Die Außenpolitik ist immer und überall eine Fortsetzung der
Innenpolitik, denn sie wird von derselben herrschenden Klasse betrieben und
verfolgt historisch dieselben Aufgaben.
Die grundlegende Linie der
internationalen Politik der Sowjets (unter Lenin, Anm.) ging davon aus,
dass diese oder jene Handels-, diplomatischen oder militärischen Abmachungen
des Sowjetstaates mit den Imperialisten, an sich unvermeidlich, auf keinen Fall
den Kampf des Proletariats der betreffenden kapitalistischen Länder
beeinträchtigen oder abschwächen dürften, denn letzten Endes wird allein die
Entwicklung der Weltrevolution die Existenz des Arbeiterstaates garantieren.
Besonders unversöhnlich
zeigt sich die damalige Führung („unter Lenin“, Anm.) in bezug auf
pazifistische Illusionen aller Art über den Völkerbund, die kollektive
Sicherheit, die Schiedsgerichtshöfe und die Abrüstung usw. Sie erblickte darin
nur ein Mittel, die Arbeitermassen einzuschläfern, um sie desto sicherer im
Augenblick des Ausbruchs eines neuen Krieges zu überrumpeln.
In dem von Lenin
ausgearbeiteten und 1919 auf dem Kongress angenommen Parteiprogramm finden wir
darüber folgende unzweideutige Zeilen: „Der wachsende Ansturm des Proletariats
und insbesondere seine Siege in den einzelnen Ländern verstärken den Widerstand
der Ausbeuter und veranlassen diese zur Schaffung neuer Formen der
internationalen Vereinigung der Kapitalisten (Völkerbund usw.), die im
Weltmaßstab die systematische Ausbeutung aller Völker der Erde organisieren und
ihre nächsten Anstrengungen auf die unmittelbare Unterdrückung der
revolutionären Bewegungen des Proletariats aller Länder richten. ....... Unter
diesen Umständen sind die Losungen des Pazifismus, der internationalen
Abrüstung unter dem Kapitalismus, der Schiedsgerichte usw. nicht nur eine
reaktionäre Utopie, sondern auch ein direkter Betrug an den Werktätigen, der
darauf abzielt, das Proletariat zu entwaffnen und es von der Aufgabe, die
Ausbeuter zu entwaffnen, abzulenken.“
Die bürgerlichen Staaten
teilen sich durchaus nicht in Friedens“freunde“ und Friedens“feinde“ auf, um so
weniger, als es überhaupt keinen „Frieden“ an sich gibt. Jedes imperialistische
Land ist an der Erhaltung seines Friedens interessiert, und zwar um so
heftiger, je unerträglicher dieser Friede für seine Gegner ist.
Die Leute wie Stalin,
Baldwin, Léon Blum usw. gemeinsame Formel: „Der Frieden wäre wirklich
gesichert, wenn alle Staaten sich im Völkerbund zu seinem Schutz
zusammenschlössen“, bedeutet nur, dass der Frieden gesichert wäre, gäbe es
keine Ursachen ihn zu verletzten. Der Gedanke ist wohl richtig, aber nicht sehr
tiefschürfend. Die Großmächte, die dem Völkerbund nicht angehören, wie die
Vereinigten Staaten, schätzen eine freie Hand offenbar mehr als die Abstraktion
„Frieden“. Wozu sie freie Hand brauchen, das werden sie zur gegebenen Zeit
schon zeigen. Die Staaten, die aus dem Völkerbund austreten, wie Japan und
Deutschland, oder sich zeitweilig von ihm „entfernen“, wie Italien, haben dafür
ebenfalls genug materielle Gründe. Ihr Bruch mit dem Völkerbund verändert
nur die diplomatische Form der Gegensätze, nicht aber ihr Wesen noch das des
Völkerbundes selbst. Die Gerechten, die dem Völkerbund ewige Treue
schwören, gedenken ihn nur um so entschiedener zur Wahrung ihres Friedens
auszunutzen. Doch auch zwischen Ihnen herrscht kein Einvernehmen. ..... zur
Verteidigung ihrer eigenen Interessen sind alle bereit, zum Krieg zu greifen,
zum gerechtesten aller Kriege, versteht sich. Die Kleinstaaten, die in
Ermangelung einer besseren Lösung im Schatten des Völkerbundes Schutz suchen,
werden letzen Endes nicht auf der Seite des „Friedens“, sondern der stärksten
Gruppe im Kriege stehen.
Der Völkerbund zur
Verteidigung des Status quo ist kein „Friedens“verein, sondern eine
Organisation der Gewalt der imperialistischen Minderheit über die erdrückende
Mehrheit der Menschheit. Diese „Ordnung“ lässt sich nur mit Hilfe ständiger
Kriege, großer wie kleiner, aufrechterhalten, heute in den Kolonien, morgen
zwischen den Mutterländern.
Die Aufgabe der sogenannten
Anhänger des Status quo besteht im wesentlichen darin, im Völkerbund die
vorteilhafteste Kräftekombination und die günstigste Deckung für die
Vorbereitung des künftigen Krieges zu finden. Wer ihn und wie er beginnen wird,
das hängt von Umständen zweiter Ordnung ab. Doch irgendwer wird anfangen
müssen, denn der Status quo ist ein einziges großes Pulverfass.
Das Programm der „Abrüstung“
bei Erhaltung der imperialistischen Gegensätze ist die schädlichste aller
Fiktionen. Selbst wenn sie durch ein allgemeines Einverständnis verwirklicht wäre
– eine offensichtlich phantastische Annahme! – würde dadurch keinesfalls ein
neuer Krieg verhindert werden. Die Imperialisten führen nicht Krieg, weil sie
Waffen besitzen, sondern umgekehrt: Sie schmieden Waffen, weil sie Krieg führen
müssen. Die Möglichkeit einer neuen, dabei sehr raschen Wiederaufrüstung ist
durch die moderne Technik gegeben.
Die revolutionäre Politik des Proletariats auf das Abrüstungsprogramm
zu bauen, heißt nicht einmal auf Sand zu bauen, sondern auf den Rauchschleier
des Militarismus.
Den Klassenkampf im
Interesse eines ungehinderten Verlaufs des imperialistischen Krieges abzuwürgen
ist nur durch die Mitwirkung der Führer der Arbeitermassenorganisationen zu
erreichen. Die Losung, unter denen diese Aufgabe 1914 gelöst wurde: “der letzte
Krieg“, „Krieg gegen den preußischen Militarismus“, „Krieg für die Demokratie“,
sind durch die Geschichte der letzten zwei Jahrzehnte zu stark kompromittiert.
Die „kollektive Sicherheit“
und die „allgemeine Abrüstung“ traten an ihre Stelle. Unter dem Vorwand der
Unterstützung des Völkerbundes bereiten die Führer der europäischen
Arbeiterorganisationen eine Neuauflage der „heiligen Einheit“, des
„Burgfriedens“ vor, die der Krieg nicht weniger notwendig braucht als Panzer,
Flugzeuge und „verbotene“ Giftgase.