Ted Grant: Frankreich in der Krise
(29. Mai 1958)
[Neuauflage London 1980 unter dem Titel «The
Rise of de Gaulle and the Class Struggle», gekürzt auch in «The Unbroken
Thread»]
Inhalt:
III.
Frühe Jahre der Kommunistischen Partei
VII. De
Gaulles erster Griff nach der Macht
XI.
Faschismus oder Bonapartismus?
XII. Der achtzehnte Brumaire des Charles
de Gaulle
Marx und Engels sagten, dass Frankreich das Land ist, in dem der Klassenkampf «immer bis zum Ende durchgekämpft» wird. Ted Grant Broschüre, die ursprünglich 1958 geschrieben wurde, zeigt, wie wahr das ist. Sie aktualisiert die marxistische Analyse der Geschichte von Revolution und Konterrevolution in Frankreich, um den Putsch von de Gaulle zu erklären.
Dabei ergänzt und erklärt sie den wichtigen marxistischen Begriff des «Bonapartismus». Dies ist eine wissenschaftliche Definition, kein Schimpfwort, und ein Schlüssel für das Verständnis gegenwärtiger und künftiger Entwicklungen. Es stimmt, dass de Gaulles Regime vielleicht die demokratischste Form des Bonapartismus war, die je bestanden hat. Das liegt daran, dass die Macht der Arbeiterklasse die Möglichkeit des Staats, sich über die Gesellschaft zu erheben, begrenze. Trotzdem stellte de Gaulles Machtübernahme eine psychologische Niederlage für die ArbeiterInnen dar. Im folgenden Jahr erlebten die französischen ArbeiterInnen den bedeutendsten Rückgang im Lebensstandard, den irgendeine europäische Arbeiterklasse während dem Nachkriegsboom erlebt.
Mit den Massenbewegungen vom Mai und Juni 1968 in ganz Frankreich läutete die Totenglocke des Gaullismus, Bewegungen, die durch dessen reaktionäre Maßnahmen hervorgerufen wurden. Die vorrevolutionäre Lage von 1968 kann nur im Zusammenhang mit de Gaulles Putsch verstanden werden, für den diese Broschüre der grundlegende marxistische Text ist.
1968 bewies die französische Arbeiterklasse allen Skeptikern und Pessimisten, dass Revolutionen möglich, notwendig und (bei richtiger Führung) unausweichlich sind. Frankreich war erneut das klassische Land des Klassenkampfes. Marxismus bedeutet einen Leitfaden für alle ArbeiterInnen, die die Notwendigkeit verstehen, den Klassenkampf bis zum erfolgreichen Abschluss zu Ende zu führen, einer klassenlosen sozialistischen Gesellschaft.
Die Ereignisse in Frankreich haben das Land von oben bis unten erschüttert. Sie folgt dem Beginn der Wirtschaftskrise in Amerika, der Krise auf der iberischen Halbinsel und dem Bürgerkrieg im Libanon und wirft ein Schlaglicht auf die kommenden Unruhen in der kapitalistischen Welt.
Selbst im schläfrigen Großbritannien kündigen der Busstreik, der Fleischmarktstreik und andere Streiks überall im ganzen Land eine neue Periode des Klassenkampfs an.
Eine neue Periode öffnet sich, die den stürmischen dreißiger Jahren ähnelt. Im letzten Jahrzehnt wurden Illusionen in eine langsame, schrittweise, friedliche und fortschrittliche Änderung der Gesellschaft. genährt. Diese gründeten sich auf den vorübergehenden Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg; und leider sind als Reaktion gegen die Exzesse des Stalinismus vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund Träume im Bewusstsein der Arbeiterklasse geblieben und haben die Glieder des schlafenden Riesen Arbeiterbewegung gelähmt, die vertrieben sein sollten.
Diese verderblichen Phantasien sind besonders in den Führungsspitzen der Labour Party gesponnen worden, zum Beispiel bei Gaitskells Versuch, das Parteiprogramm zu verwässern, um ein «Erschrecken» der Mittelschicht zu vermeiden. In Deutschland wird trotz des schrecklichen Preises, den die Arbeiterbewegung und die Völker der Welt gezahlt haben, der Versuch gemacht, jeden Eindruck «wegzuwerfen», die Partei stünde für marxistische Politik, und statt dessen die empirische Methode des britischen Fabianismus übernommen.
In Frankreich haben wir die offene Unterstützung der imperialistischen Politik durch die «sozialistischen» Führer Lacoste und Mollet gesehen.
«Die Ordnungspartei bewies …, dass sie weder zu herrschen noch zu dienen, weder zu leben noch zu sterben, weder die Republik zu ertragen noch sie umzustürzen, weder die Verfassung aufrechtzuerhalten noch sie über den Haufen zu werfen, weder mit ihm zusammenzuwirken noch mit ihm zu brechen verstand.» (Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, 1852)
Um die Lage in Frankreich heute zu verstehen, ist es notwendig, die Geschichte Frankreich in der jüngsten Periode und den Platz zu kennen, den es gegenwärtig in der Weltpolitik einnimmt. Wie Engels erklärte, ist Frankreich das Land in Westeuropa, wo der Klassenkampf «immer bis zum Ende durchgekämpft wird». Die Geschichte Frankreichs ist die Geschichte der Revolution — und der Konterrevolution!
Die bürgerliche Revolution von 1789 wurde bis zur völligen Zerstörung des Feudalismus durchgeführt und schuf die Grundlage für die kapitalistische Zivilisation, nicht nur in Frankreich, sondern in der ganzen modernen Welt. Nach der Erschöpfung der revolutionären Welle kam der Staatsstreich von Napoleon I. und der Militär- und Polizeistaat in Frankreich. Daraus leitet sich die klassische Idee des Bonapartismus ab. Selbst nach der Niederlage Napoleons und der Restauration von Ludwig XVIII. blieben die grundlegenden Errungenschaften der Revolution unangetastet: die feudalen Grundeigentümer blieben enteignet, das Land blieb in den Händen der BäuerInnen; die kapitalistischen Wirtschaftsgrundlagen des modernen Regimes waren stabil gebaut worden.
Auf dieser Seite des Kanals wird oft vergessen, dass die Reformen und Rechte, die die Arbeiterklasse errungen hat, teils den Revolutionen in anderen Ländern zu verdanken waren. Die herrschende Klasse hat Zugeständnisse gemacht, weil sie einen entsprechenden Druck auf Seiten der Massen hier fürchtete.
Die Revolution von 1830 stürzte das Restaurationsregime und errichtete die bürgerliche Monarchie von Louis Philippe. Statt einer kleinen Oligarchie herrschte jetzt ein größerer Teil der kapitalistischen Klasse. Aber das Wahlrecht war immer noch beschränkt und die ArbeiterInnen hatten keines der Rechte, das sie in einer modernen kapitalistischen Demokratie genießen.
Das Studium der Revolution von 1848 ist heute wichtig, weil es gewisse ins Auge springende Parallelen zwischen dem Verhalten der bürgerlichen Demokraten und Arbeiterparteien damals und der Politik der Arbeiterparteien in Frankreich heute gibt.
Sowohl Marx auch als Lenin unternahmen detaillierte Studien dieser Ereignisse, um die Arbeiterklasse zu warnen, die Fehler nicht zu wiederholen, die sie damals machte. Aber die Führungen der Sozialistischen und Kommunistischen Parteien in Frankreich haben aus der Geschichte nichts gelernt und handeln auf eine Weise, die dem Volk eine Katastrophe bringen könnte. Marx beschrieb ihre Vorgänger ironisch als «Demokraten der Phrase».
1848 war in der Revolution die Finanzaristokratie gestürzt worden, wobei die Massen die Barrikaden bemannten. Die Idee der Massen war die Errichtung einer sozialistischen Republik, aber die kapitalistische Klasse machte sich mit den Früchten der Revolution aus dem Staub.
Wie es Marx ausdrückte, herrschte in der Vergangenheit «ein beschränkter Teil der Bourgeoisie im Namen des Königs; jetzt die gesamte Bourgeoisie im Namen des Volkes.» Die Arbeiterklasse war verzweifelt, weil die Errungenschaften der Revolution nur von den Reichen genossen wurden, und wurde in Juni zu einem neuen Aufstand provoziert, der im Blut ertränkt wurde. All dies im Namen von «Eigentum, Religion, Familie, Ordnung.» Am 10. Dezember wurde Louis Napoleon Bonaparte zum Präsidenten gewählt. Die Bauern unterstützten ihn wegen der napoleonischen Legenden und jetzt begann der Kampf zwischen den Kapitalisten als Klasse und einem Abenteuer, Louis Napoleon.
Napoleon stand für «Infanterie, Artillerie, Kavallerie» und, um für sie zu bezahlen, wurden den BäuerInnen und der Arbeiterklasse ungeheure Steuern auferlegt. Die Nachwahlen von 1850 zeigten eine Niederlage für die napoleonischen Kräfte an: in Paris stimmten die Mittelschichten mit den ArbeiterInnen und wählten in der ganzen Stadt sozialistische Kandidaten.
Die Führung der Arbeiterklasse schwankte jetzt. Statt den Sieg zum Vorwärtstreiben der sozialistischen Revolution zu nutzen, wurde den Kapitalisten Zeit zur Vorbereitung gegeben. Die Stärke der Massen wurde in «kleinen Intrigen, hohlen Deklamationen und Scheinbewegungen» vergeudet. Das war alles, was die Führung anbot, als die Folge der Massen selbst in der Armee eine Stimmung der Begeisterung erzeugt hatten.
«Wie revolutionär die Demokraten während des konstitutionellen Wahlkampfes aufgeregt und getobt hatten, so konstitutionell predigten sie jetzt, wo es galt, mit den Waffen in der Hand den Ernst jener Wahlsiege zu beweisen, Ordnung, majestätische Ruhe (calme majesteux), gesetzliche Haltung, d.h. blinde Unterwerfung unter den Willen der Konterrevolution, der sich als Gesetz breitmachte.» (Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte)
Eilig wurden Gesetze zur Beschränkung der allgemeinen Stimmrechts eingeführt. Pressegesetze und Zensur wurden eingeführt und die Mannschaften der Armee wurden für ihre Verbrüderung mit den ArbeiterInnen bestraft. Louis Bonaparte nutzte die Gelegenheit und bildete die «Gesellschaft des 10. Dezember», einen Vorläufer späterer faschistischer Organisationen. Sie bestand aus dem Abschaum der Gesellschaft — eine «Gesellschaft der Unordnung, der Prostitution und des Diebstahls» (Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte)
Die Gesellschaft wurde wegen dem skandalösen Verhalten der Elemente, aus denen sie bestand, formell aufgelöst, bestand aber weiter fort. Louis Bonaparte benutzte sie als Basis, um einen Staatsstreich durchzuführen und am 2. Dezember 1851 die Macht zu übernehmen. Eine betrunkene Soldateska schoss in dem darauf folgenden Terror Angehörige der Bourgeoisie ebenso wie der Arbeiterklasse nieder. Die Mittelschichtdemokraten gaben die Schuld für die Katastrophe natürlich nicht ihrer Dummheit und ihrem Schwanken, sondern bürdeten sie den Massen auf.
Louis Bonaparte schaffte es, seine Herrschaft fast 20 Jahre aufrechtzuerhalten. Er hatte das Glück, dass sein Machtantritt mit einer ungeheuren Entwicklung der Produktivkräfte in Frankreich und international zusammenfiel.
1870 begann er einen abenteuerlichen Krieg mit Preußen. Die französische Armee brach wie Pappsoldaten zusammen. Die elende Korruption und Ineffizienz des Regimes sicherten de Niederlage.
«Die kleinbürgerlichen Demokraten, diese Pseudosozialisten, die den Klassenkampf durch Träumereien von Klassenharmonie ersetzten, stellten sich auch die sozialistische Umgestaltung träumerisch vor, nicht als Sturz der Herrschaft der ausbeutenden Klasse, sondern als friedliche Unterordnung der Minderheit unter die sich ihrer Aufgaben bewusst gewordenen Mehrheit. Diese mit der Anerkennung eines über den Klassen stehenden Staates unzertrennlich verbundene kleinbürgerliche Utopie führte n der Praxis zum Verrat an den Interessen der werktätigen Klassen, wie dies z. B. die Geschichte der französischen Revolutionen von 1848 und 1871, wie dies die Erfahrung der Beteiligung von <Sozialisten> an bürgerlichen Regierungen in England, Frankreich, Italien und anderen Ländern am Ausgang des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gezeigt haben.» (Lenin, Staat und Revolution)
Dann zeigten die ArbeiterInnen von Paris und Frankreich die Eigenschaften, für die sie berühmt sind. Am 4. September 1870 stürzten sie das Regime in einer revolutionären Erhebung in Paris und bewaffneten sich selbst in der Nationalgarde. Jetzt versuchten die Kapitalisten wie 1848, die ArbeiterInnen zu entwaffnen und machten am 18. März 1871 einen Versuch, der Nationalgarde die Artillerie wegzunehmen. Die ArbeiterInnen antworteten, indem sie die Macht übernahmen.
Dies war das erste Mal in der modernen Geschichte, dass die Arbeiterkasse das erfolgreich machte. Aber das Versagen, nicht die Bank von Frankreich zu verstaatlichen und gegen das reaktionäre Versailles zu marschieren, führten zur Niederlage der Pariser Kommune.
Die Lehren der Kommune wurden von Marx und Engels und dann von den Bolschewiki eifrig studiert. Ihre Analyse der Kommune war die Grundlage der konsequenten Klassenpolitik des Bolschewismus. Ohne die Erfahrung der französischen ArbeiterInnen in der Kommune hätte die theoretische Grundlage des russischen Bolschewismus nicht bereitet werden können.
In Frankreich selbst gab es jedoch als Ergebnis des Wirtschaftsaufschwungs in der kapitalistischen Gesellschaft in jener Periode — einer Periode gewaltiger Ausdehnung und Entwicklung der Produktivkräfte — eine gewisse Flaute im Klassenkampf. Aber gegen Ende des Jahrhunderts wurde durch den Dreyfus-Skandal eine neue Krise hervorgerufen. Dieser entlarvte die Fäulnis und Korruption der französischen Armee und ihrer Offizierskaste. Der Dreyfus-Fall zeigte die dekadente Struktur der französischen Gesellschaft von Fuß bis zum Gipfel.
Die Armee antwortete auf die Kritik der SozialistInnen und Radikalen, indem sie in Richtung des Neobonapartismus um General Boulanger ging. Wie Lenin erklärte, konnte eine Krise dieser Art die die Degeneration des «republikanischen» Regimes entlarvte und nicht nur die Arbeiterklasse, sondern auch die Volksmassen wachrüttelte, direkt zur Revolution und zur Machtübernahme durch die Arbeiterklasse führen. Ein Teil der damaligen sozialistischen Führer (Millerand) nutzte den Warnruf «die Republik ist in Gefahr», um eine Regierung oder «Volksfront» mit den Radikalsozialisten zu bilden, der Partei des liberalen Kapitalismus oder, wie Lenin es ausdrückte, «den bösartigsten und vollendetsten Vertretern des Finanzkapitals, den politischen Ausbeutern der BäuerInnen und der Mittelklasse.»
Die Furcht der herrschenden Klasse, einen Bürgerkrieg mit allen damit verbundenen Risiken zu provozieren, führte zu einem Vorübergehen der Krise und dem Selbstmord von Boulanger. Der Wirtschaftsaufschwung hatte sich noch nicht erschöpft. Die französischen Kapitalisten behinderten bewusst die Entwicklung der französischen Industrie und stützten sich bei ihrem Einkommen und ihren Zinsen auf einen Rentier- statt auf einen industriellen Kapitalismus, wobei sie sich auf ihr Kolonialreich stützen, aus dem sie durch die Ausbeutung der Kolonialvölker hohe Einnahmen zogen, weil sie die Arbeiterklasse mit ihren reichen revolutionären Traditionen fürchteten. Die französischen Kapitalisten wollten nicht, dass die Arbeiterklasse die Mehrheit der Bevölkerung wird, und verließen sich auf die Bauernschaft als einer konservativen Kraft, um sie gegen die Arbeiterklasse auszuspielen.
«Der
Faschismus ist nicht nur eine militärische technische Kategorie. Der Faschismus
ist die Kampforganisation der Bourgeoisie, die sich auf die aktive
Unterstützung der Sozialdemokratie stützt. Die Sozialdemokratie ist objektiv
der gemäßigte Flügel des Faschismus.» (Josef
Stalin, International Press Correspondence, 9. Oktober 1924)
Dieses Kräfteverhältnis setzte sich fort, bis die Krise des imperialistischen Kapitalismus im Ersten Weltkrieg ausbrach. Wie ihre Brüder in Großbritannien, Deutschland und anderen Ländern verrieten die Sozialisten und Gewerkschaftsführer die ArbeiterInnen, indem sie den Krieg unterstützten und sich um die Parole sammelten: «La patrie est en danger.» [Das Vaterland ist in Gefahr]. Auch die Syndikalisten gingen trotz ihrer radikal klingenden Sprüche im Krieg auf die Seite des Imperialismus über.
Kleine Gruppen von Revolutionären blieben jedoch den Ideen des Marxismus treu. Die französischen Massen wurden des Blutvergießens und Gemetzels im Interesse des Finanzkapitalismus zunehmend müde. Die Revolution in Russland 1917 hatte eine elektrisierende Wirkung auf die kriegsmüden ArbeiterInnen in Frankreich, ebenso wie in anderen Ländern. In Paris fanden große Streiks in der Damenbekleidungsindustrie statt. Ganze Regimenter begannen, die Schützengräben zu verlassen und die Soldaten begannen, nach Paris zu marschieren. Der Oberkommandierende der deutsche Armee gab Befehl, nicht vorzurücken: zuerst müsse die Ordnung wiederhergestellt werden. Mit anderen Worten stellte er Klassensolidarität (mit den französischen Kapitalisten) über die deutschen nationalen ziele.
Die Tragödie lag darin, dass es keine revolutionäre Führung gab, die stark genug war, die Unzufriedenheit der ArbeiterInnen mit der Armeerebellion zu verbinden. In den meuternden Regimentern wurde jeder zehnte Soldat erschossen und die «Ordnung» wiederhergestellt. Trotzdem drohte die revolutionäre Welle von 1917 bis 1920 Frankreich zu erfassen.
1919 führte André Marty, ein Offizier der französischen Marine eine Meuterei in der Schwarzmeerflotte gegen einen Versuch, in der Russischen Revolution zu intervenieren. Die revolutionäre Gärung war so stark, dass auf dem Kongress der französischen Sozialistischen Partei von Tours 1920 die Fraktion die Mehrheit gewann, die für den Anschluss an die Dritte Internationale stand. L’Humanité wurde das offizielle Organ der Kommunistischen Partei. Die Gewerkschaften wurden durch die Reformisten und Ex-Syndikalisten (Jouhaux) gespalten, die sich weigerten, den Willen der ArbeiterInnen anzuerkennen und sich mit der reformistischen Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale verbanden.
Aber die junge Kommunistische Partei war unerfahren und sehr ultralinks. Die Internationale überzeugte sie mit Mühe von der Notwendigkeit, die Einheitsfronttaktik anzuwenden, um den Reformismus zu entlarven. Bevor sie die Gelegenheit hatten, in Ideologie und Taktik erfahren und gehärtet zu werden, kam Stalin in der UdSSR an die Macht; und zwischen 1924 und 1927 wurden alle unabhängig denkenden Elemente aus der Führung der Französischen Kommunistischen Partei ausgeschlossen, die nicht bereit waren, Moskau blind zu gehorchen.
Die Partei blieb jedoch genügend auf den revolutionären Internationalismus ausgerichtet, um ihre Klassenpflicht der Opposition gegen den Kolonialkrieg von 1925 und zurUnterstützung für das Recht des marokkanischen Volkes auf nationale Unabhängigkeit zu erfüllen. Streiks, Demonstrationen, Flugblätter, Agitation unter den Soldaten selbst an der Front — all das wurde in einem intensiven Kampf gegen die kriminelle Politik des französischen Imperialismus gemacht.
Die Entwicklung der Kommunistischen Partei Frankreichs ist natürlich mit der Degeneration der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und der Dritten Internationale eng verbunden. Die Periode 1924 bis 1930 war in Frankreich eine Periode von Wirtschaftsboom, in dem die französische herrschende Klasse an die ArbeiterInnen und BäuerInnen Zugeständnisse machte, um den Reformismus zu stärken.
1929 kündigte die Kommunistische Internationale die Theorie der Dritten Periode und des Sozialfaschismus an. Die Dritte Periode (im Unterschied von der «ersten (Nachkriegs-)Periode» der revolutionären Welle 1919-24 und der «zweiten Periode» der «vorübergehenden Festigung des Kapitalismus» 1924-28) wurde als Periode der «Endkrise» angekündigt, der Krise, von der sich der Weltkapitalismus nie erholen könne. Dies war falsch. So lange der Kapitalismus nicht gestürzt wird — was nur dadurch geschehen kann, dass die Führung der Arbeiterklasse über einen ganzen Zeitraum eine richtige Politik betreibt — kann er immer einen Ausweg aus seinen Schwierigkeiten finden.
Die Sozialdemokratie wurde zum Hauptfeind der Arbeiterklasse erklärt, einer besonders schlimmen Form des Faschismus. Faschismus und Sozialfaschismus (das heißt Sozialdemokratie), sagt Stalin «sind nicht Antipoden, sondern Zwillinge.»
Die Aufgabe der revolutionären Führung besteht darin, die Massen der Arbeiterklasse von der Notwendigkeit einer revolutionären Politik als der einzigen Lösung für ihre Probleme zu überzeugen. Dies kann nur gemacht werden, indem man den ArbeiterInnen in der Praxis zeigt, dass die reformistische Führung nicht bereit ist, den Kapitalismus bis zum Ende zu bekämpfen. Das kann nicht erreicht werden, indem man die sozialdemokratische Führung als Faschisten beschimpft, was nur die sozialdemokratische Basis von einem entfremdet, die weiß, dass das reiner Blödsinn ist.
Die Augen der ArbeiterInnen können durch die Taktik der Einheitsfront am besten geöffnet werden — indem man ein Programm vorlegt, das für die reformistischen ArbeiterInnen akzeptabel sein wird. Diese ArbeiterInnen werden dann auf ihre Führer Druck ausüben, einem Kampf auf der Grundlage eines vereinbarten Programms zuzustimmen. Wenn die reformistische Führung zustimmt, dann wird ein Kampf geführt werden, in dem die Überlegenheit revolutionärer Ideen gezeigt werden wird; wenn sie sich weigert, entlarvt sie sich.
Zu einer Zeit, als der Wirtschaftsboom Frankreich noch beherrschte, unternahm die Kommunistische Partei wahnwitzige Anstrengungen, revolutionäre Ausbrüche hervorzurufen. Natürlich konnte diese Verrücktheit sie nur von der Arbeiterklasse entfremden. Die reformistischen Gewerkschaften legten ungeheuer zu, während die (kommunistische) CGTU-Gewerkschaften in Trümmer fielen. Die Sozialistische Partei gewann den Großteil ihrer Unterstützung auf Kosten des Kommunismus zurück. Das Abenteurertum der KP-Politik trennten sie von den ArbeiterInnen. Die Partei fiel von einer Mitgliedschaft von 150.000 1920 auf 7.000 1933.
Frankreich wurde später als andere Länder von der Weltwirtschaftskrise erfasst. Bis zur Krise gab es sogar einen chronischen Arbeitskräftemangel, und es war notwendig, Arbeitskräfte aus Polen und anderen Ländern für die Bergwerke und andere Wirtschaftszweige einzuführen. Frankreichs Rückständigkeit verzögerte also de Krise der französischen Wirtschaft und französischen Gesellschaft zuerst, verstärkte sie aber dann.
Als ein Ergebnis der verräterischen Politik der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei Deutschlands siegte Hitler 1933. Gleichzeitig begann die Wirtschaftskrise, sich auf Frankreich auszuwirken. Die französischen Faschisten waren durch den Sieg der Reaktion in Deutschland ermutigt und begannen, sich vorzubereiten. Faschistische Bünde wurden gebildet, die weitgehend aus Ex-Soldaten bestanden, wie die Croix de Feu von Oberst de La Rocque. Viele französische BäuerInnen, HandwerkerInnen und kleine Geschäftsleute wurden ruiniert und in dieser Atmosphäre wurde das französische Parlament von einem Skandal erschüttert.
Stawisky hatte im Bunde mit gewissen Abgeordneten ein Schwindelgeschäft gemacht, in dem es um Millionen ging und das den Bankrott von Zehntausenden Kleinanlegern bedeutete. Die Fäulnis der Dritten Republik wurde bloßgelegt. Am 6. Februar 1934 demonstrierten die Faschisten für den Sturz des Parlaments. Mit Rasiermessern und Revolvern gingen die faschistischen Schläger auf die Champs Elysées.
Die Führung der Kommunistischen Partei stützte sich trotz der schrecklichen Lehre der Hitler-Katatrophe auf die stalinistische Linie der Komintern und hatte nichts gelernt. Die KP griff den «Radikal-Faschisten» Daladier an, der damals an der Spitze der Regierung stand und demonstrierte mit den Faschisten. Wenn es von ihnen abgehangen hätte, hätten die Faschisten in Frankreich damals erfolgreich einen Militär- und Polizeistaat errichtet.
Daladier, der Führer der Radikalsozialisten, ging vor dem faschistischen angriff in die Knie, trat zurück und bereitete den Weg für die reaktionäre Doumergue-Regierung, die durch Verordnungen regierte (so wie die reaktionären Regierungen von Brüning, von Papen und von Schleicher in Deutschland den Weg für Hitler bereitet hatten).
Glücklicherweise hatte die französische Arbeiterklasse mit ihren revolutionären Traditionen aus der schrecklichen Erfahrung ihrer Brüder in Deutschland gelernt. Unter dem Druck der ArbeiterInnen erklärten die französische Sozialistische Partei und ihre Gewerkschaften (CGT) eine Gegenoffensive. Als Warnung für die Reaktion riefen die reformistischen Gewerkschaften einen Generalstreik für den 12. Februar 1934 aus. Obwohl nur eine Million ArbeiterInnen organisiert waren, nahmen vier Millionen daran teil. Die Faschisten mussten eine Pause machen — vorläufig. Es ist eine Ironie, dass sich damals Jacques Doriot von der französischen KP abspaltete, weil er forderte, dass die Partei für eine Einheitsfront eintrete, und den Verband St. Denis seiner Partei (einem der proletarischsten Bezirke von Paris) mitnahm, dessen Sekretär er war — er ging später zum Faschismus über.
«Aber diese ausgezeichnete Idee (die Kaufkraft aller Teile der Bevölkerung zu erhöhen) wurde — wie so viele andere — in den ersten Monaten der Volksfrontregierung äußerst unzureichend angewandt, und selbst die damals erreichten kleineren Erfolge wurden durch den Umstand zunichte gemacht, dass das Finanzkapital seine eigenen Lösungsvorschläge umsetzen konnte — eine Lösung, die eine Beschränkung der Massenkaufkraft bedeuteten.» (Joanny Berlioz, World News and Views, 2. Juli 1938, S. 783).
«…Die Erfahrung von zwei Jahren der Volksfront — zwei Jahren, während denen sehr unzureichende Anstrengungen zur Verwirklichung des bestehenden Programms gemacht wurden, so gemäßigt es war…» (J. Berlioz, World News and Views, 10. Dezember 1938)
«…Das Gefühl zugunsten der Einheit (KP-SP) nimmt jetzt zu, vor allem unter den ArbeiterInnen, die die unheilverkündenden Folgen der Zugeständnisse erkannten, die von den verschiedenen Volksfrontregierungen den Kräften des Kapitals gemacht wurden.» (J. Berlioz, World News and Views, 10. Dezember 1938)
Jetzt begannen die Massen, Maßnahmen gegen die bösartigen Gesetze von Doumergue und gegen die Angriffe auf ihre Bedingungen und Standards zu ergreifen, die durch die Krise des französischen Kapitalismus hervorgerufen wurden. In Brest und Toulon wurden als Ergebnis von Zusammenstößen mit der Polizei im Verlauf von Streikkämpfen Barrikaden errichtet. «Les soviets partout» — «Überall Sowjets» — wurde der herausfordernde Sammlungsruf der KommunistInnen in Frankreich.
Genau in dieser Periode änderten die Stalinisten ihre Linie. Stalin ging, nachdem er — zu dieser Zeit — kein Abkommen mit Hitler erreicht hatte, dazu über, ein Abkommen mit dem britischen und französischen Imperialismus zu suchen. Als ungeschriebener Teil dieses Abkommens mussten sich die Kommunistischen Parteien für die herrschenden Klassen prostituieren.
Nach der Unterzeichnung des französisch-sowjetischen Paktes verstärkte die Kommunistische Partei in Frankreich diese Linienänderung. Sie durchquerten die richtige Taktik der Einheitsfront und forderten eine Volksfront unter Einschluss der Radikalsozialisten unter dem Vorwand, dass die Radikalen die Mittelschichten verträten. Aber wie Lenin in Beziehung auf die Millerand-Krise gezeigt hatte, waren die Radikalsozialisten nicht die Partei der Mittelklassen, sondern eine Partei des Finanzkapitals, die die Beschwerden der Mittelklassen ausbeutete. Die Politik der Volksfront war Millerandismus unter einem anderen Namen — ein Name, der gewählt wurde, weil die Idee einer offenen Koalition mit kapitalistischen Parteien diskreditiert war.
Inzwischen hatten die Massen begonnen, in Aktion zu treten. Die Faschisten verstärkten ihre Propagandavorbereitungen und Demonstrationen. Die Radikalen traten dann aus Furcht vor revolutionären Ausbrüchen auf Seiten der Massen dem bei, was Trotzki «das Streikbrecherkomplott der Führer der Volksfront» nannte. Die Mittelschichten wurden störrisch und frustriert, die ArbeiterInnen gingen zur direkten Aktion über, also brauchte das Finanzkapital ein Mittel, um die Massen unter Kontrolle zu halten. Immer wenn die herrschende Klasse in Schwierigkeiten und durch die Unzufriedenheit der Massen in Gefahr ist, versucht sie die Taktik der Koalition, um die ArbeiterInnen zu demoralisieren, zersplittern und zu verwirren.
Bei den Wahlen vom Februar 1936, nach der Volksfrontvereinbarung, wurde die Sozialistische Partei die stärkste Partei und die Stimmen der Kommunistischen Partei erreichten anderthalb Millionen. Ein Anzeichen der Krise und der Aufwallung der Massen war, dass die Radikalsozialisten, die 50 Jahre lang die stärkste Partei in Frankreich waren, auf den dritten Platz verwiesen wurden — trotz der Anstrengungen der Sozialistischen und Kommunistischen Führer, ihnen ein revolutionäres Image zu verpassen. Wenn Sozialisten und Kommunisten mit Klassenprinzipien gekämpft hätten, hätten sie die überwiegende Mehrheit kriegen und die Radikalen zur Ohnmacht verdammen können.
Die Aufwallung in der Arbeiterklasse zeigte sich in den Ereignissen, die der Sieg der Front hervorrief. Die ArbeiterInnen hatten ihren Führern geglaubt, dass die Front bloß ein Manöver sei, sie zu stärken, und betraten kühn den Weg, der zu einer neuen Französischen Revolution hätte führen können. Eine Reihe von Streiks mit Fabrikbesetzungen wurde begonnen. In allen führenden Industriezentren Frankreichs besetzten die ArbeiterInnen die Betriebe. Aus der Tiefe der französischen Gesellschaft traten selbst die bisher unorganisierten, rückständigsten und ausgebeutetsten Teile der Arbeiterklasse in Aktion. Die Ladenmädchen besetzten die großen Warenhäuser und verkündeten stolz, dass die Vorschriften, die die Verwendung von Lippenstift, Schminke und Puder regelten, null und nichtig seien; sie sagten, sie seien keine Schauspielerinnen, sondern Mitglieder der Arbeiterklasse.
In allen Städten Frankreichs fanden riesige Massendemonstrationen statt, die massenhafte Beteiligung der algerischen ArbeiterInnen in Paris unter der Führung ihrer nationalen Organisation, an deren Spitze der ex-kommunistische Revolutionär Messali Hadsch stand, war nicht der unwichtigste Aspekt. Die Armee, die Marine und selbst die Polizei wurden von der vorherrschenden revolutionären Stimmung angesteckt. In den Häfen marschierten die Matrosen mit geschulterten Waffen durch die Städte und sangen die Internationale. Die Poilus und die Polizei verbrüderten sich mit den demonstrierenden Mengen. Die Kräfte des Kapitals waren völlig gelähmt. Hier war einer der seltenen Gelegenheiten, wo die Revolution friedlich hätte durchgeführt werden können: die Machtübernahme und die Bewaffnung der Massen hätten jeden Widerstand auf Seiten des Finanzkapitals zunichte gemacht.
Durch diese Massenaktion wurde das ganze Reformprogramm, für das die Volksfront eingetreten war, binnen Tagen von den ArbeiterInnen durchgeführt. Dann trat gemäß Moskaus außenpolitischer Linie der KP-Führer Thorez auf und verkündete: «Man muss wissen, wie man einen Streik beendet.» (Paris, 11. Juni 1936) Unter der Losung der «republikanischen Legalität» ließen sich die ArbeiterInnen von der Kommunistischen Partei zur Räumung der Fabriken überreden. Voll Panik schoben die Kapitalisten Blum, den Sozialistenführer, als Ministerpräsident nach vorn. Seine Aufgabe war, die Massen zurückzuhalten, bis die revolutionäre Flut abgeebbt war. Unter dem direkten Deckmantel der Volksfront begann die Reaktion, ihre Gegenschläge gegen die ArbeiterInnen vorzubereiten.
Der Staat war sorgfältig als Instrument der herrschenden Klasse geschaffen und vorbereitet worden. Das Offizierskorps der Marine, der Armee und der Polizei, die Spitzen der Staatsverwaltung, alle Schlüsselpositionen im Apparat des Establishments sind von Mitgliedern der oberen Mittelschicht und der herrschenden Klasse besetzt und letzterer gegenüber loyal. Diese theoretische Analyse des Staats durch Marx wurde in der Geschichte Frankreichs immer wieder bestätigt.
Faschistische Admiräle und Generale begannen fast unmittelbar, sich gegen das Volksfrontregime zu verschwören. Selbst in diesen frühen Tagen wurde ein Streik in der Werft von Toulon dadurch hervorgerufen, dass die ArbeiterInnen durch ein von einem Offizier an den Hafenanlagen angebrachtes faschistisches Plakat provoziert wurden.
Inzwischen begannen die Arbeitgeber, die Errungenschaften der ArbeiterInnen Stück für Stück abzuknabbern, nachdem die erste Welle der Begeisterung verebbt war. Unter diesem oder jenem Vorwand, versuchten sie die AktivistInnen in den Betrieben loszuwerden, und lösten eine ganze Reihe von Streikaktionen aus.
Einer der Punkte im Volksfrontprogramm war die Auflösung der bewaffneten faschistischen Organisationen gewesen. Unter dem Druck der angedrohten Massenaktionen wurden die faschistischen Organisationen «aufgelöst». Die Faschisten versteckten ihre Waffen für den Moment und kündigten an, dass sie statt Bünden — eine Partei bilden würden! Unter dem Schutz der Volksfrontregierung wurde ihnen das erlaubt.
De La Rocque wurde durch dieses Fehlen von Opposition durch die Volksfrontparteien kühner und kündigte unverfroren für den 16. März 1937 einen Marsch durch Clichy an, einen zuverlässigen Arbeitervorort von Paris; dies war eine Provokation, ähnlich wie Mosleys Versuch, durch das [Londoner] East End zu marschieren. Die ArbeiterInnen antworteten, indem sie zu Zehntausenden seinen Weg versperrten. Die Polizei, die nach der Verbrüderungs-Erfahrung von 1936 diszipliniert worden war, versuchte, den Faschisten den Weg zu erzwingen. Sie schossen in die Menge und töteten mehrere ArbeiterInnen (fünf Tote, 200 Verwundete), was landesweit Abscheu hervorrief. Wieder eröffnete sich eine Gelegenheit, den Weg der Machtübernahme zu beschreiten.
Als Sicherheitsventil rief die Kommunistische Partei einen 24stündigen Generalstreik aus, der aber trotz der landesweit vorhandenen Gefühle der Arbeiterklasse auf Paris beschränkt wurde. Eine Million ArbeiterInnen ging in Paris auf die Straße. Der Streik war völlig solide und die Stadt war lahmgelegt.
Die ArbeiterInnen hatten einen sicheren Instinkt und verstanden den Charakter der Bedrohung, vor der sie standen und begannen, gegen die Faschisten und von den Arbeitgebern in den Betrieben plazierten Streikbrecher vorzugehen. Sie begannen, sie aus den Betrieben zu vertreiben und weigerten sich, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Da griff Léon Blum, der Volksfrontministerpräsident erneut ein. Er sagte, Franzosen hätten das Recht auf jede Meinung, die ihnen zusagte. Er würde keine Maßnahmen gegen irgend jemand wegen seiner Meinungen dulden. Die Stalinisten hatten keine revolutionäre Perspektive und waren durch die Volksfrontpolitik gelähmt. Also akzeptierten sie das und protestierten nur in Worten.
So begann die Begeisterung der ArbeiterInnen zu schwinden. Ihre Errungenschaften waren verloren, ihre Ziele zunichte gemacht, ihre Ideale verraten. Die Arbeiterklasse ist kein Hahn, den man aufdrehen kann, heiß oder kalt, wie es die «Führer» befehlen. Die Entwicklung der Massenmeinung hin zur Revolution schreitet gemäß gewissen Gesetzmäßigkeiten voran. Wenn die ArbeiterInnen von ihren eigenen Organisationen enttäuscht werden, verschwindet ihr Interesse am Kampf und die ganze Bewegung kann zerfallen.
Unter dem Schutz der Volksfront fuhren die großen kapitalistischen Konzerne und Trusts weiterhin riesige Profite ein. Die ArbeiterInnen fingen an, demoralisiert zu werden und die Reaktion begann, ihre Rache vorzubereiten.
Der schrittweise Schwenk nach rechts wurde durch die Ersetzung des Sozialisten Blums durch die Radikalen Chautemps und dann Daladier als Ministerpräsident gekennzeichnet. 1937-38 gab es die Verschwörung der sogenannten Cagoulards oder Kapuzenträger, einer von den großen Trusts finanzierten Geheimgesellschaft mit Verbindungen und Mitgliedern in den Streitkräften und der Polizei. Sie verwandelten die Katakomben von Paris in eine Festung. Sie hatten sogar Kampfflugzeuge und andere Waffen, an denen ihre Kräfte zum Einsatz gegen die Arbeiterklasse ausgebildet wurden.
Die Volksfrontregierung verurteilte das zwar, aber es wurden keine wirklichen Maßnahmen gegen die faschistischen Verschwörer in der Armee, der Polizei oder auf den Straßen ergriffen. Die Radikalen hätten den bürgerlichen Staat untergraben müssen, um das zu tun. Sie waren der Volksfront beigetreten, um genau das zu verhindern.
Angesichts der drohenden internationalen Lage und der Außenpolitik des Kreml degenerierte die KP-Bürokratie mit hoher Geschwindigkeit. Von der Unterstützung der Volksfront gingen sie zur Befürwortung einer Nationalen Front weiter. Alle Franzosen sollten sich gegen die Gefahr durch Hitler vereinigen, von den «nationalen» Faschisten auf der Rechten zu den Kommunisten auf der Linken. Nachdem sie einen «Unterschied» zwischen «guten» und «schlechten» Kapitalisten entdeckt und das Klassenkriterium aufgegeben hatten, begannen sie jetzt ziemlich logisch, einen Unterschied zwischen «guten» und «schlechten» Faschisten zu entdecken. Der Nationalsozialismus wurde zur schlimmsten Form des Faschismus erklärt, der «aggressive» Absichten habe, die die ganze Welt bedrohten. So wurde die marxistische Analyse des Charakter des Krieges als Ergebnis der Politik von Nationen und Klassen aufgegeben. Der italienische Faschismus sei «nicht so schlecht» wie der deutsche Nationalsozialismus; daher müsse «Frankreich» (das heißt die französische herrschende Klasse) ein Abkommen mit Mussolini gegen Hitler treffen.
In dieser Atmosphäre kam die München-Krise. Daladier und Chamberlain kapitulierten in der Frage der Tschechoslowakei vor Hitler. In den Augen der französischen Massen versuchte die Kommunistische Partei, sie in einen Krieg zu treiben, den sie fürchteten; die ganzen Propaganda der KP — chauvinistisch und anti-internationalistisch — hatte die Arbeiterklasse zusammen mit der Frustration über die vergangenen zweieinhalb Jahre völlig demoralisiert. München wurde als Höhepunkt des Verrat von Blum und Daladier an der anderen Volksfront in Spanien gesehen, die durch ihre Teilnamen am sogenannten «Nicht-Interventions-Komitee» des Völkerbundes wirksame Hilfe sabotiert und die Forderung der Arbeiter nach «Flugzeugen für Spanien» zynisch abgelehnt hatten. Sie konnten das machen, da sie wussten, dass die KP nicht bereit war, in dieser Frage die Massen zur Aktion zu führen.
Nach München ging die KP als Reaktion auf Moskaus Furcht vor einem Abkommen zwischen Frankreich und Deutschland auf eine «radikalere» Linie über.
Daladier führte durch Ausnahmegesetze eine ganze Reihe von Maßnahmen ein, um den Standard und die Bedingungen der ArbeiterInnen zu verschlechtern. Die KP gab ohne systematische Vorbereitungen und trotz der Tatsache, dass die Stimmung der Massen jetzt desinteressiert und apathisch war, einen Aufruf für einen Generalstreik heraus. Selbst dann noch hätte es Möglichkeiten für eine Nachhutaktion gegeben, wenn sie den Massen Perspektive geboten hätten. Aber die geforderten Opfer standen in keinem Verhältnis zu dem, was die ArbeiterInnen erreichen würden; für die Kapitalisten war es eine Situation von: bei Kopf gewinnen wir, bei Zahl verlieren die ArbeiterInnen. Sie konnten einen Zusammenstoß riskieren. Wenn die Reaktion der Massen zu stark wäre, könnten sie schnell Herriot an die Stelle von Daladier setzen, was die KP zufriedengestellt hätte: die selbe Partei mit dem selben Programm wäre an der Macht gewesen, aber Beelzebub wäre durch den Teufel ersetzt. Notfalls könnten sie ein bisschen länger warten, bis die Stimmung der ArbeiterInnen abgeebbt wäre, und würden dann mit neuen Angriffen weitermachen. So gab es für die Bourgeoisie bei einer Kraftprobe nichts zu verlieren.
Für die ArbeiterInnen war die Lage genau umgekehrt. Selbst wenn sie gewonnen hätten, wären sie schnell wieder vor genau der selben Lage gestanden. Daladier, der auf so feige Weise vor den faschistischen Rasierklingen kapituliert hatte, spielte den «starken Mann», wenn es zu Zusammenstößen mit den ArbeiterInnen kam. Er umzingelte die Fabriken mit den Maschinengewehren von bewaffneter Polizei und Soldaten. Die ArbeiterInnen hätten einen bewaffneten Konflikt riskiert, wenn die Forderung die Machtübernahme und daher die Umgestaltung der ganzen Lebensweise gewesen wäre; aber ein paar schäbige Reformen waren es nicht wert.
Die größte Ironie bei diesem Zusammenstoß war, dass die Faschisten, die von Blum beschützt worden waren, solange er im Amt war, die ersten beim Streikbruch waren. Unter diesen Bedingungen begannen die ArbeiterInnen, entmutigt zurück in die Fabriken zu gehen und der Streik brach zusammen (30. November 1938). Es war bemerkenswert, dass der Streik in den Gebieten am wenigsten Unterstützung hatte, in denen die KP am stärksten war.
Der gesellschaftliche Konflikt wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unterbrochen. Daladier zog die Sozialisten in die Regierung und führte unter Beteiligung der reformistischen Führer eine Militär- und Polizeidiktatur ein. Und die KP, die die ArbeiterInnen fünf Jahre lang mit den platten Parolen eines hirnlosen Chauvinismus vergiftet hatte, wechselte mit dem Stalin-Hitler-Pakt schlagartig das Gesicht (aber nicht bevor sich Thorez blamiert hatte, indem er sich freiwillig für den «Krieg gegen den Faschismus» für die Armee gemeldet hatte — aus der er nach der Kehrtwende des Kreml ohne Erklärung desertierte).
Dies demoralisierte und verwirrte die ArbeiterInnen und die Kapitalisten ließen eine Reihe von Unterdrückungsschlägen auf die Massen herniederregnen, die den Lebensstandard systematisch verringerten. Die Korruption und Degeneration der herrschenden Klasse, die Fäulnis des Offizierskorps, führten zum Durchbruch von Hitlers Armeen.
Paris hätte verteidigt werden können, wenn die herrschende Klasse bereit gewesen wäre, die ArbeiterInnen zu bewaffnen und zu organisieren. Aber die herrschende Klasse wurde vom Gespenst der Pariser Kommune heimgesucht und zog die Kapitulation vor. Weygand erklärte das in einem Interview mit den «Daily Telegraph» ziemlich mutig. So wurde die Fiktion der «nationalen Verteidigung» entlarvt! Die französischen Kapitalisten verstanden unter dieser Losung nur Verteidigung der Interessen ihrer Klasse. Der Weg für die Militärdiktatur von Pétain wurde bereitet, eine Diktatur im Interesse des Kapitals und im Dienste der nationalen Unterdrücker gegen die ArbeiterInnen und BäuerInnen.
Als die Deutschen in Paris einmarschierten, versuchte die Kommunistische Partei «L’Humanité» als legale Zeitung herauszubringen und schickte sogar einen Boten an das deutsche Militärhauptquartier in Paris, um das zu beantragen. Die Deutschen behandelten diesen Boten mit Verachtung und verhafteten ihn sofort: so wurde Frankreich der Anblick einer legal unter der Schirmherrschaft einer faschistischen Besatzungsmacht erscheinenden «kommunistischen» Zeitung (während gleichzeitig alle anderen Zeitungen der Linken unterdrückt waren) erspart!
Mit dem Angriff auf die Sowjetunion änderte die KP erneut die Linie und trat für einen Kampf gegen die Nazis ein — oder, um genauer zu sein, gegen die Deutschen insgesamt. Der Boden für diese Linie war günstig, die Massen hatten begonnen, sich von den früheren Ausverkäufen zu erholen und den Widerstand zu organisieren. Die revolutionären MarxistInnen au der anderen Seite riefen die deutschen Soldaten zur Solidarität mit den französischen Massen auf. Sie machten eine sorgfältige Unterscheidung zwischen dem SS-Abschaum und den normalen deutschen Soldaten: «Tötet die SS, aber Solidarität mit den normalen deutschen Soldaten gegen die Offizierskaste und den Nazi-Unrat!» Später im Krieg gaben die MarxistInnen eine Zeitung auf Deutsch für die deutschen Soldaten heraus und konnten Gruppen der deutschen Armee gewinnen. Viele deutsche Soldaten wurden gemeinsam mit französischen RevolutionärInnen für diese Verbrüderung erschossen, die die Nazis mehr als alles andere in Angst versetzte.
Die Stalinisten auf der anderen Seite vergrößerten mit ihrer rassistischen Propaganda gegen alle Deutschen die Schwierigkeiten der Widerstandskämpfer, indem sie trotz allem zur Solidarisierung der Besatzungstruppen mit ihren reaktionären Offizieren beitrugen; viele der von den französischen ArbeiterInnen in der Resistance gemachten Opfer waren daher nutzlos, trotz der Tapferkeit der Beteiligten.
Während sich der Krieg entwickelte, begann die Resistance zu wachsen und verbreitete sich durch alle Teile der französischen Massen. Die Arbeiterklasse trug die Hauptlast des Kampfes — wie Claude Bourdet im «News Chronicle» (23. 5. 1958) zugab. Aber nicht nur die ArbeiterInnen, sondern weite Teile der Mittelklasse nahmen am Kampf teil. Eine Welle der Wut und Verachtung verbreitete sich nicht nur unter den ArbeiterInnen, sondern auch unter der Mittelklasse gegen die Trusts und Kartelle, die Generale und Bischöfe, die mit den Nazis zusammenarbeiteten. Die wirkliche Rolle der «Elite» in der Gesellschaft wurde entlarvt, als ihre morschen Parolen der «Vaterlandsverteidigung» und «nationalen Einheit» zu Essig in ihrem Mund wurden und es sich zeigte, dass sie in Wirklichkeit «Verteidigung der Profite und Privilegien der herrschenden Klasse» bedeuteten. Diese Losungen gingen jetzt nach hinten los und die Massen sahen ihre früheren Herrscher als Verräter und Vichy-Regierungsagenten der nationalen Unterdrücker.
Dieses Gefühl war so stark, dass das Programm der Resistance Maßnahmen der Enteignung der Trusts und Konzerne und des Vermögens aller versprach, die mit den Faschisten zusammengearbeitet hatten. Ein klares sozialrevolutionäres Programm hätte die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der FranzösInnen gewonnen.
Statt
dessen verbreitet die KP die Legende von de Gaulle als «Retter», was der Linie
von Moskaus Außenpolitik entsprach. Wie Marty und Tillon nach ihrem Ausschluss
1952 enthüllt haben, war selbst ein Teil der Parteiführung, der empfänglicher
für den Druck der Massenbewegung war, in Opposition zur Politik des sozialen
Ausverkaufs. Die MRP (Republikanische Volksbewegung) trat als Ergebnis der
Diskreditierung der alten Radikalsozialisten als die Partei auf, die die
Bedürfnisse der BäuerInnen und Mittelschicht ausbeutet — eine Partei, die manchmal
gezwungen war, so zu tun, als stünde sie gegen den Kapitalismus, mit einem
Programm, das dem von den Sozialisten und Kommunisten vorgebrachten ähnelte.
Die Stalinisten führten die Bewegung der Massenunzufriedenheit in die Kanäle
der Klassenzusammenarbeit und Volksfront. Das Drehen und Wenden der
Mittelklasse war ein Symptom der revolutionären Krise in Frankreich.
Die «Befreiung» hob den Deckel über den Klassenkampf an. Sie wurde teilweise durch den Aufstand der Pariser Massen (August 1944) erreicht. In der Tat rückten General de Gaulles Kräfte mit rasendem Tempo nach Paris vor, um die Möglichkeit einer neuen Kommune zu verhindern. Bei den ersten Parlamentswahlen 1945 spiegelten sich die Verschiebung in den Klassenbeziehungen und die Veränderung in der Psychologie der Massen wider. Faschismus und Kapitalismus waren völlig diskreditiert und die rechten Parteien wurden vernichtend geschlagen. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die KP zur stärksten Partei und Sozialisten und Kommunisten hatten zusammen die Mehrheit (51 Prozent) der Stimmen: ein höherer Anteil als ihn die Labour Party etwa zur selben Zeit erreichte (48 Prozent).
Der rechte Flügel, angeführt von der klerikalen Reaktion, war gezwungen, sich um die MRP zu sammeln, wie sich nach dem Februar 1917 unter ähnlichen Umständen ihr russisches Gegenstück um die Konstitutionellen Demokraten (Kadetten) gruppiert hatte. Die Rechte musste eine «linke», «sozialistische» Färbung annehmen, um die Unterstützung von KleinbäuerInnen und rückständigen katholischen ArbeiterInnen zu behalten. Gradmesser der Krise war, dass die KP die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der ArbeiterInnen hatte und fünf Millionen Stimmen bekam. Große Teile der Mittelschicht schwenkten zur SP. Die symptomatische Bedeutung davon zeigt sich darin, dass selbst in der revolutionären Krise 1936 die Arbeiterparteien noch in einer Minderheit waren.
Ein weiterer unwiderleglicher Beweis, dass Frankreich 1944-45 überreif für die Revolution war, besteht darin, dass zum ersten Mal die Mehrheit der ArbeiterInnen in Gewerkschaften organisiert war. Dies ist etwas, was unter dem kapitalistischen Regime in keinem anderen Land zu keiner anderen Zeit erreicht wurde: Lenin selbst wies darauf hin, dass solch ein Zustand unter dem Kapitalismus praktisch unmöglich sei. Die Stimmung der ArbeiterInnen war tatsächlich so, dass die KP die Führung der CGT (des französischen DGB) übernahm und so sowohl die offizielle als auch die «inoffizielle» (Fabrikkomitees etc.) Bewegung der französischen Arbeiterklasse führte. Angesichts der revolutionären Welle war die kapitalistische Reaktion hilflos.
Eine revolutionäre Politik von Seiten der Arbeiterparteien hätte einen Klassensieg festgemacht, der wiederum eine Feuersbrunst entfacht hätte, die sich über Europa ausgebreitet hätte, einschließlich Großbritannien. Frankreich hätte einmal wieder an der Spitze der revolutionären Kräfte auf der ganzen Welt stehen können.
Großbritannien und Amerika wären nicht in der Lage gewesen, einzugreifen. Die amerikanischen und britischen Truppen waren kriegsmüde und sehnten sich nach Hause zu ihren Familien, wollten «raus»; nicht nur das — sie waren selbst, wie die deutschen Soldaten vor ihnen, von der Agitation-Propaganda der Revolution angesteckt (die Russland 1917). Dieser Punkt wird unterstrichen durch den Umstand, dass die USA später nicht in der Lage waren, direkt gegen die chinesische Revolution einzugreifen: wenn nicht in China, um wie viel weniger dann in Frankreich.
Die herrschende Klasse musste auf Zeit spielen. Sie waren in einer ähnlichen Stellung wie der, die sie 1936 innehatte, abgesehen davon, dass sie — zumindest vorübergehend — viel schwächer war. Lenin wies oft darauf hin, dass die Kapitalisten sich in solchen Zeiten als Hilfe einer Koalition mit den Arbeiter- und Gewerkschaftsführern zuwenden. Aber diesmal war die verderblichste Rolle den Führer der sogenannten «Kommunistischen» Partei vorbehalten.
In diesem Stadium hätte de Gaulle nicht mal eine Mehrheit der MRP für ein Programm der bonapartistischen Diktatur kriegen können. Als Folge trat er zurück und wartete die Ereignisse ab. Die KP nahm an einer «Regierung der nationalen Einheit» teil, in der es nebenbei 11 kapitalistische Minister gegenüber 10 aus den Arbeiterparteien gab.
Die Massen hatten immer noch gewaltige Vertrauen in die Kommunistische Partei. Noch 1947 demonstrierten Hunderttausende PariserInnen für die Partei. Aber im Namen der «nationalen Einheit» nahm die KP am einer Regierung teil, die einen Krieg gegen Indochina führte, verantwortlich für das Abschlachten des algerischen Volks, das Massaker auf Madagaskar und alle anderen Kolonialgräuel des französischen Imperialismus war. Sie handelten als die schlimmsten Streikbrecher und hielten die Bewegung in den Fabriken zurück. Später begannen sie Opposition in Worten. Wie Marcel Cachin es ausdrückte, fürchteten sie «links überholt zu werden».
Dann wurden die KP-Minister, nachdem sie ihre Streikbrecher-Rolle beendet hatten, ohne viel Federlesens 1947 aus der Regierung geschmissen. Aber für den Rest des Jahres wirkten sie als «loyale Opposition», bis es nach der Bildung der Kominform im Oktober 1947 eine neue Wendung des Kreml gab.
«Was auch immer die gegenwärtige Bibel des Kleinbürgertums ist, Macht ist immer sein Gott.» (Colvin R. de Silva, Socialism Reaffirmed [Sozialismus bekräftigt]).
Inzwischen versuchte de Gaulle unter dem Namen der Sammlung des Französischen Volkes seine eigene «Gesellschaft des 10. Dezember» zu gründen. Die Sammlung schaffte es, bei den Kommunalwahlen 1947 40% der Stimmen zu gewinnen und bei den Parlamentswahlen 1951 einen ziemlich großen Prozentsatz. Aber die Stärke der Arbeiterklasse war damals zu groß. Der Mittelschicht-Kader der Sammlung war nicht bereit, zur Unterstützung seines Idols auf den Straßen zu kämpfen. Der entscheidende Teil der herrschenden Klasse wollte Frieden, um die Profite zu genießen, die der zunehmende Boom brachte, und war nicht bereit, einen politischen Abenteurer zu unterstützen, finanziell oder sonstwie; sie fürchteten sich, dem unkalkulierbaren Risiko des Bürgerkriegs ins Auge zu sehen, in dem der Sieg keineswegs sicher ihnen gehören würde.
Die Gesetze der Revolution und Konterrevolution sind in diesem Punkt die selben. Vielleicht sind zwanzig Jahre Kampf gegen den Kapitalismus notwendig, um die Verzweiflung und Entschlossenheit der ArbeiterInnen aufzubauen, das System zu zerstören. Aber ihrer ganzen Natur nach kann eine revolutionäre Lage nicht andauern. Wenn die Führung der Arbeiterklasse von der Möglichkeit zur Machtübernahme keinen Gebrauch macht — eine Gelegenheit, die vielleicht nur ein paar Tage dauern kann — kann die Chance verloren sein und viele Jahre können vergehen, bis sich eine neue Gelegenheit ergibt. Denn die Arbeiterklasse wird demoralisiert und neigt dazu, den Massen die Schuld an der Katastrophe zu geben, weil sie die Gründe der Niederlage nicht versteht, und sich erneut unter das Joch des Kapitalismus zu beugen.
Die Entwicklung der Konterrevolution folgt einem ähnlichen Weg. Wenn die Konterrevolution die Aufwallung der Massen der Mittelklasse nicht nutzt, die von der Linken desillusioniert sind und sich dem «Großen Mann» als Retter zuneigen, kann das für sie den Verlust der Gelegenheit zur Machtergreifung bedeuten.
De Gaulles Versagen 1951, die Macht nicht zu ergreifen, bedeutete eine Pleite für seine Hoffnungen für eine ganze Periode — nicht dank der blassrosa Kompromissler in den Sozialistischen und Kommunistischen Führungen.
Die Instabilität der Vierten Republik ist weitergegangen. Trotz dem Boom ist der Niedergang des französischen Kapitalismus weitergegangen. Der Versuch, Frankreich zu «modernisieren», ging weitgehend zu Lasten der Mittelklasse und der bäuerlichen Massen. Ein Symptom für diese Krise war die fortgesetzte Suche dieser Klasse nach ihrem Messias — erst de Gaulle, dann (teilweise) Poujade.
Während einem beachtlichen Teil dieser Periode (1948-1952) rief die KP alle Arten von abenteuerlichen Streiks und Demonstrationen auf antiamerikanischer Grundlage hervor und schickte ihre Leute wie der «große alte Herzog von York» den Hügel herauf und wieder herunter, ohne ihnen auch nur eine Perspektive zu bieten, um die beständig von den ParteiunterstützerInnen verlangten Opfer zu rechtfertigen — die Machteroberung. Als Ergebnis ebbte die Arbeiterbewegung immer mehr ab. Nachdem die KP in einer Stellung gewesen war, in der durch ihren Aufruf Millionen ArbeiterInnen auf die Straße gebracht werden konnten, kam jetzt eine Zeit, in der die Partei froh war, wenn sie 10.000 mobilisieren konnte.
Dies sind die Ereignisse, die den Weg für die gegenwärtige Lage in Frankreich bereiteten.
Der französische Imperialismus ging aus dem Krieg geschwächt und entkräftet hervor. 20 Jahre lang hatten die französischen Armeen nichts als Niederlagen erlitten. Als eine Folge der antiimperialistischen Aufwallung nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Frankreich Syrien, den Libanon und Indochina und die direkte Kontrolle von Marokko und Tunesien verloren.
In jedem Fall war die gierige und kurzsichtige herrschende Klasse erst durch einen gewaltigen Kampf der Kolonialvölker hinausgezwungen worden. Allein in Indochina waren die Kriegskosten für Frankreich mehr als die Wirtschaftshilfe, die sie von den USA erhielten. All dieses Blut und Geld wurde vergebens vergossen und der französische Imperialismus war zum Rückzug gezwungen. Das Suez-Abenteuer wurde unter amerikanischem Druck zu einer unrühmlichen Katastrophe.
Aber all diese Verluste verblassen zur Bedeutungslosigkeit im Vergleich zu dem möglichen Verlust Algeriens. Der französische Imperialismus hätte vielleicht nach seiner Erfahrung in Vietnam, Tunesien und Marokko eine Art Kompromiss mit den algerischen NationalistInnen vorgezogen. Aber ironischerweise war Algerien genau der Ort, wo so ein Kompromiss im kapitalistischen Rahmen am wenigsten möglich war. Die Interessen der Großgrundbesitzer und Kapitalisten in Algerien standen in unversöhnlichem Konflikt mit der steigenden Flut der algerischen Unabhängigkeitsbewegung.
Unter dem Druck dieser «Colons» wurde ein Kolonialkrieg nach klassischem Muster gegen das algerische Volk geführt, der an Gewalt, Folter, Mord, Vergewaltigung alle vergangenen Scheußlichkeiten des Imperialismus übertraf: ein Krieg, der seinen Schatten über die letzten drei Jahr geworfen hat, ein Krieg, der Frankreich um die Summe von 600 Millionen Pfund und mehr pro Jahr ausblutet.
Zu den tragischsten Elementen in dieser Lage gehörte die Tatsache, dass der algerische Krieg die Grundlage für einen erneuten Kampf gegen das Regime in Frankreich in Solidarität mit dem algerischen Volk hätte dienen können. Wenn solch ein Kampf geführt worden wäre, hätte er die Siedler in Algerien spalten und die untere Mittelklasse und die kleinen Landeigentümer für die Forderung nach einem sozialistischen Algerien gewinnen können, das brüderlich und mit vollen Rechten (einschließlich dem auf Lostrennung) mit einem sozialistischen Frankreich verbunden ist.
Aber die Passivität der Kommunistischen Partei und der Sozialistische Verrat, bei dem Mollet und seine Freunde den Krieg unterstützten und sogar verstärkten, nachdem sie auf der Grundlage eines Programms von Frieden in Algerien an die Macht gekommen waren, bedeutete, dass der Krieg auf beiden Seiten ein gräßlicher Vernichtungskampf wurde. Die Colons wurden zu einer reaktionären Masse geschmiedet und die algerischen Freiheitskämpfer auf ein rein nationalistisches Programm zurückgeworfen.
Die erste Reaktion der wieder einberufenen Reservisten und der einberufenen Wehrpflichtigen, die in Algerien Dienst machen sollten, war aktive Opposition — Demonstrationen, das Anhalten von Zügen, Streiks und Agitation gegen den Krieg (Henri Martin). Aber es gab keine Massenkampagne gegen den Krieg wie die 1925 gegen den Krieg in Marokko geführte — und das zu einer Zeit, wo die KP hundertmal stärker war. Alles, was die KP machte, war Opposition in Worten «fürs Protokoll», die nicht mit der täglichen Arbeit der Partei verbunden war. Nicht nur das, sondern der schändliche Verrat von Thorez und Duclos wurde schlaglichtartig erhellt, als sie für die Kriegskredite der Mollet-Regierung stimmten. Die Führer passten die Tätigkeiten ihrer Partei dieser Abstimmung an — und nicht ihrer «antikolonialistischen» Phrasendrescherei.
«Der
Reis ist gut gekocht — wir sollten ihn essen.» (Radio Algier, 26. Mai 1958).
Die Quittung für dieses Verbrechen sind die jüngsten Ereignisse in Algerien. In Algerien sind alle Arbeiterorganisationen seit langem verboten. Um den Krieg zu führen, hat die französische Armee und vor allem die Fallschirmjäger in den von ihnen beherrschten Gebieten einen Schreckenskrieg geführt. Die Fallschirmjäger haben sich als Prätorianergarde enthüllt, ähnlich Hitlers SA, mit Massu als ihrem Röhm. Sie wurden zu einer gehärteten Kraft von Folterern, Vergewaltigern, Mördern, die zu allem bereit sind.
In der Zwischenzeit waren die Arbeiterparteien unfähig, eine Lösung für die Probleme der französischen Gesellschaft zu geben; das Offizierskorps fing an, seine Unzufriedenheit über die halben Maßnahmen der einander ablösenden französischen Regierungen immer mehr zum Ausdruck zu bringen. General Massu enthüllte das Denken dieses Korps naiv in einem Interview mit Randolph Churchill vom «Evening Standard»: «Die Armee hat die letzten 20 Jahre eine Niederlage nach der anderen erlitten. Es ist alles die Schuld der Politiker, die den Generalen keine freie Hand geben.»
Diese Leute brennen vor Sehnsucht, die Arbeiterorganisationen und ihre Rechte zu zerstören, die bei jeder Gelegenheit ihre Pläne durchkreuzen. Massu und Co glauben, dass diese Organisationen einem «Großfrankreich» im Weg stehen.
In dieser Atmosphäre wurde der Boden für einen Putsch bereitet. Die Verschwörer stützten sich auf die Furcht der Colons vor einem Abkommen der herrschenden Klasse in Frankreich und der algerischen nationalistischen Bewegung und bereiteten ihre Pläne vor.
In Frankreich wurde das Regime von ständigen Krisen erschüttert: ein Ministerpräsident folgte dem anderen, ohne dass irgend eins der Probleme gelöst wurde. Das Parlament wurde durch den Konflikt zwischen den offenen Vertretern des Kapitalismus und den Abgeordneten lahmgelegt, die in völlig verzerrter Form die Interessen der Massen widerspiegeln. In der letzten Krise wurden von den Siedlern in Algerien die Vorbereitungen für einen Staatsstreich getroffen — Vorbereitungen, an denen der Erzverschwörer de Gaulle selbst direkt beteiligt war. Eine Woche vor dem Ausbruch in Algerien ging Leutnant Neuwirth direkt von General de Gaulle in Massus Hauptquartier.
Die Siedler organisierten Demonstrationen in Algier, wobei sie als Entschuldigung die Hinrichtung von drei französischen Soldaten durch die FLN nahmen — eine Antwort auf zahlreiche Hinrichtungen und Folterungen durch die Franzosen. Ohne wirkliche Opposition durch die Polizei marschierten sie zum Gouverneurspalast. Dann schlossen sich ihnen die Fallschirmjäger an, die angeblich in Algier sind, um die Ordnung aufrecht zu erhalten, und halfen bei der Plünderung des Gebäudes. Sofort erschien General Massu auf dem Balkon des Gouverneursgebäudes und kündigte die Bildung eines «Komitees der öffentlichen Sicherheit» an. Dabei unterstützte ihn Raoul Salan, der Kommandeur der französischen Streitkräfte in Algerien.
Sie nutzten den Umstand, dass es keine Regierung in Frankreich gab und forderten, dass Pflimlin (einer der MRP-Führer) nicht als Ministerpräsident vereidigt werde und dass Präsident Coty General de Gaulle als Chef einer «Regierung der öffentlichen Sicherheit» an die Macht berufen solle. Es war beabsichtigt, dass die Bewegung gleichzeitig in Paris und Algier stattfinden solle. Der rechte Abschaum demonstrierte auf dem Champs Elysées für eine von de Gaulle geführte Regierung. Wie 1934 wollten sie die Abgeordneten einschüchtern und so zur Änderung der Regierung zwingen. Aber sie waren noch schwächer als die faschistischen Rasiermesserbanden von 1934. In diesem Stadium gibt es keine Bewegung für eine faschistische Massenbewegung in Frankreich: alles, was sie in ganz Paris mobilisieren konnten, waren 6.000 Leute, die unter den Schlägen der Polizei feige davonrannten.
Die Bewegung in Algier schien isoliert zu sein. Der Putsch war gescheitert. Der «tapfere» Massu und General Salan erklärten, dass sie in diese Stellung gezwungen worden seien und nur «den Aufruf» akzeptiert hätten, die Ordnung zu bewahren. Admiral Auboyneau, der schon einmal die Seite gewechselt hatte, wechselte sie erneut und erklärte seine Loyalität gegenüber Paris. Zwei Mitglieder des Generalstabs wurden verhaftet und der Chef des Generalstabs trat zurück.
An diesem Punkt griff General de Gaulle ein und erklärte, er werde die Macht übernehmen, «wenn ich gerufen werde». Diese Erklärung rief die Aufständischen in Algier zusammen — das war in der Tat ihr Zweck. Sie gab den reaktionärsten Elementen in Frankreich neuen Mut.
Die drei Gewerkschaftsdachverbände gaben als Reaktion auf die alarmierte Stimmung der ArbeiterInnen einen Generalstreiksaufruf heraus, für den Fall dass es irgendeine Bedrohung der verfassungsmäßigen Ordnung gebe. In der Zwischenzeit wurde Pflimlin schnell ins Amt eingeführt. Eine Sache war klar: dies war eine Krise, in der das ganze Schicksal des Regimes auf dem Spiel stand.
In dieser Lage verhielten sich nicht nur die Sozialisten nach klassischem sozialdemokratischen Muster, sondern auch die selbsternannten «Leninisten» der KP kapitulierten vor allen parlamentarischen Illusionen, vor denen Lenin so hartnäckig gewarnt hatte. Sie sagten, sie würden handeln, «um de Gaulle den Weg zu versperren», und stimmten für die Pflimlin-Regierung und die Ausrufung eines Ausnahmezustands, der alle Versammlungen und Demonstrationen verbot. Aber die Führer der französischen KP hatten seinerzeit (zu recht) zu den lautstärksten Kritikern der deutschen Sozialdemokratie gehört, als sie für Hindenburg stimmte, «um Hitler aufzuhalten» und die Notverordnungen von Brüning, dem Führer des katholischen Zentrums (dem deutschen Gegenstück zur MRP), als «kleinerem Übel» gegenüber dem Nazismus unterstützte.
Der einzige Weg, de Gaulle aufzuhalten, ist die außerparlamentarische Mobilisierung der Arbeiterklasse, die die plebejischen Massen hinter sich zieht.
Die «kleine Pflaume» hat sich der Unterstützung, die ihm Sozialistische und Kommunistische Partei gegeben haben wahrlich «würdig» erwiesen. In der Hitze der Bewegung hat Pflimlin den Aufstand der Generale angeprangert. Aber die grundlegenden Klasseninteressen des französischen Kapitalismus schrieben einen anderen Kurs vor. Der nackteste Hochverrat wurde duldsam akzeptiert und Pflimlin versuchte, den meuternden Abschaum zu besänftigen, indem er dessen Programm übernahm: Krieg auf Leben und Tod in Algerien, Schritte zur Diktatur durch «Stärkung» der Regierung, Kastrierung des Parlaments und so weiter.
Dann hatten wir in der Tradition der französischen Schlafzimmerkomödie das Schauspiel, dass die KP-Führer Pflimlin baten, Pflimlin Salan bat, Salan de Gaulle bat und de Gaulle um die Macht bat.
Wenn die Pflimlin-Regierung auch nur aus einem «demokratischen» Blickwinkel des kleinsten Vertrauens würdig gewesen wäre, hätte sie Algerien sofort den Nachschub abgeschnitten, die Generale geächtet und an die 350.000 Wehrpflichtigen in Algerien appelliert, sie zu verhaften und den Behörden zu übergeben.
«Man kann mit spektakulären Demonstrationen ohne positive Folgen nicht wirksam kämpfen. Der Kampf gegen politische Knechtschaft kann kaum von denen geführt werden, die im Kampf um das Brot versagt haben.» (J. Berlioz, World News and Views, 9. Juli 1938).
Statt dessen vertat die Regierung ein Programm von «Gaullismus ohne de Gaulle». Mit den Worten des Reporters Randolph Churchill, den man keiner Vorurteile zu Gunsten der Arbeiterklasse oder auch nur konsequenter Demokratie beschuldigen kann, «ist das beispielloseste Ereignis in der Geschichte passiert. Meuternde Generale wurden nicht wegen ihrer Verbrechen angeprangert, sondern tatsächlich bestärkt.» Und wenn die verwirrten Truppen von Bord gingen, wurden sie von Vertretern des Komitees der Öffentlichen Sicherheit empfangen, die sie einer Propaganda-Kanonade über den Lautsprecher unterwarfen.
Als General Franco seinen Aufstand in Marokko gegen die gewählte spanische Regierung organisierte, musste Pflimlins Gegenstück Azaña aus Furcht vor der Reaktion der Massen heimlich mit den Aufständischen verhandeln. Vom Standpunkt der spanischen Bourgeoisie war das berechtigt, wie sich im Massenausbruch der spanischen ArbeiterInnen zeigte, als die Nachrichten vom Aufstand der Generale erreichten. Was sind dann die französischen Sozialistischen und Kommunistischen Parteien wert, wenn Pflimlin sich den Luxus erlauben kann, ähnliche Verhandlungen offen zu führen.
Massu hat symbolisch die Maschinenpistole auf den Tisch geknallt und die Sache klar formuliert. «Pflimlin hat entweder die Unterstützung durch uns oder die Kommunisten; und er zieht uns vor.»
Das ist die Bilanz der französischen «kommunistischen» Führung. Die britischen KP-Zeitungen «Daily Worker» und «World News» haben offensichtlich Schwierigkeiten, den Ausverkauf ihren Mitgliedern zu vermitteln. Sie haben versucht, die ganze Schuld für den Verrat der Sozialistischen Partei zu geben. «Es ist das Ergebnis des Versuchs, die nationale Befreiungsbewegung in Algerien zu unterdrücken, der von den einander folgenden französischen Regierungen mit der vollen Unterstützung der französischen Sozialistischen Partei durchgeführt wurde … Wie bei vielen Gelegenheiten vorher stützen sich die SP-Führer faktisch auf die Rechte — und dies bedeutete, den Faschisten den Weg zu bereiten.» («World News», 24. 5. 58) Wir können diese Leute fragen: was um alles in der Welt macht die Kommunistische Partei, wenn sie für Pflimlin und Co stimmt?
Die volle Perfidie der stalinistischen Führung enthüllt sich in einer weiteren Passage. Die «World News» weisen zu Recht darauf hin: «Die französischen Ereignisse haben erneut den Charakter des Staats unterstrichen als im Wesentlichen bewaffnete Kräfte, die mit den tatsächlichen Herrschern Frankreichs verbunden sind — den Interessen des Großkapitals, deren einzige Sorge es ist, ihren Reichtum und ihre Privilegien aufrecht zu erhalten. Der unmittelbare Anlass des Abfalls der Generale war Algerien, aber wir dürfen nicht vergessen, dass de Gaulle eine faschistische Lösung für das französische Großkapital suchte, bevor Algerien eine akute Frage wurde.»
Diese Charakterisierung des Staates ist richtig. Marx und Lenin haben die Tatsache hervorgehoben, dass der Staat letztlich auf bewaffnete Formationen von Menschen reduziert werden kann. Die Offizierskaste ist dann die Hauptstütze des kapitalistischen Staats. Wenn die Kapitalisten gegen sie vorgehen würden, würden sie ihr eigenes Herrschaftsinstrument zerstören. Der Weg zur Machtübernahme durch die ArbeiterInnen würde sich öffnen.
Aber schon im nächsten Absatz fährt «World News» mit genau der entgegengesetzten Annahme fort.
«Jetzt fordert die Pflimlin-Regierung die Generale auf, ihr loyal zu dienen, und hat ein paar hohe Offiziere von ihren Posten entfernt; aber man muss erst sehen, wie weit die Militärführer schon entschlossen sind, de Gaulle zu unterstützen. Die Polizei scheint bisher die Befehle der Regierung auszuführen, aber es ist wohlbekannt, dass die Polizeichefs Faschisten sind.»
Als ob die Generale nicht mit de Gaulle unter einer Decke steckten und als ob Pflimlin sich anders verhalten würde! Die Pflimlin-Regierung war gegenüber dem Verrat der zwei Generale so «streng», dass die zwei Generale ihrer Posten enthoben wurden, statt verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden, um dann wie die meuternden Poilus von 1917 wegen Hochverrats erschossen zu werden. Sie wurden in verschiedene Teile Frankreichs geschickt, wo sie mit ihren Freunden — anderen hohen Offizieren — zusammenleben und sich nach Herzenslust verschwören können. Die Polizei war so «loyal», dass der Gaullist Soustelle aus ihrem «Gewahrsam» entkam, um sich an die politische Spitze der rebellierenden Siedler zu stellen.
Diese Pflimlin-Regierung, die angeblich de Gaulle den Weg versperrt, hat ihm und den revoltierenden Generalen Boten gesandt, als ob die die Regierung wären und die Regierung ein Orden von Bettelmönchen, der um Vergünstigungen bittet. Statt de Gaulle als den Hauptmeuterer und Erzverschwörer zu verhaften, bitten sie ihn, zwischen den Meuterern und ihnen zu vermitteln. Natürlich werden de Gaulle und die Meuterer ermutigt, um so mehr auf «Anpassungen» zu ihren Gunsten zu drängen. Wie könnte es anders sein? Denn es ergibt sich gesetzmäßig aus der Klassengesellschaft und … aus der kriminellen Politik der Sozialistischen und stalinistischen Führungen.
Wenn es einen Putsch gibt, dann zieht es die herrschende Klasse natürlich vor, dass er auf «kalte» Weise stattfindet, wodurch nicht die Zerstörung von Eigentum droht oder der Machtverlust riskiert wird. Aber die Politik der feigen Unterstützung Pflimlins, diesem elsässischen Hund, der wie ein geprügelter Köter vor seinem Herrchen, dem General kriecht, kann in den herrschenden Kreisen die Idee ermutigen, dass ein Übergang zu einem bonapartistischen Regime auf genau so eine «kalte» Weise ohne irgendwelche unliebsamen Ereignisse auf den Straßen geschehen kann. Es ist eine Wiederholung des 18. Brumaire, bei der die Sozialisten und Stalinisten die Rolle der demokratischen Clowns von 1848 spielen.
Gewisse Sozialisten — Mollet und Lacoste, von denen der letzere ein direkter Mitschuldiger der Verbrehen der algerischen Clique ist — hoffen, der linke Flügel eines solchen Bonapartismus zu werden. Andere, die empfänglicher für den Druck ihrer Basis sind, sind bereit zum «Kampf», um die Machtübernahme durch die Generale zu verhüten.
Und die Politik der Kommunistischen Führung spielt genau dem bonapartischen Flügel der Sozialisten in die Hände. Das ergibt sich teilweise aus ihrer Abhängigkeit vom Kreml, teilweise aus purer Unfähigkeit, teilweise aus ihrer langen Geschichte von Verrat über dreißig Jahre hinweg, teilweise, weil aus all diesen Gründen ein zum Kämpfen fähiger Kader nicht herausgebildet wurde und nicht herausgebildet werden konnte.
Diese Verräter erniedrigen sich in der Nationalversammlung und dem Senat sogar so weit, dass sie zusammen mit den Faschisten die Armee und ihre Offiziere bei ihrer Zivilisierungsmission in Nordafrika feiern! Das ist kaum der Weg, den ArbeiterInnen den Klassencharakter dieser Armee zu erklären oder sie auf einen Kampf auf Leben und Tod mit deren Offizierskaste, den Agenten der herrschenden Klasse, vorzubereiten. Es ist im Gegenteil der Weg, die ArbeiterInnen zu demoralisieren und irrezuführen und den Weg für die Niederlage zu bereiten.
Und doch ist, abgesehen von der obersten Führung, selbst das Leben der Mitglieder der KP in Gefahr. Die oberste Führung kann immer nach Moskau fliehen — das ist schon vorher passiert! Aber die Mitgliedschaft und selbst die mittlere und untere Schicht der Parteifunktionäre muss bleiben und unter dem Stiefel eines bonapartistischen Diktators leiden. Sie sollten keine Illusionen über das Schicksal haben, das für sie bereitgehalten wird. Sie sollten sich an die Worte von Henri Allegs Folterer erinnern, die er in seinem Buch «La question» zitiert: «Was wir hier machen, werden wir in Frankreich machen. Wir werden es mit eurem Duclos und euren [sic] Mitterand machen. Wir werden mit ihnen machen, was wir mit euch machen. Und eure Hure von Republik wird auch in die Luft gesprengt werden» (dies sind die Worte von Leutnant Irulin).
Wenn die Führer der KP auch nur zu einem Prozent LeninistInnen wären; wenn sie sich nur auf die Geschichte Frankreichs stützen würden, wäre ihre ganze Politik das Gegenteil dessen, was sie jetzt vorschlagen. Die Revolte der Generale ist nicht irgendein unglücklicher Zufall, der nur durch die Probleme in Algerien verursacht würde, sondern in der ganzen Klassenstruktur und der gegenwärtigen Stellung des französischen Kapitalismus verwurzelt. Wenn Algerien nicht «zum Glück» zufälligerweise als Vorwand bei der Hand gewesen wäre, hätten die Generale irgend einen anderen Vorwand gefunden, um gegen das Regime vorzugehen und das zu zerstören, was von der wirklichen Bedrohung für sie bleibt: die Abeiterorganisationen.
Lenin wies bei der Behandlung der Lehren des Boulangismus darauf hin, wie beim Kampf zur Verteidigung der demokratischen Rechte und Freiheiten die ganze Klassenstruktur der kapitalistischen Gesellschaft bloßgelegt und die Massen zum Übergang zur sozialistischen Revolution vorbereitet werden könnten. Es ist jetzt sicher mehr denn je notwendig, die ArbeiterInnen in der Tradition des Marxismus-Leninismus immer wieder zu warnen: Verlasst Euch auf Eure eigene Einigkeit, Eure eigenen Organisationen, Eure eigene Stärke. Niemand kann, niemand wird Euch helfen, wenn Ihr Euch nicht selbst helfen könnt und werdet.
ArbeiterInnen! Es gibt keine Kraft auf Erden, die gegen Euch standhalten kann, sobald Ihr organisiert seid, sobald Ihr Euch zum Handeln vorbereitet!
Aber für dieses Handeln müssen sich die ArbeiterInnen nicht weniger ideologisch als materiell vorbereiten. Das eine ist so wichtig wie das andere. Es ist nutzlos, schlimmer als nutzlos, wenn die ArbeiterInnen ihr Vertrauen in ein parlamentarische Clowns setzen, ein paar Akrobaten, die ein paar lächerliche Purzelbäume vor dem General, dem Schiedsrichter, machen! Der Kampf gegen den Bonapartismus ist in der Hauptsache ein außerparlamentarischer Kampf: Gewalt muss man mit Gewalt begegnen!
Wenn die KP-Führung aus KommunistInnen bestünde, würde sie erklären, dass die ArbeiterInnen und ihre Verbündeten in den Mittelschichten und der Bauernschaft die einzige Kraft sind, die für Demokratie steht — bis zum Ende. Laut «Daily Express» antwortete der Innenminister Moch auf ein paar Luftwaffenoffiziere, die mit einem Aufstand auf dem französischen Festland drohten, um sie zu erschrecken, indem er ihnen sagte, dass er 40.000 Bergarbeiter bewaffnen würde. Wenn die KP-Führer etwas taugen würden, hätten sie dies zum Ausgangspunkt ihrer Agitation gemacht. Bewaffnet die ArbeiterInnen! Das ist die einzige sichere Garantie gegen jede Verschwörung von Seiten der Generale oder von irgend jemand sonst. Bildet Arbeiterverteidigungsgarden!
Die überwältigende Mehrheit der Basis der katholischen und sozialistischen sind ebenso wie die kommunistischen ArbeiterInnen gegen den Sieg des Bonapartismus. Das Hauptproblem ist, die Massen zur direkten Aktion gegen eine solche Möglichkeit wachzurütteln, zu organisieren und vorzubereiten.
Wenn die Kommunistische Partei für Einheit auf der Grundlage eines wirklichen Aktionsprogramms auf dieser Grundlage eingetreten wäre, wäre es selbst fünf vor zwölf noch möglich gewesen, auf dieser Grundlage eine Einheitsfront zu bilden. Der Mollet-Flügel der Sozialisten würde isoliert, wenn er nicht auf die Forderung nach Bewaffnung der Arbeiterklasse reagieren würde. Es stimmt, dass der monströse sowjetische Einmarsch in Ungarn und die brutale Unterdrückung der ungarischen ArbeiterInnen die sozialistischen und katholischen ArbeiterInnen misstrauisch machten, besonders da die französischen Führer die schlimmen Verbrechen des Stalinismus in Ungarn voll und ganz verteidigten. Aber der Gehorsam der KP-Führer gegenüber den Ikonen der abstrakten Demokratie und republikanischen Tugend wird ihnen bei den ArbeiterInnen nichts einbringen. Man muss den ArbeiterInnen erklären, dass es um die Verteidigung demokratischer Rechte geht — Redefreiheit, Organisationsfreiheit und so weiter.
Diese Rechte können in diesem Stadium nur mit Waffen in den Händen verteidigt werden. Und der einzige Weg zu ihrer Verteidigung ist letztlich die Enteignung der Millionäre, denen Presse, Radio, Kinos und andere Mittel zur Formung der öffentlichen Meinung gehören und die Überführung dieser Organe an die Arbeiterorganisationen gemäß ihrer Stärke und Unterstützung in der Arbeiterklasse. Der einzige Weg nicht nur zu Frieden und Wohlstand, sondern zu wirklicher Freiheit führt durch die Arbeiterdemokratie — Enteignung der Produktionsmittel und ihre Betätigung unter einem Arbeiterplan unter der Beteiligung der ArbeiterInnen an der Verwaltung der Arbeitsplätze auf allen Ebenen und der Lenkung des Staates durch die Massen selbst.
Die Pflimlin-Regierung hat jedoch zur Fortsetzung des totalen Krieges in Algerien gegen das algerische Volk im Auftrag der Generale ein Programm der Verlängerung des Militärdiensts auf 27 Monate (eine Erhöhung um neun Monate), härtere Steuern und zwei fleischlose Tage in der Woche angekündigt. Solch ein Programm kann die ArbeiterInnen nicht begeistern, genauso wenig die BäuerInnen und die Mittelschicht. Es ist der Weg zur Demoralisierung der ArbeiterInnen und der Vorbereitung eines schmerzlosen Sieges für den Gaullismus.
Die Mittelklasse und die bäuerlichen Massen müssen gemeinsam mit den ArbeiterInnen gegen dieses Programm der Pflimlin-Regierung, gegen den Krieg in Algerien, gegen die Generale, gegen die Trusts mobilisiert werden.
An ihre Stelle muss man ein Programm im Interesse dieser Massen stellen: Streichung der Schulden, billige Kredite, billiger Dünger, staatliche Traktoren, Unterstützung und Kredite für Kleinunternehmer, Ladenbesitzer und Freiberufler und so weiter.
Dieses Programm muss zusammen mit den schon erwähnten Forderungen in Bezug auf die ArbeiterInnen kühn und mutig als der einzige Weg zur Rettung aufgestellt werden. In geschichtlichen Maßstäben war es erst gestern, dass die Kommunistische Partei die Sozialdemokratie in Deutschland verspottete, die schrie: «Handle, Staat, handle» — gegen Hitler. Der Staat handelte: Hindenburg warf die sozialdemokratischen Minister in Preußen auf die Straße. Die KP hatte damals eine ultralinke Politik, die falsch war, aber das einzige, was daran richtig war, war ihre Kritik an der Passivität der SPD-Führung, die sich darauf verließ, dass die staatlichen Behörden Hitler den Weg versperren würden. Aber jetzt ist ihre Politik eine Karikatur von der der Sozialdemokratie und kann, soweit es von ihnen abhängt, nur die selben Ergebnisse haben.
«Jetzt», sagt das Politbüro der französischen KP am 25. Mai «ist es Zeit für antifaschistische Aktion. Es ist Zeit für die Regierung, die alle notwendigen Machtmittel hat und von einer starken republikanischen Mehrheit unterstützt wird, solche Aktion zu beginnen.» («Daily Worker», 26. Mai 1958)
Die Pflimlin-Regierung handelte auch — indem sie zurücktrat, um den Weg für de Gaulle zu bereiten.
Die KP und die CGT haben zusammen mit der CFTU (christliche Gewerkschaften) einen Generalstreik angedroht, wenn ein Putsch in Frankreich versucht wird. Aber das ist zwar richtig, aber nicht genug. Der Generalstreik ist kein Allheilmittel, der alles löst. Ein Programm für die Macht, wie es oben skizziert wurde, ist eine entscheidende Notwendigkeit als positives Ziel für die Massen. Nicht nur das. Gegen die konterrevolutionären Komitee der Öffentlichen Sicherheit und auch als Massenhebel gegenüber dem Parlament, das vor den Generalen kapitulieren kann, müssen Aktionskomitees (die morgen Machtorgane sein können) errichtet werden, die örtlich und landesweit miteinander verbunden werden.
Diese Aktionskomitees müssen zur Bildung von ähnlichen Aktionskomitees der Matrosen, Soldaten und Luftwaffenangehörigen in Frankreich aufrufen, um ihre Offiziere zu überwachen und zu schauen, dass sie keine konterrevolutionären Handlungen versuchen.
Die Kommunistische Partei hätte Agitation unter den Hafenarbeitern betreiben sollen, die Verladung von Waffen und Nachschub nach Algerien zu verweigern, und an die auf die Schiffe verladenen Wehrpflichtigen appellieren sollen, Aktionskomitees in Verbindung mit den ArbeiterInnen in den Häfen zu bilden und sich zu weigern, nach Algerien zu gehen.
Wenn man die Klassenstellung der SP-Führung und die bürokratische Degeneration der KP-Führung nicht kennen würde, dann wäre es unglaublich, dass sie aus den tragischen Seiten der Vergangenheit nichts gelernt haben. Der einzige Weg, die schwankenden oder apathischen Reihen der Mittelschicht und der Bauernschaft zu gewinnen wäre eine kühne Politik, die der Konterrevolution Schlag auf Schlag versetzt. Was man auch immer von der Bande um die Generale und Soustelle denken mag, dieses Gesetz von Revolution und Konterrevolution haben sie verstanden: dass man ständig von einem Erfolg zum nächsten gehen muss, dass man die Bewegung am Laufen erhalten muss, indem man die Initiative ergreift und die ganze Zeit behält. Die Einname von Korsika, die an sich keine besondere Bedeutung hat, sollte diesem Zweck dienen.
Aber
das Fehlen einer Massenbasis der Konterrevolution ist das hervorstechendste
Merkmal der ganzen Lage. Dies und die Hilflosigkeit der offiziellen Organisationen
der Arbeiterklasse: zum Beispiel war von der starken KP-Organisation auf
Korsika (wo die Partei vor der Manipulation des Wahlrechts einen Abgeordneten
hatte) kein Murren zu hören. Alles, was die KP angesichts der Ereignisse bieten
kann, die ein Kampf um Leben und Tod gegen die bonapartistische Reaktion sind,
ist das stolze Prahlen: «Bis die Änderungen in den Wahlkreisen stattfanden,
hatte die Insel in den Nachkriegsjahren ein paar Kommunistische Abgeordnete …
die 300.000 Menschen der Insel sind in der Hauptsache sehr für die Republik und
die Kommunistische Partei hat dort eine nicht unerhebliche Unterstützung.» («Daily
Worker», 26. 5. 1958) Bei all dieser Unterstützung wäre es möglich gewesen,
die ArbeiterInnen zu mobilisieren und gegen die Reaktion zu bewaffnen. Statt
dessen wurde in der größten Stadt von Korsika ein Treffen des Gemeinderates von
Bastia abgehalten. Die Hälfte der Gemeinderäte konnte nicht teilnehmen oder
entschloss sich aus Vorsicht, es nicht zu tun. Von den 16 Anwesenden waren neun
Mitglieder der Kommunistischen Partei und der «Daily Worker» verkündet stolz:
«An diesem Morgen hielt der Gemeinderat von Bastia eine Sondersitzung in der
Stadthalle ab, deren Übergabe der stellvertretende Bürgermeister de Caslata
verweigert hat. Der Gemeinderat sandte eine Resolution an die Regierung in
Paris, in der er ihr seine Loyalität gegenüber der Republik und seine
Unterstützung für den Ministerpräsidenten bestätigte. Er rief die Bevölkerung
auf, ruhig zu bleiben und keinerlei Demonstrationen durchzuführen»! (a.a.O.)
So wurde in den frühen Tagen von Francos Aufstand der Weg für Franco zur Übernahme von Städten auf dem Festland bereitet. In den Städten, in denen die Massen das Handeln in die eigenen Hände nahmen — Barcelona, Madrid, Valencia —.während die Volksfrontregierung (heimlich) mit Franco verhandelte, waren diese Massen siegreich. Selbst nach der kapitalistischen Presse marschierten sie mit Tischbeinen, Messern und Sportgewehren, die sie aus Läden geholt hatten, zu den Kasernen. Die meisten einfachen Soldaten schlossen sich ihnen unter dem Eindruck dieser Bewegung an; die Polizei und Armee zerfielen als Kraft.
Aber in jenen Städten, wo die Massen auf den Rat ihrer Sozialistischen und Kommunistischen «Führer» hörten — Oviedo, Cordoba, Huesca, Granada, Teruel und andere — und, nachdem sie für Waffen demonstriert hatten, sich friedlich in ihre Häuser zerstreuten, gewannen die Faschisten. Die Führer der KP und SP rieten den ArbeiterInnen, Vertrauen in ihre «liberalen» Gouverneure und Bürgermeister der Provinzen und Städte zu haben, und dies bereitete den Generalen den Weg.
Die Offiziere der Garnisonen erhoben sich während der Nacht und gingen, bewaffnet mit von der Polizei erstellten Listen, durch die Arbeiterviertel und massakrierten die Führer der Arbeiterorganisationen. Eine Terrorherrschaft folgte, gegen die die politisch enthaupteten Massen nicht mobilisieren konnten.
Wie in Spanien gestern, so in Korsika und Frankreich heute! Als direktes Ergebnis sind Bastia und alle korsischen Städte einer Handvoll konterrevolutonärer Sturmtrupp-Leute zugefallen: 60 Fallschirmjäger übernahmen eine Stadt!
Es ist völlig klar, dass die Pflimlin-Regierung de Gaulle den Weg bereitet hat, trotz der höchst «revolutionären» Handlung, dem aufständischen Abgeordneten Arrighi (dem Namen nach ein Radikaler) sein Mandat abzuerkennen. Nur die Hülle der Republik bleibt. Wenn es keine Intervention in der unsterblichen Tradition der ArbeiterInnen von Barcelona gibt, kann nichts de Gaulle von der Macht fernhalten. Die Verantwortung dafür liegt einzig und allein bei den «Führungen» der Sozialistischen und Kommunistischen Parteien.
Wie wird es weitergehen?
Die Sackgasse des französischen Kapitalismus führte zu dieser Lage. Selbst wenn de Gaulle die Macht übernimmt, wird sein Traum durch die Wirklichkeiten der Lage rauh beendet werden. Der große Spargel (wie ihn die Kadetten von St. Cyr respektlos nennen) wird im Magen des Wolfs schnell genug schmelzen — des Wolfs an der Tür des französischen Kapitalismus.
Dieser Wolf nimmt die Form der ungelösten Probleme von zwei Jahrzehnten an: das Zurückbleiben hinter anderen Nationen des kapitalistischen Westens in der Technik; die offene Wunde Algerien; die sich entwickelnde Unabhängigkeitsbewegung in Franzöisch-Afrika, die vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Stärke der afro-asiatischen Völker kein bonapartistischer Stiefel ständig zerschlagen kann; vor allem die sich entwickelnde Wirtschaftskrise, die den ArbeiterInnen neue Lasten auflegen, Teile der Mittelschicht und der Bauernschaft ruinieren und die zerbrechliche Struktur des französischen Kapitalismus untergraben wird.
Es ist in diesem Zusammenhang entscheidend, den Unterschied zwischen Bonapartismus und Faschismus zu erfassen. Faschismus ist eine Massenbewegung der Mittelschicht, des Lumpenproletariats, der Bauernschaft und selbst rückständiger Teile der Arbeiterklasse, die vom Kapitalismus als verzweifelter letzter Ausweg angesichts der wachsenden Krise und der Gefahr einer möglichen sozialistischen Lösung finanziert und organisiert werden. Skrupellose Demagogen, die gewöhnlich plebejischer Herkunft sind, nutzen antikapitalistische Losungen zur Mobilisierung einer Massenkraft zur Zerstörung aller Organisationen der Arbeiterklasse. Der Faschismus bedeutet die völlige Zerstörung jeder Form von unabhängiger Arbeiterorganisation — kommunistisch, sozialistisch, christlich, liberal: das ist seine Aufgabe, und das gibt ihn in seinen frühen Stadien seine Stärke.
Der Faschismus nutzt die Mittelschicht als Rammbock und hat die Unterstützung von Polizei und Armee und vernichtet damit alle demokratischen Rechte. Nach dem anfänglichen Delirium entdecken die Mittelschichten und die plebejischen Massen den Verrat und werden desillusioniert (30. Juni 1934 in Deutschland): der Faschismus wird dann in eine gewöhnliche Militär- und Polizeidiktatur umgewandelt, die die Macht nur auf der Grundlage der Apathie und Trägheit der ArbeiterInnen halten kann, die sich durch ihre eigenen Organisationen verraten fühlen. Bevor er gestürzt werden kann, sind neue Schocks — ein neuer Schwung von Ereignissen — notwendig, um den Massen ihre Perspektive zurückzugeben und sie von neuem von der Siegeshoffnung über die Tyrannei, die sie unterdrückt, zu überzeugen.
Wie Marx definierte ist Bonapartismus Herrschaft durch den Säbel. Er ist von Anfang an eine Militär- und Polizeidiktatur; aber gleichzeitig ist er eine Bedingung, in der sich der Staat über die gesamte Gesellschaft erhebt und sich selbst die Rolle des «Schiedsrichters» zwischen den Klassen anmaßt, während er gleichzeitig ein Instrument der herrschenden Klasse bleibt. «Ich gehöre allen, und alle gehören mir» (Charles de Gaulle, der neue Kandidat für die Rolle des Bonaparte).
Um diese Rolle zu spielen, muss der «Schiedsrichter» zwischen den Klassen und zwischen den in Konflikt stehenden Interessen innerhalb der Gesellschaft manövrieren. Daher ist de Gaulles Programm nicht (je nach den Ereignissen nicht sofort oder möglicherweise überhaupt nicht) die Abschaffung der Parteien. Aber er wird zwischen Links und Rechts «den Schiedsrichter spielen».
Für diesen Zweck wird de Gaulle die Unterstützung zumindest eines Teils der Sozialisten und vielleicht der reformistischen Gewerkschaften brauchen. Er muss die Arbeiterklasse spalten, um eine Basis für seine Herrschaft zu behalten. Es ist gut möglich, dass er die Kommunistische Partei verbieten (vielleicht stufenweise) und versuchen wird, die CGT im Interesse der katholischen und reformistischen Gewerkschaften zu zerschlagen. Dies wird sein «linker» Unterstützungspunkt sein. Auf der rechten wird er sich auf die «Unabhängigen», die bestehenden neofaschistischen Organisationen (Biaggi, Tixier Villancourt) und die rechte Bewegung der ehemaligen Soldaten stützen, sogar auf durch und durch faschistische Organisationen, die mit der Entwicklung einer Wirtschaftskrise aufkommen können.
Aber der Bonapartismus von Napoleon I. und selbst Napoleon III. hatte eine Grundlage in einer wachsenden Wirtschaft. Der Bonapartismus von de Gaulle hat so wenig Grundlage wie der von Pétain: tatsächlich hat er weniger, denn Pétain konnte sich wenigstens au die deutsche Armee als Schutz stützen. Selbst Louis Napoleon hatte in den frühen Jahren seine Siege; aber was kann de Gaulle an militärischen Triumphen anbieten?
De Gaulle wird vor dem Problem Nordafrika stehen. Der Krieg kann weitergehen und selbst wenn die französischen imperialistischen Kräfte einen vorübergehenden Sieg erreichen, wird solch ein Sieg die algerische Frage für den Imperialismus nicht lösen. Selbst die Besetzung von Marokko und Tunesien würde die nordafrikanischen Probleme für den französischen Imperialismus nur verschärfen, darüber hinaus die ganze arabische Welt in den Konflikt hineinziehen. Die Last dieses Krieges und die «Notwendigkeit, Frankreichs Stellung in der Welt» aufrecht zu erhalten, werden eine riesige Belastung der französischen Ressourcen und Menschen bedeuten.
Das bisschen Massenunterstützung, das sich in der letzten Periode um de Gaulle gesammelt hat, wird verschwinden. Die vorübergehende Unterstützung, die er durch die Berauschen mit nationalistischen Phrasen gewinnen kann, wird bald verpuffen Für den Moment werden die ArbeiterInnen völlig desorientiert und apathisch sein, als Ergebnis des Betrugs ihrer offiziellen Führer Die Schande Deutschlands, wo Hitler an die Macht kam, ohne ihnen Schuss abzufeuern, wurde wiederholt, und das in einem Land, wo die KP in Zahlen, Organisation und Unterstützung stärker war als die Bolschewiki vor der Revolution 1917.
Die Lage unterscheidet sich jedoch etwas von der deutschen Lage 1933 — was nicht diesen Führern zu verdanken ist. Hitler stand an der Spitze einer wirklichen reaktionären Massenbewegung, die in den ersten paar Wochen ihrer Macht, alle Organisationen der Arbeiterklasse wegfegte. Durch die Nazi-Partei drang er in jeden Bereich des gesellschaftlichen Lebens ein, lähmte die Arbeiterklasse, atomisierte und zerstreute sie. Abgesehen von der Verachtung und der Desillusionierung der Massen darüber, dass ihre Organisationen zum Kampf gegen die Reaktion vollständig unfähig waren, war der Apparat der Geheimpolizei — Informanten in jeder Fabrik, Spitzel in jedem Wohnblock — ein mächtiger Faktor bei der Festigung des Regimes.
«Wenn man aus der Geschichte nicht lernt, ist man verurteilt, sie zu wiederholen.» (George Santayana).
Hitler und Mussolini hatten darüber hinaus das Glück, jeweils am Vorabend eines Booms an die Macht zu kommen. De Gaulle kommt dagegen am Vorabend einer Wirtschaftskrise an die Macht. Die Fallschirmjäger, eine Eliteeinheit von regulären Soldaten, sind durchaus bereit, die selbe Rolle in Frankreich wie in Algerien zu spielen. Aber diese kleine Kraft, 50.000 bis 60.000, ist stark genug, angesichts der Apathie der Massen, die Macht zu übernehmen, aber sind völlig unzureichend, sie zu halten. Die gewöhnlichen Matrosen und Soldaten, auf die sich das nationalistische Rauschmittel vorübergehend Einfluss haben kann, werden sich nicht lange verwirren lassen. Die durch eine Wirtschaftskrise herbeigeführte gesellschaftliche Lage wird eine mächtige Wirkung haben. De ganze Geschichte hat gezeigt, dass es unmöglich ist, dauerhaft allein durch Armee und Polizei zu herrschen. Jeder Versuch, die Armee gegen Massenausbrüche einzusetzen wird sie entlang von Klassenlinien spalten.
Eine neue Massenerhebung ist in der kommenden Periode unausweichlich. Nationale und internationale Ereignisse werden das altersschwache Regime in Frankreich erschüttern. Die Abenddämmerung der Franco-Diktatur (die durch de Gaulles Sieg vorübergehend gestärkt wird) wird ihre langen Schatten auf Frankreich werfen. Die Arbeiterkämpfe in Großbritannien, Italien und Westdeutschland werden ihre Wirkung haben.
Die Sozialisten, Radikalen und MRP haben versucht «gut in Erinnerung zu bleiben», indem sie am Vorabend von de Gaulles Machtübernahme für Pflimlin stimmten. Die KP verströmt erneut das Gift der Volksfrontpolitik und behauptet, dass «all dies hätte vermieden werden können» wenn es eine Volksfront gegeben hätte — ohne Rücksicht auf die Tatsache, das es genau die Volksfront war, die den Weg für die Niederlage in Spanien bereitete und dass die Volksfront in Frankreich den Boden für die heutige Lage bereitete.
Die Massendemonstrationen und Streiks, zu denen fünf vor zwölf aufgerufen wurde, haben gezeigt, dass die Massen auf eine handelnde Führung anstelle von parlamentarischen Manövern «an der Spitze» reagieren würden. Um so schlimmer die Schande für die KP-SP-Führungen, die die Arbeiterklasse der Gnade von ein paar Fallschirmjäger-Gangstern ausgeliefert haben. Im auffälligen Unterschied zu Hitler 1933 kommt de Gaulle nicht nur ohne Unterstützung der Mittelschichten, sondern angesichts ihrer Feindseligkeit an die Macht. Nach der «Times» (29. Mai 1958) war die Masse von 400.000 bis 800.000 zur Hälfte kleinbürgerlich.
De Gaulles Machtantritt wird mehr der Lage in Spanien 1934 ähneln, als Gil Robles, der Führer des Klerikalfaschismus, in die reaktionäre Lerroux-Regierung aufgenommen wurde. Trotz der Niederlage der sozialistischen Aufstände als Antwort darauf, bei denen die ArbeiterInnen in Asturien die Macht übernahmen, konnte sich das Gil-Robles-Regime nicht festigen. Robles fürchtete einen neuen Aufstand der Massen und ließ 1936 Wahlen zu und trat die Macht der Volksfront ab, um die ArbeiterInnen zu demoralisieren und sich unter ihrer Schirmherrschaft auf den Bürgerkrieg gegen die Massen vorzubereiten.
De Gaules Machtübernahme wird daher von kapitalistischen Standpunkt aus verfrüht sein. Sie wurde durch die Siedler und die Offizierskaste in Algier erzwungen. De Gaulle wird auch unfähig sein, seine Macht zu festigen. Die herrschende Klasse wird vielleicht eine erneute Rückkehr zu einer neuen Volksfront vorbereiten und auf die Verwirrung und Demoralisierung zählen, die das verursachen würde, um sich erneut auf einen richtiggehenden Bürgerkrieg vorzubereiten.
Wenn die de-Gaulle-Diktatur von innen verfault, können sich die Kapitalisten immer noch der Unterstützung (wie immer) der Kommunistischen und Sozialistischen Führungen zuwenden, einer neuen Volksfront, als Ausweg für das Regime. Die fortgeschrittenen Arbeiter-AktivistInnen müssen aus der reichen Geschichte der Bewegung der französischen und internationalen Arbeiterklasse lernen. Wenn die Lehren nicht rechtzeitig aufgenommen werden, könnte eine neue Volksfront, die mit sich frische Niederlagen und Desillusionierung bringt, den Weg für eine wirkliche faschistische Diktatur nach dem Vorbild von Hitlers monströsem Regime bereiten.
Wir haben jedoch Vertrauen, dass die besten AktivistInnen der französischen Kommunistischen und Sozialistischen Parteien und in den Gewerkschaften aus diesen Ereignissen lernen werden. Die Kommunistische Partei wird sich spalten und aus die revolutionären Elemente ihren Reihen werden die besten AktivistInnen aus den Gewerkschaften und der Sozialistischen Partei um sich sammeln, um eine marxistische Partei der französischen Arbeiterkasse zu schaffen.
Diese Partei wird sich auf die großen Traditionen der Kommune, des Kampfes gegen den marokkanischen Krieg, die Streiks mit Betriebsbesetzungen von 1936 stützen und die Klasse in den Kampf auf Leben und Tod gegen den Klassenfeind führen. Die französischen ArbeiterInnen und BäuerInnen werden in diesem Kampf siegen und zum Aufbau der sozialistischen Ordnung in Frankreich übergehen.
Viele ArbeiterInnen in der britischen Arbeiterbewegung betrachten die Ereignisse in Frankreich mit Schrecken, betrachten sie aber als etwas, was wenig direkte Folgen für sie hat: «hier kann es nicht passieren!», England ist anders.
Es ist nicht gut bekannt, dass die Strategen des britischen Kapitalismus aus der Geschichte des kontinentalen Klassenkampfes in den Vorkriegsjahren lernten und sich auf den Kampf gegen die britische Arbeiterklasse vorbereiteten. 1938 und 1939 fanden Armeemanöver auf der Grundlage der Idee statt, dass in Großbritannien Bürgerkrieg herrsche. Eine besondere Streikbrecherkraft, die aus Angehörigen der herrschenden Klasse und der oberen Mittelschicht bestand, wurde geschaffen, die die wichtigsten Aufgaben in der Wirtschaft lernen sollte — das Fahren von Lokomotiven, den Betrieb von Elektrizitätswerken und so weiter. Die Versicherungen weigerten sich, gegen das Risiko von Bürgerkriegen zu versichern. Und als interessanter Vorläufer der gegenwärtigen Ereignisse schrieb Duff Cooper, Tory-Abgeordneter und früherer Erster Lord der Admiralität, Artikel im «Evening Standard», in denen er die Bildung von Komitees der öffentlichen Sicherheit in Großbritannien befürwortete.
Es ist kein Zufall, dass in der gegenwärtigen Krise die führenden Organe der Tory-Meinung sich um de Gaulle geschart haben. Zur «Daily Mail» und «Evening News», die vor dem Krieg Speichellecker von Hitler und Mussolini waren, haben sich jetzt «Daily Telegraph», der «Daily Express» und der «Evening Standard» mit ihrer warmen Unterstützung für den gaullistischen Staatsstreich gesellt.
Wenn die britischen ArbeiterInnen diese Lehre nicht beachten, wäre das ihr eigenes Verderben. Ihr Schicksal ist, wie es das immer war, mit dem internationalen Kampf der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus verbunden.
In ihrer Stunde der Agonie müssen die französischen ArbeiterInnen wissen, dass sie sich nicht nur auf die passive Sympathie, sondern auf de aktive Klassenunterstützung ihrer britischen Brüder und Schwestern stützen können.
Seite an Seite werden wir uns gegen die Diktatur und für ein sozialistisches Frankreich und ein sozialistisches Großbritannien in einem sozialistischen Europa sammeln.