12. Februar: Ein Rückblick auf das Gedenken
In Dutzenden Veranstaltungen wird dieser Tage dem heldenhaften Aufstand von Teilen der sozialdemokratischen Bewegung am 12. Februar gedacht. Dabei werden die Festreden und die Choreographie der Gedenkveranstaltungen den kämpfenden GenossInnen vom Februar 1934 meist nicht gerecht.
Der 12. Februar ist ein Gedenktag der Arbeiterklasse. Ihre kämpferischsten Teile ergriffen, von der Führung ihrer Organisationen schmählich im Stich gelassen, in einem Akt der Verzweiflung im Februar 1934 die Waffen um dem Vormarsch des Faschismus Einhalt zu gebieten. Wir wissen heute, dass gerade die zögerliche Haltung der Parteiführung, die Bürgerlichen dazu verleitete nach Jahren des kampflosen Zurückweichens, im Februar 1934 der zerrütteten Partei mit ihrer kampfunwilligen Führung den Todesstoß zu versetzen.
Ein großkoalitionäres Symposion im Parlament
Manch einem bürgerlichen Schreiberling wundert es gar sehr, warum es auch nach siebzig Jahren keine „österreichische“ Geschichtsschreibung zum Februar gäbe. Der auf Initiative von Heinz Fischer und Andreas Khol gemachte Versuch dies im Parlament zu schaffen, war von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Was der Öffentlichkeit als „hochwertig besetzte internationale Historikerkommission“ verkauft wurde, erwies sich als Plattform für üblen Geschichtsrevisionismus, wo so mancher Experte bürgerlicher Herkunft der Ausschaltung des Parlaments und der Errichtung eines autoritären Regimes noch positiven Seiten abgewinnen konnte: dem heimischen Patriotismus wird alles verziehen.
Leider hat die SPÖ dieser These wenig entgegenzusetzen. Zwar gibt es in der Partei niemanden der sich in der Öffentlichkeit ein Bekenntnis zur „geteilten Schuld“ abringen lässt, allerdings wird die Geschichte in einem Licht präsentiert, die deutliche Abgleitflächen bietet: Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, der tobende Klassenkampf der Ersten Republik wurde in allen Fest- und Gedenkreden penibel ausgespart. Der Februar 1934 wird als Ereignis eines permanenten Aufschaukelns zwischen den politischen Lagern vielmehr als psychologisches Problem wahrgenommen. Dabei wird immer darauf verwiesen, dass es gerade die Sozialdemokratie war, die die Verfassung auf Punkt und Beistrich verteidigte. Dies ist eine historische Tatsache, die bis heute gilt. Kein Gedenkredner war ehrlich genug auszusprechen, dass genau dieser Umstand, diese politische Selbstbeschränkung der Sozialdemokratie in die Katastrophe führte. Denn was nützt eine demokratische Verfassung, wenn die Geldbarone und Heimwehren, wenn das gesamte bürgerliche Lager längst eine autoritäre Lösung der „Arbeiterfrage“ anstrebten?
Um der Geschichte und den KämpferInnen des Februars Recht zu tun, muss auch offen ausgesprochen werden, dass der Aufstand nicht Sache der Partei war, sondern die Initiative von GenossInnen, Vertrauensmännern und FunktionärInnen der Basis (was im Einleitungstext zur Veranstaltung der Fraktion Sozialdemokratischer EisenbahnerInnen auch deutlich gesagt wird). Schon bevor die Kämpfe begannen, sah der rechte Flügel in der Partei sein Heil darin, sich Dollfuß zu unterwerfen. Renner etwa konnte sich durchaus mit einer ständischen Verfassung anfreunden, allein Dollfuß schlug dieses Angebot lachend aus. Die Beschränkung auf die Verfassungsmäßigkeit war damals wie heute das Steckenpferd der Parteiführung. „Republik, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel“ war über die gesamte Erste Republik hinweg die Losung Hundertausender, die die Verfassung nicht satt machte.
Warum ein Industrieller als Gedenkredner?
Was im Parlament nicht gelingen konnte, musste auch im Eisenbahnerheim scheitern. Die Rede des ehemaligen Generalsekretärs der Industriellenvereinigung hätte dort nicht sein dürfen. Gerhard Nowak, der ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft der Eisenbahner hatte in seiner Rede einen flammenden Appell gegen die bürgerlichen Medien, dem „Sprachrohr der Geldbarone“ gehalten. Sie seien es, die mit ihren Kampagnen gegen die EisenbahnerInnen den Angriffen des Bürgerblocks den Boden bereiten. Warum nur darf eben einer dieser Geldbarone dann das Mikrofon auf einer Gewerkschaftsversammlung ergreifen? Zugegeben Krejci ist ein guter Redner, er selbst bezeichnet sich als Liberalen und die Ablehnung der politisierenden Kirche und des „zahnpastalächelnden Finanzministers“ waren glaubhaft. Aber Krejci hatte in seiner anekdotisch gehaltenen Rede nur eine zentrale Aussage für die anwesenden KollegInnen: Haltet an der Sozialpartnerschaft fest! Und akzeptiert, dass es eine neue Sozialpartnerschaft ist, eine die an die wirtschaftliche und politische Gegebenheit angepasst ist. Also eine Sozialpartnerschaft der absoluten Diktatur des Kapitals.
Dass solche Worte ausgerechnet in eine Zeit fallen, in der die EisenbahnerInnen in den laufenden Dienstrechtsverhandlungen die Brutalität dieser neuen Partnerschaft zu spüren bekommen, stößt sauer auf.
Krejci ist ein alter Mann, aber gerade anlässlich des 70. Jahrestags der Februarkämpfe sollte man sich an eine andere wenig bekannte Tatsache des blutigen Februars erinnern. Während die Klasse über Monate und Jahre ihre Kampfbereitschaft zeigte, lautete die Parole der Parteiführung immer so:
Genossen nicht jetzt! Wir sind gerade in Kontakt mit einem Parlamentarier der Christlich-Sozialen, der gegen den autoritären Kurs aufstehen wird! Genossen nicht jetzt! Morgen bekommen wir einen Termin bei Dollfuß! Genossen nicht jetzt! Der Wiener Bürgermeister wird dies nicht zulassen.... Tut's uns die bürgerlichen Demokraten jetzt nicht durch eure kopflosen Aktionen verscheuchen!
Krejci lobte Leitl und Verzetnitsch. Der ÖGB-Präsident habe durch die Demonstration in Sturm und Hagel und besonders auch durch den Eisenbahnerstreik sehr an Gewicht gewonnen. Und Leitl habe es nicht leicht mit der eigenen Partei. Und recht hat er. Der Bürgerblock will über unsere Klasse drüberfahren. Leitl hat in der ÖVP nichts zu sagen. In den Ministerien sitzen die Lobbyisten der Industriellenvereinigung (sie den Politskandal um die Grasser-Homepage!). Ein Bündnis mit Leitl, die Aufrufe unsere Parlamentarier anzurufen (der politische Schachzug des ÖGB-Präsidenten während der Auseinandersetzung um den Hauptverband und der Pensionsbewegung) streuen uns nur Sand in die Augen.
Nur auf Grundlage unserer eigenen Stärke können wir den Bürgerlichen etwas entgegensetzen, wenn wir uns schwach zeigen, wenn wir uns ablenken lassen, werden wir das gleiche Schicksal wie die Arbeiterbewegung der Ersten Republik erleiden.
Dies ist die lebendige Lehre des Februar 1934.