Semperit-lnfo

 

Die Semperit ist eines der traditionsreichsten österreichischen Industrieunternehmen und für die Region südlich von Wien von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Die Gemeinde Traiskirchen nimmt jährlich alleine 40 Millionen an Steuern durch den Reifenhersteller ein. Mit 2400 Beschäftigten ist die Semperit Pur den Arbeitsmarkt in der Region von enormer Bedeutung.

Die Semperit war bis 1985 im Besitz der staatlichen Bank CA. Die erste Krise durchlebte die Semperit im Zuge der durch den Ölschock ausgelösten Weltwirtschaftkrise Mitte der 70er Jahre, wo man jährlich etwa 600 Mio. Verluste einfuhr. Außerdem produzierte die Semperit mit veralteter Technologie. In der Reifenindustrie setzte sich nun eine neue Philosophie durch. Nicht mehr die Langlebigkeit, sondern der Komfort sollten nun an Bedeutung gewinnen - mit dem Ziel, so mehr Reifen zu verkaufen. Durch Zuschüsse aus dem Budget konnte der Standort damals am Leben gehalten werden. Da man für den internationalen Wettbewerb zu klein war, suchte man einen größeren Partnerin. Man ging damals ein Joint-venture mit der französischen Michelin-Tochter Kleber ein. Die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse der Semperit nutzte Michelin, Semperit zog aus der Kooperation keinen Nutzen.

Die Semperit hat in Österreich einen enorm hohen Marktanteil von etwa 60%. Jährlich werden 4,1 Mio. Reifen hergestellt. Um aber international bestehen zu können, brauchte die Semperit einen Partnerin. 1985 verkaufte die CA um 440 Mio. die Mehrheitsanteile (95%) an den deutschen Konzern Continental, der in ganz Europa Produktionsstätten hat. Die Conti erhielt einen Bundeszuschuß von 1,2 Mrd., um die Fabrik nach internationalem Maßstab umzubauen, was zu großen Rationalisierungen führte (natürlicher Abgang, Frühpensionen). Die Conti gab im Gegenzug eine 10-Jahres-Standortgarantie ab. Die Semperit konnte unabhängig entscheiden. Schon im ersten Jahr nach der Übernahme verzeichnete die Semperit Gewinne. Da sich aber weder in der Produktion noch beim Verkauf etwas änderte, nimmt Artmäuer an, daß man vor der Privatisierung absichtlich negativ bilanzierte, um so das Werk leichter verscherbeln zu können.

1995 war die Standortgarantie abgelaufen. Die Conti verlagerte nun die Forschungs- und Entwicklungsabteilung nach Hannover. Dies ließ schon damals bei vielen die Alarmglocken läuten. Zur Besänftigung des Betriebsrates und der Regierung stimmt die Conti einer 120 Mio.- Investition in die LKW-Fertigung zu, was das Weiterbestehen dieses Teils der Semperit sichern sollte. Der Betriebsrat verzichtete deshalb damals auf Kampfmaßnahmen. Die Semperit war aber mit der Verlagerung der F&E nur noch eine verlängerte Werkbank.

Ein weiteres Problem war der de facto-Wegfall des Japan-Geschäftes mit dem EU-Beitritt. Die Semperit profitierte von einem Abkommen mit der japanischen Automobilindustrie, das Japan verpflichtete österreichische Autozulieferprodukte im Gegenzug zu Zollbegünstiungen für japanische Autos beim Export nach Österreich zu beziehen. Noch 1994 gingen 60% der Semperit-PKW-Reifen nach Japan. Die Conti hatte somit einen Zugang zum japanischen Markt. Mit dem EU-Beitritt fiel diese Begünstigung für die Semperit weg. Das Japan-Geschäft fiel somit nahezu zur Gänze weg. Die Conti versucht nun von Osteuropa aus, Japan zu bedienen. Nun wurde bekannt, daß die Conti die PKW-Reifenproduktion, das Herzstück des Traiskirchner Werkes nach Tschechien verlagern will. Die Auslagerung des Standortes zeichnete sich schon seit einiger Zeit aus. 1995 mußte die Semperit an Conti eine fette Dividende von 400 Mio. abführen. Außerdem wurden 1995 60% des tschechischen Reifenproduzenten Barum mit Semperit-Kapital erworben. Die Conti hat somit 1995 1,2 Mrd. öS an Kapital aus Traiskirchen abgezogen. Trotzdem hat die Semperit mit 60% noch immer eine enorm hohe Eigenkapitaldecke.

Die Conti betreibt seit einiger Zeit eine weitreichende Standortverlagerungspolitik, die zu einer Umstrukturierung des gesamten Konzerns führen soll. Es wird in Indien derzeit ein Werk ausgebaut, wo die Herstellung eines Reifens (inkl. Frachtkosten nach Europa) nur noch 20 DM kostet. Die Barum verlagert nach Polen, und die derzeit in Polen ansässige Produktion geht nach Rußland. Dem konzernweiten Kostensenkungsprogramm soll nun die Semperit zum Opfer fallen. Hintergrund für diese Umstrukturierung ist das Ziel des Continental-Vorstandsvorsitzenden von Grünberg die Dividende von derzeit 1,8% vom Umsatz binnen 5 Jahren auf 8% zu steigern.

Aufgrund des Medienrummels und der ersten Proteste nahm die Conti davon Abstand, die gesamte PKW-Reifenproduktion auszulagern. Nach letztem Stand soll die Semperit jährlich etwa 400 Mio. einsparen. Die Conti will offensichtlich mit einer "Salamitaktik" die Semperit stillegen. Derzeit käme eine Schließung zu teuer. Etwaige Sozialpläne würden etwa 3 Mrd. öS kosten. Um die Kosten für eine Schließung zu reduzieren, soll zu erst das Personal reduziert werden. Was die wahren Intentionen der Conti zeigt, ist ihr beharrliches Ablehnen einer Standortgarantie. Durch das Sparpaket wurde schon die Zahl der LehrausbildnerInnen halbiert, statt 8 sind nur noch 5 Lehrlinge geplant. Die Conti fordert auch eine Auslagerung der Werkstätte, der Werksküche und des Reinigungsdienstes. Dies würde die Stammbelegschaft reduzieren, den Betriebsrat schwächen und die Bedingungen für die Arbeiterinnen in diesen Bereichen verschlechtern. Der Betriebsrat kann sich als "gutes Zeichen" für 1997 eine Nullohnrunde vorstellen. Artmäuer ist sicher aber klar, daß auch solche Opfer den Standort nicht sichern werden können.

Der Angestellten-BR Böheimer kündigte aber schon seine Zustimmung zum Sparpaket an. Das Personal soll reduziert werden. Mit dem ersparten Geld soll aber die Semperit zurückgekauft werden. Dies ist aber genauso unrealistisch wie die Ankündigung des Traiskirchner Bürgermeisters die Semperit zurückzukaufen, da dies nicht in das Konzept des Conti-Vortsandes paßt.

Da die Barum expandiert, wird sie neue Maschinen brauchen. Der Betriebsrat nimmt an, daß diese Maschinen direkt aus dem Traiskirchner Werk kommen sollen. Um nicht große Proteste auszulösen, wird die Conti wahrscheinlich eine Politik der kleinen Schritte machen und immer nur einige wenige Maschinen auslagern. Bei sinkender Konjunktur wird dies auch leichter zu bewerkstelligen sein. Artmäuer kündigte an, daß für den Fall, daß die ersten Maschinen hinausgeschafft werden, gestreikt werden soll. Wichtig wird es sein, auch die anderen Conti-Fabriken miteinzubeziehen. Am 19./20.5. wird in Traiskirchen ein Treffen aller Konzern-BetriebsrätInnen stattfinden, wo über einen konzernweiten Widerstand beraten werden soll. Artmäuer hält einen Streik in allen EU-Standorten für eine anzustrebende Maßnahme. Die Streikkasse wäre voll!

vom 29.04.1996