Ted Grant: Frankreich in der Krise (29. Mai 1958)

[Neuauflage London 1980 unter dem Titel «The Rise of de Gaulle and the Class Struggle», gekürzt auch in «The Unbroken Thread»]

 

Inhalt:

[Vorwort zur Neuauflage 1980] 1

Einleitung. 1

I. De Gaulles Vorläufer 2

II. Die Lehren der Kommune. 4

III. Frühe Jahre der Kommunistischen Partei 5

IV. Die Volksfront 8

V. Die KP im Widerstand. 12

VI. Die Nachkriegsaufwallung. 14

VII. De Gaulles erster Griff nach der Macht 15

VIII. Verschwörung in Algier 17

IX. Gaullismus ohne de Gaulle. 19

X. Der bloßgelegte Staat 21

XI. Faschismus oder Bonapartismus?. 25

XII. Der achtzehnte Brumaire des Charles de Gaulle. 27

 

 

Vorwort zur Neuauflage 1980

Marx und Engels sagten, dass Frankreich das Land ist, in dem der Klassenkampf «immer bis zum Ende durchgekämpft» wird. Ted Grant Broschüre, die ursprünglich 1958 geschrieben wurde, zeigt, wie wahr das ist. Sie aktualisiert die marxistische Analyse der Geschichte von Revolution und Konterrevolution in Frankreich, um den Putsch von de Gaulle zu erklären.

Dabei ergänzt und erklärt sie den wichtigen marxistischen Begriff des «Bonapartismus». Dies ist eine wissenschaftliche Definition, kein Schimpfwort, und ein Schlüssel für das Verständnis gegenwärtiger und künftiger Entwicklungen. Es stimmt, dass de Gaulles Regime viel­leicht die demokratischste Form des Bonapartismus war, die je bestanden hat. Das liegt daran, dass die Macht der Arbeiterklasse die Möglichkeit des Staats, sich über die Gesellschaft zu erheben, begrenze. Trotzdem stellte de Gaulles Machtübernahme eine psychologische Nieder­lage für die ArbeiterInnen dar. Im folgen­den Jahr erlebten die französischen Ar­bei­terInnen den bedeutendsten Rückgang im Lebensstandard, den irgendeine europäische Arbeiterklasse während dem Nachkriegsboom erlebt.

Mit den Massenbewegungen vom Mai und Juni 1968 in ganz Frankreich läutete die Totenglocke des Gaullismus, Bewegungen, die durch dessen reaktionäre Maß­nahmen hervorgerufen wurden. Die vor­revolutionäre Lage von 1968 kann nur im Zusammenhang mit de Gaulles Putsch verstanden werden, für den diese Broschüre der grundlegende marxistische Text ist.

1968 bewies die französische Arbeiter­klasse allen Skeptikern und Pessimisten, dass Revolutionen möglich, notwendig und (bei richtiger Führung) unausweichlich sind. Frankreich war erneut das klassische Land des Klassenkampfes. Marxismus bedeutet einen Leitfaden für alle ArbeiterInnen, die die Notwendigkeit verstehen, den Klassenkampf bis zum erfolgreichen Abschluss zu Ende zu führen, einer klassenlosen sozialistischen Gesellschaft.

 

Einleitung

Die Ereignisse in Frankreich haben das Land von oben bis unten erschüttert. Sie folgt dem Beginn der Wirtschaftskrise in Amerika, der Krise auf der iberischen Halbinsel und dem Bürgerkrieg im Libanon und wirft ein Schlaglicht auf die kommenden Unruhen in der kapitalistischen Welt.

Selbst im schläfrigen Großbritannien kündigen der Busstreik, der Fleischmarktstreik und andere Streiks überall im ganzen Land eine neue Periode des Klassenkampfs an.

Eine neue Periode öffnet sich, die den stürmischen dreißiger Jahren ähnelt. Im letzten Jahrzehnt wurden Illusionen in eine langsame, schrittweise, friedliche und fortschrittliche Änderung der Gesellschaft. genährt. Diese gründeten sich auf den vorübergehenden Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg; und leider sind als Reaktion gegen die Exzesse des Stalinismus vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund Träume im Bewusstsein der Arbeiterklasse geblieben und haben die Glieder des schlafenden Riesen Arbeiterbewegung gelähmt, die vertrieben sein sollten.

Diese verderblichen Phantasien sind besonders in den Führungsspitzen der Labour Party gesponnen worden, zum Bei­spiel bei Gaitskells Versuch, das Parteiprogramm zu verwässern, um ein «Er­schrecken» der Mittelschicht zu vermeiden. In Deutschland wird trotz des schrecklichen Preises, den die Arbeiterbewegung und die Völker der Welt gezahlt haben, der Versuch gemacht, jeden Ein­druck «wegzuwerfen», die Partei stünde für marxistische Politik, und statt dessen die empirische Methode des britischen Fabianismus übernommen.

In Frankreich haben wir die offene Unter­stützung der imperialistischen Politik durch die «sozialistischen» Führer Lacoste und Mollet gesehen.

 

I. De Gaulles Vorläufer

«Die Ordnungspartei bewies …, dass sie weder zu herrschen noch zu dienen, weder zu leben noch zu sterben, weder die Republik zu er­tragen noch sie umzustürzen, weder die Verfassung aufrechtzuer­halten noch sie über den Haufen zu werfen, weder mit ihm zusammenzuwirken noch mit ihm zu brechen verstand.» (Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, 1852)

Um die Lage in Frankreich heute zu verstehen, ist es notwendig, die Geschichte Frankreich in der jüngsten Periode und den Platz zu kennen, den es gegenwärtig in der Weltpolitik einnimmt. Wie Engels erklärte, ist Frankreich das Land in Westeuropa, wo der Klassenkampf «immer bis zum Ende durchgekämpft wird». Die Geschichte Frankreichs ist die Geschichte der Revolution — und der Konterrevolution!

Die bürgerliche Revolution von 1789 wurde bis zur völligen Zerstörung des Feudalismus durchgeführt und schuf die Grundlage für die kapitalistische Zivilisation, nicht nur in Frankreich, sondern in der ganzen modernen Welt. Nach der Erschöpfung der revolutionären Welle kam der Staatsstreich von Napoleon I. und der Militär- und Polizeistaat in Frankreich. Daraus leitet sich die klassische Idee des Bonapartismus ab. Selbst nach der Nie­derlage Napoleons und der Restauration von Ludwig XVIII. blieben die grundlegenden Errungenschaften der Revolution unangetastet: die feudalen Grundeigentümer blieben enteignet, das Land blieb in den Händen der BäuerInnen; die kapitalistischen Wirtschaftsgrundlagen des modernen Regimes waren stabil gebaut worden.

Auf dieser Seite des Kanals wird oft vergessen, dass die Reformen und Rechte, die die Arbeiterklasse errungen hat, teils den Revolutionen in anderen Ländern zu verdanken waren. Die herrschende Klasse hat Zugeständnisse gemacht, weil sie ei­nen entsprechenden Druck auf Seiten der Massen hier fürchtete.

Die Revolution von 1830 stürzte das Restaurationsregime und errichtete die bürgerliche Monarchie von Louis Philippe. Statt einer kleinen Oligarchie herrschte jetzt ein größerer Teil der kapitalistischen Klasse. Aber das Wahlrecht war immer noch beschränkt und die ArbeiterInnen hatten keines der Rechte, das sie in einer modernen kapitalistischen Demokratie genießen.

Das Studium der Revolution von 1848 ist heute wichtig, weil es gewisse ins Auge springende Parallelen zwischen dem Verhalten der bürgerlichen Demokraten und Arbeiterparteien damals und der Politik der Arbeiterparteien in Frankreich heute gibt.

Sowohl Marx auch als Lenin unternahmen detaillierte Studien dieser Ereignisse, um die Arbeiterklasse zu warnen, die Fehler nicht zu wiederholen, die sie damals machte. Aber die Führungen der Sozialistischen und Kommunistischen Parteien in Frankreich haben aus der Geschichte nichts gelernt und handeln auf eine Weise, die dem Volk eine Katastrophe bringen könnte. Marx beschrieb ihre Vor­gänger ironisch als «Demokraten der Phrase».

1848 war in der Revolution die Finanzaristokratie gestürzt worden, wobei die Massen die Barrikaden bemannten. Die Idee der Massen war die Errichtung einer sozialistischen Republik, aber die kapitalistische Klasse machte sich mit den Früchten der Revolution aus dem Staub.

Wie es Marx ausdrückte, herrschte in der Vergangenheit «ein beschränkter Teil der Bourgeoisie im Namen des Königs; jetzt die gesamte Bourgeoisie im Namen des Volkes.» Die Arbeiterklasse war verzweifelt, weil die Errungenschaften der Revolution nur von den Reichen genossen wurden, und wurde in Juni zu einem neuen Aufstand provoziert, der im Blut er­tränkt wurde. All dies im Namen von «Eigentum, Religion, Familie, Ordnung.» Am 10. Dezember wurde Louis Napoleon Bonaparte zum Präsidenten gewählt. Die Bauern unterstützten ihn wegen der napoleonischen Legenden und jetzt begann der Kampf zwischen den Kapitalisten als Klasse und einem Abenteuer, Louis Napoleon.

Napoleon stand für «Infanterie, Artillerie, Kavallerie» und, um für sie zu bezahlen, wurden den BäuerInnen und der Arbeiterklasse ungeheure Steuern auferlegt. Die Nachwahlen von 1850 zeigten eine Niederlage für die napoleonischen Kräfte an: in Paris stimmten die Mittelschichten mit den ArbeiterInnen und wählten in der ganzen Stadt sozialistische Kandidaten.

Die Führung der Arbeiterklasse schwank­te jetzt. Statt den Sieg zum Vor­wärtstrei­ben der sozialistischen Revolution zu nutzen, wurde den Kapitalisten Zeit zur Vor­bereitung gegeben. Die Stärke der Massen wurde in «kleinen Intrigen, hohlen Deklamationen und Scheinbewegungen» vergeudet. Das war alles, was die Führung anbot, als die Folge der Massen selbst in der Armee eine Stimmung der Begeisterung erzeugt hatten.

«Wie revolutionär die Demokraten während des konstitutionellen Wahlkampfes aufgeregt und getobt hatten, so konstitutionell predigten sie jetzt, wo es galt, mit den Waffen in der Hand den Ernst jener Wahlsiege zu beweisen, Ordnung, majestätische Ruhe (calme majesteux), gesetzliche Haltung, d.h. blinde Unterwerfung unter den Willen der Konterrevolution, der sich als Gesetz breit­machte.» (Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte)

Eilig wurden Gesetze zur Beschränkung der allgemeinen Stimmrechts eingeführt. Pressegesetze und Zensur wurden eingeführt und die Mannschaften der Armee wurden für ihre Verbrüderung mit den Ar­beiterInnen bestraft. Louis Bonaparte nutzte die Gelegenheit und bildete die «Gesellschaft des 10. Dezember», einen Vorläufer späterer faschistischer Organi­sationen. Sie bestand aus dem Ab­schaum der Gesellschaft — eine «Ge­sell­schaft der Unordnung, der Prostitution und des Diebstahls» (Karl Marx, Der acht­zehnte Brumaire des Louis Bonaparte)

Die Gesellschaft wurde wegen dem skan­dalösen Verhalten der Elemente, aus de­nen sie bestand, formell aufgelöst, be­stand aber weiter fort. Louis Bonaparte benutzte sie als Basis, um einen Staats­streich durchzuführen und am 2. Dezem­ber 1851 die Macht zu übernehmen. Eine betrunkene Soldateska schoss in dem darauf folgenden Terror Angehörige der Bourgeoisie ebenso wie der Arbeiterklas­se nieder. Die Mittelschichtdemokraten gaben die Schuld für die Katastrophe na­türlich nicht ihrer Dummheit und ihrem Schwanken, sondern bürdeten sie den Massen auf.

Louis Bonaparte schaffte es, seine Herr­schaft fast 20 Jahre aufrechtzuerhalten. Er hatte das Glück, dass sein Machtantritt mit einer ungeheuren Entwicklung der Produktivkräfte in Frankreich und interna­tional zusammenfiel.

1870 begann er einen abenteuerlichen Krieg mit Preußen. Die französische Ar­mee brach wie Pappsoldaten zusammen. Die elende Korruption und Ineffizienz des Regimes sicherten de Niederlage.

 

II. Die Lehren der Kom­mune

«Die kleinbürgerlichen Demokra­ten, diese Pseudosozialisten, die den Klassenkampf durch Träume­reien von Klassenharmonie ersetz­ten, stellten sich auch die soziali­stische Umgestaltung träumerisch vor, nicht als Sturz der Herrschaft der ausbeutenden Klasse, sondern als friedliche Unterordnung der Minderheit unter die sich ihrer Auf­gaben bewusst gewordenen Mehr­heit. Diese mit der Anerkennung eines über den Klassen stehenden Staates unzertrennlich verbundene kleinbürgerliche Utopie führte n der Praxis zum Verrat an den Interes­sen der werktätigen Klassen, wie dies z. B. die Geschichte der fran­zösischen Revolutionen von 1848 und 1871, wie dies die Erfahrung der Beteiligung von <Sozialisten> an bürgerlichen Regierungen in England, Frankreich, Italien und an­deren Ländern am Ausgang des 19. und Anfang des 20. Jahrhun­derts gezeigt haben.» (Lenin, Staat und Revolution)

Dann zeigten die ArbeiterInnen von Paris und Frankreich die Eigenschaften, für die sie berühmt sind. Am 4. September 1870 stürzten sie das Regime in einer revolu­tionären Erhebung in Paris und bewaffne­ten sich selbst in der Nationalgarde. Jetzt versuchten die Kapitalisten wie 1848, die ArbeiterInnen zu entwaffnen und machten am 18. März 1871 einen Versuch, der Nationalgarde die Artillerie wegzuneh­men. Die ArbeiterInnen antworteten, in­dem sie die Macht übernahmen.

Dies war das erste Mal in der modernen Geschichte, dass die Arbeiterkasse das erfolgreich machte. Aber das Ver­sagen, nicht die Bank von Frankreich zu ver­staatlichen und gegen das reaktionäre Versailles zu marschieren, führten zur Niederlage der Pariser Kommune.

Die Lehren der Kommune wurden von Marx und Engels und dann von den Bol­schewiki eifrig studiert. Ihre Analyse der Kommune war die Grundlage der konse­quenten Klassenpolitik des Bolschewis­mus. Ohne die Erfahrung der französi­schen ArbeiterInnen in der Kommune hätte die theoretische Grundlage des russischen Bolschewismus nicht bereitet werden können.

In Frankreich selbst gab es jedoch als Er­gebnis des Wirtschaftsaufschwungs in der kapitalistischen Gesellschaft in jener Periode — einer Periode gewaltiger Aus­dehnung und Entwicklung der Produktiv­kräfte — eine gewisse Flaute im Klassen­kampf. Aber gegen Ende des Jahrhun­derts wurde durch den Dreyfus-Skandal eine neue Krise hervorgerufen. Dieser entlarvte die Fäulnis und Korruption der französischen Armee und ihrer Offiziers­kaste. Der Dreyfus-Fall zeigte die deka­dente Struktur der französischen Gesell­schaft von Fuß bis zum Gipfel.

Die Armee antwortete auf die Kritik der SozialistInnen und Radikalen, indem sie in Richtung des Neobonapartismus um General Boulanger ging. Wie Lenin er­klär­te, konnte eine Krise dieser Art die die Degeneration des «republikanischen» Regimes entlarvte und nicht nur die Ar­bei­terklasse, sondern auch die Volks­mas­sen wachrüttelte, direkt zur Revoluti­on und zur Machtübernahme durch die Ar­bei­terklasse führen. Ein Teil der dama­li­gen sozialistischen Führer (Mil­lerand) nutz­te den Warnruf «die Republik ist in Gefahr», um eine Regierung oder «Volks­front» mit den Radikalsozialisten zu bil­den, der Partei des liberalen Kapita­lismus oder, wie Lenin es ausdrückte, «den bös­artigsten und vollendetsten Ver­tretern des Finanzkapitals, den politischen Ausbeu­tern der BäuerInnen und der Mit­telklas­se.»

Die Furcht der herrschenden Klasse, ei­nen Bürgerkrieg mit allen damit verbun­denen Risiken zu provozieren, führte zu einem Vorübergehen der Krise und dem Selbstmord von Boulanger. Der Wirt­schaftsaufschwung hatte sich noch nicht erschöpft. Die französischen Kapitalisten behinderten bewusst die Entwicklung der französischen Industrie und stützten sich bei ihrem Einkommen und ihren Zinsen auf einen Rentier- statt auf einen indu­striellen Kapitalismus, wobei sie sich auf ihr Kolonialreich stützen, aus dem sie durch die Ausbeutung der Kolonialvölker hohe Einnahmen zogen, weil sie die Ar­beiterklasse mit ihren reichen revolutionä­ren Traditionen fürchteten. Die französi­schen Kapitalisten wollten nicht, dass die Arbeiterklasse die Mehrheit der Bevölkerung wird, und verließen sich auf die Bauernschaft als einer konservati­ven Kraft, um sie gegen die Arbeiterklas­se auszuspielen.

 

III. Frühe Jahre der Kom­mu­nistischen Partei

«Der Faschismus ist nicht nur eine militärische technische Kategorie. Der Faschismus ist die Kampfor­ganisation der Bourgeoisie, die sich auf die aktive Unterstützung der Sozialdemokratie stützt. Die Sozialdemokratie ist objektiv der gemäßigte Flügel des Faschis­mus.» (Josef Stalin, International Press Correspondence, 9. Oktober 1924)

Dieses Kräfteverhältnis setzte sich fort, bis die Krise des imperialistischen Kapita­lismus im Ersten Weltkrieg ausbrach. Wie ihre Brüder in Großbritannien, Deutsch­land und anderen Ländern verrie­ten die Sozialisten und Gewerkschaftsfüh­rer die ArbeiterInnen, indem sie den Krieg unterstützten und sich um die Parole sam­melten: «La patrie est en danger.» [Das Vaterland ist in Gefahr]. Auch die Syn­dikalisten gingen trotz ihrer radikal klin­genden Sprüche im Krieg auf die Seite des Imperialismus über.

Kleine Gruppen von Revolutionären blie­ben jedoch den Ideen des Marxismus treu. Die französischen Massen wurden des Blutvergießens und Gemetzels im In­teresse des Finanzkapitalismus zuneh­mend müde. Die Revolution in Russland 1917 hatte eine elektrisierende Wirkung auf die kriegsmüden ArbeiterInnen in Frankreich, ebenso wie in anderen Län­dern. In Paris fanden große Streiks in der Damenbekleidungsindustrie statt. Ganze Regimenter begannen, die Schützengrä­ben zu verlassen und die Soldaten be­gannen, nach Paris zu marschieren. Der Oberkommandierende der deutsche Ar­mee gab Befehl, nicht vorzurücken: zuerst müs­se die Ordnung wiederhergestellt wer­­den. Mit anderen Worten stellte er Klas­sensolidarität (mit den französischen Kapitalisten) über die deutschen nationa­len ziele.

Die Tragödie lag darin, dass es keine re­volutionäre Führung gab, die stark genug war, die Unzufriedenheit der ArbeiterInnen mit der Armeerebellion zu verbinden. In den meuternden Regimentern wurde jeder zehnte Soldat erschossen und die «Ord­nung» wiederhergestellt. Trotzdem drohte die revolutionäre Welle von 1917 bis 1920 Frankreich zu erfassen.

1919 führte André Marty, ein Offizier der französischen Marine eine Meuterei in der Schwarzmeerflotte gegen einen Versuch, in der Russischen Revolution zu interve­nieren. Die revolutionäre Gärung war so stark, dass auf dem Kongress der fran­zösischen Sozialistischen Partei von Tours 1920 die Fraktion die Mehrheit ge­wann, die für den Anschluss an die Dritte Internationale stand. L’Humanité wurde das offizielle Organ der Kommunistischen Partei. Die Gewerkschaften wurden durch die Reformisten und Ex-Syndikalisten (Jou­haux) gespalten, die sich weigerten, den Willen der ArbeiterInnen anzuerken­nen und sich mit der reformistischen Am­sterdamer Gewerkschaftsinternationa­le verbanden.

Aber die junge Kommunistische Partei war unerfahren und sehr ultralinks. Die In­ternationale überzeugte sie mit Mühe von der Notwendigkeit, die Einheitsfront­taktik anzuwenden, um den Reformismus zu entlarven. Bevor sie die Gelegenheit hat­ten, in Ideologie und Taktik erfahren und gehärtet zu werden, kam Stalin in der UdSSR an die Macht; und zwischen 1924 und 1927 wurden alle unabhängig den­kenden Elemente aus der Führung der Französischen Kommunistischen Partei ausgeschlossen, die nicht bereit waren, Moskau blind zu gehorchen.

Die Partei blieb jedoch genügend auf den revolutionären Internationalismus ausge­richtet, um ihre Klassenpflicht der Oppo­sition gegen den Kolonialkrieg von 1925 und zurUnterstützung für das Recht des ma­rokkanischen Volkes auf nationale Un­ab­­hängigkeit zu erfüllen. Streiks, Demon­strationen, Flugblätter, Agitation unter den Soldaten selbst an der Front — all das wurde in einem intensiven Kampf ge­gen die kriminelle Politik des französi­schen Imperialismus gemacht.

Die Entwicklung der Kommunistischen Partei Frankreichs ist natürlich mit der Degeneration der Kommunistischen Par­tei der Sowjetunion und der Dritten Inter­nationale eng verbunden. Die Periode 1924 bis 1930 war in Frankreich eine Pe­riode von Wirtschaftsboom, in dem die französische herrschende Klasse an die ArbeiterInnen und BäuerInnen Zuge­ständ­nisse machte, um den Reformismus zu stär­ken.

1929 kündigte die Kommunistische Inter­nationale die Theorie der Dritten Periode und des Sozialfaschismus an. Die Dritte Periode (im Unterschied von der «ersten (Nachkriegs-)Periode» der revolutionären Welle 1919-24 und der «zweiten Periode» der «vorübergehenden Festigung des Kapitalismus» 1924-28) wurde als Peri­ode der «Endkrise» angekündigt, der Kri­se, von der sich der Weltkapitalismus nie erholen könne. Dies war falsch. So lange der Kapitalismus nicht gestürzt wird — was nur dadurch geschehen kann, dass die Führung der Arbeiterklasse über einen ganzen Zeitraum eine richtige Poli­tik be­treibt — kann er immer einen Aus­weg aus seinen Schwierigkeiten finden.

Die Sozialdemokratie wurde zum Haupt­feind der Arbeiterklasse erklärt, ei­ner be­son­ders schlimmen Form des Fa­schis­mus. Faschismus und Sozialfa­schismus (das heißt Sozialdemokratie), sagt Stalin «sind nicht Antipoden, son­dern Zwil­linge.»

Die Aufgabe der revolutionären Führung besteht darin, die Massen der Arbeiter­klasse von der Notwendigkeit einer revo­lutionären Politik als der einzigen Lösung für ihre Probleme zu überzeugen. Dies kann nur gemacht werden, indem man den ArbeiterInnen in der Praxis zeigt, dass die reformistische Führung nicht be­reit ist, den Kapitalismus bis zum Ende zu bekämpfen. Das kann nicht erreicht wer­den, indem man die sozialdemokratische Führung als Faschisten beschimpft, was nur die sozialdemokratische Basis von ei­nem entfremdet, die weiß, dass das reiner Blödsinn ist.

Die Augen der ArbeiterInnen können durch die Taktik der Einheitsfront am be­sten geöffnet werden — indem man ein Programm vorlegt, das für die reformisti­schen ArbeiterInnen akzeptabel sein wird. Diese ArbeiterInnen werden dann auf ihre Führer Druck ausüben, einem Kampf auf der Grundlage eines vereinbarten Pro­gramms zuzustimmen. Wenn die refor­mi­stische Führung zustimmt, dann wird ein Kampf geführt werden, in dem die Über­legenheit revolutionärer Ideen ge­zeigt werden wird; wenn sie sich weigert, ent­larvt sie sich.

Zu einer Zeit, als der Wirtschaftsboom Frankreich noch beherrschte, unternahm die Kommunistische Partei wahnwitzige Anstrengungen, revolutionäre Ausbrüche hervorzurufen. Natürlich konnte diese Verrücktheit sie nur von der Arbeiterklas­se entfremden. Die reformistischen Ge­werkschaften legten ungeheuer zu, wäh­rend die (kommunistische) CGTU-Ge­werkschaften in Trümmer fielen. Die So­zialistische Partei gewann den Großteil ihrer Unterstützung auf Kosten des Kom­munismus zurück. Das Abenteurertum der KP-Politik trennten sie von den Arbei­terInnen. Die Partei fiel von einer Mit­gliedschaft von 150.000 1920 auf 7.000 1933.

Frankreich wurde später als andere Län­der von der Weltwirtschaftskrise erfasst. Bis zur Krise gab es sogar einen chroni­schen Arbeitskräftemangel, und es war notwendig, Arbeitskräfte aus Polen und anderen Ländern für die Bergwerke und an­dere Wirtschaftszweige einzuführen. Frank­reichs Rückständigkeit verzögerte also de Krise der französischen Wirt­schaft und französischen Gesellschaft zu­erst, verstärkte sie aber dann.

Als ein Ergebnis der verräterischen Politik der Sozialdemokratischen und der Kom­munistischen Partei Deutschlands siegte Hitler 1933. Gleichzeitig begann die Wirt­schaftskrise, sich auf Frankreich auszu­wirken. Die französischen Faschisten wa­ren durch den Sieg der Reaktion in Deutschland ermutigt und begannen, sich vorzubereiten. Faschistische Bünde wur­den gebildet, die weitgehend aus Ex-Sol­daten bestanden, wie die Croix de Feu von Oberst de La Rocque. Viele französi­sche BäuerInnen, HandwerkerInnen und kleine Geschäftsleute wurden ruiniert und in dieser Atmosphäre wurde das französi­sche Parlament von einem Skandal er­schüttert.

Stawisky hatte im Bunde mit gewissen Abgeordneten ein Schwindelgeschäft ge­macht, in dem es um Millionen ging und das den Bankrott von Zehntausenden Kleinanlegern bedeutete. Die Fäulnis der Dritten Republik wurde bloßgelegt. Am 6. Februar 1934 demonstrierten die Faschi­sten für den Sturz des Parlaments. Mit Rasiermessern und Revolvern gingen die faschistischen Schläger auf die Champs Elysées.

Die Führung der Kommunistischen Partei stützte sich trotz der schrecklichen Lehre der Hitler-Katatrophe auf die stalinistische Linie der Komintern und hatte nichts ge­lernt. Die KP griff den «Radikal-Faschi­sten» Daladier an, der damals an der Spitze der Regierung stand und demon­strierte mit den Faschisten. Wenn es von ihnen abgehangen hätte, hätten die Fa­schisten in Frankreich damals erfolgreich einen Militär- und Polizeistaat errichtet.

Daladier, der Führer der Radikalsoziali­sten, ging vor dem faschistischen angriff in die Knie, trat zurück und bereitete den Weg für die reaktionäre Doumergue-Re­gierung, die durch Verordnungen regierte (so wie die reaktionären Regierungen von Brüning, von Papen und von Schleicher in Deutschland den Weg für Hitler bereitet hatten).

Glücklicherweise hatte die französische Arbeiterklasse mit ihren revolutionären Traditionen aus der schrecklichen Erfah­rung ihrer Brüder in Deutschland gelernt. Unter dem Druck der ArbeiterInnen erklär­ten die französische Sozialistische Partei und ihre Gewerkschaften (CGT) eine Ge­genoffensive. Als Warnung für die Reak­tion riefen die reformistischen Gewerk­schaften einen Generalstreik für den 12. Februar 1934 aus. Obwohl nur eine Mil­lion ArbeiterInnen organisiert waren, nah­men vier Millionen daran teil. Die Fa­schi­sten mussten eine Pause machen — vor­läufig. Es ist eine Ironie, dass sich da­mals Jacques Doriot von der französi­schen KP abspaltete, weil er forderte, dass die Partei für eine Einheitsfront ein­trete, und den Verband St. Denis seiner Partei (einem der proletarischsten Bezirke von Paris) mitnahm, dessen Sekretär er war — er ging später zum Faschismus über.

 

IV. Die Volksfront

«Aber diese ausgezeichnete Idee (die Kaufkraft aller Teile der Be­völkerung zu erhöhen) wurde — wie so viele andere — in den er­sten Monaten der Volksfrontregie­rung äußerst unzureichend ange­wandt, und selbst die damals er­reichten kleineren Erfolge wurden durch den Umstand zunichte ge­macht, dass das Finanzkapital seine eigenen Lösungsvorschläge umsetzen konnte — eine Lösung, die eine Beschränkung der Mas­senkaufkraft bedeuteten.» (Joanny Berlioz, World News and Views, 2. Juli 1938, S. 783).

«…Die Erfahrung von zwei Jahren der Volksfront — zwei Jahren, während denen sehr unzureichen­de Anstrengungen zur Verwirkli­chung des bestehenden Pro­gramms gemacht wurden, so ge­mäßigt es war…» (J. Berlioz, World News and Views, 10. De­zember 1938)

«…Das Gefühl zugunsten der Ein­heit (KP-SP) nimmt jetzt zu, vor allem unter den ArbeiterInnen, die die unheilverkündenden Folgen der Zugeständnisse erkannten, die von den verschiedenen Volksfrontre­gierungen den Kräften des Kapi­tals gemacht wurden.» (J. Berlioz, World News and Views, 10. De­zember 1938)

Jetzt begannen die Massen, Maßnahmen gegen die bösartigen Gesetze von Dou­mergue und gegen die Angriffe auf ihre Bedingungen und Standards zu ergreifen, die durch die Krise des französischen Kapitalismus hervorgerufen wurden. In Brest und Toulon wurden als Ergebnis von Zusammenstößen mit der Polizei im Verlauf von Streikkämpfen Barrikaden er­richtet. «Les soviets partout» — «Überall Sowjets» — wurde der herausfordernde Sammlungsruf der KommunistInnen in Frankreich.

Genau in dieser Periode änderten die Stalinisten ihre Linie. Stalin ging, nach­dem er — zu dieser Zeit — kein Abkom­men mit Hitler erreicht hatte, dazu über, ein Abkommen mit dem britischen und französischen Imperialismus zu suchen. Als ungeschriebener Teil dieses Abkom­mens mussten sich die Kommunistischen Parteien für die herrschenden Klassen prostituieren.

Nach der Unterzeichnung des franzö­sisch-sowjetischen Paktes verstärkte die Kommunistische Partei in Frankreich die­se Linienänderung. Sie durchquerten die richtige Taktik der Einheitsfront und for­derten eine Volksfront unter Einschluss der Radikalsozialisten unter dem Vor­wand, dass die Radikalen die Mittel­schichten verträten. Aber wie Lenin in Beziehung auf die Millerand-Krise gezeigt hatte, waren die Radikalsozialisten nicht die Partei der Mittelklassen, sondern eine Partei des Finanzkapitals, die die Be­schwerden der Mittelklassen ausbeutete. Die Politik der Volksfront war Milleran­dismus unter einem anderen Namen — ein Name, der gewählt wurde, weil die Idee einer offenen Koalition mit kapitali­stischen Parteien diskreditiert war.

Inzwischen hatten die Massen begonnen, in Aktion zu treten. Die Faschisten ver­stärkten ihre Propagandavorbereitungen und Demonstrationen. Die Radikalen tra­ten dann aus Furcht vor revolutionären Ausbrüchen auf Seiten der Massen dem bei, was Trotzki «das Streikbrecherkom­plott der Füh­rer der Volksfront» nannte. Die Mittelschichten wurden störrisch und fru­striert, die ArbeiterInnen gingen zur di­rek­ten Aktion über, also brauchte das Fi­nanzkapital ein Mittel, um die Massen un­ter Kontrolle zu halten. Immer wenn die herrschende Klasse in Schwierigkeiten und durch die Unzufriedenheit der Mas­sen in Gefahr ist, versucht sie die Taktik der Koalition, um die ArbeiterInnen zu demoralisieren, zersplittern und zu verwir­ren.

Bei den Wahlen vom Februar 1936, nach der Volksfrontvereinbarung, wurde die Sozialistische Partei die stärkste Partei und die Stimmen der Kommunistischen Partei erreichten anderthalb Millionen. Ein Anzeichen der Krise und der Aufwallung der Massen war, dass die Radikalsoziali­sten, die 50 Jahre lang die stärkste Partei in Frankreich waren, auf den dritten Platz verwiesen wurden — trotz der Anstren­gungen der Sozialistischen und Kommu­nistischen Führer, ihnen ein revolutionä­res Image zu verpassen. Wenn Soziali­sten und Kommunisten mit Klassenprin­zipien gekämpft hätten, hätten sie die überwiegende Mehrheit kriegen und die Radikalen zur Ohnmacht verdammen können.

Die Aufwallung in der Arbeiterklasse zeigte sich in den Ereignissen, die der Sieg der Front hervorrief. Die ArbeiterIn­nen hatten ihren Führern geglaubt, dass die Front bloß ein Manöver sei, sie zu stärken, und betraten kühn den Weg, der zu einer neuen Französischen Revolution hätte führen können. Eine Reihe von Streiks mit Fabrikbesetzungen wurde be­gonnen. In allen führenden Industriezen­tren Frankreichs besetzten die ArbeiterIn­nen die Betriebe. Aus der Tiefe der fran­zösischen Gesellschaft traten selbst die bisher unorganisierten, rückständigsten und ausgebeutetsten Teile der Arbeiter­klasse in Aktion. Die Ladenmädchen be­setzten die großen Warenhäuser und ver­kündeten stolz, dass die Vorschriften, die die Verwendung von Lippenstift, Schmin­ke und Puder regelten, null und nichtig seien; sie sagten, sie seien keine Schau­spielerinnen, sondern Mitglieder der Ar­beiterklasse.

In allen Städten Frankreichs fanden riesi­ge Massendemonstrationen statt, die massenhafte Beteiligung der algerischen ArbeiterInnen in Paris unter der Führung ihrer nationalen Organisation, an deren Spitze der ex-kommunistische Revolutio­när Messali Hadsch stand, war nicht der unwichtigste Aspekt. Die Armee, die Ma­rine und selbst die Polizei wurden von der vorherrschenden revolutionären Stim­mung angesteckt. In den Häfen mar­schierten die Matrosen mit geschulterten Waffen durch die Städte und sangen die Internationale. Die Poilus und die Polizei verbrüderten sich mit den demonstrieren­den Mengen. Die Kräfte des Kapitals wa­ren völlig gelähmt. Hier war einer der sel­tenen Gelegenheiten, wo die Revoluti­on friedlich hätte durchgeführt werden kön­nen: die Machtübernahme und die Be­waffnung der Massen hätten jeden Wi­derstand auf Seiten des Finanzkapitals zunichte gemacht.

Durch diese Massenaktion wurde das ganze Reformprogramm, für das die Volksfront eingetreten war, binnen Tagen von den ArbeiterInnen durchgeführt. Dann trat gemäß Moskaus außenpolitischer Li­nie der KP-Führer Thorez auf und ver­kündete: «Man muss wissen, wie man ei­nen Streik beendet.» (Paris, 11. Juni 1936) Unter der Losung der «republi­ka­ni­schen Legalität» ließen sich die Arbeite­rInnen von der Kommunisti­schen Partei zur Räumung der Fabriken überreden. Voll Panik schoben die Kapi­talisten Blum, den Sozialistenführer, als Ministerpräsi­dent nach vorn. Seine Auf­gabe war, die Massen zurückzuhalten, bis die revolutio­näre Flut abgeebbt war. Unter dem direk­ten Deckmantel der Volksfront begann die Reaktion, ihre Gegenschläge gegen die ArbeiterInnen vorzubereiten.

Der Staat war sorgfältig als Instrument der herrschenden Klasse geschaffen und vorbereitet worden. Das Offizierskorps der Marine, der Armee und der Polizei, die Spitzen der Staatsverwaltung, alle Schlüsselpositionen im Apparat des Es­tab­lishments sind von Mitgliedern der oberen Mittelschicht und der herrschen­den Klasse besetzt und letzterer gegen­über loyal. Diese theoretische Analyse des Staats durch Marx wurde in der Ge­schichte Frankreichs immer wieder be­stätigt.

Faschistische Admiräle und Generale be­gannen fast unmittelbar, sich gegen das Volksfrontregime zu verschwören. Selbst in diesen frühen Tagen wurde ein Streik in der Werft von Toulon dadurch her­vor­ge­ru­fen, dass die ArbeiterInnen durch ein von einem Offizier an den Ha­fenanlagen angebrachtes faschistisches Plakat pro­voziert wurden.

Inzwischen begannen die Arbeitgeber, die Errungenschaften der ArbeiterInnen Stück für Stück abzuknabbern, nachdem die er­ste Welle der Begeisterung verebbt war. Unter diesem oder jenem Vorwand, ver­suchten sie die AktivistInnen in den Be­trieben loszuwerden, und lösten eine gan­ze Reihe von Streikaktionen aus.

Einer der Punkte im Volksfrontprogramm war die Auflösung der bewaffneten fa­schi­stischen Organisationen gewesen. Un­ter dem Druck der angedrohten Mas­senak­tionen wurden die faschistischen Organi­sationen «aufgelöst». Die Faschi­sten ver­steckten ihre Waffen für den Mo­ment und kündigten an, dass sie statt Bün­den — eine Partei bilden würden! Un­ter dem Schutz der Volksfrontregierung wurde ih­nen das erlaubt.

De La Rocque wurde durch dieses Fehlen von Opposition durch die Volksfrontpar­teien kühner und kündigte unverfroren für den 16. März 1937 einen Marsch durch Clichy an, einen zuverlässigen Arbeiter­vorort von Paris; dies war eine Provokati­on, ähnlich wie Mosleys Versuch, durch das [Londoner] East End zu marschieren. Die ArbeiterInnen antworteten, indem sie zu Zehntausenden seinen Weg versperr­ten. Die Polizei, die nach der Verbrüde­rungs-Erfahrung von 1936 diszipliniert worden war, versuchte, den Faschisten den Weg zu erzwingen. Sie schossen in die Menge und töteten mehrere Arbeite­rInnen (fünf Tote, 200 Verwundete), was landesweit Abscheu hervorrief. Wieder eröffnete sich eine Gelegenheit, den Weg der Machtübernahme zu beschreiten.

Als Sicherheitsventil rief die Kommunisti­sche Partei einen 24stündigen General­streik aus, der aber trotz der landesweit vorhandenen Gefühle der Arbeiterklasse auf Paris beschränkt wurde. Eine Million ArbeiterInnen ging in Paris auf die Straße. Der Streik war völlig solide und die Stadt war lahmgelegt.

Die ArbeiterInnen hatten einen sicheren Instinkt und verstanden den Charakter der Bedrohung, vor der sie standen und be­gannen, gegen die Faschisten und von den Arbeitgebern in den Betrieben plazier­ten Streikbrecher vorzugehen. Sie began­nen, sie aus den Betrieben zu vertreiben und weigerten sich, mit ihnen zusammen­zuarbeiten.

Da griff Léon Blum, der Volksfrontmini­sterpräsident erneut ein. Er sagte, Fran­zosen hätten das Recht auf jede Meinung, die ihnen zusagte. Er würde keine Maß­nahmen gegen irgend jemand wegen sei­ner Meinungen dulden. Die Stalinisten hat­ten keine revolutionäre Perspektive und waren durch die Volksfrontpolitik ge­lähmt. Also akzeptierten sie das und pro­testierten nur in Worten.

So begann die Begeisterung der Arbeite­rInnen zu schwinden. Ihre Errungenschaf­ten waren verloren, ihre Ziele zunichte gemacht, ihre Ideale verraten. Die Arbei­terklasse ist kein Hahn, den man aufdre­hen kann, heiß oder kalt, wie es die «Füh­rer» befehlen. Die Entwicklung der Mas­senmeinung hin zur Revolution schrei­tet gemäß gewissen Gesetzmäßig­keiten vo­ran. Wenn die ArbeiterInnen von ihren ei­ge­nen Organisationen enttäuscht werden, verschwindet ihr Interesse am Kampf und die ganze Bewegung kann zerfallen.

Unter dem Schutz der Volksfront fuhren die großen kapitalistischen Konzerne und Trusts weiterhin riesige Profite ein. Die ArbeiterInnen fingen an, demoralisiert zu werden und die Reaktion begann, ihre Rache vorzubereiten.

Der schrittweise Schwenk nach rechts wurde durch die Ersetzung des Soziali­sten Blums durch die Radikalen Chau­temps und dann Daladier als Minister­präsident gekennzeichnet. 1937-38 gab es die Verschwörung der sogenannten Cagoulards oder Kapuzenträger, einer von den großen Trusts finanzierten Ge­heim­­gesellschaft mit Verbindungen und Mit­gliedern in den Streitkräften und der Poli­zei. Sie verwandelten die Katakomben von Paris in eine Festung. Sie hatten so­gar Kampfflugzeuge und andere Waffen, an denen ihre Kräfte zum Einsatz gegen die Arbeiterklasse ausgebildet wurden.

Die Volksfrontregierung verurteilte das zwar, aber es wurden keine wirklichen Maß­nahmen gegen die faschistischen Ver­schwörer in der Armee, der Polizei oder auf den Straßen ergriffen. Die Radi­kalen hätten den bürgerlichen Staat un­tergraben müssen, um das zu tun. Sie waren der Volksfront beigetreten, um ge­nau das zu verhindern.

Angesichts der drohenden internationalen Lage und der Außenpolitik des Kreml de­generierte die KP-Bürokratie mit hoher Geschwindigkeit. Von der Unterstützung der Volksfront gingen sie zur Befürwor­tung einer Nationalen Front weiter. Alle Franzosen sollten sich gegen die Gefahr durch Hitler vereinigen, von den «na­tiona­len» Faschisten auf der Rechten zu den Kommunisten auf der Linken. Nachdem sie einen «Unterschied» zwi­schen «gu­ten» und «schlechten» Kapita­listen ent­deckt und das Klassenkriterium aufge­ge­ben hatten, begannen sie jetzt ziemlich logisch, einen Unterschied zwi­schen «gu­ten» und «schlechten» Faschi­sten zu ent­decken. Der Nationalsozialis­mus wurde zur schlimmsten Form des Fa­schismus erklärt, der «aggressive» Ab­sichten habe, die die ganze Welt be­droh­ten. So wurde die marxistische Ana­lyse des Charakter des Krieges als Er­gebnis der Politik von Nationen und Klas­sen auf­gegeben. Der italienische Fa­schismus sei «nicht so schlecht» wie der deutsche Na­tionalso­zialismus; daher müsse «Frank­reich» (das heißt die fran­zösische herrschende Klasse) ein Ab­kommen mit Mussolini ge­gen Hitler tref­fen.

In dieser Atmosphäre kam die München-Krise. Daladier und Chamberlain kapitu­lierten in der Frage der Tschechoslowakei vor Hitler. In den Augen der französischen Massen versuchte die Kommunistische Partei, sie in einen Krieg zu treiben, den sie fürchteten; die ganzen Propaganda der KP — chauvinistisch und anti-interna­tionalistisch — hatte die Arbeiterklasse zusammen mit der Frustration über die vergangenen zweieinhalb Jahre völlig demoralisiert. München wurde als Höhe­punkt des Verrat von Blum und Daladier an der anderen Volksfront in Spanien ge­sehen, die durch ihre Teilnamen am so­genannten «Nicht-Interventions-Komitee» des Völkerbundes wirksame Hilfe sabo­tiert und die Forderung der Arbeiter nach «Flugzeugen für Spanien» zynisch abge­lehnt hatten. Sie konnten das machen, da sie wussten, dass die KP nicht bereit war, in dieser Frage die Massen zur Aktion zu führen.

Nach München ging die KP als Reaktion auf Moskaus Furcht vor einem Abkom­men zwischen Frankreich und Deutsch­land auf eine «radikalere» Linie über.

Daladier führte durch Ausnahmegesetze eine ganze Reihe von Maßnahmen ein, um den Standard und die Bedingungen der ArbeiterInnen zu verschlechtern. Die KP gab ohne systematische Vorbereitun­gen und trotz der Tatsache, dass die Stim­mung der Massen jetzt desinteres­siert und apathisch war, einen Aufruf für einen Generalstreik heraus. Selbst dann noch hätte es Möglichkeiten für eine Nachhutaktion gegeben, wenn sie den Massen Perspektive geboten hätten. Aber die geforderten Opfer standen in keinem Verhältnis zu dem, was die ArbeiterInnen erreichen würden; für die Kapitalisten war es eine Situation von: bei Kopf gewinnen wir, bei Zahl verlieren die ArbeiterInnen. Sie konnten einen Zusammenstoß riskie­ren. Wenn die Reaktion der Massen zu stark wäre, könnten sie schnell Herriot an die Stelle von Daladier setzen, was die KP zufriedengestellt hätte: die selbe Par­tei mit dem selben Programm wäre an der Macht gewesen, aber Beelzebub wäre durch den Teufel ersetzt. Notfalls könnten sie ein bisschen länger warten, bis die Stim­mung der ArbeiterInnen ab­geebbt wäre, und würden dann mit neuen Angrif­fen weitermachen. So gab es für die Bour­geoisie bei einer Kraftprobe nichts zu verlieren.

Für die ArbeiterInnen war die Lage genau umgekehrt. Selbst wenn sie gewonnen hätten, wären sie schnell wieder vor ge­nau der selben Lage gestanden. Daladier, der auf so feige Weise vor den faschisti­schen Rasierklingen kapituliert hatte, spielte den «starken Mann», wenn es zu Zusammenstößen mit den ArbeiterInnen kam. Er umzingelte die Fabriken mit den Maschinengewehren von bewaffneter Po­lizei und Soldaten. Die ArbeiterInnen hät­ten einen bewaffneten Konflikt riskiert, wenn die Forderung die Machtübernahme und daher die Umgestaltung der ganzen Lebensweise gewesen wäre; aber ein paar schäbige Reformen waren es nicht wert.

Die größte Ironie bei diesem Zusammen­stoß war, dass die Faschisten, die von Blum beschützt worden waren, solange er im Amt war, die ersten beim Streikbruch waren. Unter diesen Bedingungen began­nen die ArbeiterInnen, entmutigt zurück in die Fabriken zu gehen und der Streik brach zusammen (30. November 1938). Es war bemerkenswert, dass der Streik in den Gebieten am wenigsten Unterstüt­zung hatte, in denen die KP am stärksten war.

Der gesellschaftliche Konflikt wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs un­terbrochen. Daladier zog die Soziali­sten in die Regierung und führte unter Beteili­gung der reformistischen Führer eine Mili­tär- und Polizeidiktatur ein. Und die KP, die die ArbeiterInnen fünf Jahre lang mit den platten Parolen eines hirnlo­sen Chauvinismus vergiftet hatte, wech­selte mit dem Stalin-Hitler-Pakt schlagar­tig das Gesicht (aber nicht bevor sich Thorez bla­miert hatte, indem er sich freiwillig für den «Krieg gegen den Fa­schismus» für die Ar­mee gemeldet hatte — aus der er nach der Kehrtwende des Kreml ohne Erklä­rung desertierte).

Dies demoralisierte und verwirrte die Ar­beiterInnen und die Kapitalisten ließen eine Reihe von Unterdrückungsschlägen auf die Massen herniederregnen, die den Lebensstandard systematisch verringer­ten. Die Korruption und Degeneration der herrschenden Klasse, die Fäulnis des Of­fizierskorps, führten zum Durchbruch von Hitlers Armeen.

 

V. Die KP im Widerstand

Paris hätte verteidigt werden können, wenn die herrschende Klasse bereit ge­wesen wäre, die ArbeiterInnen zu bewaff­nen und zu organisieren. Aber die herr­schende Klasse wurde vom Gespenst der Pariser Kommune heimgesucht und zog die Kapitulation vor. Weygand erklärte das in einem Interview mit den «Daily Tele­graph» ziemlich mutig. So wurde die Fik­tion der «nationalen Verteidigung» ent­larvt! Die französischen Kapitalisten ver­standen unter dieser Losung nur Verteidi­gung der Interessen ihrer Klasse. Der Weg für die Militärdiktatur von Pétain wurde bereitet, eine Diktatur im Interesse des Kapitals und im Dienste der nationa­len Unterdrücker gegen die ArbeiterInnen und BäuerInnen.

Als die Deutschen in Paris einmarschier­ten, versuchte die Kommunistische Partei «L’Humanité» als legale Zeitung heraus­zubringen und schickte sogar einen Boten an das deutsche Militärhauptquartier in Paris, um das zu beantragen. Die Deut­schen behandelten diesen Boten mit Ver­achtung und verhafteten ihn sofort: so wurde Frankreich der Anblick einer legal unter der Schirmherrschaft einer faschi­stischen Besatzungsmacht erscheinenden «kommunistischen» Zeitung (während gleich­zeitig alle anderen Zeitungen der Linken unterdrückt waren) erspart!

Mit dem Angriff auf die Sowjetunion än­derte die KP erneut die Linie und trat für einen Kampf gegen die Nazis ein — oder, um genauer zu sein, gegen die Deut­schen insgesamt. Der Boden für diese Linie war günstig, die Massen hatten be­gonnen, sich von den früheren Ausver­käufen zu erholen und den Widerstand zu organisieren. Die revolutionären Marxi­stInnen au der anderen Seite riefen die deutschen Soldaten zur Solidarität mit den französischen Massen auf. Sie mach­ten eine sorgfältige Unterscheidung zwi­schen dem SS-Abschaum und den nor­ma­len deutschen Soldaten: «Tötet die SS, aber Solidarität mit den normalen deut­schen Soldaten gegen die Offiziers­kaste und den Nazi-Unrat!» Später im Krieg gaben die MarxistInnen eine Zeitung auf Deutsch für die deutschen Soldaten heraus und konnten Gruppen der deut­schen Armee gewinnen. Viele deutsche Soldaten wur­den gemeinsam mit franzö­si­schen Revo­lutionärInnen für diese Ver­brü­derung er­schossen, die die Nazis mehr als alles andere in Angst versetzte.

Die Stalinisten auf der anderen Seite ver­größerten mit ihrer rassistischen Propa­ganda gegen alle Deutschen die Schwie­rigkeiten der Widerstandskämpfer, indem sie trotz allem zur Solidarisierung der Be­satzungstruppen mit ihren reaktionären Offizieren beitrugen; viele der von den französischen ArbeiterInnen in der Resi­stance gemachten Opfer waren daher nutz­­los, trotz der Tapferkeit der Beteilig­ten.

Während sich der Krieg entwickelte, be­gann die Resistance zu wachsen und ver­breitete sich durch alle Teile der französi­schen Massen. Die Arbeiterklasse trug die Hauptlast des Kampfes — wie Claude Bour­det im «News Chronicle» (23. 5. 1958) zugab. Aber nicht nur die Arbeite­rInnen, sondern weite Teile der Mittelklas­se nahmen am Kampf teil. Eine Welle der Wut und Verachtung verbreitete sich nicht nur unter den ArbeiterInnen, sondern auch unter der Mittelklasse gegen die Trusts und Kartelle, die Generale und Bi­schöfe, die mit den Nazis zusammenar­beiteten. Die wirkliche Rolle der «Elite» in der Gesellschaft wurde entlarvt, als ihre morschen Parolen der «Vaterlands­ver­tei­di­gung» und «nationalen Einheit» zu Es­sig in ihrem Mund wurden und es sich zeigte, dass sie in Wirklichkeit «Vertei­di­gung der Profite und Privilegien der herr­schenden Klasse» bedeuteten. Diese Lo­sungen gingen jetzt nach hinten los und die Massen sahen ihre früheren Herrscher als Verräter und Vichy-Regierungsagen­ten der nationalen Unterdrücker.

Dieses Gefühl war so stark, dass das Programm der Resistance Maßnahmen der Enteignung der Trusts und Konzerne und des Vermögens aller versprach, die mit den Faschisten zusammengearbeitet hatten. Ein klares sozialrevolutionäres Programm hätte die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der FranzösIn­nen gewonnen.

Statt dessen verbreitet die KP die Legen­de von de Gaulle als «Retter», was der Linie von Moskaus Außenpolitik ent­sprach. Wie Marty und Tillon nach ihrem Aus­schluss 1952 enthüllt haben, war selbst ein Teil der Parteiführung, der emp­fänglicher für den Druck der Massen­bewegung war, in Opposition zur Politik des sozialen Ausverkaufs. Die MRP (Re­pub­likanische Volksbewegung) trat als Ergebnis der Diskreditierung der alten Radikalsozialisten als die Partei auf, die die Bedürfnisse der BäuerInnen und Mit­telschicht ausbeutet — eine Partei, die manchmal gezwungen war, so zu tun, als stünde sie gegen den Kapitalismus, mit einem Programm, das dem von den So­zialisten und Kommunisten vorgebrachten ähnelte. Die Stalinisten führten die Bewe­gung der Massenunzufriedenheit in die Kanäle der Klassenzusammenarbeit und Volksfront. Das Drehen und Wenden der Mittelklasse war ein Symptom der revolu­tionären Krise in Frankreich.

 

VI. Die Nachkriegsauf­wallung

Die «Befreiung» hob den Deckel über den Klassenkampf an. Sie wurde teilweise durch den Aufstand der Pariser Massen (August 1944) erreicht. In der Tat rückten General de Gaulles Kräfte mit rasendem Tempo nach Paris vor, um die Möglich­keit einer neuen Kommune zu verhindern. Bei den ersten Parlamentswahlen 1945 spiegelten sich die Verschiebung in den Klassenbeziehungen und die Verände­rung in der Psychologie der Massen wi­der. Faschismus und Kapitalismus waren völlig diskreditiert und die rechten Partei­en wurden vernichtend geschlagen. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die KP zur stärksten Partei und Sozialisten und Kommunisten hatten zusammen die Mehrheit (51 Prozent) der Stimmen: ein höherer Anteil als ihn die Labour Party etwa zur selben Zeit erreichte (48 Pro­zent).

Der rechte Flügel, angeführt von der kleri­kalen Reaktion, war gezwungen, sich um die MRP zu sammeln, wie sich nach dem Februar 1917 unter ähnlichen Umständen ihr russisches Gegenstück um die Konsti­tutionellen Demokraten (Ka­detten) grup­piert hatte. Die Rechte musste eine «lin­ke», «sozialistische» Färbung anneh­men, um die Unterstützung von Klein­bäuerIn­nen und rückständigen katholi­schen Ar­beiterInnen zu behalten. Grad­messer der Krise war, dass die KP die Unterstützung der überwältigenden Mehr­heit der Arbei­terInnen hatte und fünf Mil­lionen Stim­men bekam. Große Teile der Mittelschicht schwenkten zur SP. Die symptomatische Bedeutung davon zeigt sich darin, dass selbst in der revolutionä­ren Krise 1936 die Arbeiterparteien noch in einer Minderheit waren.

Ein weiterer unwiderleglicher Beweis, dass Frankreich 1944-45 überreif für die Revolution war, besteht darin, dass zum ersten Mal die Mehrheit der ArbeiterIn­nen in Gewerkschaften organisiert war. Dies ist etwas, was unter dem kapitalisti­schen Regime in keinem anderen Land zu keiner anderen Zeit erreicht wurde: Lenin selbst wies darauf hin, dass solch ein Zu­stand unter dem Kapitalismus prak­tisch unmöglich sei. Die Stimmung der Arbei­terInnen war tatsächlich so, dass die KP die Führung der CGT (des französi­schen DGB) übernahm und so sowohl die offi­ziel­le als auch die «inoffizielle» (Fa­brik­ko­mitees etc.) Bewegung der fran­zösi­schen Arbeiterklasse führte. Ange­sichts der re­vo­lutionären Welle war die kapitali­stische Reaktion hilflos.

Eine revolutionäre Politik von Seiten der Arbeiterparteien hätte einen Klassensieg festgemacht, der wiederum eine Feuers­brunst entfacht hätte, die sich über Euro­pa ausgebreitet hätte, einschließlich Groß­britannien. Frankreich hätte einmal wieder an der Spitze der revolutionären Kräfte auf der ganzen Welt stehen kön­nen.

Großbritannien und Amerika wären nicht in der Lage gewesen, einzugreifen. Die ame­rikanischen und britischen Truppen waren kriegsmüde und sehnten sich nach Hause zu ihren Familien, wollten «raus»; nicht nur das — sie waren selbst, wie die deutschen Soldaten vor ihnen, von der Agitation-Propaganda der Revolution an­gesteckt (die Russland 1917). Dieser Punkt wird unterstrichen durch den Um­stand, dass die USA später nicht in der Lage waren, direkt gegen die chinesische Revolution einzugreifen: wenn nicht in China, um wie viel weniger dann in Frank­reich.

Die herrschende Klasse musste auf Zeit spielen. Sie waren in einer ähnlichen Stel­lung wie der, die sie 1936 innehatte, ab­ge­sehen davon, dass sie — zumindest vor­übergehend — viel schwächer war. Le­nin wies oft darauf hin, dass die Kapi­tali­sten sich in solchen Zeiten als Hilfe ei­ner Koalition mit den Arbeiter- und Ge­werk­schaftsführern zuwenden. Aber diesmal war die verderblichste Rolle den Führer der sogenannten «Kommunisti­schen» Par­tei vorbehalten.

In diesem Stadium hätte de Gaulle nicht mal eine Mehrheit der MRP für ein Pro­gramm der bonapartistischen Diktatur kriegen können. Als Folge trat er zurück und wartete die Ereignisse ab. Die KP nahm an einer «Regierung der nationalen Einheit» teil, in der es nebenbei 11 kapi­talistische Minister gegenüber 10 aus den Arbeiterparteien gab.

Die Massen hatten immer noch gewaltige Vertrauen in die Kommunistische Partei. Noch 1947 demonstrierten Hunderttau­sende PariserInnen für die Partei. Aber im Namen der «nationalen Einheit» nahm die KP am einer Regierung teil, die einen Krieg gegen Indochina führte, verantwort­lich für das Abschlachten des algerischen Volks, das Massaker auf Madagaskar und alle anderen Kolonialgräuel des französi­schen Imperialismus war. Sie handelten als die schlimmsten Streikbrecher und hielten die Bewegung in den Fabriken zu­rück. Später begannen sie Opposition in Worten. Wie Marcel Cachin es ausdrück­te, fürchteten sie «links überholt zu wer­den».

Dann wurden die KP-Minister, nachdem sie ihre Streikbrecher-Rolle beendet hat­ten, ohne viel Federlesens 1947 aus der Regierung geschmissen. Aber für den Rest des Jahres wirkten sie als «loyale Opposition», bis es nach der Bildung der Kominform im Oktober 1947 eine neue Wendung des Kreml gab.

 

VII. De Gaulles erster Griff nach der Macht

«Was auch immer die gegenwärti­ge Bibel des Kleinbürgertums ist, Macht ist immer sein Gott.» (Col­vin R. de Silva, Socialism Re­af­fir­med [Sozialismus bekräf­tigt]).

Inzwischen versuchte de Gaulle unter dem Namen der Sammlung des Franzö­sischen Volkes seine eigene «Gesell­schaft des 10. Dezember» zu gründen. Die Sammlung schaffte es, bei den Kommunalwahlen 1947 40% der Stim­men zu gewinnen und bei den Par­la­mentswahlen 1951 einen ziemlich gro­ßen Prozentsatz. Aber die Stärke der Ar­bei­terklasse war damals zu groß. Der Mittel­schicht-Kader der Sammlung war nicht bereit, zur Unterstützung seines Idols auf den Straßen zu kämpfen. Der entschei­dende Teil der herrschenden Klasse woll­te Frieden, um die Profite zu genie­ßen, die der zunehmende Boom brachte, und war nicht bereit, einen politi­schen Aben­teurer zu unterstützen, finan­ziell oder sonstwie; sie fürchteten sich, dem unkal­kulierbaren Risiko des Bürger­kriegs ins Auge zu sehen, in dem der Sieg keines­wegs sicher ihnen gehören würde.

Die Gesetze der Revolution und Konterre­volution sind in diesem Punkt die selben. Vielleicht sind zwanzig Jahre Kampf ge­gen den Kapitalismus notwendig, um die Verzweiflung und Entschlossenheit der ArbeiterInnen aufzubauen, das System zu zerstören. Aber ihrer ganzen Natur nach kann eine revolutionäre Lage nicht an­dauern. Wenn die Führung der Arbeiter­klasse von der Möglichkeit zur Macht­über­nahme keinen Gebrauch macht — eine Gelegenheit, die vielleicht nur ein paar Tage dauern kann — kann die Chan­ce verloren sein und viele Jahre kön­nen vergehen, bis sich eine neue Ge­le­gen­heit ergibt. Denn die Arbeiterklasse wird demoralisiert und neigt dazu, den Mas­sen die Schuld an der Katastrophe zu geben, weil sie die Gründe der Niederlage nicht versteht, und sich erneut unter das Joch des Kapitalismus zu beugen.

Die Entwicklung der Konterrevolution folgt einem ähnlichen Weg. Wenn die Konter­revolution die Aufwallung der Massen der Mittelklasse nicht nutzt, die von der Lin­ken desillusioniert sind und sich dem «Gro­­­ßen Mann» als Retter zuneigen, kann das für sie den Verlust der Gelegen­heit zur Machtergreifung bedeuten.

De Gaulles Versagen 1951, die Macht nicht zu ergreifen, bedeutete eine Pleite für seine Hoffnungen für eine ganze Peri­ode — nicht dank der blassrosa Kom­promissler in den Sozialistischen und Kommunistischen Führungen.

Die Instabilität der Vierten Republik ist weitergegangen. Trotz dem Boom ist der Niedergang des französischen Kapitalis­mus weitergegangen. Der Versuch, Frank­­­reich zu «modernisieren», ging weit­gehend zu Lasten der Mittelklasse und der bäuerlichen Massen. Ein Sym­ptom für diese Krise war die fortgesetzte Suche dieser Klasse nach ihrem Messias — erst de Gaulle, dann (teilweise) Pou­jade.

Während einem beachtlichen Teil dieser Periode (1948-1952) rief die KP alle Arten von abenteuerlichen Streiks und Demon­strationen auf antiamerikanischer Grund­lage hervor und schickte ihre Leute wie der «große alte Herzog von York» den Hügel herauf und wieder herunter, ohne ihnen auch nur eine Perspektive zu bie­ten, um die beständig von den Parteiun­terstützerInnen verlangten Opfer zu recht­fer­ti­­gen — die Machteroberung. Als Er­geb­nis ebbte die Arbeiterbewegung im­mer mehr ab. Nachdem die KP in einer Stel­lung gewesen war, in der durch ihren Aufruf Millionen ArbeiterInnen auf die Stra­ße ge­bracht werden konnten, kam jetzt eine Zeit, in der die Partei froh war, wenn sie 10.000 mobilisieren konnte.

Dies sind die Ereignisse, die den Weg für die gegenwärtige Lage in Frankreich be­reiteten.

Der französische Imperialismus ging aus dem Krieg geschwächt und entkräftet hervor. 20 Jahre lang hatten die französi­schen Armeen nichts als Niederlagen er­litten. Als eine Folge der antiimperialisti­schen Aufwallung nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Frankreich Syrien, den Li­banon und Indochina und die direkte Kon­trolle von Marokko und Tunesien verloren.

In jedem Fall war die gierige und kurz­sichtige herrschende Klasse erst durch einen gewaltigen Kampf der Kolonialvöl­ker hinausgezwungen worden. Allein in Indochina waren die Kriegskosten für Frankreich mehr als die Wirtschaftshilfe, die sie von den USA erhielten. All dieses Blut und Geld wurde vergebens vergos­sen und der französische Imperialismus war zum Rückzug gezwungen. Das Suez-Abenteuer wurde unter amerikanischem Druck zu einer unrühmlichen Katastrophe.

Aber all diese Verluste verblassen zur Bedeutungslosigkeit im Vergleich zu dem möglichen Verlust Algeriens. Der franzö­sische Imperialismus hätte vielleicht nach seiner Erfahrung in Vietnam, Tunesien und Marokko eine Art Kompromiss mit den algerischen NationalistInnen vorge­zogen. Aber ironischerweise war Algerien genau der Ort, wo so ein Kompromiss im kapitalistischen Rahmen am wenigsten möglich war. Die Interessen der Groß­grundbesitzer und Kapitalisten in Algerien standen in unversöhnlichem Konflikt mit der steigenden Flut der algerischen Un­abhängigkeitsbewegung.

Unter dem Druck dieser «Colons» wurde ein Kolonialkrieg nach klassischem Mu­ster gegen das algerische Volk geführt, der an Gewalt, Folter, Mord, Vergewalti­gung alle vergangenen Scheußlichkeiten des Imperialismus übertraf: ein Krieg, der seinen Schatten über die letzten drei Jahr geworfen hat, ein Krieg, der Frankreich um die Summe von 600 Millionen Pfund und mehr pro Jahr ausblutet.

Zu den tragischsten Elementen in dieser Lage gehörte die Tatsache, dass der al­gerische Krieg die Grundlage für einen erneuten Kampf gegen das Regime in Frankreich in Solidarität mit dem algeri­schen Volk hätte dienen können. Wenn solch ein Kampf geführt worden wäre, hätte er die Siedler in Algerien spalten und die untere Mittelklasse und die klei­nen Landeigentümer für die Forderung nach einem sozialistischen Algerien ge­winnen können, das brüderlich und mit vol­len Rechten (einschließlich dem auf Los­trennung) mit einem sozialistischen Frankreich verbunden ist.

Aber die Passivität der Kommunistischen Partei und der Sozialistische Verrat, bei dem Mollet und seine Freunde den Krieg unterstützten und sogar verstärkten, nach­dem sie auf der Grundlage eines Programms von Frieden in Algerien an die Macht gekommen waren, bedeutete, dass der Krieg auf beiden Seiten ein gräßlicher Vernichtungskampf wurde. Die Colons wurden zu einer reaktionären Mas­se geschmiedet und die algerischen Freiheitskämpfer auf ein rein nationalisti­sches Programm zurückgeworfen.

Die erste Reaktion der wieder einberufe­nen Reservisten und der einberufenen Wehrpflichtigen, die in Algerien Dienst machen sollten, war aktive Opposition — Demonstrationen, das Anhalten von Zü­gen, Streiks und Agitation gegen den Krieg (Henri Martin). Aber es gab keine Massenkampagne gegen den Krieg wie die 1925 gegen den Krieg in Marokko ge­führte — und das zu einer Zeit, wo die KP hundertmal stärker war. Alles, was die KP machte, war Opposition in Worten «fürs Protokoll», die nicht mit der tägli­chen Ar­beit der Partei verbunden war. Nicht nur das, sondern der schändliche Verrat von Thorez und Duclos wurde schlaglichtartig erhellt, als sie für die Kriegskredite der Mollet-Regierung stimm­ten. Die Führer passten die Tätig­keiten ihrer Partei dieser Abstimmung an — und nicht ihrer «anti­kolonialistischen» Phrasendrescherei.

 

VIII. Verschwörung in Algier

«Der Reis ist gut gekocht — wir sollten ihn essen.» (Radio Algier, 26. Mai 1958).

Die Quittung für dieses Verbrechen sind die jüngsten Ereignisse in Algerien. In Al­gerien sind alle Arbeiterorganisationen seit langem verboten. Um den Krieg zu führen, hat die französische Armee und vor allem die Fallschirmjäger in den von ihnen beherrschten Gebieten einen Schreckenskrieg geführt. Die Fallschirm­jäger haben sich als Prätorianergarde enthüllt, ähnlich Hitlers SA, mit Massu als ihrem Röhm. Sie wurden zu einer gehär­teten Kraft von Folterern, Vergewaltigern, Mördern, die zu allem bereit sind.

In der Zwischenzeit waren die Ar­bei­ter­par­teien unfähig, eine Lösung für die Probleme der französischen Gesell­schaft zu geben; das Offizierskorps fing an, sei­ne Unzufriedenheit über die halben Maß­nahmen der einander ablösenden fran­zö­sischen Regierungen immer mehr zum Aus­druck zu bringen. General Massu ent­hüllte das Denken dieses Korps naiv in einem Interview mit Randolph Churchill vom «Evening Standard»: «Die Armee hat die letzten 20 Jahre eine Niederlage nach der anderen erlitten. Es ist alles die Schuld der Politiker, die den Generalen keine freie Hand geben.»

Diese Leute brennen vor Sehnsucht, die Arbeiterorganisationen und ihre Rechte zu zerstören, die bei jeder Gelegenheit ihre Pläne durchkreuzen. Massu und Co glau­ben, dass diese Organisationen einem «Großfrankreich» im Weg stehen.

In dieser Atmosphäre wurde der Boden für einen Putsch bereitet. Die Verschwö­rer stützten sich auf die Furcht der Colons vor einem Abkommen der herrschenden Klasse in Frankreich und der algerischen nationalistischen Bewegung und bereite­ten ihre Pläne vor.

In Frankreich wurde das Regime von ständigen Krisen erschüttert: ein Minister­präsident folgte dem anderen, ohne dass irgend eins der Probleme gelöst wurde. Das Parlament wurde durch den Konflikt zwischen den offenen Vertretern des Ka­pitalismus und den Abgeordneten lahm­gelegt, die in völlig verzerrter Form die In­teressen der Massen widerspiegeln. In der letzten Krise wurden von den Sied­lern in Algerien die Vorbereitungen für ei­nen Staatsstreich getroffen — Vorberei­tungen, an denen der Erzverschwörer de Gaulle selbst direkt beteiligt war. Eine Woche vor dem Ausbruch in Algerien ging Leutnant Neuwirth direkt von Gene­ral de Gaulle in Massus Hauptquartier.

Die Siedler organisierten Demonstratio­nen in Algier, wobei sie als Entschuldi­gung die Hinrichtung von drei französi­schen Soldaten durch die FLN nahmen — eine Antwort auf zahlreiche Hinrichtungen und Folterungen durch die Franzosen. Ohne wirkliche Opposition durch die Poli­zei marschierten sie zum Gouverneurspa­last. Dann schlossen sich ihnen die Fall­schirmjäger an, die angeblich in Algier sind, um die Ordnung aufrecht zu erhal­ten, und halfen bei der Plünderung des Gebäudes. Sofort erschien General Mas­su auf dem Balkon des Gouverneurs­ge­bäu­des und kündigte die Bildung eines «Ko­mitees der öffentlichen Sicherheit» an. Dabei unterstützte ihn Raoul Salan, der Kommandeur der französischen Streit­kräfte in Algerien.

Sie nutzten den Umstand, dass es keine Regierung in Frankreich gab und forder­ten, dass Pflimlin (einer der MRP-Führer) nicht als Ministerpräsident vereidigt werde und dass Präsident Coty General de Gaulle als Chef einer «Regierung der öf­fentlichen Sicherheit» an die Macht beru­fen solle. Es war beabsichtigt, dass die Bewegung gleichzeitig in Paris und Algier stattfinden solle. Der rechte Abschaum demonstrierte auf dem Champs Elysées für eine von de Gaulle geführte Regie­rung. Wie 1934 wollten sie die Abgeord­ne­ten einschüchtern und so zur Änderung der Regierung zwingen. Aber sie waren noch schwächer als die faschistischen Rasiermesserbanden von 1934. In die­sem Stadium gibt es keine Bewegung für eine faschistische Massenbewegung in Frankreich: alles, was sie in ganz Paris mobilisieren konnten, waren 6.000 Leute, die unter den Schlägen der Polizei feige davonrannten.

Die Bewegung in Algier schien isoliert zu sein. Der Putsch war gescheitert. Der «tap­­­fere» Massu und General Salan er­klärten, dass sie in diese Stellung ge­zwungen worden seien und nur «den Auf­ruf» akzeptiert hätten, die Ordnung zu bewahren. Admiral Auboyneau, der schon einmal die Seite gewechselt hatte, wech­selte sie erneut und erklärte seine Loyali­tät gegenüber Paris. Zwei Mitglieder des Generalstabs wurden verhaftet und der Chef des Generalstabs trat zurück.

An diesem Punkt griff General de Gaulle ein und erklärte, er werde die Macht übernehmen, «wenn ich gerufen werde». Diese Erklärung rief die Aufständischen in Algier zusammen — das war in der Tat ihr Zweck. Sie gab den reaktionärsten Elementen in Frankreich neuen Mut.

Die drei Gewerkschaftsdachverbände ga­ben als Reaktion auf die alarmierte Stim­mung der ArbeiterInnen einen Gene­ral­streiksaufruf heraus, für den Fall dass es irgendeine Bedrohung der verfas­sungs­mä­ßigen Ordnung gebe. In der Zwi­schen­zeit wurde Pflimlin schnell ins Amt einge­führt. Eine Sache war klar: dies war eine Krise, in der das ganze Schicksal des Re­gimes auf dem Spiel stand.

In dieser Lage verhielten sich nicht nur die Sozialisten nach klassischem sozial­demokratischen Muster, sondern auch die selbsternannten «Leninisten» der KP ka­pitulierten vor allen parlamentarischen Il­lusionen, vor denen Lenin so hartnäckig gewarnt hatte. Sie sagten, sie würden handeln, «um de Gaulle den Weg zu ver­sperren», und stimmten für die Pflimlin-Regierung und die Ausrufung eines Aus­nahmezustands, der alle Versammlungen und Demonstrationen verbot. Aber die Führer der französischen KP hatten sei­nerzeit (zu recht) zu den lautstärksten Kritikern der deutschen Sozialdemokratie gehört, als sie für Hindenburg stimmte, «um Hitler aufzuhalten» und die Notver­ordnungen von Brüning, dem Führer des katholischen Zentrums (dem deutschen Gegenstück zur MRP), als «kleinerem Übel» gegenüber dem Nazismus unter­stütz­te.

Der einzige Weg, de Gaulle aufzuhalten, ist die außerparlamentarische Mobilisie­rung der Arbeiterklasse, die die plebeji­schen Massen hinter sich zieht.

Die «kleine Pflaume» hat sich der Unter­stützung, die ihm Sozialistische und Kom­munistische Partei gegeben haben wahr­lich «würdig» erwiesen. In der Hitze der Bewegung hat Pflimlin den Aufstand der Generale angeprangert. Aber die grund­le­genden Klasseninteressen des franzö­si­schen Kapitalismus schrieben ei­nen an­deren Kurs vor. Der nackteste Hochverrat wurde duldsam akzeptiert und Pflimlin versuchte, den meuternden Ab­schaum zu besänftigen, indem er dessen Programm übernahm: Krieg auf Leben und Tod in Al­gerien, Schritte zur Diktatur durch «Stär­kung» der Regierung, Kastrie­rung des Parlaments und so weiter.

Dann hatten wir in der Tradition der fran­zösischen Schlafzimmerkomödie das Schauspiel, dass die KP-Führer Pflimlin baten, Pflimlin Salan bat, Salan de Gaulle bat und de Gaulle um die Macht bat.

Wenn die Pflimlin-Regierung auch nur aus einem «demokratischen» Blickwinkel des kleinsten Vertrauens würdig gewesen wäre, hätte sie Algerien sofort den Nach­schub abgeschnitten, die Generale ge­äch­tet und an die 350.000 Wehrpflich­ti­gen in Algerien appelliert, sie zu verhaf­ten und den Behörden zu übergeben.

 

IX. Gaullismus ohne de Gaulle

«Man kann mit spektakulären De­monstrationen ohne positive Fol­gen nicht wirksam kämpfen. Der Kampf gegen politische Knecht­schaft kann kaum von denen ge­führt werden, die im Kampf um das Brot versagt haben.» (J. Ber­lioz, World News and Views, 9. Juli 1938).

Statt dessen vertat die Regierung ein Programm von «Gaullismus ohne de Gaulle». Mit den Worten des Reporters Randolph Churchill, den man keiner Vor­urteile zu Gunsten der Arbeiterklasse oder auch nur konsequenter Demokratie be­schuldigen kann, «ist das beispielloseste Ereignis in der Geschichte passiert. Meu­ternde Generale wurden nicht wegen ihrer Verbrechen angeprangert, sondern tat­sächlich bestärkt.» Und wenn die ver­wirr­ten Truppen von Bord gingen, wurden sie von Vertretern des Komitees der Öf­fentli­chen Sicherheit empfangen, die sie einer Propaganda-Kanonade über den Laut­sprecher unterwarfen.

Als General Franco seinen Aufstand in Marokko gegen die gewählte spanische Regierung organisierte, musste Pflimlins Gegenstück Azaña aus Furcht vor der Reaktion der Massen heimlich mit den Aufständischen verhandeln. Vom Stand­punkt der spanischen Bourgeoisie war das berechtigt, wie sich im Massenaus­bruch der spanischen ArbeiterInnen zeig­te, als die Nachrichten vom Aufstand der Generale erreichten. Was sind dann die französischen Sozialistischen und Kom­mu­nistischen Parteien wert, wenn Pflimlin sich den Luxus erlauben kann, ähnliche Verhandlungen offen zu führen.

Massu hat symbolisch die Maschinenpi­stole auf den Tisch geknallt und die Sa­che klar formuliert. «Pflimlin hat entweder die Unterstützung durch uns oder die Kommunisten; und er zieht uns vor.»

Das ist die Bilanz der französischen «kom­­munistischen» Führung. Die briti­schen KP-Zeitungen «Daily Worker» und «World News» haben offensichtlich Schwie­rigkeiten, den Ausverkauf ihren Mitgliedern zu vermitteln. Sie haben ver­sucht, die ganze Schuld für den Verrat der Sozialistischen Partei zu geben. «Es ist das Ergebnis des Versuchs, die natio­nale Befreiungsbewegung in Algerien zu unterdrücken, der von den einander fol­genden französischen Regierungen mit der vollen Unterstützung der französi­schen Sozialistischen Partei durchgeführt wurde … Wie bei vielen Gelegenheiten vor­­her stützen sich die SP-Führer faktisch auf die Rechte — und dies bedeutete, den Faschisten den Weg zu bereiten.» («World News», 24. 5. 58) Wir können diese Leute fragen: was um alles in der Welt macht die Kommunistische Partei, wenn sie für Pflimlin und Co stimmt?

Die volle Perfidie der stalinistischen Füh­rung enthüllt sich in einer weiteren Pas­sage. Die «World News» weisen zu Recht darauf hin: «Die französischen Ereignisse haben erneut den Charakter des Staats unterstrichen als im Wesentlichen be­waffnete Kräfte, die mit den tatsächlichen Herrschern Frankreichs verbunden sind — den Interessen des Großkapitals, de­ren einzige Sorge es ist, ihren Reichtum und ihre Privilegien aufrecht zu erhalten. Der unmittelbare Anlass des Abfalls der Generale war Algerien, aber wir dürfen nicht vergessen, dass de Gaulle eine fa­schistische Lösung für das französische Großkapital suchte, bevor Algerien eine akute Frage wurde.»

Diese Charakterisierung des Staates ist richtig. Marx und Lenin haben die Tatsa­che hervorgehoben, dass der Staat letzt­lich auf bewaffnete Formationen von Menschen reduziert werden kann. Die Of­fizierskaste ist dann die Hauptstütze des  kapitalistischen Staats. Wenn die Ka­pi­ta­li­sten gegen sie vorgehen würden, würden sie ihr eigenes Herrschaftsinstru­ment zer­stören. Der Weg zur Machtüber­nahme durch die ArbeiterInnen würde sich öff­nen.

Aber schon im nächsten Absatz fährt «World News» mit genau der entgegen­gesetzten Annahme fort.

«Jetzt fordert die Pflimlin-Regierung die Generale auf, ihr loyal zu dienen, und hat ein paar hohe Offiziere von ihren Posten entfernt; aber man muss erst sehen, wie weit die Militärführer schon entschlossen sind, de Gaulle zu unterstützen. Die Poli­zei scheint bisher die Befehle der Regie­rung auszuführen, aber es ist wohlbe­kannt, dass die Polizeichefs Faschisten sind.»

Als ob die Generale nicht mit de Gaulle unter einer Decke steckten und als ob Pflimlin sich anders verhalten würde! Die Pflimlin-Regierung war gegenüber dem Verrat der zwei Generale so «streng», dass die zwei Generale ihrer Posten ent­hoben wurden, statt verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden, um dann wie die meuternden Poilus von 1917 we­gen Hochverrats erschossen zu werden. Sie wurden in verschiedene Teile Frank­reichs geschickt, wo sie mit ihren Freun­den — anderen hohen Offizieren — zu­sammenleben und sich nach Herzenslust verschwören können. Die Polizei war so «loyal», dass der Gaullist Soustelle aus ih­rem «Gewahrsam» entkam, um sich an die politische Spitze der rebellierenden Sied­ler zu stellen.

Diese Pflimlin-Regierung, die angeblich de Gaulle den Weg versperrt, hat ihm und den revoltierenden Generalen Boten ge­sandt, als ob die die Regierung wären und die Regierung ein Orden von Bettel­mönchen, der um Vergünstigungen bittet. Statt de Gaulle als den Hauptmeuterer und Erzverschwörer zu verhaften, bitten sie ihn, zwischen den Meuterern und ih­nen zu vermitteln. Natürlich werden de Gaulle und die Meuterer ermutigt, um so mehr auf «Anpassungen» zu ihren Gun­sten zu drängen. Wie könnte es anders sein? Denn es ergibt sich gesetzmäßig aus der Klassengesellschaft und … aus der kriminellen Politik der Sozialistischen und stalinistischen Führungen.

Wenn es einen Putsch gibt, dann zieht es die herrschende Klasse natürlich vor, dass er auf «kalte» Weise stattfindet, wo­durch nicht die Zerstörung von Eigentum droht oder der Machtverlust riskiert wird. Aber die Politik der feigen Unterstützung Pflimlins, diesem elsässischen Hund, der wie ein geprügelter Köter vor seinem Herr­chen, dem General kriecht, kann in den herrschenden Kreisen die Idee ermu­tigen, dass ein Übergang zu einem bona­partistischen Regime auf genau so eine «kalte» Weise ohne irgendwelche unlieb­samen Ereignisse auf den Straßen ge­schehen kann. Es ist eine Wiederholung des 18. Brumaire, bei der die Sozialisten und Stalinisten die Rolle der demokrati­schen Clowns von 1848 spielen.

Gewisse Sozialisten — Mollet und Laco­ste, von denen der letzere ein direkter Mitschuldiger der Verbrehen der algeri­schen Clique ist — hoffen, der linke Flü­gel eines solchen Bonapartismus zu wer­den. Andere, die empfänglicher für den Druck ihrer Basis sind, sind bereit zum «Kampf», um die Machtübernahme durch die Generale zu verhüten.

Und die Politik der Kommunistischen Füh­rung spielt genau dem bonaparti­schen Flügel der Sozialisten in die Hände. Das ergibt sich teilweise aus ihrer Ab­hän­gigkeit vom Kreml, teilweise aus purer Un­fähigkeit, teilweise aus ihrer langen Geschichte von Verrat über dreißig Jahre hinweg, teilweise, weil aus all diesen Grün­den ein zum Kämpfen fähiger Kader nicht herausgebildet wurde und nicht her­ausgebildet werden konnte.

Diese Verräter erniedrigen sich in der Na­tionalversammlung und dem Senat sogar so weit, dass sie zusammen mit den Fa­schisten die Armee und ihre Offiziere bei ihrer Zivilisierungsmission in Nordafrika feiern! Das ist kaum der Weg, den Arbei­terInnen den Klassencharakter dieser Ar­mee zu erklären oder sie auf einen Kampf auf Leben und Tod mit deren Offizierska­ste, den Agenten der herrschenden Klas­se, vorzubereiten. Es ist im Gegenteil der Weg, die ArbeiterInnen zu demorali­sieren und irrezuführen und den Weg für die Nie­derlage zu bereiten.

Und doch ist, abgesehen von der ober­sten Führung, selbst das Leben der Mit­glieder der KP in Gefahr. Die oberste Füh­rung kann immer nach Moskau flie­hen — das ist schon vorher passiert! Aber die Mitgliedschaft und selbst die mittlere und untere Schicht der Parteifunktionäre muss bleiben und unter dem Stiefel eines bonapartistischen Diktators leiden. Sie sollten keine Illusionen über das Schick­sal haben, das für sie bereitgehalten wird. Sie sollten sich an die Worte von Henri Allegs Folterer erinnern, die er in seinem Buch «La question» zitiert: «Was wir hier machen, werden wir in Frankreich ma­chen. Wir werden es mit eurem Duclos und euren [sic] Mitterand machen. Wir werden mit ihnen machen, was wir mit euch machen. Und eure Hure von Repu­blik wird auch in die Luft gesprengt wer­den» (dies sind die Worte von Leut­nant Irulin).

Wenn die Führer der KP auch nur zu ei­nem Prozent LeninistInnen wären; wenn sie sich nur auf die Geschichte Frank­reichs stützen würden, wäre ihre ganze Politik das Gegenteil dessen, was sie jetzt vorschlagen. Die Revolte der Generale ist nicht irgendein unglücklicher Zufall, der nur durch die Probleme in Algerien verur­sacht würde, sondern in der ganzen Klas­senstruktur und der gegenwärtigen Stel­lung des französischen Kapitalismus ver­wurzelt. Wenn Algerien nicht «zum Glück» zufälligerweise als Vorwand bei der Hand gewesen wäre, hätten die Ge­ne­rale irgend einen anderen Vorwand ge­funden, um gegen das Regime vorzuge­hen und das zu zerstören, was von der wirklichen Bedrohung für sie bleibt: die Abeiterorganisationen.

 

X. Der bloßgelegte Staat

Lenin wies bei der Behandlung der Lehren des Boulangismus darauf hin, wie beim Kampf zur Verteidigung der demokrati­schen Rechte und Freiheiten die ganze Klassenstruktur der kapitalistischen Ge­sellschaft bloßgelegt und die Massen zum Übergang zur sozialistischen Revolution vorbereitet werden könnten. Es ist jetzt sicher mehr denn je notwendig, die Arbei­terInnen in der Tradition des Marxismus-Leninismus immer wieder zu warnen: Verlasst Euch auf Eure eigene Einigkeit, Eure eigenen Organisationen, Eure eige­ne Stärke. Niemand kann, niemand wird Euch helfen, wenn Ihr Euch nicht selbst helfen könnt und werdet.

ArbeiterInnen! Es gibt keine Kraft auf Er­den, die gegen Euch standhalten kann, sobald Ihr organisiert seid, sobald Ihr Euch zum Handeln vorbereitet!

Aber für dieses Handeln müssen sich die ArbeiterInnen nicht weniger ideologisch als materiell vorbereiten. Das eine ist so wichtig wie das andere. Es ist nutzlos, schlimmer als nutzlos, wenn die Arbeite­rInnen ihr Vertrauen in ein parlamentari­sche Clowns setzen, ein paar Akrobaten, die ein paar lächerliche Purzelbäume vor dem General, dem Schiedsrichter, ma­chen! Der Kampf gegen den Bonapartis­mus ist in der Hauptsache ein außerpar­lamentarischer Kampf: Gewalt muss man mit Gewalt begegnen!

Wenn die KP-Führung aus KommunistIn­nen bestünde, würde sie erklären, dass die ArbeiterInnen und ihre Verbündeten in den Mittelschichten und der Bauernschaft die einzige Kraft sind, die für Demokratie steht — bis zum Ende. Laut «Daily Ex­press» antwortete der Innenminister Moch auf ein paar Luftwaffenoffiziere, die mit einem Aufstand auf dem französischen Festland drohten, um sie zu erschrecken, indem er ihnen sagte, dass er 40.000 Bergarbeiter bewaffnen würde. Wenn die KP-Führer etwas taugen würden, hätten sie dies zum Ausgangspunkt ihrer Agitati­on gemacht. Bewaffnet die ArbeiterInnen! Das ist die einzige sichere Garantie ge­gen jede Verschwörung von Seiten der Generale oder von irgend jemand sonst. Bildet Arbeiterverteidigungsgarden!

Die überwältigende Mehrheit der Basis der katholischen und sozialistischen sind ebenso wie die kommunistischen Arbei­terInnen gegen den Sieg des Bonapartis­mus. Das Hauptproblem ist, die Massen zur direkten Aktion gegen eine solche Möglichkeit wachzurütteln, zu organisie­ren und vorzubereiten.

Wenn die Kommunistische Partei für Ein­heit auf der Grundlage eines wirklichen Aktionsprogramms auf dieser Grundlage eingetreten wäre, wäre es selbst fünf vor zwölf noch möglich gewesen, auf dieser Grundlage eine Einheitsfront zu bilden. Der Mollet-Flügel der Sozialisten würde isoliert, wenn er nicht auf die Forderung nach Bewaffnung der Arbeiterklasse rea­gieren würde. Es stimmt, dass der mon­ströse sowjetische Einmarsch in Ungarn und die brutale Unterdrückung der unga­rischen ArbeiterInnen die sozia­listischen und katholischen ArbeiterInnen miss­trau­isch machten, besonders da die französi­schen Führer die schlimmen Verbrechen des Stalinismus in Ungarn voll und ganz verteidigten. Aber der Gehorsam der KP-Führer gegenüber den Ikonen der ab­strak­­ten Demokratie und republikani­schen Tugend wird ihnen bei den Arbei­terInnen nichts einbringen. Man muss den Ar­bei­terInnen erklären, dass es um die Vertei­digung demokratischer Rechte geht — Redefreiheit, Organisationsfreiheit und so weiter.

Diese Rechte können in diesem Stadium nur mit Waffen in den Händen verteidigt werden. Und der einzige Weg zu ihrer Verteidigung ist letztlich die Enteignung der Millionäre, denen Presse, Radio, Ki­nos und andere Mittel zur Formung der öffentlichen Meinung gehören und die Überführung dieser Organe an die Arbei­terorganisationen gemäß ihrer Stärke und Unterstützung in der Arbeiterklasse. Der einzige Weg nicht nur zu Frieden und Wohl­stand, sondern zu wirklicher Freiheit führt durch die Arbeiterdemokratie — Ent­eignung der Produktionsmittel und ihre Be­tätigung unter einem Arbeiterplan unter der Beteiligung der ArbeiterInnen an der Verwaltung der Arbeitsplätze auf allen Ebe­nen und der Lenkung des Staates durch die Massen selbst.

Die Pflimlin-Regierung hat jedoch zur Fort­setzung des totalen Krieges in Algeri­en gegen das algerische Volk im Auftrag der Generale ein Programm der Verlän­gerung des Militärdiensts auf 27 Monate (eine Erhöhung um neun Monate), härtere Steuern und zwei fleischlose Tage in der Woche angekündigt. Solch ein Programm kann die ArbeiterInnen nicht begeistern, genauso wenig die BäuerInnen und die Mittelschicht. Es ist der Weg zur Demora­lisierung der ArbeiterInnen und der Vorbe­reitung eines schmerzlosen Sieges für den Gaullismus.

Die Mittelklasse und die bäuerlichen Mas­sen müssen gemeinsam mit den Arbeite­rInnen gegen dieses Programm der Pflim­lin-Regierung, gegen den Krieg in Alge­ri­en, gegen die Generale, gegen die Trusts mobilisiert werden.

An ihre Stelle muss man ein Programm im Interesse dieser Massen stellen: Strei­chung der Schulden, billige Kredite, billi­ger Dünger, staatliche Traktoren, Unter­stützung und Kredite für Kleinunterneh­mer, Ladenbesitzer und Freiberufler und so weiter.

Dieses Programm muss zusammen mit den schon erwähnten Forderungen in Be­zug auf die ArbeiterInnen kühn und mutig als der einzige Weg zur Rettung aufge­stellt werden. In geschichtlichen Maßstä­ben war es erst gestern, dass die Kom­munistische Partei die Sozialdemokratie in Deutschland verspottete, die schrie: «Handle, Staat, handle» — gegen Hitler. Der Staat handelte: Hindenburg warf die sozialdemokratischen Minister in Preußen auf die Straße. Die KP hatte damals eine ultralinke Politik, die falsch war, aber das einzige, was daran richtig war, war ihre Kritik an der Passivität der SPD-Führung, die sich darauf verließ, dass die staatli­chen Behörden Hitler den Weg versperren würden. Aber jetzt ist ihre Politik eine Ka­rikatur von der der Sozialdemokratie und kann, soweit es von ihnen abhängt, nur die selben Ergebnisse haben.

«Jetzt», sagt das Politbüro der französi­schen KP am 25. Mai «ist es Zeit für anti­faschistische Aktion. Es ist Zeit für die Regierung, die alle notwendigen Macht­mittel hat und von einer starken republi­kanischen Mehrheit unterstützt wird, sol­che Aktion zu beginnen.» («Daily Wor­ker», 26. Mai 1958)

Die Pflimlin-Regierung handelte auch — indem sie zurücktrat, um den Weg für de Gaulle zu bereiten.

Die KP und die CGT haben zusammen mit der CFTU (christliche Gewerkschaf­ten) einen Generalstreik angedroht, wenn ein Putsch in Frankreich versucht wird. Aber das ist zwar richtig, aber nicht ge­nug. Der Generalstreik ist kein Allheilmit­tel, der alles löst. Ein Programm für die Macht, wie es oben skizziert wurde, ist eine entscheidende Notwendigkeit als po­sitives Ziel für die Massen. Nicht nur das. Gegen die konterrevolutionären Komitee der Öffentlichen Sicherheit und auch als Massenhebel gegenüber dem Parlament, das vor den Generalen kapi­tulieren kann, müssen Aktionskomitees (die morgen Macht­organe sein können) errichtet wer­den, die örtlich und landes­weit mitein­an­der verbunden werden.

Diese Aktionskomitees müssen zur Bil­dung von ähnlichen Aktionskomitees der Matrosen, Soldaten und Luftwaffenange­hörigen in Frankreich aufrufen, um ihre Offiziere zu überwachen und zu schauen, dass sie keine konterrevolutionären Hand­lungen versuchen.

Die Kommunistische Partei hätte Agitati­on unter den Hafenarbeitern betreiben sollen, die Verladung von Waffen und Nachschub nach Algerien zu verweigern, und an die auf die Schiffe verladenen Wehrpflichtigen appellieren sollen, Akti­onskomitees in Verbindung mit den Arbei­terInnen in den Häfen zu bilden und sich zu weigern, nach Algerien zu gehen.

Wenn man die Klassenstellung der SP-Führung und die bürokratische Degenera­tion der KP-Führung nicht kennen würde, dann wäre es unglaublich, dass sie aus den tragischen Seiten der Vergangenheit nichts gelernt haben. Der einzige Weg, die schwankenden oder apathischen Rei­hen der Mittelschicht und der Bauern­schaft zu gewinnen wäre eine kühne Poli­tik, die der Konterrevolution Schlag auf Schlag versetzt. Was man auch immer von der Bande um die Generale und Soustelle denken mag, dieses Gesetz von Revolution und Konterrevolution haben sie verstanden: dass man ständig von ei­nem Erfolg zum nächsten gehen muss, dass man die Bewegung am Laufen er­halten muss, indem man die Initiative er­greift und die ganze Zeit behält. Die Ein­name von Korsika, die an sich keine be­sondere Bedeutung hat, sollte diesem Zweck dienen.

Aber das Fehlen einer Massenbasis der Konterrevolution ist das hervorstechend­ste Merkmal der ganzen Lage. Dies und die Hilflosigkeit der offiziellen Organisa­tionen der Arbeiterklasse: zum Beispiel war von der starken KP-Organisation auf Korsika (wo die Partei vor der Manipulati­on des Wahlrechts einen Abgeordneten hatte) kein Murren zu hören. Alles, was die KP angesichts der Ereignisse bieten kann, die ein Kampf um Leben und Tod gegen die bonapartistische Reaktion sind, ist das stolze Prahlen: «Bis die Änderun­gen in den Wahlkreisen stattfanden, hatte die Insel in den Nachkriegsjahren ein paar Kommunistische Abgeordnete … die 300.000 Menschen der Insel sind in der Hauptsache sehr für die Republik und die Kommunistische Partei hat dort eine nicht unerhebliche Unterstützung.» («Daily Wor­­ker», 26. 5. 1958) Bei all dieser Un­terstützung wäre es möglich gewesen, die ArbeiterInnen zu mobilisieren und gegen die Reaktion zu bewaffnen. Statt dessen wurde in der größten Stadt von Korsika ein Treffen des Gemeinderates von Bastia abgehalten. Die Hälfte der Gemeinderäte konnte nicht teilnehmen oder entschloss sich aus Vorsicht, es nicht zu tun. Von den 16 Anwesenden waren neun Mitglie­der der Kommunistischen Partei und der «Daily Worker» verkündet stolz: «An die­sem Morgen hielt der Gemeinderat von Bastia eine Sondersitzung in der Stadthal­le ab, deren Übergabe der stellvertretende Bürgermeister de Caslata verweigert hat. Der Gemeinderat sandte eine Resolution an die Regierung in Paris, in der er ihr sei­ne Loyalität gegenüber der Republik und seine Unterstützung für den Minister­präsidenten bestätigte. Er rief die Bevöl­kerung auf, ruhig zu bleiben und kei­nerlei Demonstrationen durchzufüh­ren»! (a.a.O.)

So wurde in den frühen Tagen von Fran­cos Aufstand der Weg für Franco zur Übernahme von Städten auf dem Fest­land bereitet. In den Städten, in denen die Massen das Handeln in die eigenen Hän­de nahmen — Barcelona, Madrid, Va­len­cia —.während die Volksfrontregie­rung (heim­lich) mit Franco verhandelte, waren diese Massen siegreich. Selbst nach der kapitalistischen Presse mar­schierten sie mit Tischbeinen, Messern und Sport­ge­wehren, die sie aus Läden geholt hatten, zu den Kasernen. Die mei­sten einfachen Soldaten schlossen sich ihnen unter dem Eindruck dieser Bewe­gung an; die Polizei und Armee zerfielen als Kraft.

Aber in jenen Städten, wo die Massen auf den Rat ihrer Sozialistischen und Kom­munistischen «Führer» hörten — Oviedo, Cordoba, Huesca, Granada, Teruel und andere — und, nachdem sie für Waffen demonstriert hatten, sich friedlich in ihre Häuser zerstreuten, gewannen die Fa­schisten. Die Führer der KP und SP rieten den ArbeiterInnen, Vertrauen in ihre «li­be­ra­len» Gouverneure und Bürgermei­ster der Provinzen und Städte zu haben, und dies bereitete den Generalen den Weg.

Die Offiziere der Garnisonen erhoben sich während der Nacht und gingen, bewaffnet mit von der Polizei erstellten Listen, durch die Arbeiterviertel und massakrierten die Führer der Arbeiterorganisationen. Eine Terrorherrschaft folgte, gegen die die po­litisch enthaupteten Massen nicht mobili­sieren konnten.

Wie in Spanien gestern, so in Korsika und Frankreich heute! Als direktes Ergebnis sind Bastia und alle korsischen Städte ei­ner Handvoll konterrevolutonärer Sturm­trupp-Leute zugefallen: 60 Fallschirmjä­ger übernahmen eine Stadt!

Es ist völlig klar, dass die Pflimlin-Regie­rung de Gaulle den Weg bereitet hat, trotz der höchst «revolutionären» Handlung, dem aufständischen Abgeordneten Arrighi (dem Namen nach ein Radikaler) sein Man­dat abzuerkennen. Nur die Hülle der Republik bleibt. Wenn es keine Interventi­on in der unsterblichen Tradition der Ar­beiterInnen von Barcelona gibt, kann nichts de Gaulle von der Macht fernhal­ten. Die Verantwortung dafür liegt einzig und allein bei den «Führungen» der So­zialistischen und Kommunistischen Par­teien.

Wie wird es weitergehen?

Die Sackgasse des französischen Kapita­lismus führte zu dieser Lage. Selbst wenn de Gaulle die Macht übernimmt, wird sein Traum durch die Wirklichkeiten der Lage rauh beendet werden. Der große Spar­gel (wie ihn die Kadetten von St. Cyr re­spekt­los nennen) wird im Magen des Wolfs schnell genug schmelzen — des Wolfs an der Tür des französischen Kapi­talismus.

Dieser Wolf nimmt die Form der ungelö­sten Probleme von zwei Jahrzehnten an: das Zurückbleiben hinter anderen Natio­nen des kapitalistischen Westens in der Technik; die offene Wunde Algerien; die sich entwickelnde Unabhängigkeitsbewe­gung in Franzöisch-Afrika, die vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Stär­ke der afro-asiatischen Völker kein bona­par­tistischer Stiefel ständig zerschlagen kann; vor allem die sich entwickelnde Wirtschaftskrise, die den ArbeiterInnen neue Lasten auflegen, Teile der Mittel­schicht und der Bauernschaft ruinieren und die zerbrechliche Struktur des fran­zösischen Kapitalismus untergraben wird.

 

XI. Faschismus oder Bo­na­partismus?

Es ist in diesem Zusammenhang ent­scheidend, den Unterschied zwischen Bo­napartismus und Faschismus zu erfas­sen. Faschismus ist eine Massenbewe­gung der Mittelschicht, des Lumpenpro­letariats, der Bauernschaft und selbst rückständiger Teile der Arbeiterklasse, die vom Kapitalismus als verzweifelter letzter Ausweg angesichts der wachsenden Krise und der Gefahr einer möglichen sozialisti­schen Lösung finanziert und organisiert werden. Skrupellose Demagogen, die ge­wöhnlich plebejischer Herkunft sind, nut­zen antikapitalistische Losungen zur Mo­bilisierung einer Massenkraft zur Zer­stö­rung aller Organisationen der Arbei­ter­klasse. Der Faschismus bedeutet die völ­lige Zerstörung jeder Form von unab­hän­giger Arbeiterorganisation — kom­muni­stisch, sozialistisch, christlich, libe­ral: das ist seine Aufgabe, und das gibt ihn in sei­nen frühen Stadien seine Stärke.

Der Faschismus nutzt die Mittelschicht als Rammbock und hat die Unterstützung von Polizei und Armee und vernichtet damit alle demokratischen Rechte. Nach dem anfänglichen Delirium entdecken die Mittelschichten und die plebejischen Mas­sen den Verrat und werden desillusioniert (30. Juni 1934 in Deutschland): der Fa­schis­mus wird dann in eine gewöhnliche Militär- und Polizeidiktatur umgewandelt, die die Macht nur auf der Grundlage der Apathie und Trägheit der ArbeiterInnen halten kann, die sich durch ihre eigenen Organisationen verraten fühlen. Bevor er gestürzt werden kann, sind neue Schocks — ein neuer Schwung von Ereignissen — notwendig, um den Massen ihre Perspek­tive zurückzugeben und sie von neuem von der Siegeshoffnung über die Tyran­nei, die sie unterdrückt, zu überzeugen.

Wie Marx definierte ist Bonapartismus Herrschaft durch den Säbel. Er ist von Anfang an eine Militär- und Polizeidikta­tur; aber gleichzeitig ist er eine Bedin­gung, in der sich der Staat über die ge­samte Gesellschaft erhebt und sich selbst die Rolle des «Schiedsrichters» zwischen den Klassen anmaßt, während er gleich­zeitig ein Instrument der herrschenden Klas­se bleibt. «Ich gehöre allen, und alle gehören mir» (Charles de Gaulle, der neue Kandidat für die Rolle des Bonapar­te).

Um diese Rolle zu spielen, muss der «Schieds­richter» zwischen den Klassen und zwischen den in Konflikt stehenden Interessen innerhalb der Gesellschaft manövrieren. Daher ist de Gaulles Pro­gramm nicht (je nach den Ereignissen nicht sofort oder möglicherweise über­haupt nicht) die Abschaffung der Partei­en. Aber er wird zwischen Links und Rechts «den Schiedsrichter spielen».

Für diesen Zweck wird de Gaulle die Un­terstützung zumindest eines Teils der So­zialisten und vielleicht der reformisti­schen Gewerkschaften brauchen. Er muss die Arbeiterklasse spalten, um eine Basis für seine Herrschaft zu behalten. Es ist gut möglich, dass er die Kommunisti­sche Partei verbieten (vielleicht stu­fenweise) und versuchen wird, die CGT im Interesse der katholischen und refor­mistischen Ge­werkschaften zu zerschla­gen. Dies wird sein «linker» Unterstüt­zungspunkt sein. Auf der rechten wird er sich auf die «Un­abhängigen», die beste­henden neofa­schi­stischen Organisationen (Biaggi, Tixier Villancourt) und die rechte Bewegung der ehemaligen Soldaten stüt­zen, sogar auf durch und durch faschisti­sche Organisa­tionen, die mit der Entwick­lung einer Wirtschaftskrise aufkommen können.

Aber der Bonapartismus von Napoleon I. und selbst Napoleon III. hatte eine Grund­lage in einer wachsenden Wirt­schaft. Der Bonapartismus von de Gaulle hat so we­nig Grundlage wie der von Pétain: tat­sächlich hat er weniger, denn Pétain konnte sich wenigstens au die deutsche Armee als Schutz stützen. Selbst Louis Na­poleon hatte in den frühen Jahren seine Siege; aber was kann de Gaulle an militärischen Triumphen anbie­ten?

De Gaulle wird vor dem Problem Nordaf­rika stehen. Der Krieg kann weitergehen und selbst wenn die französischen impe­rialistischen Kräfte einen vorübergehen­den Sieg erreichen, wird solch ein Sieg die algerische Frage für den Imperialis­mus nicht lösen. Selbst die Besetzung von Marokko und Tunesien würde die nordafrikanischen Probleme für den fran­zösischen Imperialismus nur verschärfen, darüber hinaus die ganze arabische Welt in den Konflikt hineinziehen. Die Last die­ses Krieges und die «Notwendigkeit, Frank­reichs Stellung in der Welt» auf­recht zu erhalten, werden eine riesige Be­lastung der französischen Ressourcen und Menschen bedeuten.

Das bisschen Massenunterstützung, das sich in der letzten Periode um de Gaulle gesammelt hat, wird verschwinden. Die vorübergehende Unterstützung, die er durch die Berauschen mit nationalisti­schen Phrasen gewinnen kann, wird bald verpuffen Für den Moment werden die ArbeiterInnen völlig desorientiert und apa­thisch sein, als Ergebnis des Betrugs ih­rer offiziellen Führer Die Schande Deutsch­lands, wo Hitler an die Macht kam, ohne ihnen Schuss abzufeuern, wur­­de wiederholt, und das in einem Land, wo die KP in Zahlen, Organisation und Unterstützung stärker war als die Bol­schewiki vor der Revolution 1917.

Die Lage unterscheidet sich jedoch etwas von der deutschen Lage 1933 — was nicht diesen Führern zu verdanken ist. Hitler stand an der Spitze einer wirklichen reaktionären Massenbewegung, die in den ersten paar Wochen ihrer Macht, alle Organisationen der Arbeiterklasse weg­fegte. Durch die Nazi-Partei drang er in jeden Bereich des gesellschaftlichen Le­bens ein, lähmte die Arbeiterklasse, ato­misierte und zerstreute sie. Abgesehen von der Verachtung und der Desillusio­nie­rung der Massen darüber, dass ihre Or­ganisationen zum Kampf gegen die Re­aktion vollständig unfähig waren, war der Apparat der Geheimpolizei — Infor­man­ten in jeder Fabrik, Spitzel in jedem Wohnblock — ein mächtiger Faktor bei der Festigung des Regimes.

 

XII. Der achtzehnte Bru­maire des Charles de Gaulle

«Wenn man aus der Geschichte nicht lernt, ist man verurteilt, sie zu wiederholen.» (George Santa­ya­na).

Hitler und Mussolini hatten darüber hin­aus das Glück, jeweils am Vorabend ei­nes Booms an die Macht zu kommen. De Gaulle kommt dagegen am Vorabend ei­ner Wirt­schaftskrise an die Macht. Die Fallschirm­jäger, eine Eliteeinheit von re­gulären Sol­daten, sind durchaus bereit, die selbe Rolle in Frankreich wie in Al­ge­ri­en zu spielen. Aber diese kleine Kraft, 50.000 bis 60.000, ist stark genug, an­ge­sichts der Apathie der Massen, die Macht zu übernehmen, aber sind völlig unzurei­chend, sie zu halten. Die gewöhnlichen Matrosen und Soldaten, auf die sich das nationalistische Rauschmittel vorüberge­hend Einfluss haben kann, werden sich nicht lange verwirren lassen. Die durch eine Wirtschaftskrise herbeigeführte ge­sell­schaftliche Lage wird eine mächtige Wirkung haben. De ganze Geschichte hat gezeigt, dass es unmöglich ist, dauerhaft allein durch Armee und Polizei zu herr­schen. Jeder Versuch, die Armee gegen Massenausbrüche einzusetzen wird sie entlang von Klassenlinien spalten.

Eine neue Massenerhebung ist in der kom­menden Periode unausweichlich. Na­tionale und internationale Ereignisse wer­den das altersschwache Regime in Frank­reich erschüttern. Die Abenddämmerung der Franco-Diktatur (die durch de Gaulles Sieg vorübergehend gestärkt wird) wird ihre langen Schatten auf Frankreich wer­fen. Die Arbeiterkämpfe in Großbritanni­en, Italien und Westdeutschland werden ihre Wirkung haben.

Die Sozialisten, Radikalen und MRP ha­ben versucht «gut in Erinnerung zu blei­ben», indem sie am Vorabend von de Gaulles Machtübernahme für Pflimlin stimm­ten. Die KP verströmt erneut das Gift der Volksfrontpolitik und behauptet, dass «all dies hätte vermieden werden können» wenn es eine Volksfront gege­ben hätte — ohne Rücksicht auf die Tat­sache, das es genau die Volksfront war, die den Weg für die Niederlage in Spa­nien bereitete und dass die Volksfront in Frankreich den Boden für die heutige Lage bereitete.

Die Massendemonstrationen und Streiks, zu denen fünf vor zwölf aufgerufen wurde, haben gezeigt, dass die Massen auf eine handelnde Führung anstelle von parla­mentarischen Manövern «an der Spitze» reagieren würden. Um so schlimmer die Schande für die KP-SP-Führungen, die die Arbeiterklasse der Gnade von ein paar Fallschirmjäger-Gangstern ausgeliefert ha­ben. Im auffälligen Unterschied zu Hit­ler 1933 kommt de Gaulle nicht nur ohne Unterstützung der Mittelschichten, son­dern angesichts ihrer Feindseligkeit an die Macht. Nach der «Times» (29. Mai 1958) war die Masse von 400.000 bis 800.000 zur Hälfte kleinbürgerlich.

De Gaulles Machtantritt wird mehr der Lage in Spanien 1934 ähneln, als Gil Rob­les, der Führer des Klerikalfaschis­mus, in die reaktionäre Lerroux-Regie­rung aufgenommen wurde. Trotz der Nie­derlage der sozialistischen Aufstände als Antwort darauf, bei denen die ArbeiterIn­nen in Asturien die Macht übernahmen, konnte sich das Gil-Robles-Regime nicht festigen. Robles fürchtete einen neuen Aufstand der Massen und ließ 1936 Wahlen zu und trat die Macht der Volks­front ab, um die ArbeiterInnen zu demo­ralisieren und sich unter ihrer Schirmherr­schaft auf den Bürgerkrieg gegen die Massen vorzubereiten.

De Gaules Machtübernahme wird daher von kapitalistischen Standpunkt aus ver­früht sein. Sie wurde durch die Siedler und die Offizierskaste in Algier erzwun­gen. De Gaulle wird auch unfähig sein, sei­ne Macht zu festigen. Die herrschende Klasse wird vielleicht eine erneute Rück­kehr zu einer neuen Volksfront vorberei­ten und auf die Verwirrung und Demora­lisierung zählen, die das verursachen wür­de, um sich erneut auf einen richtig­gehenden Bürgerkrieg vorzubereiten.

Wenn die de-Gaulle-Diktatur von innen verfault, können sich die Kapitalisten im­mer noch der Unterstützung (wie immer) der Kommunistischen und Sozialistischen Führungen zuwenden, einer neuen Volks­front, als Ausweg für das Regime. Die fortgeschrittenen Arbeiter-AktivistInnen müssen aus der reichen Geschichte der Bewegung der französischen und interna­tionalen Arbeiterklasse lernen. Wenn die Lehren nicht rechtzeitig aufgenommen werden, könnte eine neue Volksfront, die mit sich frische Niederlagen und Desillu­sionierung bringt, den Weg für eine wirkli­che faschistische Diktatur nach dem Vorbild von Hitlers monströsem Regime bereiten.

Wir haben jedoch Vertrauen, dass die be­sten AktivistInnen der französischen Kom­munistischen und Sozialistischen Parteien und in den Gewerkschaften aus diesen Ereignissen lernen werden. Die Kommunistische Partei wird sich spalten und aus die revolu­tionären Elemente ih­ren Reihen werden die besten AktivistIn­nen aus den Gewerkschaften und der Sozialistischen Partei um sich sammeln, um eine marxistische Partei der französi­schen Arbeiterkasse zu schaffen.

Diese Partei wird sich auf die großen Traditionen der Kommune, des Kampfes gegen den marokkanischen Krieg, die Streiks mit Betriebsbesetzungen von 1936 stützen und die Klasse in den Kampf auf Leben und Tod gegen den Klassenfeind führen. Die französischen ArbeiterInnen und BäuerInnen werden in diesem Kampf siegen und zum Aufbau der sozialisti­schen Ordnung in Frankreich übergehen.

Viele ArbeiterInnen in der britischen Ar­beiterbewegung betrachten die Ereignisse in Frankreich mit Schrecken, betrachten sie aber als etwas, was wenig direkte Folgen für sie hat: «hier kann es nicht passieren!», England ist anders.

Es ist nicht gut bekannt, dass die Strate­gen des britischen Kapitalismus aus der Geschichte des kontinentalen Klassen­kampfes in den Vorkriegsjahren lernten und sich auf den Kampf gegen die briti­sche Arbeiterklasse vorbereiteten. 1938 und 1939 fanden Armeemanöver auf der Grundlage der Idee statt, dass in Großbri­tannien Bürgerkrieg herrsche. Eine be­sondere Streikbrecherkraft, die aus Ange­hörigen der herrschenden Klasse und der oberen Mittelschicht bestand, wurde ge­schaffen, die die wichtigsten Aufgaben in der Wirtschaft lernen sollte — das Fahren von Lokomotiven, den Betrieb von Elek­trizitätswerken und so weiter. Die Versi­cherungen weigerten sich, gegen das Ri­siko von Bürgerkriegen zu versichern. Und als interessanter Vorläufer der ge­genwärtigen Ereignisse schrieb Duff Cooper, Tory-Abgeordneter und früherer Erster Lord der Admiralität, Artikel im «Eve­ning Standard», in denen er die Bil­dung von Komitees der öffentlichen Si­cherheit in Großbritannien befürwortete.

Es ist kein Zufall, dass in der gegenwärti­gen Krise die führenden Organe der Tory-Meinung sich um de Gaulle geschart ha­ben. Zur «Daily Mail» und «Evening News», die vor dem Krieg Speichellecker von Hitler und Mussolini waren, haben sich jetzt «Daily Telegraph», der «Daily Ex­press» und der «Evening Standard» mit ihrer warmen Unterstützung für den gaullistischen Staatsstreich gesellt.

Wenn die britischen ArbeiterInnen diese Lehre nicht beachten, wäre das ihr eige­nes Verderben. Ihr Schicksal ist, wie es das immer war, mit dem internationalen Kampf der Arbeiterklasse gegen den Ka­pitalismus verbunden.

In ihrer Stunde der Agonie müssen die französischen ArbeiterInnen wissen, dass sie sich nicht nur auf die passive Sympa­thie, sondern auf de aktive Klassenunter­stützung ihrer britischen Brüder und Schwestern stützen können.

Seite an Seite werden wir uns gegen die Diktatur und für ein sozialistisches Frank­reich und ein sozialistisches Großbritan­nien in einem sozialistischen Europa sammeln.