Weltperspektiven 1946

 

Inhalt:

Über die wirtschaftliche Einschätzung unserer Epoche und die unmittelbaren Wirtschaftsperspektiven für Europa  1

Russland am Ende des Zweiten Weltkriegs. Seine Beziehungen zum Weltimperialismus und der Rückzug der Roten Armee aus den besetzten Gebieten  1

Über den Parteiaufbau und unsere Aufgaben. 1

 

(Ergänzungen der britischen RCP zur politischen Resolution)

Über die wirtschaftliche Einschätzung unserer Epoche und die unmittelbaren Wirtschaftsperspektiven für Europa —Russland am Ende des Zweiten Weltkriegs. Seine Beziehungen zum Weltimperialismus und der Rückzug der Roten Armee aus den besetzten Gebieten — Über den Parteiaufbau und unsere Aufgaben

Entwurf von Ted Grant vom April 1946, angenommen auf der Nationalen Konferenz der Revolutionary Communist Party vom September 1946 als Antwort auf die politischen Schwächen der auf der Vorkonferenz der Vierten Internationale im März 1946 beschlossenen Resolution „Der neue imperialistische Friede und der Aufbau von Parteien der IV. Internationale". Nach: Les congrès de la IVe Internationale (manifestes, thèses, résolutions). 2. L'Internationale dans la guerre, 1940-1946, Paris 1981, S. 436-453, der erste Teil nach Ted Grant, The unbroken thread, London 1989, S. 376-383

Über die wirtschaftliche Einschätzung unserer Epoche und die unmittelbaren Wirtschaftsperspektiven für Europa

Die gegenwärtige Epoche ist die Epoche des endgültigen kapitalistischen Niedergangs. Die allgemeine Krise des Kapitalismus spiegelt sich im Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und dem Nationalstaat wider. Der Kapitalismus erfüllte seine historische Funktion, die Entwicklung des Nationalstaats und die Schaffung des Weltmarktes in den Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg. Der Kapitalismus kann der Entwicklung der Produktionskräfte nicht mehr dienen. Trotz der unermesslichen Zunahme der Arbeitsproduktivität und der anhaltenden Entwicklung der Technik, wird die Produktion im Weltmaßstab durch die Hemmnisse des Privateigentums an den Produktions-, Transport- und Austauschmittel und den Nationalstaat gehemmt und eingeschränkt.

Schon 1850-70 war die grundlegende historische Rolle des Kapitalismus erfüllt. Er war schon in diesem Stadium ein Hemmnis für die Entwicklung der Produktivkräfte. Dies ist die Erklärung für den Fehler in der Perspektive von Marx und Engels, wenn sie glaubten, dass der Sieg der proletarischen Revolution unmittelbar bevorstehe. Jedoch durch die Entwicklung des Weltmarktes, der ihm neue Ressourcen gab, enthüllte sich der Kapitalismus noch nicht als absolutes, sondern als relatives Hemmnis der Entwicklung der Produktionskräfte in diesem Stadium. Marx wies darauf hin, dass keine Gesellschaft einer neuen Gesellschaft Platz machen würde, bis alle produktiven Möglichkeiten innerhalb von ihr vollständig erschöpft wären. Zwischen 1870 und 1914 zeigte sich der Kapitalismus als aufsteigende Wirtschaft. Selbstverständlich, wenn das Proletariat an die Macht gekommen wäre (die Produktivkräfte waren dafür bereits genug entwickelt) wäre die Ausdehnung der Produktivkräfte unermesslich größer gewesen. Dennoch konnte es der Kapitalismus schaffen, sich zu halten, weil es weiterhin ein verhältnismäßig fortschrittlicher Faktor blieb.

Zwischen 1879 und 1914 zeigten die Produktionszahlen der wichtigsten Waren in Deutschland, Frankreich, den Vereinigten Staaten und Großbritannien eine allgemeine Tendenz zur schnellen Zunahme.

Der Erste Weltkrieg kennzeichnete eine endgültige Änderung in der Rolle des Kapitalismus. Die Welt war in Einflussbereiche, Märkte, Rohstoffquellen geteilt worden und konnte nur durch blutigen imperialistischen Krieg umverteilt werden. Die Epoche des kapitalistischen Zerfalls und der Todeskrise des Kapitalismus begann. Dies kündigte die Periode von Kriegen, Revolutionen, Aufständen und Krämpfen an, die klarer Beweis der unlösbaren Sackgasse war, in die das kapitalistisches System die Menschheit gebracht hatte.

Die allgemeine Krise des Kapitalismus spiegelte sich in der Tatsache wider, dass die Produktivkräfte aufgehört hatten, im gleichen Rhythmus wie in der Vergangenheit zu wachsen. Der unvermeidliche Kreislauf der kapitalistischen Produktion nahm jetzt eine etwas andere Kurve. Nicht mehr kurze Krisen und lange Booms, wobei jeder folgende Boom auf einem höheren Niveau als der letzte war, sondern jetzt eine Epoche, in der kurze Booms von langen Krisen und Depressionen gefolgt wurden. Die Produktivkräfte pendelten um das Niveau von 1914, wenn man die Zunahme der Bevölkerung und Ressourcen in Betracht zieht.

Dennoch führte die erste Nachkriegskrise des Kapitalismus, in der das Proletariat es nicht schaffte die Macht zu nehmen, unvermeidlich zu einem neuen wirtschaftlichen Boom. Der teilweise Zusammenbruch sofort nach 1921 dauerte nicht lang oder hatte keine größeren Wirkungen. In den meisten Ländern der Welt, waren die Produktionszahlen 1929 höher als die von 1914, nur um den Weg für einen völligen Zusammenbruch der Produktivkräfte in einer Weise vorzubereiten, den der Kapitalismus in der Vergangenheit nie gezeigt hatte. Die Krise war von beispielloser Schwere, traf alle führenden kapitalistischen Länder gleichzeitig, und verursachte fürchterliche Verwüstung und chronischen Rückgang in der Nutzung des Produktionspotentials. (Japan war eine Ausnahme aus Gründen, mit denen wir uns hier nicht beschäftigen müssen.)

Aber wieder, sogar diese Krise konnte nicht auf unbestimmte Zeit weitergehen. Wo das Proletariat durch seine Parteien gelähmt war und die Krise nicht nutzen konnte, den Kapitalismus zu stürzen und die Macht in seine eigenen Hände zu nehmen, begann ein neuer wirtschaftlicher Aufschwung. In vielen Ländern Europas wurde diese Krise nicht endgültig behoben, bis die Vorbereitungen für das neue Völkergemetzel (selbst eine Widerspiegelung der Sackgasse des Kapitalismus) im vollen Schwung waren. Aber auf der Grundlage von Rüstungsvorbereitungen und Kriegsmaßnahmen allgemein, überstieg das Wirtschaftsleben sogar die Zahlen von 1929 in den führenden kapitalistischen Ländern außer Frankreich.

So kann man im Abschwung des Kapitalismus sehen, dass die Produktion tendenziell um das Niveau von 1919-37 schwankt (infolge der vom Krieg erzeugten außergewöhnlichen Bedingungen, brach die deutsche Produktion praktisch zusammen und die amerikanische Produktion schnellte in Rekordhöhen), ohne den unveränderlichen Wachstumsrhythmus der Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg gewinnen zu können, als auf jede Krise ein ungeheurer Aufschwung auf einem höheren Niveau der Produktivkräfte gefolgte.

Der Zweite Weltkrieg, ein weiterer Beweis der Todeskrise des Kapitalismus, führte zu einer fürchterlichen Zerstörung von Menschen, Produktivkräften, Desorganisation und Zerfall der Produktion in Europa und Asien, wofür es kein Beispiel in der Geschichte gibt. Der Imperialismus und Kapitalismus hat folglich die Barbarismen gezeigt, in die ihr anhaltendes Bestehen die Menschheit tunken wird. In Opposition zu den Reformisten und Stalinisten, die versuchen, die Massen mit einer Perspektive einer neuen Renaissance des Kapitalismus und großer Zukunft für die Demokratie einzuschläfern, hat die Resolution der internationalen Vorkonferenz hundert Prozent Recht, wenn sie die Epoche des Niedergangs und Zusammenbruchs der kapitalistischen Weltwirtschaft hervorhebt. Aber in einer Resolution, die versucht, unsere eigenen Kader auf die unmittelbaren Wirtschaftsperspektiven zu orientieren — aus denen sich das folgende Stadium des Klassenkampfs und folglich unsere unmittelbare Propaganda und Taktik weitgehend ergeben wird — ist die Perspektive klar falsch.

Die gegenwärtige Krise und das niedrige Produktionsniveau, ist nicht die Wirtschaftskrise, wie sie von MarxistInnen im klassischen Sinne verstanden wird. Es ist eine Krise der „Unterproduktion" als Ergebnis der imperialistischen Konzentration der Produktivkräfte auf den Krieg und auf die Kriegzerstörung selbst. Sie spiegelt sich im Mangel an Produktionsgütern, Mangel an Verbrauchsgütern, Mangel an landwirtschaftlichen Gütern wider. Gerade das Gegenteil einer Wirtschaftskrise der kapitalistischen Überproduktion, wie sie von MarxistInnen verstanden wird.

Die fürchterlichen Hungersnöte, die die Völker der gesamten Welt erfasst haben, die Desorganisation und der Zerfall Europas, sind Anzeichen der Unterbrechung des kapitalistischen Systems. Diese hätten leicht zur Zerstörung des Kapitalismus und der Organisation der sozialistischen Produktion im gesamteuropäischen und gesamtasiatischen Maßstab führen können, wenn es nicht die Schwäche der revolutionären Partei und die Kapitulation der Massenorganisationen der Arbeiterklasse gäbe. Zum zweiten Mal in einer Generation konnte der Kapitalismus eine neue Atempause gewinnen.

Die Theorie des spontanen Zusammenbruchs des Kapitalismus ist den Vorstellungen des Bolschewismus völlig fremd. Lenin und Trotzki hoben immer wieder hervor, dass Kapitalismus immer einen Ausweg finden wird, wenn er nicht durch die bewusste Intervention des revolutionären Partei zerstört wird, die an der Spitze der Massen, die Schwierigkeiten und Krisen des Kapitalismus für seinen Sturz nutzt. Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs hebt die tiefgreifende Richtigkeit dieser Ideen von Lenin und Trotzki hervor.

Die Demütigung des Proletariats durch den Verrat seiner Massenorganisationen, der zyklische Aufschwung der Produktivkräfte, der Verschleiß der Maschinerie, das Zusammenstreichen der Löhne, all das führt zu einem Aufsaugen der überschüssigen Maschinerie und der Wiederherstellung oder teilweisen Wiederherstellung der Profitrate. So wird die Weise für einen neuen zyklischen Aufschwung bereitet, der wiederum die Grundlage für eine noch größere Krise schafft. So schrieb Trotzki von der Weltwirtschaftskrise:

„Die herrschenden Klassen aller. Länder erwarten vom industriellen Aufschwung Wunder, davon zeugt die bereits entfachte Börsenspekulation. Würde der Kapitalismus wirklich in die Phase einer neuen Prosperität oder auch nur eines langsamen, aber langdauernden Aufstiegs eintreten, so würde das selbstverständlich die Stabilisierung des Kapitalismus, Stärkung der bürgerlichen Positionen und gleichzeitige Schwächung des Faschismus und Stärkung des Reformismus nach sich ziehen. Es besteht aber nicht der geringste Anlass zur Hoffnung oder Befürchtung, die an sich unvermeidliche neue Konjunkturbelebung werde die allgemeinen Verfallstendenzen der Weltwirtschaft und insbesondere der europäischen Wirtschaft überwinden können. Entwickelte sich der Vorkriegskapitalismus nach der Formel der erweiterten Warenproduktion, so stellt der gegenwärtige Kapitalismus mit allen seinen Konjunkturschwankungen eine erweiterte Produktion des Elends und der Katastrophen dar. Der neue Konjunkturzyklus wird die unvermeidliche Kräfteumgruppierung innerhalb der einzelnen Länder sowie innerhalb des kapitalistischen Lagers im ganzen vollziehen, vor allem zwischen Europa und Amerika. Aber schon in sehr kurzer Zeit wird er die kapitalistische Welt vor unlösbare Widersprüche stellen und sie zu neuen, noch furchtbareren Zuckungen verdammen." (Der einzige Weg, September 1932 [Trotzki, Schriften über Deutschland, Frankfurt am Main 1971, S. 346-410, hier S. 396])

Egal wie verheerend die Krise wird, wenn die ArbeiterInnen versagen, wird der Kapitalismus immer einen Ausweg aus seiner wirtschaftlichen Sackgasse auf Kosten der Werktätigen und der Vorbereitung neuer Widersprüche finden. Die Weltkrise des kapitalistischen Systems beendet nicht den Wirtschaftszyklus, sondern gibt ihm einen anderen Charakter. Die von den Stalinisten in der letzten Weltkrise vorgebrachte Theorie, dass dies die letzte Krise des Kapitalismus sei, von der er sich nie erholen würde, war völlig unmarxistisch. Es gibt eine ernste Gefahr, dass diese Theorie in unseren eigenen Reihe heute wiederbelebt wird.

Nach dem Ersten Weltkrieg standen die Kapitalisten großen, aber unerfahrenen revolutionären Parteien gegen, die sich bemühten, die kapitalistische Krise in der Produktion zum Sturz des Kapitalismus zu nutzen. Dies verschlimmerte das Chaos weiter, und machte die kapitalistische Erholung schwierig. Trotzdem wurde die Produktion jedoch weitgehend wiederhergestellt.

Wenn die stalinistischen Parteien echte revolutionäre Parteien gewesen wären, stünde die Kapitalistenklasse jetzt einer völlig anderen Perspektive in der Wirtschaft sowie politisch gegenüber. Das Proletariat in Frankreich hätte die Versuche der Kapitalisten gelähmt, die Produktion auf Kosten von weiteren Opfern und Belastungen von Seiten der Massen wiederherzustellen. Aber die zwei Verräterorganisationen des Proletariats strengen gegenwärtig alle ihre Kräfte an, um jeden wirtschaftlichen und politischen Kampf von Seiten des Proletariats zu frustrieren und zu sabotieren.

Inzwischen konnten wegen der Schwäche der Parteien der Vierten Internationale, die gegenwärtig kleine Sekten bleiben, die Kapitalisten einen Ausweg aus dem Zusammenbruch und der Niedergang der Wirtschaft finden. Dieses hat in Westeuropa den Weg für eine stetige und ziemlich schnelle Erholung bereitet.

Wenn sich ein Konflikt zwischen Stalin und dem westeuropäischem Kapitalismus entwickelt und die stalinistischen Organisationen verwendet werden, die Produktion zu stören und Zugeständnisse mittels Massenstreiks zu erzwingen, kann sich die Lage für die Kapitalisten über Nacht verschlechtern. Sogar die Unterstützung der amerikanischen Finanz würde und könnte nicht die Krise verhindern, die folgen würde. Die spezifische Position, die von der internationalen Vorkonferenz eingenommen und von der Minorität der britischen Partei unterstützt wird, dass die westeuropäischen Länder — Frankreich, Holland, Belgien und andere —auf einem Niveau bleiben, das sich Stockung und Krise nähert und nicht das Vorkriegsniveau der Produktion erreichen kann, ist völlig falsch. Die Vorkonferenzresolution sagt:

„Diese Wiederherstellung der Wirtschaftstätigkeit in den kapitalistischen Ländern, die vom Krieg getroffen wurden, und insbesondere in den Ländern auf dem europäischen Kontinent, wird durch ihren besonders langsamen Rhythmus gekennzeichnet sein und diese Länder bleiben folglich auf einem Niveau, das sich Stockung und Krise nähert."

Insbesondere Osteuropa wird sich unter der Kontrolle der stalinistischen Bürokratie ohne Zweifel erholen und sogar seine produktiven Ressourcen schnell als nach 1914-18 erhöhen. Es ist für den anglo-amerikanischen Imperialismus und die Bourgeoisie von Westeuropa unmöglich, völlige Stockung und Niedergang auf einer Hälfte des Kontinentes zu erlauben, während sich die Wirtschaftstätigkeit in der anderen Hälfte unter der Herrschaft der stalinistischen Bürokratie entwickeln wird.

Abgesehen von diesen politischen Erwägungen, gibt es jedoch die Gesetze des Kapitalismus, die selbst den Aufschwung der Wirtschaft sicherstellen und einen neuen „Boom" unvermeidlich machen. Besonders angesichts der Tatsache, dass diese Krise keine Überproduktionskrise ist und dass die Kapitalisten in Westeuropa durch die Massenorganisationen nicht angegriffen werden, sondern die direkte Hilfe und Unterstützung der Sozialdemokratie und des Stalinismus empfangen, ist ein zyklischer Aufschwung unvermeidlich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass besonders für Westeuropa (mit Ausnahme von Deutschland und Österreich) die Produktionszahlen in der folgenden Periode sogar das Vorkriegsniveau erreichen und übertreffen können.

Sogar in Deutschland wird, abhängig vom Verhältnis zwischen den Imperialisten und Russland, eine mehr oder weniger große Wiederbelebung stattfinden, obwohl es hier wegen dem Konflikt zwischen den Mächten und der Aufteilung und Besetzung Deutschlands unmöglich ist, die Vorkriegszahlen in der nächsten Periode zu erreichen.

Alle Faktoren im europäischen und Weltmaßstab zeigen an, dass die Wirtschaftstätigkeit in Westeuropa in der folgenden Periode nicht von „Stockung und Krise", sondern von Wiederbelebung und Boom geprägt ist.

Das Hauptmerkmal von kapitalistischer Krise, von „Stockung und Krise", wie es zum Beispiel die klassische Krise von 1929-33 enthüllte, die beispiellosen Umfang und Schwere im Weltmaßstab annahm, war Überproduktion von Produktionsgüter, der Verbrauchsgüter und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Industriekrise wurde folglich durch eine gleichzeitige Landwirtschaftskrise ergänzt. Die wirtschaftliche Erholung, die der letzten Weltkrise folgte, wurde wie immer, durch die Zerstörung und die Entwertung der Produktionsgüter, die Entwertung und Zerstörung der Anlageinvestitionen, der Verbrauchsgüter, der Verringerung der Anbauflächen usw. erzielt. Dies beinhaltete zwar unermessliches Elend und Leiden für die Werktätigen, dennoch überstiegen bis 1937-8 die Produktionszahlen sogar die Rekordjahre von 1928-9 in den meisten Ländern der Welt, besonders durch die Kriegvorbereitungen. Die Zerstörung, die durch den Krieg bewirkt wurde, hat ähnliche Resultate wie die erzielt, die die Kapitalisten erzielen, wenn sie bewusst in einer Periode von Überproduktionskrisen Reichtum zerstören.

Die klassischen Bedingungen für einen Boom sind heute in Europa vorhanden: Mangel an Produktionsgüter; Mangel an landwirtschaftlichen Erzeugnissen; Mangel an Verbrauchsgüter. Die Mängel erlegen den Massen neues Elend und dem System neue Belastungen auf. Diese Bedingungen, die durch absichtliche Zerstörung und die normalen Zerfallsprozesse der kapitalistischen Krise erzeugt werden, werden hier durch die Verwüstung und Verheerung des totalen Krieges erzeugt. Diese Verwüstung führte nicht zum Sturz des Systems durch den Sieg des Proletariats. Genauso wie Erholung auf eine Krise folgt, die nicht zum Sturz des Systems führt, so folgt die Wiederherstellung der Produktivkräfte dem gegenwärtigen Chaos, selbst auf einer kapitalistischen Grundlage.

Jedoch kann solch eine Erholung, wie bereits im Zitat von Trotzki angegeben, nicht zu einem Blühen der Wirtschaft des Kapitalismus führen. Eine neue Erholung kann nur den Weg für eine noch größere Krise und Wirtschaftskrise als in der Vergangenheit bereiten.

Das Stalinisten und Sozialdemokraten haben die Arbeiterklasse weitgehend überzeugt, die Last des Wiederaufbaus mit den Schrei „Produktion! Produktion!" anzunehmen. Damit hatten sie zweifellos einen gewissen Erfolg unter den breiten Massen. Der Vierte Internationale wird sich nur selbst diskreditieren, wenn sie sich weigert, die unvermeidliche Erholung zu erkennen und sie wird ihre eigenen Kader ebenso wie die breiten Massen desorientieren, wenn sie eine ständige Krise und einen langsamen Rhythmus der Erholung in Westeuropa voraussagt, wenn die Ereignisse eine andere Form annehmen.

Das Argument der GenossInnen der amerikanischen SWP, das von der Minderheit der britischen Partei wiedergegeben worden ist, dass der amerikanische Imperialismus nur nachdem das Proletariat entscheidend besiegt worden ist Kredite zur Unterstützung der Erholung des westeuropäischen Kapitalismus geben würde, hat sich bereits als falsch erwiesen. Das Proletariat ist nicht besiegt worden, aber Kredite sind bereits gegeben worden. Ebenso falsch ist das Argument, dass nur wenn das Proletariat entscheidend besiegt ist, Wirtschaftsaufschwung und Wiederbelebung stattfinden können. Solch ein Argument schmeißt politische und wirtschaftliche Probleme zusammen und hält die einen für eine unmittelbare Widerspiegelung der anderen. Ohne Zweifel gibt eine entscheidende Niederlage des Proletariats der Bourgeoisie Stabilität und Vertrauen. Aber solange die wirtschaftlichen Vorbedingungen für einen Boom nicht vorhanden sind, würde ein Boom sogar in diesen Fall nicht notwendigerweise folgen. Es ist kein Gesetz der Entwicklung des Kapitalismus, dass nur die Niederlage des Proletariats in einer revolutionären Lage zu einem Boom führen kann, genauso wenig wie eine Krise automatisch zu einer Revolution führt. Die Geschichte lehrt uns, dass sich der Kapitalismus selbst in seiner Todeskrise nach einer Krise erholt, trotz der revolutionären Möglichkeiten, wenn das Proletariat gelähmt oder gedämpft durch seine Organisationen und unfähig ist, seine Chancen zu nutzen.

Nachdem die Sozialdemokratie die revolutionäre Welle des Ersten Weltkrieges aufgehalten hatte, konnte sich der Kapitalismus auf Kosten der verstärkten Ausbeutung der Arbeiterklasse wiederbeleben. Die erste revolutionäre Nachkriegswelle des Zweiten Weltkrieges ist durch Sozialdemokratie und Stalinismus aufgehalten und gelähmt worden. Wirtschaftliche Wiederbelebung findet in den meisten Ländern von Westeuropa und in Großbritannien vor unseren Augen statt. Nicht nur dies, die bürgerliche Staatsmaschine in den westlichen Ländern, die nach dem Fall von Hitler gestört und zerschlagen war, ist schrittweise auf der Grundlage von bürgerlicher Demokratie wiederaufgebaut worden. Eine prekäre „Stabilisierung" des bürgerlichen Staats und die Wiederherstellung der Wirtschaft aus dem Zustand der fast völligen Unterbrechung und des Chaos hat stattgefunden. Der Rhythmus der Erholung findet mit ziemlich schnellem Tempo in ganz Westeuropa statt, abgesehen von Deutschland.

Die Lähmung des Proletariats durch seine Organisationen hat der Bourgeoisie die Gelegenheit gegeben, die Kontrolle über ihre Wirtschaft wiederherzustellen. Daraus folgt nicht, dass das Proletariat besiegt ist.

In Wirklichkeit werden Ebben und Fluten der Arbeiterbewegung, zusammen mit Ebben und Fluten in die Wirtschaft stattfinden und nicht notwendigerweise in direkter wechselseitiger Abhängigkeit.

Wirtschaftliche Wiederbelebung ist nicht notwendigerweise ein Nachteil für die Revolution. Im Gegenteil wird mit der Lähmung des Proletariats das Einspannen und Zusammenstecken der Massen in der Industrie ihr Selbstvertrauen und Kampfkraft stärken. Sie kann den Weg für große Kämpfe bereiten (Amerika 1936), die die politischen Fragen wieder auf eine klare und scharfe Weise aufwerfen können. Die wirtschaftliche Wiederbelebung kann auf jeden Fall nur einige Jahre dauern und die neue Krise wird den ArbeiterInnen wieder den Verrat der stalinistischen und sozialdemokratischen Führer zeigen, die „Produktion" … schrieen und Arbeitslosigkeit produzierten und Mangel durch „Überproduktion" schufen.

Während das Proletariat durch seine Organisationen in einer Periode von allgemeinem Mangel eingeschläfert und versöhnt werden kann, um das Joch der vergrößerten Sklaverei und die Lasten der vergrößerten Produktion zu akzeptieren, werden sie es untragbar finden, wenn sie die Sackgasse sehen, in die diese Opfer sie geführt haben. Aber nur, wenn die AnhängerInnen der Vierten Internationale sorgfältig den Prozess theoretisch erklärt haben, können wir aus dem fortgeschrittenen Teil der Arbeiterklasse Nutzen ziehen. Nur auf dieser Grundlage wird es möglich sein, von Führung der Massen zu reden.

Die neue Krise wird noch einmal die Degeneration und chronische Krise des Weltkapitalismus enthüllen, wie die Kriege und die vorhergehenden Krisen. Große Klassenschlachten, Revolution und Bürgerkrieg sind auf der Tagesordnung.

Der endgültige Niedergang Europas, der bereits 1914 angefangen hat, ist in den folgenden Jahrzehnten verschlimmert worden, und der Zweite Weltkrieg hat diesen Niedergang besiegelt. Während zyklisch Aufschwünge stattfinden werden und gegenwärtig stattfinden, kann es kein reales Wachstum der Produktivkräfte wie in der Vergangenheit geben. Die chronische Krise und Todeskrise des Kapitalismus wird noch einmal in vollem Umfang aufgedeckt werden, wenn die Katastrophe des Friedens der des Krieges hinzugefügt wird; das Paradox von Armut und Fülle, von untätigen Fabriken und untätigen ArbeiterInnen, von verhungernden Bevölkerungen, während Nahrungsmittel verfaulen, der Lasten des neuen Aufrüstungsprogramms, wird beharrlich die Notwendigkeit der Neuorganisierung der Gesellschaft im Bewusstsein des Proletariats aufwerfen. Das Programm der Vierten Internationale wird das Banner des europäischen und Weltproletariats werden.

Russland am Ende des Zweiten Weltkriegs. Seine Beziehungen zum Weltimperialismus und der Rückzug der Roten Armee aus den besetzten Gebieten

Aus dem Blickwinkel der Entwicklung der Weltlage ist angesichts der Abwesenheit einer siegreichen proletarischen Revolution die bemerkenswerteste Tatsache am Ende dieses Krieges, dass die Sowjetunion am Ausgang des Krieges die größte Militärmacht von Europa und Asien und, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten von Amerika, die weltweit größte Militärmacht ist. Das Staatseigentum und die geplante Wirtschaft haben ihre Überlegenheit in Friedenszeiten wie in Kriegszeiten bewiesen. Dieses Ergebnis stellt alle Kalkulationen des Weltimperialismus auf den Kopf. Selbst wir haben so ein Ergebnis nicht vorhergesehen. Die Alliierten haben ihre Abkommen mit der Sowjetunion in der sicheren Überzeugung getroffen, dass sie entweder geschlagen würde oder aber aus dem Krieg so geschwächt hervorgehen würde, dass sie dann völlig vom angloamerikanischen Imperialismus abhängig sein würde, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Aber trotz der Irrtümer und Erpressungen der stalinistischen Bürokratie, trotz des völligen Mangels an Generälen und Offizieren, die den Säuberungen zum Opfer gefallen waren (und der zum großen Teil für die Niederlagen im ersten Teil des Krieges verantwortlich war), überstand die Sowjetunion diese ersten schrecklichen Niederlagen, wie es kein anderes Land der Welt hätte machen können. Die Sowjetunion verlor die Ukraine und das Donezbecken, in denen zwei Drittel der wichtigsten Industrien — Eisen, Stahl, Kohle Aluminium — konzentriert waren, trotzdem schlug sie praktisch ohne alle Hilfe ein Deutschland, das mit den Ressourcen von ganz Europa ausgestattet war.

Das wurde dank der Verlagerung und dem Aufbau von neuen Schwerindustriebasen im Ural und im Sibirien erreicht, was angesichts der gesteigerten Moral der Massen und der Umorganisierung des Stabes und der militärischen Kader ausreichend war, einen militärischen Sieg über den deutschen Imperialismus zu garantieren. Das war trotz der reaktionären Politik und dem Chauvinismus der stalinistischen Bürokratie, deren Politik es auf die Sabotage und Zerstörung der Möglichkeiten der Weltrevolution abgesehen hat. Das Wirtschaftssystem der Sowjetunion hielt der Probe stand trotz der Nachteile und der Last, die die stalinistische Bürokratie darstellt. Russland ging aus dem Krieg gestärkt und nicht geschwächt hervor. Die Kalkulationen der Imperialisten — dass sich Russland und Deutschland gegenseitig fertigmachen würden — blieben weit von der Verwirklichung, Deutschland ist zusammengebrochen und Russland ist als siegreiche Macht aus dem Krieg hervorgegangen, die jetzt die Hälfte Europas und einen großen Teil Asiens beherrscht. Die stalinistische Bürokratie hat erfolgreich eine vorherrschende Stellung auf dem Balkan und in Asien eingenommen, die die Träume des Zaren bei weitem übertrifft. Sie hat sich vorteilhafte Positionen gesichert, die ihr im voraus einen außerordentlichen Sprung erlauben. Der Ausdruck von Churchill über den „eisernen Vorhang" von Triest bis Stettin ist eine bildhafte Beschreibung der Herrschaft der stalinistischen Bürokratie über diese Region. England ist das Kräftegleichgewicht abhanden gekommen, das es während drei Jahrhunderten in Europa aufrechterhalten hat. Russland sitzt auf dem ganzen Kontinent im Sattel und schreitet als eine ernsthafte Gefahr für den englischen Imperialismus im Mittelmeer, im Nahen Osten, im Fernen Osten und in Europa voran. Nur die gigantische Macht des amerikanischen Imperialismus kann der stalinistischen Bürokratie die Stirn bieten.

Großbritannien und Japan sind Basen des amerikanischen Imperialismus im Blick auf einen künftigen Kampf auf Leben und Tod gegen Russland geworden, eines Krieges, der sich bahnbrechen wird, wenn der Kapitalismus die nächste Periode überlebt. Die Änderung des Kräfteverhältnisses rührt aus der Änderung der Wirtschaftsverhältnisse her. Jetzt wo der europäische Kapitalismus langsam im Niedergang ist, findet in der Sowjetunion eine beispiellose Entwicklung auf dem Gebiet der Produktivkräfte und der Arbeitsproduktion statt. Annähernd zwanzig Jahre Fünfjahrespläne und Planung haben bald Hunderttausende TechnikerInnen, Spezialistinnen und zig Millionen qualifizierte ArbeiterInnen geschaffen. Auf dieser festen Grundlage findet die Wirtschaftsentwicklung der Sowjetunion statt und wird in der kommenden Periode weiter stattfinden. Russland ist weit davon entfernt, von Großbritannien und Amerika wirtschaftlich abhängig zu sein, und kann mit dem angloamerikanischen Imperialismus gleichberechtigt handeln. Es ist kein Wagnis, dass Stalin amerikanische Anleihen abgelehnt hat, die unausgesprochen wirtschaftliche Zugeständnisse in Russland selbst bedeutet hätten, und dass er sich selbst weigert, Anleihen anzunehmen, die eine Schwächung seiner wirtschaftlichen Herrschaft über Osteuropa bedeuten. Selbst die Anleihen, die Russland in der Periode vor dem Krieg anzunehmen bereit war, sind für es heute nicht mehr erstrebenswert, wenn sie nicht unter den eigenen Bedingungen der Bürokratie stattfinden. In einer seiner Perioden der größten Schwäche, 1929-32, musste Russland 9% Zinsen geben — aber auf dem Höhepunkt der Weltkrise 1935 gab es 5½% für einen Kredit über 10 Millionen Pfund Sterling und einer Laufzeit von fünf Jahren; aber heute lehnt Russland eine Anleihe von 30 Millionen Pfund Sterling auf fünf Jahre zu 2½% ab. Die Bürokratie hat hundert Millionen Pfund Sterling auf fünf Jahre zu 2½% verlangt! Die Bedingungen behagen ihr nicht.

Es ist ein fataler Irrtum, die objektive wirtschaftliche Lage der Sowjetunion mit der konterrevolutionären Politik des Stalinismus zu verwechseln. Aus dem Blickwinkel des Weltsozialismus spielt die stalinistische Bürokratie gegenwärtig eine völlig konterrevolutionäre Rolle. Ohne deren Politik könnte die Arbeiterklasse die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa und Asien verwirklichen und die Weltlage würde völlig umgestaltet werden. Nichtsdestoweniger verändert sich als Ergebnis von (wirtschaftliche und politischen) weltgeschichtlichen Faktoren trotz der Politik des Stalinismus die objektive Lage der Sowjetunion von der einen auf die andere Periode. Aus der konterrevolutionären Politik des Stalinismus rührt nicht notwendigerweise her, dass die Sowjetunion in jeder Entwicklungsphase automatisch in ihren politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit den kapitalistischen Staaten geschwächt wird. Die wirtschaftliche Stärkung der Sowjetwirtschaft ist ein Vorteil auf dem Konto der Weltrevolution und der Regeneration der UdSSR. Die objektiv revolutionäre Lage, die sich aus dem Krieg ergab, ist auch ein Stärkungsfaktor für die Stellung der Sowjetunion. Der Weltimperialismus ist weit davon entfernt, sich wesentlich mit der Liquidierung des Sowjetstaates zu beschäftigen, sondern muss sich gegenwärtig hauptsächlich mit dem Versuch beschäftigen, die Stellung des zerfetzten Gewebes des Kapitalismus in Europa, in Asien und selbst in Amerika zu festigen. Diese Tatsache gibt der stalinistischen Bürokratie und seinem diplomatischen Druck zur Ausdehnung der Einflusssphäre der Bürokratie (Persien) einen aggressiven Charakter. Wenn man die revolutionären Perspektiven berücksichtigt, ist es für den amerikanischen Imperialismus nicht möglich, unmittelbar einen Krieg gegen die Sowjetunion zu entfesseln. Die Streikwelle in Amerika, die Tatsache, dass die Soldaten ihre sofortige Entlassung fordern, die Unmöglichkeit für die Labour-Regierung, die sich auf die englischen ArbeiterInnen und Soldaten stützt, einen sehr ausgedehnten Krieg gegen Russland zu führen, der Hunger, die Tatsache, dass die Massen der ganzen Welt kriegsmüde sind, die Kraft des Stalinismus in Europa und Asien, die Sympathie der Massen für die Sowjetunion — all das bedeutet, das es unmittelbar oder „in nächster Zeit" keine Möglichkeit der militärischen Intervention gegen Russland gibt.

Die hysterische Propaganda bezüglich eines unmittelbaren Krieges gegen die Sowjetunion ignoriert und widerspricht den revolutionären Perspektiven unserer Epoche und der objektiven Entwicklung der Ereignisse. Wenn sich der kapitalistische Imperialismus dank der Reformisten und Stalinisten wegen der Schwäche der Vierten Internationale hält, dann wird unausweichlich eine barbarische Reaktion Erfolg haben und sich in Europa, England und Amerika ausdehnen, die Arbeiterbewegung wird durch die Reaktion zerstört werden und dann wird der Weg für den unausweichlichen Angriff gegen die Sowjetunion offen sein, der nicht nur die Zerstörung Russlands, sondern auch der Weltzivilisation vorbereiten wird. Aus dem Blickwinkel der Weltrevolution — der Ausdehnung des Oktober — löst die gegenwärtige Stärkung der Sowjetunion nichts. Nur der Sieg der ArbeiterInnen in den kapitalistischen Hauptländern kann die Probleme der Sowjetunion lösen und garantieren, dass das Staatseigentum bewahrt werden wird und dass es auf der Grundlage des Umsturzes der Bürokratie und der Wiedererrichtung der Arbeiterdemokratie zum Weltsozialismus führt. Aus dem Blickwinkel der marxistischen Analyse hat die Entwicklung der Sowjetunion einen Doppelcharakter. Die Differenzierung zwischen Proletariat und Bürokratie beschleunigte sich durch den Krieg und hat einen völligen Bruch zwischen dem Proletariat und der Bürokratie vorbereitet. Aber parallel zur Entwicklung der Wirtschaft ist das Proletariat zahlenmäßig und was sein gesellschaftliches Gewicht im Land betrifft gestärkt worden und daher wird der Moment vorbereitet, wo das Proletariat der Bürokratie seine Rechnung präsentiert.

Russland besitzt eine unendlich stärkere Stellung als die, die es am Ende des Ersten Weltkriegs hatte. Trotzki schreibt in der „Verratenen Revolution": „Die Industrieproduktion des Jahres 1921, unmittelbar nach Beendigung des Bürgerkrieges, betrug bestenfalls ein Fünftel der Vorkriegsproduktion. Die Stahlerzeugung war von 4,2 Millionen Tonnen auf 183.000 Tonnen gesunken, das heißt auf ein Dreiundzwanzigstel. Die Getreideernte sank von insgesamt 801 Millionen Zentner auf 503 Millionen 1922. Das war das Jahr der furchtbaren Hungersnot! Gleichzeitig sank der Außenhandel von einem Niveau von 2,9 Milliarden Rubel auf 30 Millionen herab. Der Verfall der Produktivkräfte stellte alles in den Schatten, was es auf diesem Gebiet in der früheren Geschichte gegeben hatte. Das Land und mit ihm die Macht standen am Rande des Abgrunds." [Trotzki, Schriften 1,2, Hamburg 1988, S. 687-1011, hier S. 708f.]

Indessen, ausgehend von diesem niedrigen technischen Niveau, ohne Plan, mit großen kapitalistischen Bereichen in der Wirtschaft, mit einer kleinen Zahl von industriellen TechnikerInnen — von denen viele die Wirtschaft sabotierten — mit dem Erbe eines niedrigen Produktivitätsniveaus; mit einer Landwirtschaft, die auf dem selben niedrigen Niveau hielt, das es unter dem Zarismus gab, ist die russische Produktion in fünf Jahren auf das Niveau von vor dem Krieg zurückgekehrt. Das heißt, dass sie in einem Verhältnis wuchs, das ihre Gesamtsumme von 1921 um das Fünffache übertraf. Selbst nach der Wiederherstellung der Wirtschaft, ungefähr 1926, bestand das Proletariat aus nicht mehr als zwei Millionen Personen. Heute ist die Lage umgestaltet. Das Proletariat besteht aus zwanzig bis fünfundzwanzig Millionen Personen. Hunderttausende neuer TechnikerInnen und SpezialistInnen wurden herangebildet. Befreit von den Fesseln und den anarchischen Beschränkungen des Privateigentums werden die während dem Krieg erzielten erstaunlichen Ergebnisse ohne jeden Zweifel in der Zukunft beträchtlich übertroffen werden. Die Argumentation des internationalen Dokuments über die Sowjetunion hat einen einseitigen Charakter und gibt daher ein falsches Bild. Die Schlussfolgerungen stützten sich auf vom IS [Internationales Sekretariat] gegebene Zahlen aus dem Jahre 1941, obwohl das Dokument 1945 geschrieben wurde. Diese Statistiken stammen aus der Epoche, wo die Nazis vor den Toren von Leningrad und Moskau standen, und ignorieren die Änderungen von größter Bedeutung, die seitdem erzielt worden sind. Die Zahlen von siebzehn Millionen Toten und drei Millionen Arbeitsunfähigen, das heißt eines Zehntels der aktiven Bevölkerung werden gegeben, ohne sie zu der Tatsache in Beziehung zu setzen, dass in den der Sowjetunion zugefügten Gebieten vierundzwanzig Millionen BewohnerInnen leben. Das gleiche gilt für die Zahlen betreffend die Industrie.

Man darf nicht vergessen, dass die Sowjetunion dank der außerordentlichen Möglichkeiten des Staatseigentums und der geplanten Produktion sich von der schrecklichen Hungersnot 1932 erholte, in deren Verlauf Millionen starben. Die von der politischen Ökonomie Stalins angerichteten Verwüstungen im Innern kommen in dieser Epoche einem Krieg gleich. Indessen hat die sowjetische Wirtschaft nicht wenig beachtliche Fortschritte gemacht. Auf der Grundlage des Staatseigentums und der schon erreichten wirtschaftlichen Fortschritte werden der Wiederaufbau und die Entwicklung in einem noch großartigeren Rhythmus verlaufen. Der neue Fünfjahresplan legt maßvolle und verwirklichbare Ziele fest. Man hat vorgesehen, das Produktionsniveau von vor dem Krieg Ende 1947 zu erreichen. Das Ziel des Fünfjahresplans für 1950 ist ein allgemeiner Produktionszuwachs um 50% im Verhältnis zum Stand vor dem Krieg. Die Perspektive des Dokuments der Vorkonferenz liegt, was den Wiederaufbau und die Entwicklung der Sowjetunion betrifft, völlig falsch, indem sie bekräftigt: „Die ernsthaftesten Chancen, dass die Bürokratie in ihrer Verteidigung gegen den äußeren Druck des Imperialismus und die reaktionären Elemente im Innern und bei ihren Bemühungen des schnellen Hebens der sowjetischen Wirtschaft Erfolg hat, liegen im wirtschaftlichen Beitrag der tatsächlich von der UdSSR kontrollierten Länder." Man vergisst, die wirkliche Technik zu berücksichtigen, die ganz auf den verborgenen Möglichkeiten der russischen Wirtschaft beruht, selbst ohne ausländische Hilfe. Ohne jeden Zweifel hilft die Wirtschaft der besetzten Länder der stalinistischen Bürokratie, die ihre Herrschaftssphäre auf die Hälfte Europas und Asiens ausgedehnt hat, aber diese Eroberungen haben nur Hilfsfunktion im Verhältnis der wirtschaftlichen Ausbeutung der Ressourcen der Sowjetunion selbst.

Das Argument, wonach die Widersprüche des Weltimperialismus, auf deren Grundlage Russland in der Vergangenheit manövrieren könnte, jetzt beseitigt seien und die Vereinigten Staaten die Sowjetunion einkreisen und die kapitalistische Welt gegen sie zusammenschweißen, und die Sowjetunion jetzt viel schwächer als vor dem Krieg sei, stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein. Es ist wahr, dass Amerika seine Rolle der vorherrschenden wirtschaftlichen Leitung im Weltmaßstab beträchtlich ausgedehnt hat, und dass Großbritannien jetzt wirtschaftlich und politisch ein Satellit der Vereinigten Staaten ist. Aber die Widersprüche zwischen den Imperialismen sind in keinem Fall beseitigt. Russland hat immer noch eine Basis für Manöver, selbst wenn sie etwas eingeschränkt ist. Währenddessen ist Deutschland, das einzige Land, das wirtschaftlich, militärisch, politisch und geographisch in einer günstigen Lage war, einen Krieg gegen die UdSSR zu beginnen, für eine Generation praktisch zerstört und kann während dieser Periode nicht für einen neuen Krieg gegen die UdSSR wiederaufgebaut werden. Japan, das einzige Land Asiens, das einen militärischen Kampf im großen Maßstab gegen die UdSSR unternehmen konnte, wurde auch zerstört. Selbst mit der Hilfe des amerikanischen Imperialismus wird Japan auf viele Jahre hinaus nicht fähig sein, einen Krieg gegen Russland zu beginnen. Die vom amerikanischen Imperialismus erlangten neuen Basen können, selbst wenn man die neuen Kriegsmethoden berücksichtigt, den Verlust Deutschlands und Japans nicht ausgleichen. Bis die Imperialisten in der Lage sind, einen neuen Krieg gegen die UdSSR loszutreten, werden die Wirtschaftskrisen des Kapitalismus ganze Wirtschaftszweige zerstören, während die Wirtschaft der UdSSR Fortschritte macht.

Die Perspektive des Anfangsdokuments der Konferenz ist schon durch die Ereignisse widerlegt. Das Dokument erklärte: „Beim Fehlen einer Massenbewegung droht die UdSSR in der nahen Zukunft selbst ohne direkte militärische Intervention, durch die bloße Tatsache von wirtschaftlichem, politischem und diplomatischen Druck und von militärischen Drohungen des amerikanischen und englischen Imperialismus zu unterliegen." Gut, dass der Abschnitt gestrichen wurde, weil er angesichts der Ereignisse nicht aufrechterhalten werden konnte, aber die in diesem Abschnitt enthaltene grundlegende Vorstellung ist nichtsdestotrotz in dem Dokument beibehalten. Zum Beispiel: „Bei den Zwangsanleihen, die aktuell das Verhältnis zwischen dem Imperialismus und der UdSSR charakterisieren, kann nur die proletarische Revolution einen nahen fatalen Ausgang für sie verhindern." Die falsche Einschätzung einer Perspektive der wirtschaftlichen Schwächung, eines drohenden Zusammenbruchs, eines diplomatischen und wirtschaftlichen Drucks von Imperialisten, die mit einem nahen Zusammenbruch drohen, der Gefahr eines unmittelbaren Krieges gegen die Sowjetunion, muss die Vierte Internationale vor den Augen der Weltarbeiterklasse desorientieren. Es gibt alarmierende Symptome:

1) Die Bekräftigung der amerikanischen Partei, wonach der Krieg weitergeht.

2) Die zwiespältige Haltung im internationalen Dokument, das schließlich angenommen wurde, zur Frage der besetzten Gebiete und die Weigerung, den Änderungsantrag der englischen Partei zu akzeptieren, der den Abzug der Truppen der Roten Armee ebenso wie den der imperialistischen Armeen aus diesen Gebieten forderte. In dem überarbeiteten Dokument ist der einzige Hinweis auf diese Frage folgender: „Die Vierte Internationale verkündet das Recht für jedes Volk, über sich zu verfügen, für dieses Recht zu kämpfen, und stellt in jedem besetzten Land die Parole auf: „Sofortiger Abzug der Besatzungstruppen". In den Unterdrückerländern (Vereinigte Staaten, Großbritannien und Frankreich im Verhältnis zu Deutschland) verteidigt die Vierte Internationale aktiv das Unabhängigkeitsrecht der besetzten Nationen und fordert den Abzug der Besatzungstruppen."

3) Das Fehlen einer klaren Position (einschließlich der internationalen Resolution) und die effektive Opposition der Minderheit der englischen Partei gegen die Forderung nach dem Abzug der Truppen der Roten Armee aus Deutschland und den anderen besetzten Gebieten.

4) Die von der französischen Partei gemachte Bekräftigung „Niemals in den schwärzesten Stunden des Krieges war die UdSSR so gefährdet", die sie als opportunistischen und kapitulantenhaften Vorschlag einer Propaganda-Einheitsfront mit den Stalinisten bringt.

5) Die absurde Antwort von „Neuer Spartakus" auf die Frage: „Warum raubt Stalin? Weil er den Krieg verloren hat."

All das rührt aus einer völlig falschen Einschätzung der Entwicklung der Sowjetunion her. Die Lähmung der Weltrevolution mittels ihrer Agenturen, der stalinistischen Parteien, bringt eine vorübergehende Stärkung der stalinistischen Bürokratie mit sich. Bis heute bleibt sie eine relative und keine absolute Fessel der Entwicklung der Produktivkräfte. Der absolut reaktionäre Charakter der Bürokratie enthüllt sich nur im Weltmaßstab Beim Fehlen einer revolutionären Partei, die verwurzelt und mit den fortgeschrittenen ArbeiterInnen verbunden ist und die Massen mobilisieren kann, ohne eine Revolution in Europa und Asien wird die Bürokratie ihre Stellung in der Sowjetunion sehr wahrscheinlich behalten und in der unmittelbar bevorstehenden Periode sogar festigen. Im Maßstab der Geschichte und der Entwicklung der Regime, sind ein paar Jahre nicht viel. Nur aus geschichtlichem Blickwinkel in großem Maßstab kann man verstehen, dass die Bürokratie in einer gewissen Etappe in einen absoluten Gegensatz zu den Bedürfnissen der Wirtschaft und Kultur in der Sowjetunion geraten wird. Deshalb ist es sehr wichtig, beim Kampf für die Regeneration der UdSSR und für die Verteidigung der Sowjetunion immer einen unversöhnlichen Kampf gegen die konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus in den besetzten Ländern in Europa und in Asien zu führen. Der Sieg des Proletariats in einem wichtigen Land Europas wird die Totenglocke der Bürokratie läuten, weil er ein neues Verhältnis zwischen der Bürokratie und dem russischen Proletariat einführen wird. Die wichtigste Aufgabe der europäischen Massen liegt in der Verteidigung der europäischen Revolution gegen den Stalinismus ebenso wie gegen den Imperialismus. Der Kampf für ein sozialistisches Europa und Asien gegen den Imperialismus und seine sozialdemokratischen und stalinistischen Knechte liefert das wichtigste Mittel für die Errichtung der Macht der Weltarbeiterklasse, und dadurch für die Verteidigung der Sowjetunion.

Über den Parteiaufbau und unsere Aufgaben

Streichung des folgenden Abschnitts: „Die aktuelle Erfahrung aller Länder zeigt, dass die objektiven Möglichkeiten für die Schaffung von Parteien der Vierten Internationale noch nie so groß waren und dass sie immer besser werden. In einer Reihe von Ländern, zu denen England, die Vereinigten Staaten, Kanada, die Länder Südamerikas und mehrere Kolonialländer gehören, hat das Hindernis des Stalinismus und in der Mehrzahl der Fälle selbst des Reformismus keine entscheidende Bedeutung." Ergänzung des Dokuments in folgendem Sinn: Man muss die Vorstellung zurückweisen, wonach in den obenerwähnten Ländern der Stalinismus und Reformismus keinen entscheidenden Einfluss hat. Besonders in Großbritannien wurde diese Idee völlig durch den Wahlsieg der reformistischen Partei bei den Parlamentswahlen 1945 widerlegt. Aber selbst die Kommunistische Partei legt sich ständig zwischen unsere Bewegung und eine wichtige Schicht von linken ArbeiterInnen in Großbritannien. Man kann erwarten, dass nach dem Wachstum der Desillusionierung über die Labour-Regierung die Stalinisten am Anfang eine größere Rolle spielen werden als in irgend einer vergangenen Epoche in Großbritannien.

In Kanada und Australien haben die traditionellen Parteien der Arbeiterklasse eine entscheidende leitende Rolle bei fortgeschrittenen Teilen der Arbeiterklasse, während die TrotzkistInnen noch keine wichtige Rolle im Leben der Arbeiterkasse spielen. In den Vereinigten Staaten zeigt die Losung der SWP „Bildet eine Labor Party" klar an, dass der Reformismus eine äußerst wichtige Rolle im Leben der ArbeiterInnen spielt, auch wenn noch keine reformistische Partei von den ArbeiterInnen geschaffen wurde. Es ist geschichtlich unwahrscheinlich, dass sie eine reformistische Phase überspringen, selbst wenn diese Phase von kurzer Dauer sein wird. Das selbe Argument gilt für die anderen erwähnten Länder. Beim Fehlen mächtiger trotzkistischer Parteien ist es unausweichlich, dass Reformismus und Stalinismus eine entscheidende Rolle spielen. Wir weisen gleichfalls die Erklärung zurück, wonach die Phase des Niedergangs der stalinistischen Parteien in Europa begonnen hat. Es ist wahr, dass die erste Periode der Nachkriegsradikalisierung schon ihren Höhepunkt erreicht hat und die Stalinisten beschweren sich selbst, dass sie im Rückgang sind. Aber eine Linkswendung auf Seiten der Kommunistischen Parteien in diesem oder jenem Land oder die Teilnahme der Stalinisten an der Leitung von Massenstreiks kann die Lage schnell ändern und die Kommunistischen Parteien von neuem größer machen und ihren Einfluss auf die Massen noch mehr vergrößern.