Heißes Eisen: VOEST-Privatisierung
Die ÖIAG macht
ernst. Die Weichen für den Verkauf der restlichen Staatsanteile an der
VOEST-Alpine sind gestellt. Während sich die Bourgeoisie um den Kuchen
streitet, drehen sich die Diskussionen in der Arbeiterbewegung nur darum,
welche der Privatisierungsvarianten als das geringere Übel vorzuziehen sei. Die
wahre Problematik stellt sich jedoch anders dar.
Laut war der Aufschrei, als die Geheimverhandlungen
Magnas mit der ÖIAG aufflogen. Die Zerschlagung der VOEST-Alpine stand
plötzlich im Raum. Die Auseinandersetzung rund um die VOEST-Alpine kommt
allerdings nicht aus heiterem Himmel. Sie ist nur die logische Konsequenz
jahrzehntelanger systemkonformer Politik seitens der SPÖ und des
Gewerkschaftsbundes. Sie hatten die Zerschlagung der Verstaatlichten in den
80er Jahren arrangiert und der Privatisierung den Weg geebnet.
Die Gewerkschaftsbewegung hatte der
Privatisierungsstrategie nie wirklich etwas entgegensetzen können. Einmal die
marktwirtschaftlichen Zwänge akzeptiert, musste die Gewerkschaft allen
kämpferischen Reden und Demonstrationen zum Trotz der Zerschlagung schließlich
zustimmen: Wenn man aufgrund der internationalen Stahlkrise am Markt nicht mehr
verkaufen könne, dann könne man sich auch nicht betriebswirtschaftlich
sinnvollem Gesundschrumpfen in den Weg stellen. Die Rolle der Gewerkschaft war
es, den „Strukturwandel“ möglichst ohne soziale Unruhen vollziehen zu helfen.
Auf betrieblicher Ebene schnappt wieder einmal die
Falle der Standortlogik zu: Ein verantwortungsbewusster Gewerkschafter darf
sich nicht gegen Rationalisierungen stellen, welche die Wettbewerbsfähigkeit
verbessern. Die verbleibenden Mitarbeiter hätten damit einen sichereren Job,
zumindest bis zur nächsten Rationalisierungswelle. So baute auch die
VOEST-ALPINE unter Duldung der
Gewerkschaft, selbst in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten beständig Leute ab
und besetzte pensionierte ArbeitnehmerInnen nicht mehr nach. Um Personalkosten
zu sparen und den Gewerkschaftseinfluss zurückzudrängen, wurden und werden
zusehends LeiharbeiterInnen zugekauft, die unter viel schlechteren
Arbeitsverträgen arbeiten müssen.
Auch in der aktuellen Diskussion weicht man zurück:
Nicht gegen den Verkauf grundsätzlich richte man sich, sondern gegen die Umstände
und Absichten mancher Käufer. Nun haben AK, ÖGB und SPÖ durchaus Recht, wenn
sie die Verscherbelungspraktiken anprangern: die Ministerkapitalisten schanzen
sich und ihresgleichen Staatsvermögen möglichst billig zu. Aber so sehr auch
namhafte Gewerkschafter im Aufsichtrat der Privatisierungsagentur ÖIAG eine
„korrekte“ Vorgangsweise einfordern: Was bringt der Arbeiterbewegung ein
höherer oder niedrigerer Privatisierungserlös? Werden bei guten Verkaufserlösen
die Angriffe auf die Rechte der ArbeitnehmerInnen weniger scharf ausfallen?
Sozialdemokratie und ÖGB beharren auf dem Erhalt
einer staatlichen Sperrminorität, d.h. 25% des Aktienkapitals plus eine Aktie.
Damit sollen wichtige Entscheidungen bei der Aktionärsversammlung abgeblockt
werden können. Es ist wichtig, sich gegen eine Vollprivatisierung der
ÖIAG-Betriebe auszusprechen. Dennoch muss offen gesagt werden, was ein 25%iger
Anteil bedeutet: Eine sozialistische Regierung könnte die VOEST-Alpine nicht
nach gesamtwirtschaftlichen Kriterien führen, sondern hätte immer noch eine
satte ¾-Mehrheit Kapitalinteressen gegen sich.
Anstatt sich gegen weitere Privatisierung
auszusprechen, lautet die Gewerschaftsdiktion: Von den 34,7% Staatsanteil
dürfen 9,4% verkauft werden, aber bitte an „verantwortungsbewusste“ Aktionäre,
allen voran der Belegschaft selbst. Derzeit hält die Mitarbeiterstiftung 6,5%
des Aktienkapitals. Die Gewerkschaft will den Anteil auf über 10% erhöhen: Wer
solche „Lösungen“ den besorgten ArbeitnehmerInnen anbietet, der streut ihnen
Sand in die Augen und kanalisiert den Unmut gegen die Privatisierung in
harmlose Bahnen. Um wirklich über den Kapitalmarkt die Geschicke des
Unternehmens bestimmen zu können, wäre eine Mehrheit des Aktienkapitals
notwendig. Dieser Weg bleibt daher von vornherein versperrt.
Die Gewerkschaft (die die ArbeitnehmerInnenanteile
gegenüber der Aktionärsvollversammlung vertritt) kann höchstens in bestimmten
Fällen als Zünglein an der Waage fungieren und zwischen den verschiedenen
Kapitalfraktionen herumlavieren. Angriffe gegen die ArbeitnehmerInnen werden
auf diesem Wege nicht abzuwenden sein.
Darüber hinaus machen sich die Mitarbeiter mit
steigender Aktienbeteiligung immer stärker von der wirtschaftlichen Situation
des Unternehmens abhängig. Im Falle eines Markteinbruchs können die Mitarbeiter
nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch ihre im Unternehmen angelegten
Ersparnisse verlieren.
Nicht umsonst steht die Idee der
Mitarbeiterbeteiligung bei den Bürgerlichen hoch im Kurs. Sie ist ein „Stückerl
Volksgemeinschaft“, ungefährlich gering, aber groß genug um die fundamentalen
Klasseninteressen der Lohnarbeit mit etwas Unternehmergeist zu verwirren.
Ob nun Frank Stronach oder die Raiffeisen
Oberösterreich gemeinsam mit Hannes Androsch den Zuschlag kriegt, macht für die
Arbeiterbewegung wenig Unterschied. Die Steyrerwerke wurden auch zunächst von
einer Bank (der Creditanstalt) übernommen, bevor sie an Magna weiterverkauft
und zerschlagen wurden. Eine gesicherte „österreichische“ Lösung kann es unter
den Bedingungen eines globalen Kapitalismus nicht geben. Wenn die Profite nicht
mehr stimmen, ist es mit den patriotischen Anwandlungen heimischer Bankkapitäne
vorbei.
Nebenbei bemerkt: Als der rote Baron Androsch und
RLB-Chef Scharinger sich das Tourismusunternehmen Dachstein AG (DAG) bei dessen
Privatisierung einverleibten (5% ließen sie gnädigerweise der Belegschaft),
versprachen sie eine goldene Zukunft. Mehrere Schließungen von touristischen
Einrichtungen folgten. Schließlich stellte man die Bundesländer Oberösterreich
und Steiermark vor die Wahl, entweder sie investieren €19,6 Mio und übernehmen
die Verluste von €2,76 Mio, oder die DAG werde geschlossen.
Zurzeit sieht sich die VOEST-Alpine einer guten
Stahlkonjunktur gegenüber, doch kann sich das schnell ändern. Die Krise, die
sich gegenwärtig in vielen Branchen und Bereichen der Weltwirtschaft entfaltet,
wird auch auf diesen Markt durchschlagen. Für diesen Fall fehlt der
Gewerkschaft jegliches Alternativkonzept. Solange die Gewerkschaft an der
marktwirtschaftlichen Ideologie festhält, wird sie weiteren Stellen- und
Sozialabbau akzeptieren müssen. Wenn der Kampf eine Perspektive haben soll,
muss ein Programm vorliegen, welches die gesellschaftliche Nutzung von
Überkapazitäten beinhaltet, da eine Krise nicht bedeutet, dass Bedürfnisse
innerhalb der Gesellschaft nicht mehr vorhanden wären.
Die Forderung nach Wiederverstaatlichung alleine
sichert noch längst nicht, dass auch die Interessen der Belegschaft
durchgesetzt werden. Auch eine staatliche Konzernleitung, die sich den
marktwirtschaftlichen Gesetzen unterwirft, wird gegebenenfalls ebenso
Kapazitäten abbauen.
Dennoch ist die Verstaatlichung sehr wohl die
Vorraussetzung dafür, dass die Interessen der ArbeitnehmerInnen umgesetzt
werden können. Die Belegschaft muss allerdings die Unternehmenspolitik
kontrollieren und mitbestimmen können. Die Menschen, die die Produktion
verrichten und die Abläufe innerhalb des Betriebes kennen, sollten selbst über
ihre Zukunft bestimmen können. Durch demokratische Wahlen könnten sie aus ihrer
Mitte Delegierte in die Geschäftsführung entsenden und jederzeit wieder
abberufen. Die Sozialdemokratie müsste mit einem sozialistischen Programm zu
den Wahlen antreten: Sie müsste einen Produktionsplan erstellen, welcher die
überschüssigen Produktivkräfte (unterausgelastete Fabriken, Arbeitslose) in den
verschiedenen Sektoren (Bauwirtschaft, Zementindustrie, Stahlindustrie usw.)
sinnvoll gesellschaftlich einsetzt, anstatt sie brach liegen zu lassen –
unabhängig von jeder Profitlogik. Die Krise aus Überfluss, ein kapitalistisches
Unikum, könnte produktiv anstatt zerstörerisch gelöst werden. Es gibt kein
ewiges Gesetz, das die Gewerkschaftsbewegung zum Konkursverwalter eines maroden
Wirtschaftssystems macht. Auf betrieblicher Ebene bedeutet das: Bedingungslose
Verteidigung jedes einzelnen Arbeitsplatzes.
Wir sind heute noch weit davon entfernt, dass die Sozialdemokratie eine solche Rolle spielen würde. Eine kämpferische Haltung in den Betrieben, allen voran der VOEST-Alpine, gegen jede Form der Privatisierung, nicht nur gegen den „Ausverkauf ans Ausland“, könnte aber den Startpunkt für eine sozialistische Wende bedeuten.
Martin
Kuri
Harald
Lindner