Leo Trotzky analysiert und kritisiert 1936 in seinem Werk "Verratene Revolution" 1936, die Entartung und Bürokratisierung der UdSSR.. Im 8. Kapitel über die Außenpolitik und das Heer finden sich einige sehr interessante Textstellen, die auch für eine heutige Diskussion über die Rolle der UNO und die Einteilung in die friedliebenden Staaten des "alten Europa" (c Rumsfeld), wie Deutschland u. Frankreich, und die Kriegshetzer, USA und GB, passen.

Neben einer fudamentalen Kritik an der Politik der stalinistischen Bürokratie enlarvt Trotzki in diesem Kapitel, sozusagen am Vorabend des 2. Weltkrieges, die heuchlerische, scheinbare Friedenspolitik der imperialistischen Mächte, die sich auch in deren Organisation dem Völkerbund (UNO Vorläufer) wiederspiegelt.

Totzki schrieb diese Zeilen anbetracht einer Verschärfung der internationalen Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten, der schnellen Aufrüstung Hitlerdeutschlands, der beginnenden Expansion Italiens, mit ihrem Überfall auf Abessinien. Mit völkerrechtlichen Verträgen und zwischenstaatlichen Abkommen, wollten die Imperialisten versuchen, das fragile Gleichgewicht aufrechtzuerhalten bzw. sich die besten Ausgangspositionen für den kommenden Krieg zu sichern. Diese waren nur ein diplomatisches Vorspiel, das im Massenmord des 2. Weltkrieges geendet hat.

 

 

Auszüge aus Leo Trotzkis „Verratene Revolution“

Kapitel 8 - Außenpolitik und Heer

 

 

 

Die Außenpolitik ist immer und überall eine Fortsetzung der Innenpolitik, denn sie wird von derselben herrschenden Klasse betrieben und verfolgt historisch dieselben Aufgaben.

 

 

Die grundlegende Linie der internationalen Politik der Sowjets (unter Lenin, Anm.) ging davon aus, dass diese oder jene Handels-, diplomatischen oder militärischen Abmachungen des Sowjetstaates mit den Imperialisten, an sich unvermeidlich, auf keinen Fall den Kampf des Proletariats der betreffenden kapitalistischen Länder beeinträchtigen oder abschwächen dürften, denn letzten Endes wird allein die Entwicklung der Weltrevolution die Existenz des Arbeiterstaates garantieren.

 

 

Besonders unversöhnlich zeigt sich die damalige Führung („unter Lenin“, Anm.) in bezug auf pazifistische Illusionen aller Art über den Völkerbund, die kollektive Sicherheit, die Schiedsgerichtshöfe und die Abrüstung usw. Sie erblickte darin nur ein Mittel, die Arbeitermassen einzuschläfern, um sie desto sicherer im Augenblick des Ausbruchs eines neuen Krieges zu überrumpeln.

In dem von Lenin ausgearbeiteten und 1919 auf dem Kongress angenommen Parteiprogramm finden wir darüber folgende unzweideutige Zeilen: „Der wachsende Ansturm des Proletariats und insbesondere seine Siege in den einzelnen Ländern verstärken den Widerstand der Ausbeuter und veranlassen diese zur Schaffung neuer Formen der internationalen Vereinigung der Kapitalisten (Völkerbund usw.), die im Weltmaßstab die systematische Ausbeutung aller Völker der Erde organisieren und ihre nächsten Anstrengungen auf die unmittelbare Unterdrückung der revolutionären Bewegungen des Proletariats aller Länder richten. ....... Unter diesen Umständen sind die Losungen des Pazifismus, der internationalen Abrüstung unter dem Kapitalismus, der Schiedsgerichte usw. nicht nur eine reaktionäre Utopie, sondern auch ein direkter Betrug an den Werktätigen, der darauf abzielt, das Proletariat zu entwaffnen und es von der Aufgabe, die Ausbeuter zu entwaffnen, abzulenken.“

 

 

Die bürgerlichen Staaten teilen sich durchaus nicht in Friedens“freunde“ und Friedens“feinde“ auf, um so weniger, als es überhaupt keinen „Frieden“ an sich gibt. Jedes imperialistische Land ist an der Erhaltung seines Friedens interessiert, und zwar um so heftiger, je unerträglicher dieser Friede für seine Gegner ist.

 

 

Die Leute wie Stalin, Baldwin, Léon Blum usw. gemeinsame Formel: „Der Frieden wäre wirklich gesichert, wenn alle Staaten sich im Völkerbund zu seinem Schutz zusammenschlössen“, bedeutet nur, dass der Frieden gesichert wäre, gäbe es keine Ursachen ihn zu verletzten. Der Gedanke ist wohl richtig, aber nicht sehr tiefschürfend. Die Großmächte, die dem Völkerbund nicht angehören, wie die Vereinigten Staaten, schätzen eine freie Hand offenbar mehr als die Abstraktion „Frieden“. Wozu sie freie Hand brauchen, das werden sie zur gegebenen Zeit schon zeigen. Die Staaten, die aus dem Völkerbund austreten, wie Japan und Deutschland, oder sich zeitweilig von ihm „entfernen“, wie Italien, haben dafür ebenfalls genug materielle Gründe. Ihr Bruch mit dem Völkerbund verändert nur die diplomatische Form der Gegensätze, nicht aber ihr Wesen noch das des Völkerbundes selbst. Die Gerechten, die dem Völkerbund ewige Treue schwören, gedenken ihn nur um so entschiedener zur Wahrung ihres Friedens auszunutzen. Doch auch zwischen Ihnen herrscht kein Einvernehmen. ..... zur Verteidigung ihrer eigenen Interessen sind alle bereit, zum Krieg zu greifen, zum gerechtesten aller Kriege, versteht sich. Die Kleinstaaten, die in Ermangelung einer besseren Lösung im Schatten des Völkerbundes Schutz suchen, werden letzen Endes nicht auf der Seite des „Friedens“, sondern der stärksten Gruppe im Kriege stehen.

 

 

Der Völkerbund zur Verteidigung des Status quo ist kein „Friedens“verein, sondern eine Organisation der Gewalt der imperialistischen Minderheit über die erdrückende Mehrheit der Menschheit. Diese „Ordnung“ lässt sich nur mit Hilfe ständiger Kriege, großer wie kleiner, aufrechterhalten, heute in den Kolonien, morgen zwischen den Mutterländern.

 

 

Die Aufgabe der sogenannten Anhänger des Status quo besteht im wesentlichen darin, im Völkerbund die vorteilhafteste Kräftekombination und die günstigste Deckung für die Vorbereitung des künftigen Krieges zu finden. Wer ihn und wie er beginnen wird, das hängt von Umständen zweiter Ordnung ab. Doch irgendwer wird anfangen müssen, denn der Status quo ist ein einziges großes Pulverfass.

 

 

Das Programm der „Abrüstung“ bei Erhaltung der imperialistischen Gegensätze ist die schädlichste aller Fiktionen. Selbst wenn sie durch ein allgemeines Einverständnis verwirklicht wäre – eine offensichtlich phantastische Annahme! – würde dadurch keinesfalls ein neuer Krieg verhindert werden. Die Imperialisten führen nicht Krieg, weil sie Waffen besitzen, sondern umgekehrt: Sie schmieden Waffen, weil sie Krieg führen müssen. Die Möglichkeit einer neuen, dabei sehr raschen Wiederaufrüstung ist durch die moderne Technik gegeben.

 

 

Die revolutionäre Politik des Proletariats auf das Abrüstungsprogramm zu bauen, heißt nicht einmal auf Sand zu bauen, sondern auf den Rauchschleier des Militarismus.

Den Klassenkampf im Interesse eines ungehinderten Verlaufs des imperialistischen Krieges abzuwürgen ist nur durch die Mitwirkung der Führer der Arbeitermassenorganisationen zu erreichen. Die Losung, unter denen diese Aufgabe 1914 gelöst wurde: “der letzte Krieg“, „Krieg gegen den preußischen Militarismus“, „Krieg für die Demokratie“, sind durch die Geschichte der letzten zwei Jahrzehnte zu stark kompromittiert.

Die „kollektive Sicherheit“ und die „allgemeine Abrüstung“ traten an ihre Stelle. Unter dem Vorwand der Unterstützung des Völkerbundes bereiten die Führer der europäischen Arbeiterorganisationen eine Neuauflage der „heiligen Einheit“, des „Burgfriedens“ vor, die der Krieg nicht weniger notwendig braucht als Panzer, Flugzeuge und „verbotene“ Giftgase.