natürlich diese Vorstellung Fischer könne uns eine „sichere Zukunft“ bescheren. Für die Generation der Unter-30jährigen ist der politische Unterschied zwischen Sozialdemokratie und dem Bürgerblock kaum ersichtlich. Positive Erinnerungen an die Kreisky-Ära kann es hier nicht mehr geben.

Die Wahl Fischers war für viele bestenfalls die Wahl des „kleineres Übels“. Die Erfahrung, dass egal welche Partei an der Macht ist, immer die gleiche Politik betrieben wird, und dass sie bei dieser Politik immer unter die Räder kommen, prägt das Bewusstsein der breiten Massen.

 

Den Rückenwind für eine sozialistische Offensive nutzen!

 

Die Wahlerfolge des heurigen Jahres geben der ArbeiterInnenbewegung Rückenwind. BetriebsrätInnen, SP- und FSG-BasisaktivistInnen gehen wieder selbstbewusst und erhobenen Hauptes an die politische Arbeit. Und das ist das Positivste auch an diesem Wahlausgang. Es zeugt davon, dass die Hegemonie des Ideologie des Bürgerblocks in diesem Land gebrochen werden konnte, und dass die überwältigende Mehrheit der ArbeitnehmerInnen eine politische Alternative anstrebt.

MarxistInnen werden in der SPÖ, der SJ und den Gewerkschaften dafür kämpfen, dass dieser Wunsch nach einer sozialistischen Wende ein kräftiges Sprachrohr bekommt. Der Kampf gegen Sozial- und Bildungsabbau, gegen Arbeitslosigkeit, gegen militärische Aufrüstung muss im Mittelpunkt stehen. Nur wenn wir mit der alten Politik der Sozialpartnerschaft und des Klassenkompromisses brechen und eine klassenämpferische Alternative in der ArbeiterInnenbewegung aufbauen, können wir den gegenwärtigen Rückenwind für eine sozialistische Offensive nutzen.

 

Wien, 26.4.2004