Ted Grant

Nationaldemokratische Revolution oder proletarische Revolution:

Die Aufgaben in Deutschland (Januar 1947)

 

Inhalt:

Die Rolle der EAM in Griechenland. 3

Was ist das Ziel der 'Demokratischen Revolution'?. 6

Die Aufgaben in Deutschland. 6

Die einzige Gefahr für den Frieden - ein bewaffnetes Deutschland?. 11

Die zwei Deutschlands. 13

Bevan und der Parteivorstand - beide richtig und beide falsch. 15

Das Problem der deutschen Vereinigung. 20

 

 

Die Genossen der IKD[1] (eine Sektion von deutschen trotzkistischen Emigranten) haben auf un­sere Kritik ihrer Drei Thesen [1943] in einem Artikel mit dem Titel Zwei Bilanzen geantwortet, der in den Workers International News vom Oktober 1946 veröffentlicht wurde.

 

Sie korrigieren zwar scheinbar gewisse Irrtümer, z.B. ihre Behauptung dass 'die nationale Unterdrückung geblieben ist, nur die Uniformen der Unterdrücker haben sich geändert', aber sie verstärken ihre grundlegende Revision, die in der Behauptung enthalten ist, dass das, dem wir in Eu­ropa gegenüberstehen, nicht die proletarische Revolution war (und anscheinend auch nicht ist), sondern nationale Befreiungskriege und eine Revolution, 'die grundlegend gleichbedeutend mit einer demokratischen Revolution ist'. Sie ignorie­ren die grundlegende Frage, den Klassencharakter der Revolution, und wiederholen höhnend, dass die von der Vierten Internationale zuversichtlich vorhergesagte proletarische Revolution nicht Wirklichkeit geworden ist.

 

Stimmt, sie ist nicht Wirklichkeit geworden. Und eine lehrreiche Diskussion kann und muss über die Gründe geführt werden, warum das Proletariat in der ersten revolutionären Welle nach dem Zweiten Weltkrieg nicht geschafft hat, die Macht zu übernehmen. Aber das macht die Haltung des orthodoxen Marxismus gegenüber dem Klassenkampf in Europa genausowenig wertlos wie das ähnliche Scheitern des Proletariats, nach dem Ersten Weltkrieg irgendwo außer in Russland die Macht zu erobern. Lenin und Trotzki erklärten dieses Scheitern mit dem Verrat der Zweiten In­ternationale, der Sozialdemokratie.

 

Heute werden die Massen von zwei Verräterinternationalen' hintergangen, der reformisti­schen und der stalinistischen - von denen letztere viel furchtbarer ist, da sie durch ihre von der Ok­toberrevolution gestohlene Autorität eine viel stärkere Basis hat als sie die Sozialdemokratie jemals hatte. Dieser Faktor stellt dem Proletariat außerordentliche Schwierigkeiten in den Weg. Die Stalinisten haben für den Moment die Bewe­gung der Massen erfolgreich von der proletari­schen Revolution in die Kanäle der 'Volksrevoluti­on' umgeleitet, also in die Kanäle der bürgerli­chen Demokratie, wie es die Sozial­demokraten nach dem letzten Krieg machten.

 

Unsere deutschen Genossen der IKD sollten sich an die Erfahrung von Weimar erinnern. Wenn ir­gendein höhnischer kleinbürgerlicher Skeptiker Lenin und Trotzki angegriffen hätte, z. B. 1920, und gefragt hätte, wo die versprochene Revoluti­on in Europa sei, hätte er eine treffende aber kaum höfliche Antwort erhalten. Unsere Antwort kann nicht anders sein. Die grundlegende These der IKD, die unsere Genossen aufrechterhalten ohne einen wirklichen Versuch, sie gegen Kritik zu verteidigen, ist, dass der kapitalistische 'Rückschritt' in Europa eine Rückkehr zu dem nö­tig mache, was sie als 'grundlegend gleichbedeu­tend mit einer demokratischen Revolution' definieren.

 

Als Grundlage davon wollen wir noch mal die ur­sprünglichen Drei Thesen zitieren:

 

Die Gefängnisse, die neuen Ghettos, die Zwangsarbeit, die Konzentrations- und sogar Kriegsgefangenenlager sind nicht nur vorübergehende politisch-militärische Einrichtungen, sie sind genauso sehr Formen einer neuen wirtschaftlichen Aus­beutung, die die Entwicklung hin zu einem modernen Skla­venstaat begleiten und als ständiges Schicksal für einen be­deutsamen Teil der modernen Menschheit vorgesehen sind.

 

Diese auf dem Höhepunkt des Krieges geschrie­bene impressionistische Bewertung wurde von den Ereignissen widerlegt.

 

Die Theorie des kapitalistischen 'Rückschritts' wird auf der Grundlage des vorübergehenden Hervorsprießens von Kleinbetrieben während dem Krieg zum Beweis für eine Rückkehr zum 'Sklavenhalterstaat', dem Mittelalter und der Mor­gendämmerung des Kapitalismus weiterent­wickelt. Durch die Notwendigkeiten des Krieges verursachte vorübergehende Merkmale werden zu ständigen Merkmalen der gegenwärtigen Epo­che umgeformt. Die marxistische Theorie der Konzentration der Großindustrie auf Kosten der der Kleinindustrie, der Ersetzung der Handarbeit durch Maschinen, der Entwicklung der 'freien' Lohnarbeiter im Unterschied zu Leibeigenen und Sklaven der Vergangenheit wird über Bord ge­worfen.

 

Die politische Weisheit der Genossen der IKD fasst sich folgendermaßen zusammen:

 

Im Kontrast zur Verwendung komplizierter Maschinerie und im Kontrast zur Konzentration und Überentwicklung einer nur für Kriegszwecke geeigneten Industrie gibt es Zwangsar­beit, das heißt den massenhaften Gebrauch von Handarbeit, die billiger als Maschinenarbeit ist, die Gründung und Aus­deh­nung kleiner und mittlerer Formen wegen dem Mangel an Konsumgütern, die Wiederherstellung des Handwerks, die Auflösung und den Ruin des Geldsystems... Die politische Lage in diesen systematisch ausgebeuteten Ländern (unter Naziherrschaft) ist vor allem durch die Zerstörung der Arbei­ter- und der nichtfaschisti­schen bürgerlichen Parteien be­stimmt.

 

Schritt für Schritt werden Gewerkschaften, politische und kulturelle Vereinigungen aller Art, religiöse Organisationen etc. nach dem deutschen Muster völlig vernichtet, verändert oder auf irgendeine Weise unter direkte faschistische Kontrol­le gestellt. Mit gewissen Ausnahmen, bei denen der Prozess nicht völlig abgeschlossen ist, gibt es nicht länger eine unab­hängige traditionelle bürgerliche oder proletarische politische Bewegung oder eine Arbeiterbewegung, und in diesen Län­dern (besonders in Polen und der Tschechoslowakei) wird selbst die 'nationale' Bourgeoisie mehr und mehr vernichtet durch solche Mittel wie 'Arisierung', Zwangsverkäufe und di­rekte Vertreibung.

 

Von den alten organisierten 'Bewegungen' ist heute nichts übrig als illegale Zirkel, die wenig Verbindung miteinander haben und auf keine Weise als Einheit handeln können... Da­durch dass sie zu dieser Grenze getrieben wird, die durch den Feind täglich enger gezogen wird, ebnet sie alles und nimmt eine Richtung, die nicht anders als 'Streben nach nationaler Freiheit' beschrieben werden kann. In ein paar Ländern (Jugoslawien, Tschechoslowakei, in Teilen Polens etc.) hat dieses Streben die Grenze überschritten und sich in eine wirkliche Volksbewegung verwandelt. An ihr nehmen alle Klassen und Schichten von Arbeitern, Landarbeitern, Bauern, städtischem Kleinbürgertum (Händler und Handwer­ker, das heißt die Klassen, die, zusammen mit den Bauern, trotz ihrer großen Zahl Überbleibsel vorkapitalistischer Pro­duktionsweisen sind) bis hin zu Beamten, Priestern, Intellek­tuellen und Generälen.

 

Wenn es im von Deutschland beherrschten Europa nicht län­ger eine organisierte und aktive Arbeiterbewegung gibt und selbst die bürgerlichen Organisationen aus dem Bild sind, kann auch nicht von der Existenz wirklicher revolutionärer Organisationen die Rede sein, soweit sie als vereinigte Struk­turen verstanden werden, die (wenn auch illegal) willens und fähig wären, die Entwicklung zumindest mit den Mitteln von richtiger Agitation und Propaganda zu beeinflussen... Wie man es auch dreht, der Übergang vom Faschismus zum Sozialismus bleibt eine Utopie ohne ein Zwischenstadium, das grundlegend gleichbedeutend mit einer demokratischen Revo­lution ist. (Drei Thesen)

 

Dimitroff und Stalin könnten so eine Analyse mit kleinen Änderungen unterschreiben. Die Arbei­terbewegung existiert also immer noch nicht! Die Arbeiterbewegung in Westeuropa wurde nicht zerstört, sondern kommt im Gegenteil stärker aus dem Krieg als sie in ihn eingetreten ist. Es stimmt, dass die Unterstützer der Drei Thesen versucht haben, um diese kleine Schwierigkeit herumzukommen, indem sie dekretiert haben, dass die Arbeiterbewegung keine Arbeiterbewe­gung sei, weil sie nicht von Marxisten geführt wird. Aber in diesem Fall hätte es in Europa seit 1923 keine Arbeiterbewegung gegeben.

 

Wenn man den Arbeitern Frankreichs sagte, dass ihre Gewerkschaften und politischen Parteien keine Arbeiterbewegung darstellen würden, würde man die verdiente Antwort erhalten! Die IKD ha­ben diese Formulierung natürlich erst kürzlich entdeckt. Vor dem Wiederentstehen der Arbeiter­bewegung in Westeuropa haben sie die britische Labour Party und Gewerkschaftsbewe­gung als die einzige in Europa übriggebliebene Arbeiter­bewegung bezeichnet. Die britische La­bour Party kann kaum als 'marxistisch' oder der historischen Mission des Proletariats bewusst be­zeichnet wer­den.

 

Die Wiederentstehung einer Arbeiterbewegung in allen Ländern Europas enthüllt, dass die 'Rückschrittstheorie der Drei Thesen grundle­gend falsch war. Unter dm totalitären Deckel des Faschismus kochte der Klassenkampf weiter. Wenn die sozialistische Revolution erreicht wer­den sollte, konnte sie nur von der Arbeiterklasse als Klasse angeführt werden als dem Kopf der Volksmassen, die gegen die ausländische Unter­drückung und ihre nationalen Vertreter zu Hause kämpften, d.h. gegen die nationale Bourgeoisie und ihre Anhängsel.

 

Das Proletariat konnte am Schwanz der Bourgeoisie hängen durch die 'Bewegung des ganzen Volkes' (wie es vom Stalinismus in Westeuropa konsequent durchgeführt wurde) oder die Masse des Kleinbürgertums würde auf der Grundlage einer revolutionären proletarischen Politik für das Programm der proletarischen Revolution gewon­nen werden. Es gab keinen Mittelweg. Entweder mit der Bourgeoisie oder mit dem Proletariat. das ist die einzige Alternative in der gegenwärtigen Epoche.

 

Wir fragen die IKD-Genossen: Denkt nur über die Entwicklung Europas seit dem Fall der Nazis nach! Was hat sich entwickelt? Keine Volksbewegung aller Klassen, sondern eine Spaltung der politischen Orientierung entsprechend der grundlegenden Klassenspaltung der Gesellschaft; eine Polarisierung mit den Parteien der Arbeiterklasse auf der einen Seite und der Reaktion auf der anderen, bei der das Kleinbürgertum in den christdemokratischen Parteien des Zentrums unruhig zwischen ihnen balancieren, eine Stellung, die sie nicht unbegrenzt beibehalten können. Sie werden entweder nach rechts zu einer neofaschistischen Reaktion gehen oder wer­den für die proletarische Revolution unter der Führung des Proletariats gewonnen werden.[2]

 

Die Rolle der EAM in Griechenland

 

 

Die Genossen der IKD sagen in ihren zwei Bilanzen:

Fehler müssen notwendig wiederholt werden und mit der Wiederholung schwerwiegender werden, wenn sie nicht offen untersucht und korrigiert werden. Siehe die britische Sektion und den Kampf in Griechenland. Dieser brach aus kurz nach­dem die RCP eine Resolution zur nationalen Frage entworfen hatte, deren Punkt 5 erklärt, 'alle nationalen Widerstandsbe­wegungen sind Agenturen der einen oder ande­ren Gruppe der imperialistischen Mächte'.

 

Das gilt für die EAM ebenso, deshalb hätte die RCP gegen die EAM und für Churchill Partei ergreifen müssen, wenn er so blind war, seine eigene Agentur nicht zu kennen. Das wurde nicht gemacht; der Socialist Appeal unterstützte voll­ständig die EAM und konnte kaum anders handeln. Aber was war mit der Revolution, die sich als im Konflikt mit der Rea­lität erwiesen hatte? Wurde sie revidiert? Nein; es war die Realität, die einer Revision unterzogen wurde. Die Revolte in Griechenland wurde in den Rang einer proletarischen Revo­lution erhoben. Diese wertvolle Unterstützung konnte die Niederlage der Revolte leider nicht verhindern; daraufhin wurde - wieder ohne irgendeine Untersuchung - entdeckt, dass die EAM letztlich nur eine Widerstandsbewegung war, und Griechenland wird als Beispiel für die verheerenden Folgen vorgeführt, die sich aus der Unterstützung einer nationalen Bewegung ergeben.

 

Wenn sie so wie hier 'unterstützt' wird, indem sie ignoriert wird, bis der Punkt des Aufstands erreicht ist, und dann als proletarische Revolution bejubelt wird, ist das sicher richtig.

 

In dem obigen Zitat der IKD-Genossen ist die Haltung der RCP etwas entstellt. Um ein klares Bild der Haltung der RCP gegenüber der Wider­standsbewegung zu gewinnen, möchten wir die entscheidenden Teile der Resolution zur nationa­len Frage in Europa zitieren:

 

1. Die Revolutionäre Kommunistische Partei verurteilt und bekämpft die nationale Unterdrückung einer Nation durch eine andere; sie unterstützt das Recht der völligen Selbstbe­stimmung und politischen Lostrennung jedes national unter­drückten Volkes.

 

2. In der Epoche des Imperialismus und seiner gegenwärtigen Phase des imperialistischen Krieges verlangen alle objektiven Bedingungen, dass der wirkliche Kampf für nationale Freiheit mit dem Programm der sozialistischen Revolution und dem Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa verbunden wird.

 

Die Resolution verurteilt zugleich die Naziunter­drückung und die nationale Unterdrückung, die von den Aliierten ausgeübt wird, und bestimmt die Haltung der Revolutionäre gegenüber den Wi­derstandsbewegungen folgendermaßen:

 

4. Die Rolle der europäischen herrschenden Klasse ist klar zu sehen. Sie arbeiteten als Klasse mit den ausländischen Nazi­unterdrückern zusammen und versuchen jetzt, dieselbe Rolle als Agenten der militärischen Sieger zu spielen - des angloamerikanischen Imperialismus und des Kreml. Ohne die akti­ve Unterstützung des Stalinismus und der Sozialdemokratie hätten die Kapitalisten schon lange allen Anschein von Unter­stützung durch die Arbeiter und Bauern verloren. Indem sie die Arbeiterklasse und ihre Organisationen der Führung der Bourgeoisie und dem Programm des angloamerikanischen Imperialismus und Stalinismus unterordnen, spielen die so­zialdemokratischen und stalinistischen Parteien eine konter­revolutionäre Rolle. Es ist die Pflicht von Revolutionären, zugleich auf allen Stufen des Kampfes die Basis für das Ban­ner des Trotzkismus zu gewinnen und die Rolle dieser Partei­en und ihrer Hilfsorganisationen zu bekämpfen und zu entlar­ven.

 

5. Trotz ihrer unzweifelhaften Unterstützung durch viele Tau­sende der besten proletarischen Kämpfer, die in den Wider­standsbewegungen nicht ein Instrument für die Ersetzung ei­nes Herrn durch einen anderen sondern vielmehr das Instru­ment für den Sturz des Kapitalismus und die Befreiung der Arbeiterklasse sehen, sind diese nationalen Befreiungsbewe­gungen in Europa heute Agenturen der einen oder anderen Gruppe imperialistischer Mächte. Als Bewegungen sind sie unfähig, wirklich für nationale Freiheit zu kämpfen

 

Diese Charakterisierung hat den Test der Ereig­nisse bestanden und erfordert keine Korrektur. Sie ist klar auch auf die EAM anwendbar. Wäh­rend dem imperialistischen Krieg war die EAM auf der Seite des Anglo-US-Imperialismus gegen den deutschen Imperialismus. Die RCP nahm in der Frage der nationalen Befreiung keine ultralin­ke Haltung ein. Sie stand unnachgiebig für natio­nale Befreiung der Völker Europas von den Fes­seln des deutschen Imperialismus. Aber wir ha­ben nie unterlassen, davor zu warnen, dass die Führungen der EAM und andere Widerstands­bewegungen Agenten des Imperialismus waren. Unsere Warnungen wurden durch die Ereignisse bestätigt. Die EAM tat ihr bestes, um mit dem Im­perialismus einen Kompromiss zu schließen und versuchte, die Arbeiterklasse angesichts der monarchistisch-faschistischen Reaktion und ihrer impe­rialistischen Hintermänner zu entwaffnen. Der Umstand, dass die EAM mit Churchill und den Im­perialisten in Konflikt geriet, lag an der Furcht von letzteren, dass die EAM sich nicht als zuverlässiges Instrument bei der Verhinderung der so­ziali­stischen Revolution erweisen würde, und dass Griechenland durch die EAM unter die Vorherr­schaft Stalins kommen und so seine Kontrolle der Balkanhalbinsel abrunden würde.

 

Der Spott darüber, Churchill sei 'so blind, seine eigene Agentur nicht zu kennen' passt zum Ni­veau des Rests der Argumentation. Sie hätten ebenso gut fragen können: Warum unterstützten die Trotzki­sten die spanische Republik gegen Franco, eine Republik, die sie als Agentur des britisch-franzö­sischen Imperialismus und Stali­nismus bezeich­neten? Oder leugnen die Genos­sen das vielleicht jetzt und entdecken im Rück­blick, dass wir in Spanien auch eine 'Volksbewegung' hatten?

 

Diese Charakterisierung hielt die Trotzkisten nicht davon ab, die spanischen Ereignisse als Versuch von Seiten der Massen zur proletarischen Revo­lution zu beschreiben, trotz des Inhalts, der ihm von der Bourgeoisie und den Stalinisten gegeben wurde. Die Bewegung in Spanien war eine prole­tarische Revolution, die in eine 'bürgerlich-demo­kratische Volksbewegung' gegen den Faschis­mus abgelenkt wurde, im Bündnis mit dem 'Schatten der Bourgeoisie', während die Bour­geoisie selbst auf der Seite von Franco war.

 

So war es mit der EAM in Griechenland. Die Massen unterstützten die EAM. Die Bourgeoisie war mit Churchill, während sich der 'Schatten der Bourgeoisie' mit der stalinistischen Führung ver­einigte und so die Massenbewegung in eine bür­gerliche Richtung verzerrte. Trotz der stalinisti­schen Versuche zur 'nationalen Einheit' brach der Klassenkampf durch die 'nationale Volksbewe­gung'. Das führte zum Bürgerkrieg zwischen dem proletarisch-kleinbäuerlichen und dem bürgerli­chen Flügel innerhalb der Widerstandsbewe­gung, sogar als Griechenland unter der Herr­schaft der Nazis war.

 

Nach der sogenannten 'Befreiung' war die fakti­sche Herrschaft in der Hand der Arbeiterklasse, so wie in Spanien nach dem Aufstand der Arbei­ter in Barcelona, Valencia und Madrid in den er­sten Tagen der Revolte. Die EAM-Führung durchkreuzte die Bewegung der Massen, gab ihre Waffen her und versuchte, zu einer Überein­kunft mit den Imperialisten zu kommen. Trotz ih­rer Versuche zur Kapitulation vor den Imperiali­sten brach der Bürgerkrieg aus wegen der Be­wegung der Massen. Wenn die IKD-Mitglieder leugnen, dass die Revolte in Griechenland ein Versuch zur Machtübernahme auf Seiten des Proletariats war, wie charakterisieren sie diese Bewegung? Eine 'Volksbewegung'?

 

Die Revolte begann als spontane Bewegung auf der Seite der Massen, trotz aller Versuche der EAM, ihren Ausbruch zu verhindern. Der Vorfall, der die Lunte entzündete, war in der sehr gela­denen Atmosphäre ein klassisches Ereignis zur Provozierung einer Revolution. Die Schüsse auf eine unbewaffnete Demonstration von Seiten der monarchistisch-faschistischen 'Sicherheitsbatail­lone' war den Schüssen der zaristischen Truppen auf die vom Popen Gapon geführte Demonstrati­on zum Winterpalais in St. Petersburg 1905 ähn­lich. Hätte Lenin die Verschmelzung der Arbeiter­be­wegung in eine klassenübergreifende Volksbe­wegung befürworten sollen, statt die Unabhän­gigkeit des Proletariats zu fordern? Die Frage zu stellen heißt, sie zu beantworten.

 

Die Schüsse auf dem Verfassungsplatz in Athen säten die Saat des Bürgerkriegs, wie sogar die bürgerliche Times verstand. Bürgerkrieg zwi­schen welchen Klassen und für welche Ziele? Für die 'Volksrevolution' oder für die Machterobe­rung durch das Proletariat? Die EAM war ein klassisches Beispiel für den Volksfrontverrat an der proletarischen Revolution. Wäre die EAM erfolgreich gewesen, hätte das aus dem Kampf hervorgehende Regime nur ein bürgerliches Re­gime sein können. Alles Gerede von 'demokrati­scher Revolution', 'nationaler Revoluti­on', 'Volks­bewegung aller Klassen' etc. kann letztlich nur eine aufpolierte Version der Volks­frontpolitik sein.

 

Es kann keine 'demokratische Revolution' geben, die in der Luft schwebt. Die 'Volksrevolution' muss eine Klassenbasis haben. Und so kommen wir wieder da an, wo wir angefangen haben. Be­stimme den Klasseninhalt deiner Revolution und dann werden wir wissen, wo du stehst!

 

Was ist das Ziel der 'Demokratischen Revolution'?

 

Bei der Behandlung der schwer zu fassenden 'demokratischen Revolution', die weder proleta­risch noch bürgerlich ist, versucht die IKD aus der unauflösbaren Verwirrung zu entkommen, indem sie den Inhalt folgendermaßen bestimmt:

 

(Grant) kämpft gegen Windmühlen. Zum Beispiel sollen wir (die IKD) angeblich die proletarische Revolution durch die demokratische Revolution ersetzen, während wir in Wirklich­keit sagten, dass die demokratische Revolution in unserer Epoche 'nur durch die Zerschlagung des Rahmens des Kapi­talismus verwirklicht werden kann'. (Zwei Bilanzen, unsere Hervorhebung)

 

Verwirrung über Verwirrung! Wir freuen uns, dass wir von diesen Genossen lernen, dass die 'demo­kratische Volksrevolution', die nach ihrer Aussa­ge notwendig ist, in unserer Epoche nicht durch die bürgerliche Demokratie vollendet wer­den kann. Sie behaupten, dass sie jetzt 'angeblich' die proletarische Revolution durch et­was ersetzen. Durch was ersetzen sie die prole­tarische Revolu­tion? Wollen sie ernsthaft argu­mentieren, dass alle Klassen, einschließlich der unterdrückten Bourgeoisie in der Volksbewegung den 'Rahmen des Kapitalismus zerschlagen' werden?

 

Gibt es abgesehen von der proletarischen Revo­lution irgendeine andere Revolution, die den Rah­men des Kapitalismus zerschlagen kann? Wenn diese Genossen auf marxistische Definitionen festgenagelt werden, kann man sehen, wie sie hin- und herrutschen und von ihren Thesen bleibt nur noch Unsinn übrig. Was ist dann der Unter­schied zwischen der demokratischen Revo­lution und der proletarischen Revolution? Die wirkliche Antwort ist, dass die Genossen ihr zu verschiede­nen Zeiten verschiedene Bedeutun­gen geben, sie manchmal mit der proletarischen Revolution identifizieren, manchmal mit einer neuen Stufe, manchmal mit man weiß nicht was!

 

Die Aufgaben in Deutschland

 

So wie sie die verschiedenen Klassen in Deutschland unter der Naziherrschaft unter­schiedslos zusammenfassten, so fassen sie jetzt in Bezug auf Deutschland alle von den Alliierten unterdrückten Klassen zusammen, um sie in ei­ner 'allumfassenden nationaldemokratischen Re­volution' zu vereinigen. Deutschland muss natür­lich einen Kampf für nationale Freiheit gegen seine Unterdrücker führen, so wie die von Deutschland unterdrückten Völker demselben Problem gegenüberstanden. Aber die ganze Crux des Problems liegt darin, wie der Kampf für nationale Befreiung geführt werden muss. Die Antwort der Vierten Internationale ist, dass die na­tionale Befreiung nur mit dem Proletariat an der Spitze der Bewegung erreicht werden kann. Das wird die von den deutschen Marxisten vorge­brachte zentrale Idee sein. Die Klassenlinien werden keineswegs verwischt, sondern betont werden. Nur eine klare kämpferische Klassenpo­litik wird das Kleinbürgertum für das Programm der sozialistischen Revolution gewinnen, der un­auflöslich mit dem Kampf gegen die alliierten Unterdrücken verbunden ist. Solch ein Kampf kann nur als Klassenkampf geführt werden.

 

Aber die IKD verwenden wieder absichtlich vage Formulierungen und lassen die Tür weit offen für den schamlosesten Opportunismus und sogar Kapi­tulation vor der Reaktion. Sie sagen:

 

Solange die Vierte Internationale nicht die Unterstützung für alle Bewegungen für nationale Befreiung entsprechend den Drei Thesen zum Hauptpunkt ihres Programms für Deutsch­land macht, wird sie nicht in der Lage sein, den Massen ir­gendet­was über das Programm der Reformisten hinaus anzu­bieten - nicht einmal über die Betätigung der Besatzungsbe­hörden hinaus; denn diese haben die deutschen Kapitalisten enteignet (ohne Entschädigung!) und sie obendrein ins Ge­fängnis ge­schmissen - siehe das Vorgehen der britischen Mili­tärregie­rung gegen die Bergwerksbesitzer an der Ruhr (Zwei Bilan­zen).

 

Wir können sicher sein, dass die deutschen Arbei­ter keine Träne über das Schicksal der Kohleba­rone an der Ruhr vergießen werden, ebenso wenig über das der Bourgeoisie insgesamt in den von den Russen besetzten Gebieten. Aber die Forderung der deutschen Trotzkisten in beiden Teilen Deutschlands wird für den Abzug der Be­satzungstruppen und für die Leitung und Kontrol­le der deutschen Industrie durch die Arbeiterklas­se sein. Sich vorzustellen, das Problem der deut­schen Wirtschaft könne getrennt werden von der Frage: welche Klasse wird kontrollieren? bedeu­tet, dem Marxismus den Rücken zuzukehren. Wir können in die Reihen der Sozialdemokratie und Stalinisten nur eindringen, indem wir eine Klas­senalternative zur Kapitulation ihrer Führer vor den Alliierten geben.

 

Der Kampf für Freiheit von nationaler Unter­drückung in Deutschland kann entlang der Linien von Schlageter[3], dem reaktionären Vorläufer der Nazis geführt werden, oder mit den Methoden von Lenin und Trotzki, entlang von Klassenlinien. Das Kleinbürgertum geht entweder mit der bür­gerlichen Reaktion oder mit dem Proletariat. In Russland führten die Bolschewiki einen rück­sichts­losen Kampf gegen die, die die Klassenunabhängigkeit des Proletariats in einer 'Volksbewegung' gegen den Zarismus aufgeben wollten. Im Osten[4] prangerten sie die Unterord­nung der kommunistischen Bewegung unter die bürgerliche 'Volksbewegung' für nationale Befrei­ung als größten Verrat an.

 

Nur das Proletariat könnte, wenn es entspre­chend einem unabhängigen Klassenprogramm kämpft, die kleinbürgerlichen Massen für den Kampf für nationale Befreiung gewinnen, der nur ein Kampf für die Macht, d.h. die Diktatur des Proletariats sein kann. Übergangsforderungen würden aufgestellt - verfassungsgebende Ver­sammlung, Vertreibung der Besatzungstruppen, aber sie würden nicht vom Kampf um die Macht getrennt. Ein Ereignis nach dem anderen enthüllt die kleinbürgerliche Denkweise und sogar den reaktionären Inhalt der Ideen der IKD-Genossen.

 

Vorgestern wurden sie als Impressionisten vom Schauspiel der nationalen Unterdrückung Euro­pas durch die Nazis vom Klassenkompass abge­bracht. Dann strampelten sie sich mit der alliier­ten Besetzung Europas ab. Heute haben sie ver­sucht, ihren letzten Schlupfwinkel in Deutschland zu finden. Aber Deutschland enthüllt wieder gna­denlos, dass die Klassenstruktur der Gesellschaft zu einer politischen Spaltung zwischen den Klas­sen führt, und keineswegs zu ihrer Vereinigung, auch nicht unter der Ferse eines ausländischen Eroberers, und sogar in einem hochindustriali­sier­ten Land wie Deutschland, dessen Industrie teilweise zerstört wurde.

 

In ihrer praktischen Tätigkeit in Deutschland suchten die Vertreter der IKD-Position nach Uni­versitätsstudenten und verschiedenen Schichten 'nationalistischer Jugend', ohne Bezug auf die Klasse, um die 'nationale Revolution' zu führen, die angeblich alle Klassen in Deutschland verei­nigen sollte! Mit ihrer Konzeption einer zerstörten Arbeiterklasse und (deshalb) der Unfähigkeit des Proleta­riats, die Nation zu führen, wenden sie den wirklichen Kräften der deutschen nationalen Wiedergeburt ihren Rücken zu. Sie wiesen die Idee zurück, die Vierte Internationale solle sich auf die erneut unter dem Banner der Sozialde­mokratie und des Stalinismus organisierte Arbei­terklasse konzentrieren. Diese vertraten nach diesen Skeptikern nur die 'alten' Leute mit Erin­nerungen an die Vergangenheit. Die 'nationalisti­sche Jugend' sei die Kraft, die den Kampf für die 'allumfassende nationaldemokrati­sche Revoluti­on' führen würde. Nachdem jetzt die Wahlen in Deutschland abgehalten wurden, was wurde er­neut enthüllt? Die hartnäckige Spaltung Deutschlands entlang von Klassenlinien. Die Mittelklasse hat sich wie in den Ländern Westeu­ropas um das reaktionäre Banner der Christdemo­kratie gruppiert und ist so ein Gegengewicht der Bourgeoisie gegen das Proletariat geworden.

 

Aber die Arbeiter haben trotz allem, trotz der Pessimisten der IKD, eisern an ihren Klassen­traditionen festgehalten und für die Arbeiterpar­teien gestimmt. Die wunderbare Regenerations­fähigkeit der Arbeiterklasse, ihr Streben, die so­zialistische Revolution zu erreichen, ihr Klassen­instinkt zeigt sich in der Tatsache, dass die Arbei­terorganisationen trotz ihres schrecklichen Ver­rats einen größeren Stimmenanteil erhielten als bevor die Nazis an die Macht kamen. Es gab keine alternative revolutionäre marxistische Par­tei, aber die Wahlen beweisen genau die Mög­lichkeiten für eine echte marxistische Strömung gestützt auf ein internationalistisches Klassen­programm.

 

Der Kampf für nationale Befreiung verhindert nicht (und kann es nicht) die unausweichliche Spaltung der Bevölkerung entlang von Klassen­linien. Und es konnte nicht anders sein. Nationale Unterdrückung schafft die Klassenausbeutung nicht ab, sondern verschlimmert sie nur. Eine re­volutionäre Kritik an der Politik des Stalinismus und der Sozialdemokratie, ein gemäß den tradi­tionellen Linien des Marxismus-Leninismus ge­führter Klassenkampf bietet die größten Möglich­keiten für die Vierte Internationale heute in Deutschland. Selbst die Sozialdemokraten gehen weiter als die IKD. Um die Unterstützung des deutschen Proletariats zu gewinnen, halten die sozialdemokratischen Führer zentristische pseu­dolinke Reden. Als Folge haben sie die Unter­stützung der Masse der Jugend, besonders der Arbeiterjugend, die sich instinktiv auf die soziali­stische Revolution als den einzigen Ausweg ori­entiert. Die Aufgabe der deutschen Trotzkisten wird sein, zu verlangen, dass die sozialdemokrati­schen Führer ihren Worten Taten folgen lassen. Es gibt natürlich Parteien rechts von den Christ­demokraten, die mit der Ideologie des Nationa­lismus spielen. In jedem Fall sind sie entweder neofaschistisch oder stellen eine Variante extre­mer Reaktion dar.

 

Trotzki hat die Stalinisten nicht grundlos für ihr Flirten mit nationalistischer Demagogie und Slo­gans (im Konkurrenzkampf mit der demagogi­schen Denunziation des Versailler Vertrags durch die Nazis) gezüchtigt. So eine Methode kann den Kampf keinen einzigen Zoll vorwärtsbringen. Sie kann nur der Reaktion in die Hände spielen. Der Kampf für nationale Befreiung muss eine Klas­senachse haben und kann nicht von der soziali­stischen Revolution getrennt werden. Das Klein­bürgertum kann nicht für die sozialistische Revo­lution gewonnen werden, indem das Proletariat das kleinbürgerliche 'nationaldemokratische' Pro­gramm übernimmt. Das würde nur bedeuten, dass das Proletariat vom Kleinbürgertum (und dadurch vom Großbürgertum) am Schwanz hinter sich hergezogen wird.

 

Das Kleinbürgertum kann nur für den Kampf ge­gen nationale Unterdrückung gewonnen werden unter dem Banner des Kampfs gegen den Kapitalismus. Sonst werden sie wieder einmal ein Werkzeug der Reaktion werden, in einer furchteinflößenderen Form. Deutschland wird nicht durch den sogenannten 'notwendigen Umweg' der na­tionaldemokratischen Revolution in ir­gendeiner Gestalt oder Form gehen. Wir stützen uns auf die Traditionen von 1918, nicht auf die Traditionen von 1813. Es kann keine andere demokratische Revolution in Deutschland geben als die, die die Alliierten erreicht haben!

 

In der Tat wird die (selbst teilweise) Wiederher­stellung der Industrie in Deutschland, die die Alli­ierten gezwungenermaßen vornehmen, auch das Selbstvertrauen des deutschen Proletariats wie­derherstellen, dessen Stimmung sich schon ge­zeigt hat durch eine Reihe von großartigen Pro­teststreiks gegen die 'Nationalisten' (die Bomben gegen die ameri­kanische Militärregierung ge­schmissen haben) und die Proteststreiks gegen die Freilassung von Papen, Schacht und anderen Nazis. Die De­monstrationen wurden unternom­men, um zu zei­gen, dass das deutsche Proletariat der deutschen Reaktion nie wieder erlauben wird, ohne einen heftigen Kampf die Macht zu ergrei­fen.

 

Ob schnell oder langgestreckt, ob für wirtschaftli­che oder demokratische Übergangsforderungen geführt, für ein einiges Deutschland und für eine alle Deutschen frei von alliierter Besatzung um­fassende verfassungsgebende Versammlung, egal, welche Forderungen aufgestellt werden, sie können nur Teil des Kampfes für die proletari­sche Revolution sein, in dem Sowjets und Arbei­terkomitees errichtet werden können.

 

Auf anderem Wege kann es nur die bürgerliche Konterrevolution in einer demokratischen oder faschistischen Form geben, eine demokratische Konterrevolution, die von den Stalinisten und Sozialdemokraten unter den Bedingungen eines Massenaufruhrs unterstützt werden wird, so wie die Sozialdemokraten sie 1918 unterstützten. Wenn die Position der IKD von der Avantgarde des deutschen Proletariats angenommen würde, würde das zu einer gefährlichen Falle für das deutsche Proletariat und neuen Missgeschicken und Niederlagen für die Arbeiterklasse führen.

 

Aus: Ted Grant: Sozialismus und deutsche Wiederbewaffnung (1953)

 

 

Die sich sammelnde Bewegung für die Wieder­bewaffnung Westdeutschlands hat eine tiefe Sorge bei den Massen in diesem Land hervorge­ru­fen. Es gibt Beunruhigung und Furcht nicht nur in den Reihen der Arbeiterklasse, sondern auch die Mittelklasse und politisch konservative Ele­mente haben mit Furcht vor den Folgen reagiert.

 

Innerhalb der Arbeiterbewegung akzeptieren so­wohl diejenigen, die die Wiederbewaffnung des deutschen Imperialismus ablehnen, als auch diejenigen, die sie unterstützen, dieselben An­nahmen als Grundlage, von der aus sie ihre Schlussfolgerungen ableiten. Die alleinige Ver­antwortung für das schreckliche Gemetzel und die Zerstörung von zwei Weltkriegen wird auf den Schultern des deutschen Militarismus abgeladen. Es ist diese Propaganda und die Furcht vor ei­nem in der Zukunft drohenden Dritten Weltkrieg, die die Masse der Arbeiterbewegung fehlgeleitet hat.

 

Die Arbeiter schauen mit Bestürzung auf die schrecklichen Opfer an Blut und Leiden, durch die die Niederlage des deutschen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg erreicht worden ist. Soll all das umsonst gewesen sein? Muss es eine neue Wiederholung des Alptraums von blutigen Opfern und Zerstörung geben? Das ist die Frage, die an der Wurzel des Aufschreis und der Opposition an der Basis liegt. Industriearbeiter, Mütter von Fa­milien wurden in einen Ausbruch antideutscher Gefühle gedrängt, der vielleicht noch bitterer ist als im Krieg selbst, soweit die Arbeiterbewegung betroffen ist.

 

Der Parteivorstand der Labour Party und die La­bour-Unterhausfraktion haben eine 'staatsmänni­sche' Position angenommen, die ein Echo der Propaganda der Regierung und der kapi­talisti­schen Klasse ist, die sie als 'Internationalismus' zu tarnen versuchen. Auf der anderen Seite er­hebt der linke Flügel unter Füh­rung der Bevanisten voll Schrecken die Hände und landet, weil er von falschen Voraussetzun­gen ausgeht, in einer Position von nationaler Selbstgerechtigkeit und antideutschem Chauvi­nismus. Keiner dieser An­sätze kann den Bedürf­nissen und Interessen der Arbeiter in Großbri­tannien, Deutschland oder der Welt dienen. Ohne einen Klassenansatz bei der Frage, einem grundlegenden Verständnis für die absolut un­vereinbaren Gegensätze zwischen den Interes­sen der Arbeiterklasse und der kapitalisti­schen Klasse national und international, ist eine falsche Haltung gegenüber der Frage unvermeid­lich. Es ist keine Frage von einer Nation gegen die andere Nation, sondern von der Arbeiterklas­se gegen die kapitalistische Klasse in einem Kampf, in dem die Interessen der Arbeiter Groß­britanniens diesel­ben sind wie die Deutsch­lands, Russlands, Amerikas und der Welt. Wen man diese Grundla­gen im Kopf behält, ist es nicht so leicht, zur Un­terstützung des Kapitalismus im In­land oder Ausland abzugleiten.

 

Die Geschichte der letzten 50 Jahre, von zwei Weltkriegen, ist eine Geschichte der Krise des Kapitalismus. Die Kriege wurden nicht von der Boshaftigkeit des Kaisers oder Hitlers verursacht, sondern von den unlösbaren Gegensätzen des Kapitalismus. Nicht nur der deutsche Imperialis­mus war verantwortlich, sondern ebenso der Im­perialismus von Frankreich, Großbritannien und Amerika und die kriminelle Politik der stalinisti­schen Bürokratie in Russland. Das Märchen, dass Deutschland oder der deutsche Imperialismus allein für den Krieg verantwortlich war, ist eine verderbliche Unwahrheit, die ein wirkliches Ver­ständnis der Frage von Krieg und Frieden verne­beln soll.

 

Ein bewaffnetes Deutschland ist keine größere Gefahr für den Frieden als ein bewaffnetes Frankreich, ein bewaffnetes Großbritannien oder ein bewaffnetes Amerika. Die Politik der kapita­listischen Klasse aller Länder wird nicht durch Liebe zu Demokratie, Freiheit, Frieden diktiert, sondern ausschließlich durch die Bedürfnisse und die Interessen der herrschenden Klasse. Ebenso wenig ist die Politik der totalitären stali­nistischen Bürokratie in Russland und seinen Sa­telliten durch Liebe zum Sozialismus diktiert, sondern durch die Bedürfnisse und Interessen der Clique, die in Moskau und den anderen Hauptstädten an der Macht ist. Die Niederlage von Deutschland, Japan und Italien hat im Ge­gensatz zu den Versprechungen der Alliierten keine neue Epoche des Friedens und des Wohl­stands für die Völker der Welt eröffnet, sondern im Gegenteil lange bevor die Frage der deut­schen Wiederbewaffnung als praktisches Pro­blem auftauchte den schlimmsten Rüstungswett­lauf in der Weltgeschichte eingeleitet, gegenüber dem die militärischen Vorbereitungen Hitlers vor dem Zweiten Weltkrieg zwergenhaft klein er­scheinen.

 

Neue U-Boote, Raketen, noch tödlichere Wasser­stoffbomben und andere teuflische Zerstörungs­methoden werden jeden Tag hergestellt. Die Rüstungsprogramme Russlands, Großbritanniens und Amerikas stellen eine gewaltige Verausga­bung der Substanz der Völker dieser Länder dar und entlarven die Falschheit der Behauptung, allein der deutsche Kapitalismus sei die Ursache des Ersten und Zweiten Weltkriegs gewesen. Die während und nach dem Krieg unermüdlich aus­gesäte Idee, dass das deutsche Volk und vor al­lem die deutsche Arbeiterklasse von Natur aus militaristisch sei, hält der Untersuchung nicht stand. Die Arbeiter in Deutschland sind nicht mehr als die Arbeiter in Großbritannien Unter­stützer von Militarismus und Krieg. Die Idee, die deutschen Arbeiter wären Unterstützer Hitlers gewesen, ist ein Zerrbild der wirklichen Entwick­lungen in Deutschland.

 

Die Verantwortung für den Sieg Hitlers und all seine tragischen Folgen für die Arbeiter Deutschlands und der Welt lag direkt bei den Füh­rungen der Gewerkschaften, der Sozialde­mokra­tischen und der sogenannten Kommunisti­schen Partei in Deutschland. Die deutschen Ar­beiter versuchten mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfü­gung standen, den deutschen Kapitalismus zu stürzen, aber die sozialdemokratischen und Ge­werkschaftsführer auf der einen Seite, die Stali­nisten auf der anderen Seite, führten einen bru­dermörderischen Kampf, der die Arbeiterklas­se angesichts der faschistischen Bedrohung ohn­mächtig machte.

 

Trotz der von den Stalinisten unermüdlich in der Bewegung verbreiteten Mythen hat es Hitler je­doch nie geschafft, die Mehrheit des deutschen Volkes zu gewinnen. Bei den letzten freien Wahlen 1932 erhielten die offen kapitalistischen Parteien 4 Millionen Stimmen, die Sozialdemo­kra­ten und Kommunisten zusammen über 13 Mil­lionen Stimmen, das katholische Zen­trum über 4,5 Millionen und die Faschisten 13,7 Millionen Stimmen. Das war der Höhepunkt der Nazibewe­gung. Ein paar Monate später blieb die Stimmen­zahl der Arbeiterbewegung gleich, wäh­rend die Nazis zwei Millionen Stimmen verloren.[5] Es war in dieser Lage, als das Auseinanderbre­chen der Nazibewegung drohte, dass die kapita­listische Klasse Hitler im Januar 1933 die Macht übergab. Selbst da war der Sieg der Nazis nicht gesichert.

 

Wenn sich die Führungen der Sozialdemokrati­schen und Kommunistischen Parteien und der Gewerkschaftsbewegungen sich zum Widerstand durch einen Generalstreik versammelt hätten und wenn sie bereit gewesen wären, der Frage des Bürgerkriegs ins Auge zu schauen, wäre Hitler von der Arbeiterklasse zerschmettert worden. Die Arbeiter waren in den republikanischen Verteidi­gungsorganisationen und den Kampforganisatio­nen der Kommunistischen Partei gut bewaffnet und organisiert. Sie waren besser bewaffnet als die britische Heimgarde im Zweiten Weltkrieg.

 

Die Nazis hatten die deklassierten kriminellen Elemente und die verstreute Mittelklasse hinter sich. Die überwältigende Mehrheit der Industrie­arbeiterklasse war bereit und willens zu kämpfen. Die Bergarbeiter, Hafenarbeiter, Eisenbahner, Metallarbeiter, Chemiearbeiter und andere Teile des Industrieproletariats hätten viel zuwege ge­bracht. Sie hatten eine ebenso gute Kampftraditi­on wie die britische oder irgendeine andere Ar­beiterklasse der Welt. Heute versuchen Führer der Arbeiterbewegung, die Verantwortung für den Betrug der stalinistischen und sozialdemokrati­schen Führer auf die Schultern der Arbeiterklas­se abzuladen. Aber die Verantwortung für die Tra­gödie in Deutschland (die den Zweiten Welt­krieg in ihrem Gefolge hatte, sobald die Organi­satio­nen der deutschen Arbeiter als größtes Hin­dernis auf seinem Weg zerstört waren) liegt nicht nur bei der Führung der deut­schen Arbeiterbe­wegung. Auch in anderen Län­dern, einschließlich Großbritannien, rechtfertigten die Führungen der sozialdemokratischen und der kom­munistischen Parteien die Politik ihrer jeweiligen Gegenstücke in Deutschland.

 

Die Kommunistische Partei in diesem Land un­terstützte die verrückte Politik der deutschen Kommunisten, die den Kampf gegen die 'unmittelbare Gefahr' richteten, die Sozialisten. Die Labour- und Gewerkschaftsführer in diesem Land, Sir Walter Citrine auf dem Brightoner Kongress des TUC[6] 1933, rechtfertigten den Verrat der deutschen Gewerkschaftsführer damit, dass es zu Bürgerkrieg und Blutvergießen geführt hätte, wenn sie einen Generalstreik ausgerufen hätten!

 

Die einzige Gefahr für den Frieden - ein bewaffnetes Deutschland?

 

Die grundlegende Frage, die gestellt wird, ist: 'Ist ein bewaffnetes Deutschland eine Gefahr für den Frieden?' Wir haben schon versucht zu erklären, dass nicht allein die Bösartigkeit des deutschen Kapitalismus den Ersten und Zweiten Weltkrieg verursachten, sondern die Politik aller imperiali­stischen Blöcke und, im Fall des Zweiten Welt­kriegs, auch die russische Bürokratie. Lange be­vor man etwas von Hitler gehört hatte, als er noch Gefreiter in den Armeen des Kaisers war, hat der große Marxist Lenin in einer nüchternen Bewertung der Ursachen des Ersten Weltkriegs (zu einer Zeit, als die Schlachten noch stattfan­den) darauf hingewiesen, dass dem Krieg unaus­weichlich ein Zweiten Weltkrieg, ein Dritter Welt­krieg - ein Zehnter Weltkrieg folgen werden, bis die Zivilisation zerstört sein würde, es sei denn, es würde ihm eine Serie erfolgreicher sozialisti­scher Revolutionen folgen.

 

Diese Analyse ist durch die Fakten bestätigt wor­den. Es ist nicht Deutschland allein, das Kriegs­gefahr erzeugt, sondern der amerikanische Im­perialismus, der britische Imperialismus und die Politik der stalinistischen Bürokratie. Kaum war das Echo der Kämpfe im Zweiten Weltkrieg ver­klungen als schon die Siegernationen wie nach dem Ersten Weltkrieg übereinander herfielen. Die russische Bürokratie, die zu einer sozialistischen Außenpolitik unfähig ist, macht mit einem riesigen Rüstungsprogramm weiter und erlegt der ge­schwächten Struktur der russischen Wirtschaft ungeheure Lasten auf. Auf der anderen Seite haben Großbritannien und die USA ein Rü­stungsprogramm von atemberaubenden Dimen­sionen angefangen, nach einer ursprünglichen Periode der Demobilisierung und der Kürzung von Rüstungsausgaben (die nicht durch irgend­eine Friedensliebe sondern durch den Druck der Massenmeinung verursacht wurde, die nach sechs Jahren Krieg und Zerstörung genug hatte).

 

Im sogenannten Kalten Krieg haben wir eine Pe­riode angespannter internationaler Beziehungen, die schlechter sind als in irgendeiner Periode der modernen internationalen Beziehungen, außer im Krieg. Hier, als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs, in dem die wirklichen Sieger Russland und Ameri­ka als kontinentale Mächte waren, stehen diese beiden Machtzusammenballungen einander in Europa und Asien gegenüber. Hier legt wieder der Grund des Konfliktes nicht im bösen Willen oder guten Willen von einem der beiden Haupt­darsteller im Kalten Krieg.

 

In der Welt heute findet der amerikanische Kapi­talismus-Imperialismus seinen Weg zur Weltherr­schaft versperrt durch die mächtige Macht Russlands auf der einen Seite und den Aufstand der Kolonialvölker in Asien für Befreiung auf der an­deren. Die Ziele Amerikas sind nicht mehr als im Zweiten Weltkrieg geleitet von der Verteidigung von 'Demokratie, Freiheit und Frieden', sondern von den habgierigen Interessen des Finanzkapi­tals der Wall Street. Dass das so ist, zeigt sich an den Verbündeten, die Amerika erfolgreich hinter seinem Banner versammelt hat - Rhee,[7] Tschiang Kai Schek und der 'große Demokrat', der Schlächter des spanischen Volkes, Franco.

 

Diese Bündnisse zeigen die Falschheit der Be­hauptung, der amerikanische Kapitalismus sei ein Gegner totalitärer Diktaturen und des Unter­drückungssystems in Russland, China und Osteu­ropa. Das ist der ideologische Deckmantel, hinter dem der wirkliche Gegensatz des amerikani­schen Imperialismus zum Staatseigentum an den Produktionsmitteln in Russland und den kolonia­len Bewegungen zur Befreiung von Kapitalismus und Imperialismus versteckt ist. Die grundlegen­de Politik des britischen Kapitalismus ist in der Realität nicht besser. Die pazifistische Politik des britischen Kapitalismus im Fernen Osten wird nicht von Friedensliebe auf der Seite des briti­schen Imperialismus bestimmt, sondern durch die Schwäche des Kapitalismus als Ergebnis von zwei Weltkriegen.

 

Seine Schwäche hat ihn gezwungen, sich auf Amerika als einziges Gegengewicht gegen die Macht Russlands zu stützen. Seine Politik wird bestimmt durch den Umstand, dass er das, was vom zerstörten Empire übriggeblieben ist, bewah­ren möchte und Komplikationen in Europa und Asien vermeiden möchte, die, wenn sie zu einem Zusammenstoß führen würden - egal welches Ergebnis sie hätten - nur mit einer Katastrophe für Großbritannien enden könnten, wenn nicht mit seiner völligen Zerstörung. Churchill ist ebenso wie die Klasse, die er vertritt, weder ein Kriegs­treiber noch ein Friedenstreiber, sondern steht für Krieg oder Frieden entsprechend den Bedürfnis­sen und Interessen der kapitalistischen Klasse. Und in ihren Kalkulationen bestimmt auch das nackte kapitalistische Interesse und überhaupt nicht Liebe zu Demokratie, Freiheit oder Frieden.

 

Auf der anderen Seite sind die Ziele der Clique, die in Russland die Kontrolle hat, nicht viel besser. Es ist wahr, dass sie wegen der Beseitigung des kapitalistischen Privateigentums nicht die Not­wendigkeit zur Ausdehnung auf dieselbe Weise haben wie sich die kapitalistischen Mächte in der Vergangenheit ausgedehnt haben. Deshalb sind sie gegen den Krieg, der für sie ein riskantes Unternehmen wäre. Trotzdem sind sie nicht in­teressiert am Sozialismus, sondern nur an der nationalen Vergrößerung der Bürokratie, die in Russland die Kontrolle hat. Sie haben kein Inter­esse an der Ausdehnung der Macht der Arbei­terklasse, sondern nur der der Macht, des Ein­kommens, der Privilegien und des Prestiges der Bürokratie in Russland. Es ist wahr, dass sie zu de­ren Verteidigung das Staatseigentum an den Produktionsmitteln behüten, von dem diese großzügigen Gaben fließen, und in diesem Sinne eine relativ fortschrittliche Rolle spielen. Trotz­dem wird ihre ganze Politik nicht vom sozialisti­schen Internationalismus bestimmt, sondern von den Bedürfnissen und Interessen der Kremlcli­que.

 

Wenn es ein Wiederaufkommen von Nationalis­mus und Militarismus in Deutschland in den vor uns liegenden Jahren geben würde, läge die Verantwortung dafür bei den alliierten Mächten und vor allem bei der russischen Bürokratie selbst. Die von der siegreichen Roten Armee verwendeten Eroberungsmethoden waren kaum besser als die der Nazis mit ihren monströsen Vergewaltigungen, Plünderungen, Räubereien, Annexionen in Osteuropa und der Ukraine. Mit dem Einverständnis der britischen und amerika­nischen 'Demokratie' wurden Ostpreußen und Teile Deutsch-Schlesiens willkürlich an Polen und Russland annektiert. Ein Viertel des Gebiets Deutschlands wurde mit Gewalt abgetrennt.

 

Nicht nur das, sondern die Nazis wurden nach­geäfft und die deutschen Bewohner der Gebiete wurden zwangsweise in das zusammengestutzte Gebiet von Deutschland vertrieben. Und in der Tschechoslowakei und anderen Teilen Osteuro­pas wurden Deutsche, die in diesen Ländern seit einem Jahrtausend gelebt hatten, rücksichtslos verjagt und auch nach Deutschland vertrieben. Zehn Millionen Menschen, etwa ein Fünftel der Bevölkerung der Bundesrepublik, wurden auf diese unmenschliche Weise behandelt und ge­zwungen, außer ein paar persönlichen Habselig­keiten alles zurückzulassen.

 

Die zwei Deutschlands

 

Deutschland ist heute in zwei grundlegend feind­selige Hälften geteilt. In Ostdeutschland hat die stalinistische Bürokratie mit der Hilfe der Bajonette der russischen Armee ein Marionettenregi­me nach dem Modell der anderen Regime in Osteuropa errichtet. Die russische Bürokratie hat diese Stellung ausgenutzt, um Ostdeutschland durch angebliche Reparationszahlungen für von der deutschen Armee im Zweiten Weltkrieg in Russland verursachte Schäden total auszuneh­men.

 

In fast zehn Jahren haben sie nach Schätzungen die atemberaubende Summe von 15 Milliarden Pfund[8] an Reparationen genommen. Trotzdem schafften sie es in den frühen Phasen der Beset­zung durch die Einführung von Elementen der Arbeiterkontrolle in den Betrieben und die Ver­staatlichung der Schwerindustrie und wichtiger Teile der Leichtindustrie ein bisschen Unterstüt­zung durch die Arbeiterklasse zu gewinnen. Das wurde schnell zerstreut durch das totalitäre Re­gime, das sich in seinen Unterdrückungsmetho­den nicht von der früheren Hitlerdiktatur unter­scheidet.

 

Trotz Verstaatlichung und Planung haben der Mangel an Freiheit, die willkürliche Kontrolle, das Missmanagement und der bürokratische Despo­tismus die ostdeutschen Arbeiter abgestoßen und das Regime existiert in diesem Stadium zweifellos nur durch die Unterstützung der Be­satzungsstreitkräfte der russischen Armee.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Ge­schichte in gewissem Umfang wiederholt. In der ersten Periode nach dem Krieg war es die Hauptsorge der westlichen Imperialisten, die Kräfte des deutschen Imperialismus kleinzuhalten und sicherzustellen, dass die mögliche sozialisti­sche Revolution nicht erfolgreich sein würde. Die Betonung lag darauf, die deutsche industrielle Macht als die Grundlage für seine militärische Macht zu begrenzen. In dieser Periode war das Programm der Demontage, der Reparationen und der ständigen Entwaffnung Deutschlands die offizielle Politik des Westens. Aber mit dem Ende der Flitterwochen in der Beziehung zu Russland und dem Beginn des Kalten Krieges wurde diese reaktionäre und utopische Politik aufgegeben.

 

Westdeutschland wurde in die Sphäre des Mar­schallplans aufgenommen. Statt aus den Deut­schen Reparationen herauszuziehen wurden praktisch Reparationen an Westdeutschland ge­zahlt. Auf diese Weise wurde in den letzten paar Jahren die westdeutsche Industrie weitgehend wiederaufgebaut, in einer gegenüber dem Vor­kriegsstand sogar modernisierten Form. Ohne die Last einer Rüstungsindustrie, mit den aus den Arbeitern herausgezogenen Superprofiten und einer höheren Investitionsrate hat die westdeut­sche Industrie die Vorkriegsentwicklung schnell erreicht und überholt.

 

Gleichzeitig sind, wie die Bevanisten richtig beto­nen, die Kräfte heute an der Macht, die Hitler fi­nanziert, unterstützt und von ihm profitiert haben. In der Stahl-, Kohle-, Chemie- und allgemein der Großindustrie haben dieselben Finanz- und Großkapitalsinteressen die Kontrolle. Hinter den Kulissen bereiten sich die Militaristen und Gene­räle, die die Armee des Kaisers und Hitlers kon­trollierten, darauf vor, ihre gewohnte Rolle als Militärkaste in der neuen westdeutschen Armee wieder zu übernehmen. Deshalb wird von ehrli­chen linken Elementen in der Arbeiterbewegung besorgt gefragt: 'Hatten wir das nicht schon mal?' Hohe Ex-Nazis haben Schlüsselposten in der Regierung und im Staatsdienst. Deshalb, werden sie nicht einen neuen faschistischen Putsch in Westdeutschland vorbereiten?

 

Es ist völlig falsch, die Frage auf diese Weise zu stellen. Faschismus und Militär- und Polizeidikta­turen entstehen nicht einfach aus dem Willen der Kapitalisten und Generäle. Glücklicherweise ist es unmöglich, den Faschismus per Erlass einzu­führen. In diesem Stadium gibt es eine mächtige Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung in Deutschland. Als Ergebnis der Erfahrung von 1933 haben sie eine bittere Lektion gelernt. In der Nachkriegsperiode antwortete die Arbeiter­klasse mit Streiks auf die Versuche der Neonazis, sich zu organisieren. Vor dem Verbot der fa­schistischen Sozialistischen Reichspartei hatten die Gewerkschaften unter dem Druck ihrer Mit­glieder Adenauer gedroht, dass sie die Dinge in die eigene Hand nehmen würden, wenn er nicht handelt.

 

Das hat die westdeutsche Regierung zum schnellen Handeln gezwungen, darüber hinaus sind in diesem Stadium die kapitalistischen Kräfte noch nicht so verzweifelt, dass sie den Faschis­mus brauchen würden. Die Mittelklasse wurde durch die Erfahrung des Militarismus und Fa­schismus auch desillusioniert. Der Boom, der in Westdeutschland gerade stattfindet ist ähnlich zu dem nach dem Ersten Weltkrieg.[9] Im wirtschaftli­chen 'Wohlstand' bei relativer Vollbeschäftigung und mit der Mittelklasse in einer ziemlich beque­men Lage gibt es keine Basis für die Reaktion in diesem Stadium.

 

So haben bei den Wahlen in Nordrhein-Westfa­len, das das entscheidende Ruhrgebiet umfasst, die Neofaschisten, oder eine kaum getarnte fa­schistische Frontorganisation, weniger als 2000 von 10 Millionen Stimmen erhalten. Damit soll nicht gesagt werden, dass, was Westdeutschland angeht - ein kapitalistisches Deutschland -, das Problem von Krieg und Faschismus für immer gelöst wäre. Dieselben Ursachen, die den Aus­bruch Hitlers und den Versuch des deutschen Imperialismus zur Eroberung Europas erzeugt haben, sind heute in Westdeutschland wirksam. Das liegt nicht daran, dass die Deutschen als Volk irgendwie besser oder schlechter wären als ir­gendein anderes Volk auf der Erde, sondern we­gen der besonderen Probleme des deutschen Kapitalismus.

 

Eine neue schwere Wirtschaftskrise, aus der die Kräfte der Arbeiterklasse keinen Ausweg zeigen würden, würde unausweichlich die Mittelklasse zur Verzweiflung treiben und die westdeutschen Kapitalisten würden wieder eine Form einer fa­schistischen Bewegung suchen. Diesmal viel­leicht mit einer Organisationsform wie der, die de Gaulle in Frankreich zu errichten versucht hat. Die deutsche Industrie hat wieder den Weg be­schrit­ten, die Eroberung der Weltmärkte zu ver­suchen. Die Produktivkräfte Westdeutschlands kön­nen nicht in den engen Begrenzungen Deutsch­lands gehalten werden. Langfristig werden sie sich bemühen, Europa und die Welt zum Wohle des deutschen Kapitalismus zu organisie­ren.

 

In den frühen Stadien wird es vielleicht Propa­ganda für die Rückgewinnung der von Russen und Polen eingenommenen Gebiete geben, für die nationale Einigung eines geteilten Deutsch­lands. Egal wie, bevor die Kräfte der Reaktion in Deutschland den Weg von Krieg oder Faschis­mus gehen könnten, müssten sie die Organisatio­nen der Arbeiterklasse und die dort in den letzten zehn Jahren wiedererlangten Rechte zerstören. Die Faschisten konnten sich nur den Luxus er­lauben, sich in den Krieg zu stürzen, weil vor­übergehend die Heimatfront, die wichtigste Front, sicher war mit der Atomisierung und Machtlosig­keit der Arbeiterklasse und den psychologischen Auswirkungen des Umstands auf die Arbeiter, dass sie ohne Kampf Hitler ausgeliefert wurden.

 

Solch eine Wiederholung ist sehr unwahr­schein­lich. Selbst aufgrund ihrer eigenen Erfah­rung würden die Führer der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften wenigstens den Weg ihrer öster­reichischen und spanischen Genossen ge­hen - lieber Bürgerkrieg als demütige Unterwer­fung unter den Faschismus.

 

Bevan und der Parteivorstand - beide richtig und beide falsch

 

Entlang den Linien des Kapitalismus kann es keine Lösung für das Problem von Deutschland und Europa geben. Tiefe Krisen, Kriege und neue Krisen sind langfristig unausweichlich, wenn der Kapitalismus weitermachen darf. Die Bevanisten glauben, dass die deutsche Wieder­bewaffnung verhindert werden kann im Bündnis mit den Streitkräften des britischen, französi­schen und amerikanischen Kapitalismus zusam­men mit der russischen Bürokratie. Wir wollen das einmal genauer betrachten.

 

Das ursprüngliche alliierte Programm war die drakonische Bestrafung der Deutschen, die Be­grenzung der deutschen Industriekapazität, eine langfristige Besetzung durch die vier Mächte und die Heimsuchung des deutschen Volks für die Sünden Hitlers und der SS. Dieses Programm war ein Programm der nationalen Unterdrückung, das nur einen Grad entfernt von der durch Hitler in den von ihm besetzten Ländern Europas durch­geführten Unterdrückung war. Wenn das sowohl vom Osten als auch vom Westen fallen­gelassen wurde, war das nicht aus zärtlicher Sorge für die Demokratie oder aus einer Verän­derung des Herzens und Großzügigkeit auf Sei­ten der Ame­rikaner und Alliierten. Es wurde in erster Linie fallengelassen, weil es unmöglich längere Zeit durchgeführt werden konnte, und in zweiter Linie, weil die Alliierten das Kräftever­hältnis wieder ver­schieben wollten, das sich als Folge des Zweiten Weltkriegs für sie auf dem europäischen Kontinent so verheerend entwickelt hatte.

 

Die Idee der Bevanisten, zur alten Politik zurück­zukehren, ist ein reaktionärer Traum. Die Frage, die der Parteivorstand den Bevanisten stellt, auf die sie nie eine Antwort gegeben haben, ist: 'Wie soll diese Politik durchgeführt werden?' Jeder Versuch, die Deutschen als Paria-Nation zu be­handeln, wäre zum Scheitern verurteilt. Der Ver­such, das Fraternisierungsverbot in der erhitzten Atmosphäre der frühen Monate der Nach­kriegsperiode zu erzwingen, ließ sich unmöglich durchsetzen.

 

Der Versuch, Deutschland mit dieser Politik un­be­fristet niederzuhalten, würde gerade die Flammen des Nationalismus und Militarismus in Deutschland anfachen. Er würde ihren Ansprü­chen auf Gleichheit und nationale Selbstbestim­mung eine Handhabe geben. Britische Tommies, französische Poilus und amerikanische GIs könnten nicht sehr lange als SS verwendet wer­den. Hitler konnte für seine Drecksarbeit in den besetzten Ländern nur speziell ausgewählte Truppen verwenden und nicht gewöhnliche deut­sche Truppen. Selbst damals konnten die Nazis nur Erfolg haben (und dabei gleichzeitig eine ge­waltige Widerstandsbewegung hervorrufen), weil sie zu Hause keine Demokratie hatten.

 

Wie lange würde die öffentliche Meinung in Großbritannien, Frankreich und Amerika die na­tionale Unterdrückung der Deutschen ertragen, die das bedeuten würde? Abgesehen von ihrem unsozialistischen Charakter ist solch eine Politik undurchführbar bis zum Äußersten. In der mo­dernen Welt ist es unmöglich, irgendeine große Nation für längere Zeit niederzuhalten. Das ist die Lehre der Geschichte und etwas, das die Beva­nisten mit ihren glatten Phrasen und ihrer Popu­laritätshascherei noch lernen müssen.

 

Der Parteivorstand hat daher Recht, wenn er die Bevanisten in dieser Frage als unrealistisch kriti­siert. Auf der anderen Seite, welche Position ver­tritt der Parteivorstand? Früher haben sie für die Unterstützung der EVG (Europäische Verteidi­gungsgemeinschaft) argumentiert und dabei die Interessen der Kapitalisten und Arbeiter in Amerika, Frankreich, Großbritannien und den anderen betroffenen Ländern zusammengeschmissen. Wie das Mädchen, das ihr uneheliches Kind damit rechtfertigt, dass es ja nur ein kleines Baby ist, sind sie für eine kontrollierte und 'begrenzte' oder kleine deutsche Wiederbewaffnung eingetreten (da sie ja das Argument der Erbsünde des deut­schen Militarismus und des ausschließlich deut­schen Militarismus akzeptieren). Hier können die Bevanisten lachen. Denn sie betonen ziemlich richtig, dass es lächerlich ist, zu denken, irgend­welche Beschränkungen auf dem Papier hätten irgendeine Wirkung, sobald die deutsche Wie­derbewaffnung stattgefunden hat. Sobald die Generäle und Industriellen Deutschlands den Bissen zwischen ihren Zähnen haben, wird man ihre wilde Jagd nicht mehr zügeln können außer durch Gewaltandrohung, die unter solchen Um­ständen die Provokation eines neuen Krieges bedeuten würde. Wenn die Bevanisten sagen, es sei ziemlich wahrscheinlich, dass ein wiederbe­waffnetes Westdeutschland ein Abkommen mit der Sowjetbürokratie trifft, auf dieselbe Weise wie sie den Nazi-Sowjet-Pakt gemacht haben, der den Zweiten Weltkrieg einleitete, dann ist das ziemlich richtig.

 

Das ist ziemlich wahrscheinlich. Ein wiederbe­waffnetes Deutschland wäre vor allem an den nationalen Interessen der Kapitalistenklasse in­teressiert. Das Herz der deutschen Kapitalisten hat sich ebenso wenig geändert wie das der fran­zösischen, britischen und amerikanischen Kapi­talisten. Es sind die Interessen der deutschen Imperialisten, denen ihre Sorge gilt. Alle Abkom­men werden wie alle machtpolitischen Arrange­ments ohne Zögern gebrochen werden, wenn sie denken, dass sie einen Vorteil daraus ableiten können. Die Wiederbewaffnung Deutschlands wird nichts lösen, sondern wird ein neues Ele­ment der Instabilität in eine schon hoch geladene Atmosphäre bringen.

 

Der Kampf um die Europäische Verteidigungsge­meinschaft hat schon gezeigt, wie der Prozess sein wird. Die Positionen der verschiedenen Fraktionen in Frankreich sollen dem dienen, was sie jeweils für das Interesse des französischen Kapita­lismus halten (abgesehen von der Kom­munisti­schen Partei, die natürlich von der Au­ßenpolitik der russischen Bürokratie bestimmt ist). So wird auch die Politik der britischen und amerikani­schen Kapitalisten hervorgerufen von Erwägun­gen über ihre Interessen.

 

Wenn die französischen Kapitalisten anschei­nend mehrheitlich die EVG zurückgewiesen ha­ben, ist es aus Furcht vor einer zu engen Umar­mung durch eine entwickeltere und mächtigere Wirtschaft ihrer Ebenbilder in Deutschland. Wenn die deutschen Kapitalisten wieder die Ge­legen­heit hätten (ohne ein zu großes Risiko des Scheiterns), würden sie unter dem Druck des Wi­derspruchs zwischen einer sehr produktiven Wirtschaft und dem begrenzten deutschen Markt den Weg zur Beherrschung Europas ohne Zö­gern gehen. Deshalb kann die deutsche Wieder­bewaffnung die Probleme nicht lösen, die Deutschland und Europa bedrängen.

 

Die vom Parteivorstand vorgeschlagenen angeb­lichen Schutzmaßnahmen wären so angemessen wie das Bemühen, sich vor einer Flut zu schüt­zen, indem man mitten in dem betroffenen Ge­biet einen Graben gräbt. Wie primitive Völker, die Beschwörungsrituale haben, glaubt der Partei­vorstand, dass Beschwörungen den deutschen Militarismus austreiben können. Jeder neue 'Schutz' zur Begrenzung der deutschen Wieder­bewaffnung wäre als Schutz etwa so praktisch wie der Versailler Vertrag. Er könnte nur so lange aufrechterhalten werden wie er den Interessen des deutschen Kapitalismus passen würde. Nicht weil Deutschland verschieden wäre, sondern weil es letztlich grundlegend gleich ist wie irgendein anderes kapitalistisches Land.

 

Der Parteivorstand erklärt, dass bei einem Not­stand 'im Fall einer Bedrohung der Sicherheit oder einem Versuch, die Verfassung der Bundes­republik Deutschland zu untergraben, die drei Westmächte das Recht haben, nach Rückspra­che mit der deutschen Bundesregierung den Notstand auszurufen'. Das ist eine Drohung, die in der Reserve gehalten wird gegen die Gefahr einer sozialistischen Revolution in Deutschland und kaum ein Mittel, um die Wiederbewaffnung unter Kontrolle zu halten. Auf alle Fälle suchen die amerikanischen Imperialisten verzweifelt nach einer starken und stabilen Kraft, auf die sie sich in Europa verlassen können, um sie gegen die Gefahr des Sozialismus und die Bedrohung durch die russische Bürokratie zu verwenden. Nach Berichten, die wohl eher richtig als falsch sind, bereiten sie sich schon heimlich auf eine Armee von mindestens 50 Divisionen in Deutschland vor, und nicht die 12, auf die Deutschland durch die EVG begrenzt werden sollte.

 

So viel ist der angebliche Schutz der EVG oder irgend eines anderen Vertrags, der ihren Platz einnimmt, wert. Es ist ein Maßstab für den engen und imperialistisch-gesättigten Blickwinkel von beiden Broschüren, Verteidigung Europas und Es muss nicht passieren, dass beide die Dinge aus dem Blickwinkel der deutschen Konkurrenz im Welthandel betrachten. Und das ist in der Tat für die westlichen Imperialisten ein riesiges Problem, wenn man annimmt, dass der Kapitalismus in sei­ner gegenwärtigen Form ungehindert weiterbe­stehen wird. Es war die Verschärfung dieses grundlegenden Problems und die Konkurrenz um Weltmärkte, die für zwei Weltkriege verantwort­lich war.

 

Die Volkswirtschaften von Deutschland und Westeuropa insgesamt können nicht in den alten Rahmen des Nationalstaats eingeschlossen wer­den. Das erklärt die Besorgnis der kapitalisti­schen Kräfte in allen Ländern des Westens. Pri­vateigentum an den Produktionsmitteln auf der einen Seite und der Nationalstaat auf der ande­ren behindern und blockieren die volle und freie Entwicklung der Produktivkräfte. Das hat die chronischen Krisen der letzten vier oder fünf Jahrzehnte verursacht, mit ihrem periodischen Blutvergießen und Zerstörungen. Wenn es nicht so tragisch wäre, wäre es komisch, dass die in diesem Zusammenhang verwendeten Argumente von Sozialisten kommen. Der Parteivorstand zum Beispiel sagt, dass ein neutralisiertes Deutschland schlecht für Europa wäre, weil es eine Konkur­renz zwischen West und Ost um die Gunst Deutschlands bedeuten würde. 'Bei dieser Aktion könnte die Sowjetunion mit Märkten für Deutsch­lands Industrieprodukte im Osten und einer mög­liche Rückgabe der «verlorenen Gebiete» locken.'

 

Bleibt nur, dem Parteivorstand die höfliche Frage zu stellen: 'Warum sollte sich das Problem nicht auf dieselbe Weise stellen, sobald Deutschland wiederbewaffnet ist? Was soll das verhindern? Die guten Absichten der Labourführung oder ihr Glaube an die guten Absichten der deutschen Generäle und Kapitalisten?' Die bevanistische Position zu dieser Frage ist sogar noch unreali­stischer. Sie sagen, die Frage solle etwas hin­ausgezögert werden, weil das 'den Staatsmän­nern die Gelegenheit geben kann, noch einmal darüber nachzudenken und sich eine ganz fri­sche Politik auszudenken'. Leider ist internatio­nale Politik kein Spiel Pat-a-cake, pat-a-cake oder Postman's knock.[10]

 

Wenn die Meinungsverschiedenheiten zwischen West und Ost seit neun Jahren immer schärfer wurden und eine Konferenz nach der anderen gescheitert ist oder sich festgefahren hat, ist das nicht, weil Molotow gerne nein sagt, oder weil Mr. Dulles[11] reizbar und ungeduldig ist, sondern weil sie Sprecher unvereinbarer Interessen sind, die ge­rade im Ausbruch des Kalten Krieges zum Aus­druck kommen. Es ist wahr, dass, wie die Be­va­nisten sagen, 'die Wiederbewaffnung Deutsch­lands einen Teil der Strategie des Kalten Krieges bildet und jede Verhandlungslösung der deut­schen Frage praktisch unmöglich machen würde. Sie würde die Wahrscheinlichkeit einer endgülti­gen Katastrophe erhöhen.'

 

Aber sie sehen nicht, dass in den letzten paar Jahren die Verhandlungen zwischen West und Ost in Europa von dem Wunsch beider Seiten bestimmt wurden, die Verantwortung für die Tei­lung Deutschlands den feindlichen Staaten zuzu­schieben, sie ihren Gegner aufzuladen. Beide Seiten haben die Verhandlungen als Mittel der Propaganda gegenüber dem deutschen Volk ge­nutzt, um die Verantwortung auf diese Weise zu platzieren.

 

Die Gründe, die diese Politik motivieren, fließen aus den grundlegenden Differenzen. Ebenso wenig wie es möglich ist, die Unterschiede zwischen Arbeitern und Kapitalisten in einem einzelnen Land für länger als eine kurze Zeitperiode zu ver­söhnen, ebenso wenig ist es möglich, mehr als eine vorübergehende Übereinkunft zu bekommen zwischen zwei einander ausschließenden und feindlichen Gesellschaftssystemen, wie denen von Russland und dem Westen. Wenn das in der Tat nicht einmal im Fall von Ländern mit demsel­ben Gesellschaftssystem unter dem Kapitalismus möglich ist, ist das noch mehr so, wenn es einen Klassenunterschied gibt.

 

Die sogenannte 'vernünftige' Politik des Appells an Argumente und die Vernunft ist mitleider­weckend unangemessen und eine grausame Irre­führung und Falle für die Arbeiterklasse, wenn es um eine Frage des Kampfes zwischen einander aus­schließenden Gesellschaftssystemen oder Klas­sen geht. Man muss die sogenannten Attlee-Bedingungen in diesem Licht betrachten:

 

Die deutsche Demokratie muss sicherstellen, dass die Streit­kräfte ihre Diener und nicht ihre Herren sein werden. Ich stimme darin überein, dass es immer die Gefahr eines Wie­dererstehens derselben Art Kräfte gibt, die Deutschland zu einer Bedrohung gemacht haben, aber man wird das nicht los, indem man ein Vakuum zurücklässt. Die Antwort ist, dass es in Deutschland demokratische Streitkräfte unter demokrati­scher Kontrolle geben sollte.

 

Welche mögliche Garantie kann es geben, wenn dieselbe Offizierskaste die Armee kontrollieren wird, die sie unter dem Kaiser, der Weimarer Re­publik und Hitler kontrollierte? welche Art de­mo­kratischer Kontrolle, wenn das Rückgrat des Staatsapparats wieder dieselben Elemente sind, die gläubig dem Kaiser gedient haben, freudig die Weimarer Republik verraten haben, gehor­sam Hitler gedient haben und, wie der Vikar von Bray,[12] wieder eine Wende gemacht haben und heute Lippenbekenntnisse zur Demokratie able­gen? Hier können wir vielleicht hinzufügen, dass dieses Problem keine deutsche Besonderheit ist.

 

In Frankreich gab es ein ähnliches Problem mit dem Vichy-Regime, mit einem ähnlichen Ergeb­nis. Und nur der Ausgewogenheit wegen: auf der Insel Jersey war die Lage kein Grund zur Prahle­rei für die britischen Behörden dort. Wenn die Bedingungen für den Aufstieg des Faschismus sich in Deutschland wiederholen, werden die Fol­gen dieselben sein, wenn nicht die Kräfte der Ar­beiterklasse organisiert und trainiert sind, ihm zu begegnen. Bevan sagt in seiner Broschüre: 'Es gibt noch Zeit, um Europa und die Welt vor der Gefahr des Wiederaufbaus der Militärmacht Deutschlands zu retten. Es muss nicht passieren.' Worte, Worte, Worte! Eines der wenigen richti­gen Dinge, die Hitler je gesagt hat, war sein Höhnen über sozialistische Politiker, die sich an Phrasen berauschen.

 

Bloß wie dieses schöne Ende erreicht werden soll, wird nicht wirklich erklärt. Wenn doch nur Ei­senhower, Malenkow und Churchill[13] bei einem Tee oder einer Flasche Wodka zusammenkom­men würden, könnte alles geregelt werden. An­scheinend liegt das Problem darin, mit diesen Herren vernünftig zu reden, damit sie die Schrecken sehen, die die Menschheit sonst heimsuchen würden. Es ist wahrscheinlich richtig, dass es keinen Schaden anrichten würde, die Köpfe aller dieser Herren zu untersuchen, aber ob sie geistig gesund sind oder nicht, ob sie gut oder schlecht gelaunt sind, ob sie Humanisten oder Kriegstreiber sind, das ist nicht die Frage. Gut oder schlecht, sie sind bloß Vertreter der Politik der kapitalistischen Klasse und der impe­rialistischen Länder oder der stalinistischen Büro­kratie in Russland.

 

Deutschland war neun Jahre lang entwaffnet und hilflos und - sieh da! - das Unglück und der Zu­sammenstoß der nationalen Rivalitäten sind so fröhlich weitergegangen wie vor dem Krieg. Und es ist der Zusammenstoß der kapitalistischen In­teressen, der den Konflikt produziert, und nicht die guten oder schlechten Absichten dieses oder jenes Politikers, nicht mal dieser oder jener Par­tei. Beim Parteitag der Labour Party hat der Par­teivorstand mit seiner 'Kompromissresolution die Bevanisten ausmanövriert und so wurde die Posi­tion von letzteren zu dieser Frage mit einer knap­pen Mehrheit abgelehnt. Aber angenommen, sie hätten gewonnen, was hätten sie damit ge­macht?

 

Sowohl der rechte als auch der linke Flügel spre­chen gern über 'praktische Politik'. Was wären die praktischen Folgen eines bevanistischen Sie­ges gewesen? Beim gegenwärtigen weltweiten Kräfteverhältnis, unter den gegenwärtigen Be­dingungen, wird Deutschland auf die eine oder andere Weise wiederbewaffnet werden, und zwar in der unmittelbaren Zukunft. Es wird wiederbe­waffnet werden, weil das der Wunsch der fran­zösischen, britischen und amerikanischen kapita­listischen Kräfte ist, von den Kräften des deut­schen Kapitalismus ganz zu schweigen. Deshalb wäre ein Sieg für die Bevanisten kein Vorzeichen für irgendwelche Taten von ihrer Seite gewesen.

 

Die Bevanisten behaupten, 'eine konstruktive so­zialistische Politik zu skizzieren'. In dieser Bezie­hung bieten die Bevanisten ein Rezept für ein Abkommen zwischen allen Großmächten zum Wohle der Kolonialvölker an. Das zu einer Zeit, in der der amerikanische Kapitalismus eifrig jede reaktionäre Feudalclique von Großgrundbesitzern und Kapitalisten zur Unterdrückung der Kolonial­völker in Asien hochpäppelt. Während der ameri­kanische Imperialismus sich immer noch unbe­lehrbar weigert, die vollendete Tatsache des Sie­ges der chinesischen Revolution anzuerkennen, Tschiang Kai Schek in Formosa (Taiwan) an der Macht hält und sich nach dem Tag sehnt, wenn er Tschiang Kai Schek gegen das Festland nut­zen kann. Das zu einer Zeit, in der die russische Bürokratie die Völker der nationalen Republiken in Russland und die Satellitenstaaten in Osteuro­pa unterdrückt. Das zu einer Zeit, in der der briti­sche Imperialismus eifrig die Völker von Kenia und Malaya niederhält. Die Tatsachen des Le­bens sind eine dumme Sache. Man kann wün­schen, sie wären anders, aber dem Imperialismus und Stalinismus didaktisch mit dem Finger zu dro­hen, um ihnen ihre Aufgabe zu erklären ist so vernünftig, wie eine alte Jungfer, die über die Sündhaftigkeit der Jugend von heute jammert.

 

In einem Interessenkonflikt ist es nicht die Frage, was dem Wohle der Menschheit dient, wie die Sentimentalen denken. Es gibt nur eine Kraft auf der Welt, die wirklich gegen den Krieg ist, die durch und durch demokratisch ist und deren In­teressen die Interessen der Zukunft des Men­schen sind: die Kraft der internationalen Arbei­terklasse. Und das nicht aus humanitären oder moralischen Überlegungen. Es ist so, weil die Inter­essen der Arbeiterklasse in Russland, Deutsch­land, Großbritannien, Frankreich, Ameri­ka und China tatsächlich ein und dieselben sind. In der Tat ist das die Grundlage einer wirklich sozialisti­schen Politik. Alle Manöver und Träume, alle di­plomatischen Verhandlungen und Umstel­lungen können nur, langfristig, ein Rangeln um die richti­ge Stellung in den Wendungen der Au­ßenpolitik sein.

 

Das Problem der deutschen Vereinigung

 

Deutschland ist geteilt in zwei grundsätzlich ver­schiedene und feindliche Lager, und hier ist es wieder kein Zufall, dass die russische Bürokratie in ihrer Zone zwar eine grausame Diktatur durch ihre Marionetten errichtet hat, aber trotzdem die Kräfte des Kapitalismus weitgehend beseitigt und ein Regime nach stalinistischem Modell errichtet hat. Genauso wenig ist es ein Zufall, dass in ihren Zonen in den amerikanischen, französischen und britischen Sektoren Kräfte des Kapitalismus und der Reaktion an die Oberfläche gekommen sind, wenn auch zur gleichen Zeit zögernd Raum ge­schaffen wurde für eine Demokratie nach dem westlich-kapitalistischen Modell.

 

Ein Hauptproblem für Europa und die Welt in den vor uns liegenden Jahren ist, wie Deutschland vereinigt werden soll. Es ist wahr, dass die Stali­nisten besiegt werden würden, wenn es in der Ostzone freie Wahlen gäbe. Aber das ist etwas, was die stalinistischen Kräfte nicht erlauben kön­nen, egal ob mit oder ohne Einverständnis des Westens. Die Russen müssten Zugeständnisse von grundlegenden, weitreichendem Charakter kriegen, um sie für die militärischen, strategi­schen und wirtschaftlichen Vorteile zu entschädi­gen, die ihnen die Beherrschung der Ostzone gibt. Ande­rerseits kann für die westlichen Kapita­listen eine Vereinigung nur zu ihren Bedingungen erreicht werden, ohne diese grundlegenden Zu­geständ­nisse. Deshalb gibt es in dieser Schlüs­selfrage weder auf dem kapitalistischen noch auf dem stalinistischen Weg einen Ausweg.

 

Die Klagen der Bevanisten, dass das eine Frage von 'Verhandlungen oder Kampf' ist, haben nichts mit der Sache zu tun. Verhandlungen kön­nen nur zur Lösung zweitrangiger Fragen statt­finden und wenn beide Seiten Zugeständnisse machen müssen, die sich gegenseitig ausglei­chen. Das ist die Lage, soweit es um den Handel geht, und in der unmittelbaren Zukunft wird der Handel zwischen Ost und West wahrscheinlich zuneh­men. Aber die Idee, man könne 'das deut­sche Problem durch Verhandlungen mit Russland lö­sen', wie es die Bevanisten vorschlagen, hält kei­ner ernsthaften Untersuchung stand.

 

Andererseits sagen die Bevanisten richtig, dass dieses Problem langfristig entweder durch 'Befreiung' oder 'Verhandlungen' gelöst werden wird. Das ist richtig, aber das heißt nur, dass die Probleme sich langfristig immer höher türmen werden bis es langfristig eine Explosion geben wird, wenn die Kräfte des Kapitalismus und Sta­linis­mus intakt bleiben! Ist das nicht eine Progno­se von Schwermut und Schrecken, von Zerstö­rung und Elend? Überhaupt nicht. Es ist wahr, wenn die Zukunft der Völker von ihren gegen­wärtigen Regierenden entschieden würde, dann wäre die Zukunft der Menschheit in der Tat fin­ster.

 

Glücklicherweise gibt es eine andere Kraft, die erzeugt wird. Die Kraft der Arbeiterklasse in Deutschland und in der Welt. Sie ist die einzige fortschrittliche Kraft, die wirklich keine anderen Interessen hat als den Fortschritt der Menschheit. Das deutsche Problem kann letztlich nur gelöst werden durch die deutsche Arbeiterklasse, die die deutsche Nation führt, im Bündnis und in der Zusammenarbeit mit der britischen und interna­tionalen Arbeiterklasse.

 

Die Wiederentwicklung der Industrie in Deutsch­land hat ihre Kraft enorm gestärkt. Wer Augen hat zu sehen, wer ein Verständnis für die grund­legendes Ideen des Sozialismus hat, dem sollten das die jüngsten Ereignisse gezeigt haben. Trotz 20 Jahren nationalsozialistischer und dann stalinistischer Tyrannei in Ostdeutschland, trotz dem Krieg und allen seinen Folgen, trotz der Verwirrung der deutschen Arbeiterklasse durch die Politik der internationalen Arbeiterbewegung und der soge­nannten kommunistischen Parteien sahen wir in Ostdeutschland in den begeisternden Junitagen 1953 die mächtige Kraft der Arbeiterklasse, ihrer Sehnsucht nach Demokratie und Sozialismus.

 

Trotz aller Schwierigkeiten war das Marionetten­regime in der Ostzone innerhalb weniger Tage gestürzt. Adenauer und die westdeutschen Kapi­talisten müssen vor Angst gezittert haben. Das war nicht die Art von 'Befreiung', die sie ersehnten. Die Vereinigung Deutschlands unter diesen Bedingungen hätte die Vorherrschaft für die Ar­beiterklasse und die schnelle Entwicklung des Sozialismus in ganz Deutschland bedeutet. Zum Glück für sie intervenierte die erschreckte Mos­kauer Bürokratie mit der russischen Armee und stellte den Status Quo wieder her.

 

Aber wir dürfen nicht nur auf den Osten schauen, sondern auch auf den Westen, um die sich wei­terentwickelnde Kraft der Arbeiterklasse zu se­hen. In Westdeutschland hat der Druck der Arbei­ter in der Kohle- und Stahlindustrie zu einem ge­wissen Maß an Kontrolle durch die Gewerkschaf­ten geführt durch die Beteiligung ihrer Vertreter in den Aufsichtsräten dieser Industrien. Die Streiks in Bayern haben gezeigt, dass der Kampfgeist der deutschen Arbeiterklasse wiedererwacht ist. Sie sind die einzige Kraft, die, im Bündnis mit den Arbeitern der anderen Länder, wirklich Frieden und Wohlstand für die Völker sicherstellen kann.

 

Das Problem für die britische Arbeiterbewegung bei der deutschen Frage ist, wie sie den deut­schen Arbeitern bei ihrem Kampf gegen den deutschen Kapitalismus, die alliierte Besetzung und die Kräfte des stalinistischen Totalitarismus im Osten am besten helfen kann. Auf dem Weg des Kapitalismus, auf dem Weg des diplomati­schen Kuhhandels und der Verhandlungen gibt es keinen Ausweg außer einer endlos hingezo­genen Sackgasse, die in einer Katastrophe en­det. Eine neue schwere Wirtschaftskrise, eine neue Reaktion, ein neuer Krieg! Aber das ist der Weg, den die Arbeiter weder in Deutschland noch in irgendeinem anderen Land gehen wollen.

 

Die erste Aufgabe der Arbeiterklasse der alliier­ten Länder und der britischen Arbeiterbewegung be­sonders, ist die Forderung, dass alle Besat­zungs­truppen abgezogen werden sollten und dass das Schicksal des deutschen Volkes von den Deut­schen selbst entschieden werden muss. Jede an­dere Politik ist eine schändliche Kapitulation vor der Politik des Nationalismus, Imperialismus und Chauvinismus. Es heißt, die rassistische Lüge von Hitler in anderer Form zu wiederholen, dass die Deutschen anders seien, nur wo er ein Plus machte, machen sie ein Minus. Auf dieser Straße gibt es keinen Weg vorwärts. Die einzige Kraft, die wirklich durch und durch gegen Krieg, Milita­rismus und Reaktion ist, ist die Kraft der Ar­bei­terklasse.

 

Die einzige Methode, Deutschland auf fortschritt­liche Weise zu vereinigen, liegt in der Aktion durch die deutschen Arbeiter selbst. Der Sturz des deutschen Kapitalismus durch die Arbeiter Westdeutschlands würde die Kräfte des Stali­nismus und des amerikanischen Imperialismus untergraben und lähmen. Der einzige fortschrittli­che Weg zu einem vereinigten Deutschland ist ein vereinigtes, sozialistisch-demokratisches Deutschland. Deshalb ist die Hauptaufgabe der britischen Arbeiterbewegung nicht die Zusam­menarbeit mit dem britischen Kapitalismus oder der stalinistischen Bürokratie, sondern mit allen möglichen Mitteln die Kräfte des Sozialismus in Deutschland zu unterstützen und ihnen zu hel­fen. Das kann nur getan werden durch den Kampf gegen die Kapitalistenklasse zu Hause.

 

Was die Arbeiterbewegung angeht, ist das einzi­ge wirkliche Mittel, um gegen die deutsche Wie­derbewaffnung im Interesse der Arbeiterklasse hier und im Ausland zu kämpfen, ein durchge­hend sozialistisches Programm im eigenen Land, eine kämpferische Politik, um die Tories loszu­werden und den Rücktritt der Regierung zu er­zwingen, den Weg zu bereiten für eine neue La­bourregierung mit einer sozialistischen Innen- und Außenpolitik. Innen- und Außenpolitik sind unlösbar miteinander verbunden.

 

Eine kämpferische sozialistische Regierung zu Hause, die alle Großbetriebe auf demokratischer Grundlage verstaatlichen würde, könnte erfolg­reich sowohl an den Osten als auch an den We­sten appellieren. Die amerikanischen Kapitalisten wären handlungsunfähig angesichts eines wirk­lich demokratisch-sozialistischen Großbritanni­ens. Sie könnten nicht auf die Vogelscheuche des russischen und chinesischen Totalitarismus als Entschuldigung für Aktionen verweisen; auf der anderen Seite könnte die russische Bürokra­tie nicht auf die sehr reale Gefahr eines kapitali­stischen Angriffs verweisen und der Drohung für Staatseigentum und Planung im Ostblock, die das darstellt. Nicht nur, dass ein wirklich sozialisti­sches Großbritannien die einzige praktische Al­ternative zum nationalen und Rassenhass anbie­ten könnte, die das Angesicht Europas besudeln.

 

Die kapitalistischen Politiker in Europa und Ame­rika bemerken selbst das hoffnungslose Schla­massel, in das die nationalen Rivalitäten Europa in den letzten 50 Jahren gebracht haben. Aber sie erkennen zwar das Problem, sind jedoch un­fähig, etwas dagegen zu tun. Sie können gele­gentlich von einem Vereinigten Europa träumen, wie es von Churchill, Schumann,[14] Adenauer, Dulles und anderen kapitalistischen Politikern vorgeschlagen wird, aber das ist alles, was sie tun können. Und nebenbei enthüllt dieses eine Faktum die Untauglichkeit aller Lösungen, wie die von den Bevanisten und dem Parteivorstand vor­geschlagene Hilfe für den Osten im Interesse al­ler!

 

Aus dem Blickwinkel des Kapitalismus als Gan­zem wäre ein vereinigtes Kontinentaleuropa eine so mächtige Kraft, wirtschaftlich ebenso wie mili­tärisch, wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Aber die einzelnen nationalen kapitalistischen Interessen stoßen in einem solche Ausmaß zu­sammen, dass ein Vereinigtes Europa unter dem Kapitalismus ein vergeblicher Traum ist!

 

Die britische Labour-Party hat eine strategische Position in der Welt. Wenn die britische Labour-Party auf ihrem Banner die Errichtung eines sozialistischen Großbritanniens hätte (als Vorbereitung für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa) in unlösbarem Bündnis mit den Kolonialvölkern, dann würde die Macht des Militarismus und Kapitalismus und der stalinistischen Bürokratie unwiderruflich gebrochen, auf die der Parteivorstand und die Bevanisten auf verschiedene Weise verweisen. Der Weg wäre offen für den Fortschritt von Demokratie, Sozialismus und Frieden. Die Lehre der Geschichte ist, dass es keinen anderen praktischen Weg gibt.

 



[1] Internationale Kommunisten Deutschlands

 

[2] Ted Grant hatte damals schon erkannt, dass die Volks­frontpolitik der Stalinisten dem Kapitalismus eine vorüber­gehende politische Stabilisierung ermöglicht hatte. Er hatte aber noch nicht erkannt, dass auf dieser Grundlage ein jahr­zehntelanger Wirtschaftsaufschwung möglich sein würde, der dieser Stabilisierung eine große Dauer gab (und dazu führte, dass das Kleinbürgertum sehr geschrumpft und die Arbeiterinnenklasse sehr gewachsen ist). Immerhin hat das Ende des Nachkriegsaufschwung in Italien schon zu Ent­wicklungen geführt, die seinen Prognosen sehr nahe kommen: der Zerfall der Christdemokraten und die Entstehung eines rechten Bündnis unter maßgeblicher Beteiligung der Neofaschisten!

 

[3] Freikorpsmitglied, während der französischen Ruhrbeset­zung wegen Sabotage hingerichtet, von den Nazis zum Märtyrer stilisiert.

 

[4] gemeint ist China etc.

 

[5] gemeint sind die Reichstagswahlen vom 31. 7. und 6. 11. 1932, es müsste oben wohl 'vorletzte' statt 'letzte' freie Wah­len heißen.

 

[6] britischer Gewerkschaftsdachverband

 

[7] Präsident von Südkorea

 

[8] Damals war ein Pfund noch 20 DM wert - und die Mark auch noch mehr als heute

 

[9] Er kann damit nur die 'Goldenen Zwanziger' zwischen dem Ende der Inflation 1923 und der Weltwirtschaftskrise 1929 meinen, in denen die Nazis und andere völkische Gruppen in eine tiefe Krise gerieten. Tatsächlich war dieser Auf­schwung natürlich viel schwächlicher als der Nachkriegsauf­schwung ab 1948.

 

[10] Meine Wörterbücher haben mir nichts über diese Spiele verraten

 

[11] sowjetischer bzw. US-Außenminister

 

[12] 'Der Vikar von Bray' ist 'wohl das einzige politische Volkslied, das sich in England seit mehr als hundertsechzig Jahren in Gunst erhalten hat', schrieb Friedrich Engels 1882 und übersetzte es eigenhändig (siehe Marx-Engels-Werke, Band 19, S. 309-311).

 

[13] Damals US-Präsident, sowjetischer Außenminister und britischer Premierminister

 

[14] französischer Außenminister